Carl Hauptmann Panspiele Carl Hauptmann Im goldenen Tempel-Buche verzeichnet (Nach einer japanischen Skizze) Dichtung in drei Vorgängen (Hinter Schleiern zu spielen) Personen Personen. Der Kaiser. Giwau, dessen Geliebte. Tozi, Giwaus Mutter. Ginyo, Giwaus jüngere Schwester. Hotoke, eine junge Sängerin. Diener. Dienerin. 1. Vorgang Erster Vorgang Der vordere Raum der Bühne ist rechts und links je durch eine Wand mit Tür, nach der Tiefe durch einen kostbaren, zweiteiligen Vorhang begrenzt. Wenn sich der Vorhang auseinander breitet, sieht man Stufen, die zu einer freien Terrasse mit Säulen und Gewinden führen. Dort oben stehen ein paar vornehme Ruhebetten. Durch die Säulen sieht man in die Gärten des Kaisers, darüber der Abend sich legt. Der Vorhang ist halb geöffnet. Tozi und Ginyo, Giwaus Mutter und Schwester, kommen von links aus der Tür. Gleich danach erscheint aus der rechten Tür eine Dienerin. Oh! in der jachen Unrast unsrer Stunden ein Weilchen Frieden, Herrin! Deine Tochter schmückt sich. Die stille Abendfeier, wo der kaiserliche Herr, ganz hingegeben, dem Laut aus Giwaus keuschen Lippen lauscht und des verzückten Reigens brünstigem Zwange nachstarrt, ist nicht mehr weit. Sie summt schon leise die Lieder, die der Kaiser gerne hört. Nur sage Giwau, dass die Mutter und die Schwester Ginyo zu ihr kam. Sie möchte sich ja beeilen, eh die blauen Blüten im Tanze vor dem Kaiser niederwirbeln aus ihrem vollen Haarkranz. Abendstrahlen umfluten schon den Weg. Die Sonne taucht in Busch und Wipfel ein mit goldnen Säumen. Und Mutterliebe will die Schleierstimme der Tochter nicht nur träumen, wirklich trinken, wie reichen Seelenlaut im Garten Gottes. Die Tür zur Rechten hat sich geöffnet, und Giwau ist kindlich bewegt erschienen, in Freude über ein köstliches Perlengeschmeide, das sie im Begriff ist sich umzulegen. Du Mutter! sieh nur, sieh die seidigen Perlen, die mir der Kaiser gestern umhing. Oh, er liebt mich, Mutter, liebt mich ohne Mass. Wie reiner Morgen liebt den weiten, dunklen, lautlos erstorbnen See der Traurigkeit, darin in goldner Flut die Nacht versinkt. Nein, Mutter! Grenzen nicht der Huld und Gnaden erkennt er noch. Erhöhen! Nur erhöhen! von Tag zu Tage mehr, ganz ungestüm. Sein Wink häuft Schätze mir und Euch ... und Schönheit, so dass ich wirklich wie von Genien behütet bin. Und seine dunkle Stimme rühmt unablässig mich – nur mich! – nur mich! »Du, Giwau«, sagt er – – zärtlich drohend. Schatz, rühm dich nicht selbst! Des Liebeswahnes heisse Worte irren und zücken bandenlos, wie helle Blitze in Wolken zücken. Und schon ist es Nacht. Lass selige Liebesworte nur dein Auge sanft hellen, ganz von ferne, wie ein Blick, der ungehört vergeht und Lächeln macht. Und sprich sie höchstens einmal leis, in Glücke, wenn du mit dir allein bist, so nur hin –: wenn du, erschauernd von dem jungen Wein, das höchste Gut ermessend, noch tief sinnst. Doch ja nicht laut der Liebe Stammeln, Kind, und nicht vor andern! Ach, die Zeit ist Flucht! Nein, Mutter! nicht doch! – Nein, so flüchtig ist die Glut der Liebe meines Kaisers nicht. Nein, allzu kleinmütig ist meine Seele noch nicht geworden. Ach, es ist so süss, so Tag um Tag und Jahr um Jahr geborgen am selben Baume ruhen, an derselben kristallnen Quelle meinen Durst zu stillen. Oh Mutter! Huldvolle! nur preise fröhlich mit mir das junge Licht, das sonnenflutend mein winziges Leben einhüllt! Rühm mich hoch, dass meiner Schönheit züchtiger Tulpenbaum so ewig Gaben vor den Kaiser hinstreut. Du liebe Schwester Ginyo, Morgenschein ist nicht so sanft, wie du. Und sanfte Mutter, du hohe Hüterin! – Dass ihr mir lebt! Mein Gott! Der Kaiser kommt den Myrtenweg, im Schatten wandelnd. Der Geliebte kommt! Ein Sinnen um die Lippen. Und ein wenig schon Ungeduld. Er kann es nicht erwarten, mich anzusehen mit den saugenden, geliebten Blicken. Oh! Zeit, stehe still! Er kommt verlangend. Roten Blumenkelch schwenkt er in lässigem Tändelspiele immer nur auf und nieder mit der schlanken, weissen, beringten Hand. Giwau küsst eilig Mutter und Schwester, indem sie sie zur linken Tür geleitet. Geliebte, nehmt nur mit euch so viel, als eure Seele fassen mag vom heiligen Wunder Liebe, das ich lebe. Mutter und Schwester gehen mit zärtlichen Blicken auf Giwau ab. Giwau ist ganz leicht auf Zehen wieder zur rechten Tür hinübergeschlichen, immer in beglückt lauschender Haltung. Dort steht sie, im Begriff in die Tür zu gehen, gespannt den Kopf leicht nach dem Garten rückgewendet. ist vom Garten her auf Terrasse und Stufe erschienen und schlägt achtlos eine Vorhangfalte zurück. Nun, Giwau! Seele meiner Seele! – Du! – So zärtlich aufgereckt! – Der Abend kam. Die Blüten allenthalben in den Büschen verschenken Duft, der Sehnsucht weckt. Und drüben, dort, wo im Teiche sich die weissen Säulen des Tempels spiegeln, klagen schon die Schwäne, und ziehen Nebel aufwärts. Und ich komme ... Ganz nur von ferne, vielgeliebter Mann! der du ja Kaiser bist, mir zu gebieten! Doch weil du in dem Reiche meiner Gnade ein Nichts dich dünkst, Herr Kaiser! will ich wagen zu bitten –: Nur von ferne sollst du jetzt in stummer Feier Giwaus Stimme lauschen und nicht das Traumbild ihres Liedes stören durch Ungestüm! – – Nur später! – später – wenn der Mondstrahl lautlos fällt, die bleichen Rosen der dunklen Wasser ihren Schoss auftun dem mitternächtigen Licht im weiten Raum, da wollen wir ins Dämmer-Flüster-Reich der seidnen, reichbesternten Wasser gleiten und in das Flüsterreich der Liebesschwüre weit fortziehn ohne Zeit. – – Nur manchmal noch vom Boote wie im Traum die Hand eintauchen, die heisse Wange mit der Flut zu kühlen. ist lachend, während zwei Diener den Vorhang auseinander gebreitet, zu einem der Ruhebetten hingegangen. Hier sitzt sich's gut. Nun also, Giwau, singe! die noch zögert. Bist du schon herrisch? Willst du nicht mehr hören, was meine Seele dir noch eben sanft in Lüfte hingemalt? lacht. Ganz nur von ferne. unterdessen um sie Dienerinnen mit Schleierwerk, Harfe und einem Kranz aus blauen Kelchen erschienen sind, steigt langsam die Stufen empor. Bis – ach! – der Mond im Flutgeriesel auf und nieder tanzt mit blanken Silbersternen! und du von meinen willenlosen Lippen Feuer und Duft und Atem saugst der Liebe. Sie hat während dieser Worte gedankenlos den Kranz ergriffen und sich ins Haar gedrückt. Der Kaiser ist in ihren Anblick versunken. In diesem Augenblicke hört man von links eine sanfte, aber heitere. Nein, nein! lasst mich nur zu ihm, ihm zu tanzen und ihm zu singen! denn ich bin Hotoke! Hotoke! Ruhm und Preis ist mein! Hotoke! Nicht süssere Lieder sang ein Mädchenmund jemals in diesem Lande. Also loben die Dichter meinen holden Seelenlaut. Und meiner Tänze reiche Linienspiele malt nicht die Sonne in die klaren Wellen des Baches, malen Wolken nicht auf Wiesen, wenn schöne Wolkenschattenleiber langsam auf Erden hinziehn. – Oh lasst mich zum Kaiser! Hotoke ist, von Dienern zurückgehalten, hereingestürmt und steht an den Stufen vor dem Kaiser, der sich wie ermannt, fragend Giwau ansieht und dann ein achtlos strenges Gesicht Hotoke zuwendet. die ihre lieblichste Miene zeigt, verbeugt sich tief vor dem Kaiser. Oh! – Kaiser! – Ich bin deiner Hoheit Magd! Ein lieblich Mädchen bin ich – – bin Hotoke! streng. Hotoke? – Wer? – Wer ist denn nur Hotoke? Gerühmt im ganzen Land? – Weil ihre Brauen, Sammetbändern gleich, die weisse Stirne zieren? der Stimme Wohllaut tief und lieblich tönt? und weil du deinen jähen, schlanken Leib sanft schlingen kannst, wie Ranken um den Stab, so um den Harfenklang? Was willst du hier? Dir Lieder singen, Kaiser! – – von den schönsten, die je ein Herz ersann! – – Dir tanzen, Kaiser! den tiefsten, süssesten, geheimsten Schmerz, der je in jungem Leibe Seligkeit und Schönheit wurde – Kaiser –. Nur schweig still! – – Du, Giwau – Lieblichste, – du Gläubige! Du Gnadenspenderin, vergib der Frechen die sich herzudrängt! Mit einem harten Blick auf Hotoke. Fort von hier! Nun ganz nur Giwau zugewandt. Oh Giwau! Du Trank aus eines Alabasterbechers verborgener Kühle! – ja – wess' Lieder glichen den deinen? – oder wessen Tänze glichen dem Wunder deiner keuschen Gliederspiele? Nun wieder hart und achtlos gegen Hotoke geredet. Nur fort! – Ich hab nicht Sehnsucht. Hotoke steht tief beschämt. sanft zu ihr gewandt. Geh, Hotoke! Während Hotoke scheu und zögernd der Tür zuschreitet, redet Giwau freundlich in sie ein. Ich will den Herrn sanft machen! Hotoke ist jetzt scheu verschwunden. Oh, mein Kaiser! Sie ist ein heller Vogel, der in Lüften frei hinzieht, möwengleich – – ein Schwall im Meere, der sich mit feuchtem Tang und Perlenschaum bekrönt nur herdrängt ohne Arg. – Geliebter! Sie dachte nicht, dass Schmach und Rutenstreiche dort lauern, wo der Kaiser wohnt. Ja, Giwau? Ich sprach zu hart mit ihr? Nein, wirklich hart! Meinst du, dass sie gescheucht, beschämt, mit Tränen hinweg sich stähle, wenn du sie gerühmt? Nun! – – nicht gerühmt, nein, nein! Ruf sie zurück! Der Kaiser geht unschlüssig zum Ruhebett zurück. Dann gibt er einen Wink. Hotoke wird von Dienern wieder hereingeführt. Sie wagt nicht aufzublicken. zu der Zögernden. Der Kaiser wünscht, dass du vor ihm erscheinst. Du Gott der Lieder! meine Seele bangt noch, erzittert noch ohn' Halt. Du musst vergeben, Du gütige, reine Fraue, wenn mein Lied ganz eingeschüchtert jetzt und traurig hinströmt. Du brauchst nicht furchtsam sein, Hotoke, hörst du! spricht psalmodierend. Ich war wie Wind, flüchtig und leicht. Sonne hat nie mein Haar gebleicht. Mondstrahl hat meine Lippen gekühlt, der Liebe blühende Wunde. Oh, meine traurigste Stunde, wo mich der Kaiser geschlagen! Klagen – nur Klagen entströmen aus meinem Munde. Sie hat ganz verschämt innegehalten und sagt entschuldigend. Oh – ich bin noch in Schreck – ich finde nicht die Worte, die erfreuen. Singe weiter! spricht psalmodierend. Ich bin die Nacht, traurig und schwer. Keine Sterne scheinen. Und finster her ziehen nur, dunkle Gewande, die Wolken über die Lande. Kein Mondstrahl mehr meine Lippen kühlt. Oh! meine traurigste Stunde! Ich habe so brennend, so brennend gefühlt den Zorn, der mich hart geschlagen. Klagen – nur Klagen entströmen aus meinem Munde. ist ganz in Hotokes Anblick versunken. Ich bin eine Löwin, schmiegsam und kühn, Die es bemerkt hat, beginnt leidenschaftlicher ihren Ton zu heben. treibe in Wildnissen, wo die dunklen Rätselblumen blühn, ruhe in Schattennacht, spiele im Sonnenschein, rufe und rufe nach Einem! – – Mein Herz ist toll, ist von der Sehnsucht übervoll! – – – Ach, wie ein Rauch in die Lüfte zieht, ist meine Blume Sehnsucht verblüht – – Sie hat ihrem Vortrag allmählich und besonders zum Schluss freie Tanzbewegungen hinzu gefügt, steht plötzlich still, atmet tief auf und sieht Giwau sieghaft an. die zu Anfang gelächelt hatte, ist während des Gesanges immer mehr erstarrt, hat in Gedanken den Kranz von ihrem Haar in die Hand genommen und dann achtlos ihrer Hand entgleiten lassen. ist ganz versunken. wendet sich zögernd zum Gehen. Nein, nein, ich kann nicht weiter – nichts gelingt. blickt Hotoke an und jedem ihrer zögernden Schritte nach, sieht scheu zu Giwau hin, deren Blick ganz in die Ferne der Gärten gerichtet ist. ist langsam nach der Tür gegangen. hastig. Hotoke! – – bleibe! – – bleibe! sich sanft, aber überlegen dehnend. Nein, nein, Herr! Lass mich nur fort von hier! – Denn sieh nur, Giwau, die gütige, schönste Frau ist ganz erstarrt. blickt scheu zu Giwau. die einige Schritte vorgetreten war, zögert Schritt um Schritt zurück. Stört Giwau dich, Hotoke? hat sich zum Gehen erhoben. sanft. Gehe, Giwau! Du brauchst ihr nichts zu sagen. Oh, sie geht. ist in hoheitsvollem Gange nach rechts verschwunden. steht hoch aufgerichtet und doch scheu. ruft. Hotoke! Hotoke sieht jetzt unverwandt, aber innerlich immer noch streng gebunden, den Kaiser an. Personen [1] Personen. Der Kaiser. Hotoke. Giwau. Eine Kammerfrau. Ein Diener. Vier Sklavinnen. 2. Vorgang Zweiter Vorgang Der Vorhang zur Linken ist so weit vorgezogen, dass vorn zwischen ihm und der linken Tür ein Raum entsteht, den man von den Ruhebetten auf der Terrasse aus nicht übersieht. Es ist alles noch wie im ersten Vorgang eingerichtet. Hotoke kommt Schritt um Schritt, lässig, verhärmt, vom Garten, vor sich hintändelnd, bis auf die Terrasse, indes die Kammerfrau zögernd hinter ihr drein geht. In gemessener Distanz von der Kammerfrau zögern vier Sklavinnen hinterdrein, von denen eine einen goldenen Becher, die andere eine Schale mit üppig getürmten Früchten, die dritte ein kostbares, mächtiges Buch mit Edelsteinen und goldenen Schliessen, die vierte ein Kästchen mit Juwelen trägt. die jetzt auf der Terrasse steht und unruhig immer wieder nach dem Garten zu ausblickt, redet nebenher unwillig. Nein – bringt mir nichts! – wenn es ihn nicht gereut um jede Stunde, die er ferne bleibt – um jeden Laut der demutvollen Liebe, die das verzehrte Herz ihm ewig zollt – und nimmer müde wird. – Nur geht – ich lache der Sorgfalt seiner Gaben so von ferne, wo nur die Sklavin tut, was er nicht tut, weil's längst zur Last ihm ist – Oh, Herrin – nein, Nehmt doch ein Stück Melone! – Diese Frucht, so kühl und duftig – Herrin, tut es doch! tut es dem Kaiser doch zuliebe – hört Ihr! hüllt sich, müde und gequält, in die kostbare Brokatdecke und streckt sich achtlos auf das Ruhebett, wobei ihr die Kammerfrau behilflich ist. Warum lässt er mich heut allein? – nun? – sprich! Heut – wo es draussen harte Tropfen träufelt und über alle Welt die Trauer ausgiesst. Noch müder schleicht mein Boot in finstrer Flut dahin – ganz unterm Lastenhimmel der Enttäuschung. Im Wachtraum meiner Sehnsucht dünkt mir Liebe ein Lied des Wahns und nie stillbarer Schmerzen – aus eines Kindleins weichem Lippenflaum hinausgesungen wie ein Sieggesang, der nur die Herzen tört, die er zerbricht. hat den goldenen Becher genommen, ihn Hotoke hinzureichen. Nehmt einen Schluck nur aus dem Becher! unwillig zu den Sklavinnen gewandt. Fort! Ich habe kein Begehr – so höre endlich! Und schick sie fort – die Sklavinnen! Ich will es. Ich kann das Wispern mit den Muschelketten nicht hören – und den Ambraduft nicht leiden aus ihrem Haare. – Störe mich nicht weiter mit diesen Liebesgaben, die nichts gelten! Auch nicht die Blätter, die der Kaiser sandte, Euch zu erfreuen, wenn Ihr sie beschaut? Liebliches Märchenwerk ist drauf gebildet, die Schwermut und den Willen zu verscheuchen, der Euch gebunden hält. Oh, Eure Seele wird wie ein Kindlein werden, lachen wieder, so wie die Lerche lacht. Hotoke hat ihr einen funklen Zornblick zugeworfen. zu den Sklavinnen. Ihr seht es – geht! Die Sklavinnen gehen durch den Garten zurück und verschwinden. den Kopf ganz überrück, die linke Hand unruhig mit den Juwelenketten tändelnd, die um eine neben ihr stehende, hohe, goldene Vase nachlässig herumgeschlungen sind und herabhängen, plaudert hin. Ist es nicht sonderbar, durch alle Zeiten ist sie besungen – unsterbliche Liebe! Oh Blütenkelch von schwermütigem Duft – nicht lange, und du stirbst und hauchst Verwesung! Sie nimmt einen ausgelassenen, fast drolligen Ton an. Lachend. Was tu ich nur, wenn mir's so geht, wie Babbuk? dem Buckligen, dem armen Schneiderlein, dem Bruder des Barbiers – der ruhlos stichelt auf seinem Schneidertisch – und wahrlich arg die Finger sich zerstach – Was war's mit ihm? Du kennst den Babbuk nicht? – der in der Mühle am Fenster drüben nur einmal sie sah, die schlimmen Zauber warf – die Müllerin. Oh, Gott Gott Gott – der Narr, der schliesslich noch als Esel eingespannt ins Rad der Mühle bei Nacht das Mühlwerk umschwang – unterdessen der Müller Trauben kostete bei ihr – bei seiner Müllerin – So muss es kommen! Wer sagt mir, dass ich nicht ein Narr wie er? der arme Babbuk? – Ja, wer sagt es mir, ob ich mich nicht ganz hoffnungslos verzehre nach einem Blick, nach einem sanften Laut, dass nur der Kaiser einmal leise rufe: Hotoke! – und in meine Augen lache. Ich habe Zweifel. Zweifel quälen sehr. Ich sehe nur zu oft, dass er Geschäfte voranstellt aller Sehnsucht – rastlos ist – und nur zum Zeitvertreibe flüchtig tut, was mir ein Leben gilt – viel mehr als Leben. Ja, Herrin – das ist alt. Des Mannes Leben ist Tun – nur immer Tun. – Sie dünken sich in diesem ewigen Tun – und Macht erringen und Ehr und Ansehn – dünken sich die Männer doch wunder was – und recken ihre Hälse. – Und viel ist nicht dahinter – glaubt mir's – nirgend. Ein Mann ist gar nicht wert, dass sich ein Weib das Herz nach ihm zerreisst, dass sie ihn gar anbetet, liebt, inbrünstig, demutvoll, ganz Kind in seinen Armen – er indessen berechnet und verfügt – will dies und das besitzen und ergreifen – Sieg gewinnen, und wenn es gleich um nichts ist – Herr sich fühlen – es muss ein schön Gefühl sein – bläht die Brust. Ja ja, so ist es, liebe Kammerfrau! Und dann das Allerschlimmste – die Gelüste! Kannst du mir sagen, ob den Kaiser nicht nach Giwau gestern, nach Hotoke heute gelüstete – und dass er morgen schon Hotokens Seele gar nicht mehr begreift und wegwirft wie ein Baum die reife Frucht. Oh, Kammerfrau – es fliessen meine Tränen. Sie liegt hingestreckt und hat die Augen geschlossen. Ich will allein sein. – Nein, nicht weiter reden! nicht denken – auch nicht träumen will ich mehr – nur noch das Herz ganz ferne schlagen fühlen. Sie hat sich plötzlich hastig erhoben. Nur wenn der Kaiser käme – Ruht nur still! Ihr wisst, ich wache, Herrin. hat sich wieder zurückgestreckt und die Augen neu geschlossen. Danke, Liebe! In diesem Augenblick ist der Kaiser geräuschlos und ungesehen zur linken Tür hereingeschlichen und steht lauschend in der Nische des Vorhangs. geht, den Blick sorglich nach Hotoke wendend die Stufen nieder, wo sie den Kaiser erblickt. Sie spricht leise zu ihm. Herr, nur erschreckt die Herrin nicht. Sie ruht. Kam Giwau nicht? auf ihrem Ruhebett sich allein glaubend und vor sich hinplaudernd und seufzend. Nein, meine Lieder sind ganz ausgetrunken. Der Quell ist leer. – Ich bin jetzt ganz verstummt. Heimlich geschüchtert von der kranken Schwermut. Ich mag nicht singen – mag auch nicht mehr tanzen! Die unschuldvolle Lust ist mir entwichen, die ruhig strahlte, wie der Morgenstern. Sein Auge ist auch achtlos. Ehedem sah mich sein Auge an mit ruhiger Fülle, als breitete sich seine tiefste Seele um meine Seele wie ein reicher Mantel, als wär sein Auge wie ein tiefes Meer der Gabe seiner Liebe, die mich hüllte, mich trug im Jubel – schwelgend im Umfassen. – Nun ist sein Auge flüchtig – irrt leicht ab – denkt heimlich dies und das – will freilich scheinen, dass seine letzten Gründe mir sich auftun, wo im Verborgenen doch ein Rechnen geht ob dies und das – und seiner Liebe Mantel ganz eingefaltet, wie ein Falterflügel in seine Hüllen längst verschlossen ruht. gedämpft aber erregt zur Kammerfrau. Bei meiner Kaisermacht! Wo bleibt nur Giwau? ganz erstaunt. Wie? – Giwau? Zweimal hab ich Diener hin- gesandt zu Giwau – hab sie heissen kommen, Hotokens Grübeleien und Misstrauen ganz mit ihrer Lieder Demut zu zerstreuen. Wenn Giwau jetzt zum dritten Male wagt, sich wegzuwenden – wieder nur die Diener umsonst rückkehren – nun, dann mag der Hass, der aufbrennt, Giwau treffen! Die letzten Worte hat er in plötzlichem Überwallen laut gesprochen. auf ihrem Ruhebett, wie aus Träumen aufgeschreckt. Kammerfrau! Ein trüber Unstern brütet heute. – Giwau! Wer schreit den Namen Giwau laut heraus, der mich wie keiner schreckt? hat sofort eine sorgliche Freundlichkeit angenommen und eilt bis an die Stufen zurück. Geliebte Herrin, der Kaiser kommt. ist sogleich freudig aufgesprungen. Der Kaiser? – ja? – er kommt? Liebt er mich noch? Denkt er noch manchmal mein? Bin ich ihm nicht zu freudelos und arm? zu matt das Leben in mir? Ist er nicht erzürnt, dass meiner Lieder Quell versiegt? der süsse Schwung des Tanzes hingeschwunden –? – dass ich mich nur wie eine Hündin müssig hindehne, träge, wach nicht und nicht schlafend – und ohne Grund gequält und ohne Ziel erstarrt ausspähend. – Lieber Herr, das Auge, das trüb geworden, sieht die Sonne nicht, wenn sie auch strahlt. ist während dieser Worte langsam und zärtlich die Stufen emporgeschritten. Geliebtes Leben! – Kind! Du Seidenweiche! nur was redest du im Unmut ewiger Zweifel? scheu, ohne ihm entgegen zu gehen. Lieber Herr, nur sage mir, warum sprachst du von Giwau? warum riefst du nach ihr? Bist du es müde – des weissen Leibes? – meiner brünstigen Lippen? – des sanften Schmerzes von dem Biss der Zähne? Hegst du neu Sehnsucht, wie der Wind hingeht? während Hotoke spröde und zögernd rückwärts zum Ruhebett Schritt um Schritt heran tritt. Nein nein, Hotoke! – Warum stehst du scheu nur weggewendet? – Warum zweifelsüchtig in Ferne bleiben? Stolze, die du bist! Nein, Giwau kommt, die reichsten Tongespinste und ihrer Tänze Feier still entfalten, dass sich der Seele heisses Flammenfeuer, aus deinen Augen tief in meine Augen, wie Steine blitzend, fängt. Ich gab Befehl ... ihm ins Wort fallend. Dass Giwau komme – so wie eine Magd, die man bestellt, dass sie der Herrin tanze? Mir? – Mir? – Hotoken – alle Zukunft hülle, dass ich es bin? – dass ich es wieder lebe – die einzig Auserkorene meines Kaisers? die Königsblume üppiger Tempelgärten? Bei diesen Worten ist sie ganz erblasst. ängstlich. Geliebtes Kind – was tust du? – Nein, Hotoke! Du schreckst mich wirklich. – Wie der Morgenhimmel, eh noch das grosse Licht sich angezündet, so ätherbleich wirst du – und ohn ein Fünkchen von Frührot. – Liebchen – bitte, bleibe still – und lege deine lieben, schlanken Füsse in meines Kleides Saum! – Wie einst der Heilige zwei weiche, weisse Kätzlein zärtlich so im Zipfel seines Mantels barg, will ich stumm bei dir sitzen – ganz nur deines leisen, geliebten Lebens Atem heimlich fühlen. wieder mit geschlossenen Augen daliegend, sagt vor sich hin. Nein, nimmer wirst du je um meinetwillen so tief erniedern, die du einmal liebtest. In die Ruhe, die eingetreten ist, hinein erscheint von links im Schutze des Vorhangs. von einem Diener begleitet, in Trauergewändern. sehr leise redend. Der Kaiser gab Befehl – er hiess Euch bitten ... steht von dem Eindruck der alten Umgebung erschüttert. Sie spricht wie eine Statue tonlos für sich hin. Es gibt nicht viel der Orte – wenn wir sie erblicken, da versteint das arme Herz noch vollends – und das bisschen Leben stockt vom kalten Wehen der Erinnerung, die auferweckt ist und leibhaftig ist. – Erinnerung, die kaum ein Traum nur, ferne sonst manchmal zärtlich rief – die nicht mehr, ist. An diesen Orten dünkt's mich all zu kalt, als wachte eins in Gräbern auf. – Ach Gott! wo muss ich wandeln? – wo nur steh ich hier? Vom Tode aufgeweckt der Liebe Klang, dass er sich still erhebe! – Nein – ach nein! Lasst mich nur wieder fort von hier! Ich fleh Euch! Ihr wisst es, wenn des Kaisers Hass aufloht, wird er nicht Euch allein, auch Eure Mutter, auch Eure Schwester wird er töten heissen. Huh! – ja – ich weiss. – Ach Gott, es schadet nicht. Mein Herz ist eine kühle Marmorschale, die einsam auf dem Teiche ragt. Oh glaube, der blauen Wunderblüte reinster Kelch ist längst verblüht. – Die Seligkeit der Liebe ist hingeschwunden. – Einmal liebte ich. – Und einmal musste meine Seele sterben. Jetzt fürcht ich keinen Tod ... Sie ist in diesem Augenblicke sanft vor die Stufen getreten. hat Giwau sofort mit funkelndem Blick gesehen. Sie schmiegt sich an den Kaiser. Hilf! – rasch bedecke mich mit dem Schleier! – Der Kaiser ist selbst über Giwaus plötzliches Erscheinen betroffen. Er hält Hotoke sanft zurück, während er den Blick auf Giwau richtet. Hotoke klammert sich ängstlich an den Kaiser. Der Diener macht vor den Stufen eine demütige Geberde der Einführung, während Giwau sanft heran schreitet. Herrin – ach – nicht Furcht! Der Becher Leides ist ganz ausgeweint – und alle meine Tränen ausgetrocknet. Ich will dir gerne singen, was du willst, von fremdem Glücke – von den Heimlichkeiten des Herzens – von der Seele Meereswogen, wenn sie hinrauscht, die volle, goldne Flut im Sonnenglanz. – Jetzt ist's ein fernes Wähnen. – Jetzt ist es nicht mehr mein – und das ist gut. Mein Herz ist jetzt ganz still. Mein Herz ist Stein. Sie beginnt ein paar Akkorde auf der Lyra und spricht dumpf psalmodierend und starr. Du trägst einen Ring von Golde schwer, die süsse Liebe, die unbetrübt. Hüte den Ring vor den Tiefen im Meer – Vereinsamt blutet das Herz, das liebt. Sie spricht die folgende Zeile ganz demütig entschuldigend zu Hotoke und dem Kaiser hin. Mein Herz wurd zu Stein. Dann spricht sie weiter dumpf psalmodierend. Einmal an Glanze Hotoken gleich, bleichte mein Stern. – Tief Nacht es scheint. Hüte dich vor, den schmerzenreichen Tränen, die Giwau der Liebe geweint! Hotoke hat sich immer leidenschaftlicher aufgereckt und vom Kaiser gehalten, immer erstarrter dem Gesange Giwaus gelauscht. Personen [2] Personen. Giwau. Tozi. Ginyo. Hotoke. 3. Vorgang Dritter Vorgang In der Ferne hohe Schneegebirge. Es ist in einem tieferen Waldtal eine Lichtung. Felsen zur Rechten. Eine Felsschlucht tiefer links. Darunter steht eine Hütte aus Astwerk, umblüht von Schlinggewächsen. Ein paar hohe Bäume vereinzelt vorn. Auf einem Stein vor einem Loderfeuer, sich Kerne röstend, sitzt Ginyo im grauen Kleide der Siedlerinnen. Tozi, die Mutter, ebenfalls als Siedlerin gekleidet, sitzt auf einem Baumstumpf vor der Hütte, ein altes Pergamentbuch auf den Knieen aufgeschlagen. Es wird jetzt kühl. – Die blauen Fröschlein preisen in Blumenkelchen ihren Abend ... Und das Rauschen aus der Schlucht steigt voller auf ... Und Bienen ziehn mit sanftem Summen heimwärts ... versunken. Nur lausche, Kind, dem Frieden! Es bleibt eine Weile tiefe Stille, während sich Ginyo am Feuer betätigt. Oh mein Gott! Warum der Mensch wohl Bild an Bild erschaut, und wie Verkündetes im Auge ansieht, wenn er so für sich sinnt? ... Erklär, mir's, Mutter! aus ihrem Buche aufblickend. Wachend und schlafend, immer schafft die Seele am Wunderwerk der Sehnsucht. Wesenlos und unberührt sind ihre Traumgesichte, gewirkt aus Leid und Leben, wie aus Licht. Wahnspielen gleich – ein Nichts ... ins Lesen vertieft, nebenbei. Und doch die Macht, die dir die Welt und dich der Welt verbindet. Ein heiliger Bund webt so von Seele hin zu Wesen, dass sie fest einander halten ... trotz Bangigkeit ... Und nicht ein Stein – ein Blatt ist aus der Einigkeit je ausgestossen. Was fällt, das klammert sich im Fallen gleich an irgend etwas, das im Wege liegt. Es bleibt wieder eine Weile tiefe Stille unter den Frauen. Wo bleibt nur Giwau, Mutter? Kind, du weisst, sie braucht die Menschen nicht mehr ... geht für sich. Sie wird schon wiederkehren ... eh die Nacht im Wald die Stimmen weckt, die einsam rufen. Es ist wieder eine tiefe Stille eingetreten. Oh, Mutter, Leid kam viel. Das Leid hat Giwau mit harter Krallenhand berührt ... so hart, dass fast ihr Leben hinschwand ... als sie dort, vom Kaiser vor Hotoken hingezwungen, ihr Selbst vollends zerbrach ... nicht, liebe Mutter? antwortet nicht. Nein nein, es macht nur Müh, die Bitternisse noch alle zu erinnern ... Gütiger Himmel! 'ne Dienerin sein, dort wo man Herrin hiess, und heiter sein, um Schwermut zu verscheuchen der, die das Herz uns brach! ... Du heilige Göttin, vergib Hotoken und vergib dem Kaiser für solchen argen Frevel! ist stumm ins Lesen vertieft, achtet gar nicht. Mutter, sieh ..! Ich schütte auch der Göttin jetzt ein paar Röstbohnen aus ... wo doch der Abend kommt. Sie hat das gern. Es ist ihr wohlgefällig, wenn wir ihr opfern, was uns Leben ist –: Speise und Trank ... und manches ... Tu es, Kind! Und Giwau bringt ihr wieder Blumen ... Blumen! Ja, ganz gewiss bringt Giwau wieder Blumen! Es bleibt wieder eine Weile tiefe Stille. Weisst du es noch? Was soll ich wissen, Kind? Den Tag, wo die Erlösung kam? O Preis! Den Tag vergisst kein Mutterherz. Da war's –: – Wie ganz versiegt der Seele Brunnen schien, ganz liebeleer, ganz ausgeschöpft vom Kummer, ganz nur ein Bett aus Stein, eiskalt geworden, und Giwau dachte, dass sie keines Dinges sich mehr erfreute in der Welt der Trübsal ... da war's, dass einer Amsel Laut so brünstig und sanft aus Wipfeln niederträufelte ... ein Lied, vom schwarzen Vogel unermüdlich tiefer Vereinsamung zum Trost gesungen: – bis sie es hörte –: – unermüdlich klang es –: – bis sie es voll gewahrte ... zärtlich lachte ... sehr sanft für sich nur ... wie zum ersten Male ... Und so ihr Herz auf einmal ganz gesundet ... heiter. Ein neues Herz ward ... Herze ohn Erinnern ... das unbegreiflich selig hinlebt. Oh, dem Himmelsvater Preis und Dank für Giwaus neu-fröhliches Aufblühn aus dem bittren Tode. Nun ist sie frei ... der Lüfte Waldgespielin ... mit Kranze schmückt sie sich ... ihr Haar weht hin ... sie kommt mit Blumen an den Bach ... und wirft verträumt in Wassersturz und eilige Schäume Blüte um Blüte, dass sie ewig kreisen ... Und lächelnd kniet sie vor dem Waldtier ... kichernd lockt sie den Häher aus den Zweigen nieder ins Waldgras ... und ihr leises Stimmlein ist, als hätte Wind ganz weit, weit hergeweht ein seliges Lied aus himmelblauer Ferne. Giwau in ärmlichem Gewande, einen Kranz im verwehten Haar, Kränze und Blumen über Armen und im Schoss des Kleides, kommt unter den Worten der Mutter achtlos heran, ganz mit sich beschäftigt, auf halbem Wege zurücklauschend und dann, wie irgend etwas Entferntem kindlich zulachend. die ihr Buch in die Hütte getragen, geht Giwau einige Schritte entgegen. Nun? ... heilige Einsame ... bring nur die Kränze ... und leg sie Ginyo und auch dir zu Häupten auf deine Lagerstatt! ... Geliebtes Kind, bist du nicht endlich müde? schüttelt den Kopf. Gar nicht müde? und hast doch Hand und Fuss mit Dorn geritzt? Oh, was für Wunderblumen du nur findest in unsern Schluchten! Solche sah ich nie, wie hier in diesem Kranze! ... Möchtest du nicht den schönsten unserm Himmelsvater weihen, der jetzt sein Auge zuschliesst ... und doch wacht ... ein ewiger Täter und ein ewiger Schläfer ... des Milde wir vertrauen, wenn wir jetzt neu in die Nacht einsinken ... wie der Keim der in der Erde stumm zum Frühling hinschläft ... Denn immer ist aus jedem Schlafe noch das selige Schauen neu erwacht. – Kommt, Kinder! wie alle Dinge sich die Hände reichen, so tun auch wir es, unsern Gott zu preisen. haben sich an der Hand ergriffen und singen in kindlichem Dreiklang, mit aufgerichteten Blicken. Abend, der selige Abend kam, hinschwebend mit Flügeln über die Flur. Die Blumen neigen sich nieder –. Die Wasser steigen in Schleiern empor und hüllen die strahlende Weite, und hüllen das strahlende, goldene Tor. Abend, du selige fromme Stunde! Abend, dich preisen wir! Abend, dich preisen mit frommem Munde deine seligen Bräute. Nach dem Gesange gehen alle Drei hintereinander in die kleine Hütte und schliessen die Tür hinter sich. Es ist bald tiefe Ruhe eingetreten. Sterne beginnen am Himmel zu blinken. Die Nacht ist ganz hell. Von rechts erscheint, müde mit einem Wanderstecken tastend, eine zarte Frau in Bettlerkleidern. Hier ist ein Quell. Hier will ich trinken ... Durst hat mich den weiten Weg gequält ... Gott! Gott! Der Frieden dieser Nacht ist grenzenlos. Hier will ich mir zum Lager Blätter, sammeln und schichten ... Da ... ist eine Siedelei! Dort ist die Hütte ... Doch die Siedelei ist ganz verschlafen ... Lied nicht, fröhliches Lachen noch Flüsterlaut der Beterin ist hörbar. Die Heilige, die das Volk weit preist, schläft still auf ihrer Matte hingestreckt. – O Gott! Nun seh ich einmal alle Sterne scheinen und möchte nicht zurück ins Sorgenland. Wie still der Wald rauscht! – Ob ich hier wohl klopfe? Sie hat an der Hütte angeklopft und lauscht eine Weile. Es bleibt ganz still. Und nur ein Dämmerfalter surrt durch die Nacht gespensterhaft. – Nun gut! Sie hat sich auf einem der Baumstümpfe vorn rechts niedergelassen. Wie ferne Ahnung kommt es .... Das Erinnern wacht wie ein Schemen auf, als hörte ich verklungene Worte neu verwehn ... Ich bin geflohen von der ersten Frühe, eh die Diener wachten, bis in Nacht ... bin müde ... bin matt geworden ... will die Augen zutun unter den hellen Sternen ... Nein, mir bangt nicht. Während ihrer Worte, die sie sinnend vor sich hinspricht ist Giwau völlig lautlos lauschend aus der Hütte getreten und nähert sich Schritt um Schritt ungesehen der im Selbstgespräch gebundenen Bettlerin. Und doch flieht mich der Schlaf noch. – Allzu seltsam erscheint der eigene Herzschlag ... allzu flüchtig, der sich von allen Wünschen schied ... O Gott! Nicht kenntlich bin ich mehr. Mein Kleid von Seide ist abgetan. Ich floh. Die Seele sehnte sich nach der Dauer ... nach dem Festgefügten ... einmal für ewig ... sehnte sich nach dem, was unverbrüchlich Ankergrund und Halt. Und meine Seele sehnte sich und ward immer geängstigt von der Flucht der Dinge, als hörte sie den Erdball rastlos kreisen. Und ewig quälte mich und drohte immer der Liebe letzte Qual ... ihr Tod. So floh ich ... floh ohne Ziel ... floh hungrig nach dem Frieden ... so wie der Wasservogel sich aus Dunkel der Nacht erhebt, dem Schein des Leuchtturms zudrängt. Niemand, auch der Geliebte konnte nicht die Qual bemeistern, die im Herzen wuchs ... was sie auch taten, mich zurückzuhalten von jenem Wege, der nicht wiederkehrt! Ginyo war während dieser Worte hinter Tozi aus der Hütte getreten. Beide Frauen stehen von ferne. Nun bin ich unter Sternen, einsam ... neu in mich zurück geborgen alle Triebe und atme Frieden ... Oh, wer weint? Mich dünkt, ich kenn den süssen Laut der Tränen! – Sie erhebt sich plötzlich und sieht Giwau. Beide erkennen einander. Ach! – Sie geht demütig zu Giwau. Unwürdig ganz, ich habe keinen Namen. Wer, weiss noch, wer er ist? des Wünsche starben. Ganz ferne rauscht das wilde, tiefe Meer der Sehnsucht, wie ein niebegriffnes Lied. Ich bin der Flucht der Dinge allzu müd ... und komme Frieden suchen zu dir her. Sie ist vor Giwau niedergesunken, und Giwau nimmt ihren Kopf lächelnd schluchzend an ihre Brust.