Friedrich Hebbel Genoveva Eine Tragödie in fünf Akten Vorwort Vorwort Von mehr, als einer Seite bin ich aufgefordert worden, dies mein zweites Drama mit einem einleitenden Vorwort zu begleiten. Ich kann mich nicht dazu entschließen, denn ich müßte zu weit ausholen, wenn ich auch nur darlegen wollte, in welcher tiefen Beziehung dasselbe zu meiner individuellen Lebens-Entwickelung steht. Einen Fingerzeig glaube ich mir jedoch erlauben zu dürfen. Wer die Idee des Stückes aufgefaßt hat, dem wird nicht entgehen, daß hier eine Handlung dargestellt wurde, die vieler Träger bedurfte, weil sie zwischen Tat und Begebenheit in der Mitte schwebt und schweben muß; ihn wird daher die schärfere Entfaltung der Nebencharaktere, wozu indes die alte Margaretha keineswegs gehört, überhaupt der architektonische Zuschnitt des Ganzen, nicht befremden. Noch weniger wird er fragen: was soll der Jude? was soll Fatime? oder gar: was soll der Tolle? Daß Golos Selbstverstümmelung am Schluß, dies einfache Ergebnis seines Charakters und der ungeheuren Situation, so wenig den tragischen Donner verstärken, als der poetischen Gerechtigkeit genug tun soll, versteht sich wohl von selbst. Übrigens ist ein jedes Drama nur so weit lebendig, als es der Zeit, in der es entspringt, d.h. ihren höchsten und wahrsten Interessen, zum Ausdruck dient, und auch ich hoffe, trotz der aus dem Mythen- und Sagenkreise entlehnten Stoffe, in meiner Genoveva, wie in meiner Judith, der Zeit, wie ich sie in Bedürfnis, Richtung und Bewegung auffasse, ein künstlerisches Opfer dargebracht zu haben. Hamburg, den 7. Oktober 1842. Friedrich Hebbel Personen Personen. Der Pfalzgraf Siegfried. Genoveva. Golo. Katharina. Die alte Margaretha. Ritter Hildebrant. Ritter Tristan. Drago, Caspar, Conrad, Jäger, Balthasar, Hans, niedere Dienerschaft im Schloß. Edelknecht, Siegfrieds Knappe. Der tolle Klaus. Ein Maler. Ein alter Jude. Der Geist des Drago. 1. Akt 1. Szene Erste Szene tritt vom offenen Fenster zurück. Frisch ists und kühl. Ein Schütteln, wie vor Frost, In allen Bäumen. Und der Sonne Licht So welk, so matt! Ein Morgen ists, wo man Zu Pferd muß. Ist denn alles jetzt bereit? Nichts fehlt, als Ihr. Mit ungeduldgem Huf Scharrt Euer Roß den Boden. Laufen wirds, Wenn Ihr es auch nicht spornen mögt. Es friert. Im Sattel sitzt schon Reisiger, wie Knecht, Nur, daß der Arm der Liebe hie und da Noch einen wieder sucht herabzuziehn. Allein im Bügel hält der Bursch sich fest Und lacht, um nicht zu weinen, beißt auch wohl Die Zähn zusammen, oder schilt und flucht. Ein Beispiel für mich selbst. Dazu gehört Der Mannskraft mehr, wie zu dem wildsten Kampf. Ich komm mir hier, wie festgewachsen, vor. Des schämt Euch nimmermehr, vieledler Graf! Wenn ich mein Weib verließ, so war mirs stets, Als würd ich mitten durchgehaun. Zwar pfiff Ich nach dem Abschied oft ein lustig Lied, Doch so, wie jener, der die Geige strich, Da man ihn führte in den bittren Tod. Ihr, Golo, steht abseits? Ich sinne nach, Worin ich schlechter, als die andern bin, Und kanns nicht finden, Herr. Das glaub ich Euch! Ich reit, wie einer – Ja, und stürzt dein Pferd, So stehst du eher auf noch, als das Tier, Und lachst. Wir andern brechen Hals und Bein. Ich fecht – Wie keiner. Edelherzig lehrst Du jedem Gegner, wie ers machen soll. Nur, leider, frommt die Lektion ihm nicht, Weil er sie mit dem Tod bezahlen muß. Ich ziele – Ja, und triffst, was niemand gern Getroffen sieht: im Aug das Weiße, und Zugleich das Hirn mit, das dahinter liegt. Ihr zwingt mich, Herr, mich selbst zu loben. Kann Ich alles das – warum denn bleib ich hier? Meint Ihr vielleicht, ich sei ein schlechtrer Christ, Wie andre, weil ich besser sing, als sie? Ich sage Euch, ich mag auf gar kein Wild Anlegen mehr, seit ich von Mohren weiß. Schien nicht der Eber, den ich gestern schoß, Ein trotzger, ausgemachter Heide mir: Er blieb verschont, so feist und dick er war. Denn billig spart man gegen Christi Feind Die Pfeile, die man zu verschießen hat. Ich bitt Euch, laßt mich nicht zurück. Denn seht: Durch Fasten und durch Beten werd ich nie Die Himmelstür mir öffnen. Dazu fehlts An Gaben mir. Ich schickte aber gern Für jede Sünde, welche ich beging, Zur Hölle einen Mohren. Nehmt mich mit. Verzug gibts meinetwegen nicht. Ich bin Bereit, wie Ihr, hab zeitig vorgesorgt. Könnt Ihr mich denn nicht brauchen? Scheint mein Arm Euch überflüssig, daß Ihr ihn verschmäht, Ich laß es mir gefallen, wenn Ihr nur Bedenkt, wie meine Kehl Euch taugen kann. Ei! Wenn Ihr abends liegt in Eurem Zelt: So finster ists, als würd es nie mehr Tag, Müd sind die Glieder, doch es wacht das Herz Und tritt nach Haus die lange Reise an – Dann will ich meinen Harnisch von mir tun, Den rasselnden, und will mich jüngferlich Euch nahn und Euch mit Genovevas Ton Zulispeln: lieber Siegfried! Greift Ihr dann Nach meiner Hand, so lach ich, doch nicht laut, Und sing von ihren Augen Euch ein Lied, Und sing so lange, bis Ihr sprecht: Du Schelm, Meinst du, das Feuer brennt nicht hell genug? Nicht wahr, ich bleibe nicht zurück? Ihr habt Mich oft gescholten wegen Übermuts: Wohlan, Herr, nehmt mich mit ins Feld, daß ich Bescheidenheit erlerne, wenn ich Euch Zu Dutzenden die Mohren mähen seh, Und selbst als Stümper Euch zur Seite steh. für sich. Der ist ein Mann geworden über Nacht Und blieb ein Kind dabei. Wie lieb ich das! Zu jung zum Bruder, und zu alt zum Sohn, Gilt er als Sohn und Bruder mir zugleich, Drum halt ich ihn, wie keinen andern, hoch. Doch, eben darum laß ich ihn zurück. Zu Golo. Golo, dem Besten nur vertraut der Mann Sein Bestes an, und der seid Ihr. Ihr bleibt Und nehmt mein Weib in Obacht und in Schutz. Zu den Dienern. Sobald das Burgtor hinter mir sich schloß, Seht Ihr in ihm den unumschränkten Herrn, Und dient ihm so, wie Ihr mir selbst gedient! Zu Golo. Wenn mir zuliebe Ihr auf Taten jetzt Verzichtet, ists nicht Eure schlechtste Tat, Und seid gewiß, es kommt auch Euer Tag! Ich dank Euch dies Vertrauen, edler Graf, Nur wüßt ich gern, wie ich – jetzt beten soll. »Gib mir, o Gott, Gelegenheit, daß ichs Verdiene?« Nein, das geht nicht, denn das heißt: Stürz die Gebieterin in Not und Tod, Damit ihr Knecht sie draus befreien kann. »Nimm sie in deine Hut?« Zum Teufel, nein, Das geht noch weniger. Das heißt: nimm mir Die Mühe ab, und laß mich schlafen gehn, Ich tat ja schon genug, ich aß und trank, Bis ich fünf Fuß maß, und mein Schatten zwölf! Ich lächle deinen Reden, junger Tor, Obgleich das Herz mir in der Brust fast springt. Doch jetzt verlaßt mich! Einen Augenblick! Gleich bin ich bei Euch! Alle entfernen sich; er ruft ihnen nach. Zögre ich zu sehr, So ruft mich mit Trompetenklängen ab. Ich glaub ein Mann zu sein, was es auch gilt, Nur, wenns zum Scheiden geht, bin ich es nicht, Da geiz ich nach dem tiefsten Schmerz, wie nie Nach Lust, da bohr ich mich in Leid und Qual Hinein, wie Bienen in den Blütenkelch, Und dann erst, wenn ich, zwischen meinem Weh Und dem des andern stehend, wählen kann, In welchem Abgrund ich versinken will, Besinne ich mich wieder auf mich selbst, Und reiße mich, als wärs vom Leben, los. 2. Szene Zweite Szene Genoveva tritt auf. Weh, mein Gemahl! Was ist dir, teures Weib? Du bist schon ganz gerüstet! Es ist Zeit! Den Helm nimm ab! Warum? Und auch des Schwerts Entgürte dich! Mißfällt dir Helm und Schwert? O nein! Ich will nur so viel arme Zeit Noch für mich retten, als du brauchen wirst, Die beiden ab- und wieder anzutun! legt Helm und Schwert ab. Du Liebliche, wie steht es dir so schön, Daß du dich menschlich sorgst ums Menschliche. Mir deucht, in dieser Angst, die sich nicht mehr Verbergen kann, noch will, vollendet sich Dein Bild, indem sie rührend es umgrenzt. Daß ich die Schwäche dir bekenne: oft Hab ich gewünscht, auf einem Augenblick Der Ungeduld, des Zorns, der Leidenschaft Dich zu ertappen, aber stets umsonst. Als deiner Mutter Tod so plötzlich uns Ward angesagt, und du zusammenbrachst, Bewußtlos niedersinkend, aber erst Die Händ noch faltend – sieh, da weint ich still, Weil ichs verehren mußte, was ich sah, Und doch verflucht ich fast die Möglichkeit. Ein holdes Wunder schienst du mir zu sein, Das, wie ein Vogel wohl die Flügel netzt, Nur gaukelnd sich in Fleisch und Blut versenkt, Und das, in unverlornen Adels Kraft, Mit allem Ernst der Zeitlichkeit nur spielt, Weil es sich schwingen kann, sobald es mag. Ich bin ein Weib. Ein Weib verhüllt den Schmerz, Denn er ist häßlich und befleckt die Welt. Ich bin ein Mensch. Nicht jammern darf ein Mensch, Seitdem am Kreuz der Heiland stumm verblich. Drum in der Brust begrab ich still mein Weh, Wie man mich selbst, bin ich einst tot, begräbt. Mir deucht, ich tu ins Allerheiligste Mit aufgeschloßnen Augen einen Blick. Dies fehlt dem Mann noch, wenn ihm nichts mehr fehlt, Daß er das Weib nicht kennt, so wie sie ist. Sie bildet aus sich selbst, was er umsonst Aus äußerm Lebensstoff zu bilden sucht, Drum ist sie auch sich selbst nur untertan, Er jedem Element, das ihn umgibt. Mein Siegfried! Deine Reden faß ich wohl, Doch Tränen sinds, die mir ihr Sinn entpreßt. Du scheidest jetzt, und nimmst in deinem Schmerz Den Kranz dir ab und drückst ihn mir aufs Haupt. Mir aber fällt dabei mit Schaudern ein, Daß man die Toten so bekränzt und schmückt, Weil man es weiß, daß man sie nie mehr sieht. Ein Trompetenstoß. Sie rufen mich! fällt ihm um den Hals. Gefangen nehm ich dich! Sag, hast dus wohl gefühlt, wie ich dich stets Geliebt? Nur selten hab ichs dir gezeigt, Hab oft den Kuß noch, den du raubtest, halb Zurück gehalten, und ihn Gott geweiht, Als Zoll des Danks für unsern schönen Bund. Die ganze Ewigkeit, so schien es mir, Stand vor uns, um uns in einander tief Und immer tiefer zu verlieren. Sieh, Da zögert ich, wie einer, der am Quell Den heißen Durst zu löschen sich noch wehrt. Jetzt aber krampft gewaltsam sich mein Herz. Mir ist, als wäre dieser Augenblick, Der schwindet, wie ich rede, nur noch mein, Als müßt ich all mein Lieben, alles, was Auch jetzt ins Innre noch zurück weicht, schnell Dir bieten, wie den Abschiedskuß, und ach, Dazu ist solch ein Augenblick zu kurz! Verstumme nicht! Laß mich ihn ganz und voll Genießen, diesen köstlichen Moment! Verbirg errötend nicht an meiner Brust Dein Angesicht, es ist der Widerstrahl Von allem, was auf Erden göttlich ist. Drück nicht mit deinem Mund den meinen zu, Ich habe keinen Raum für dies Gefühl, Ausatmen muß ichs, wie die Luft, die mich Erquickt, doch festgehalten mich erstickt. Mir deucht, erst heut hast du dich mir vermählt! Wie preis ich diesen Tag, der alles mir Zu nehmen drohte, und mir alles bringt! Wie, wenn die Erd in ihren Vesten bebt, Wenn Feuerflammen fahren aus dem Grund, Zugleich ein Quell hervor bricht, der sie löscht, Und der nun ewig unversiegbar fließt, So ist es mir geschehn! Ich danke dir! Ich aber fühl mich jetzt so arm, so arm! Als ein Geheimnis, kaum mir selbst bekannt, Durchs Leben tragen wollte ich mein Herz! Erst in der dunklen Stunde, wo mein Grab Sich auftut, wollt ichs öffnen gegen dich, Da wollt ich sprechen: sieh, so liebt ich dich Und habs dir nie gesagt, nun kann ich auch Beim letzten Abschied dich erfreun, wie nie. Dann wollt ich dich umarmend zu mir ziehn, Und, eine Braut, die Weib geworden ist Und sichs noch selbst verhehlt, hinüber fliehn Und denken: sei getrost, nun folgt er bald. In diesem meinem Ringen mit der Macht Der starken Stunden um mein heimlich Gut Hab ich mich schmerzlich glücklich stets gefühlt. Ich habs bewahrt, wenn deine Zärtlichkeit Die Seel schon auf die Lippen mir gelockt, Ich habs zurück gehalten, als du jüngst An einer Wunde still darnieder lagst, Und, deinen Schmerz bezwingend, lächeltest, Damit ich nur nicht weinte. Wehe mir! Nun habe ich im Tod nichts mehr für dich, Nun hab ich nichts mehr, das dich in die Nacht Mir nachziehn wird, wenn mich ihr Schatten deckt. Mit Wollust hör ich dich, doch auch mit Angst, Du bist, wie eine Ader, die zerspringt: Heiß stürzt der rote Lebensstrom hervor, Doch er erstarrt, so wie er sich befreit. Von innrem Frost wird deine Wange blaß, Dein Auge brennt, erlöschend flammst du selbst Drin auf, als wärs in Scheiterhaufens Glut. O Böse! Daß du noch im Tod mich liebst, Du willst mirs doch nicht zeigen durch den Tod? Viel lieber will ich, zweifelnd für und für, Noch um dich werben, wie ich lange warb, Mich mit den Helden messen, die man preist, Und mir von dem, der deiner würdger ist, Den Tod ertrotzen im Verzweiflungskampf. Trompetenstoß. Golo tritt auf. Er bleibt im Hintergrund stehen. Du ziehst hinaus jetzt in den blutgen Streit, Jedwedes Eisen, das ein Heide schliff, Jedweder Pfeil kann deine Brust bedrohn, Und dennoch, dennoch fürcht ich nicht für dich, Ich fürcht nur für mich selbst, – nur für mein Kind! Geh, Siegfried, geh, was hab ich da gesagt! Sonst ward ich in der Dämmrung glühend-heiß, Dacht ich: die Stunde kömmt, wo er dich fragt; Jetzt sprech ichs aus, und es ist lichter Tag. O Genoveva, wende dich nicht ab! Willst dus bereun, daß du mich selig machst? Und machts dich selig, daß dein armes Kind, Wenn es nun ein ins kalte Dasein tritt, Des Vaters ersten Blick, den segnenden, Entbehren muß, der es mit aller Glut Der tiefsten Liebe überströmen soll? O, wie die Taufe für den Himmel weiht, Das Böse bannend, das uns rings umspinnt, So weiht, mit Wunderkraft geheimnisvoll Begabt, fürs irdsche Leben solch ein Blick. Weh mir! Ein Auge, fremd und lieblos, wird Mein Kind begrüßen, ja, ich weiß vielleicht Nicht einmal, obs noch einen Vater hat. O Siegfried, geh! Geh, teurer Freund! Der Schmerz Ringt um mein Selbst mit mir. Noch halt ichs fest! Doch zögerst du, so fleh ich dich vielleicht, Auf meine Kniee stürzend: Nimm mich mit! umarmt sie. im Hintergrund. Von Bildern spricht man, heilig-fremd und kalt, Wovor man alle Sünden doppelt fühlt, Daß sie, die Gläubgen sahn es schaudernd an, Geseufzt, geweint, geächzt und Blut geschwitzt. Mir deucht, ein solches Wunder seh ich hier, Denn Genoveva, der ich selten nur Ins Aug zu schauen wagte, weil, sooft Ichs tat, ein Licht durch meine Seele fuhr, Das mich erröten machte vor mir selbst; Ja, weil ihr Auge mir ein Spiegel schien, So rein, daß alles drin zum Flecken ward; Dieselbe Genoveva liebt und weint, Sie ist ein Weib! Sie ist ein Weib, wie keins! Drei heftige Trompetenstöße. Ich bins, der geht. So muß denn ichs auch sein, Der diesen Abschied endet. Lebe wohl! Für sich. Ein Mann muß scheiden, eh ins Auge ihm Die Tränen treten. Das geschieht wohl bald. im Hintergrund. Ich werd dich hassen, wenn dir das gelingt! Ha! Willst du sie erniedrigen? Soll sie Erkennen, daß du kälter bist, als sie, Und drob erstarren, wie ein Quell erstarrt, Der sich, wenns draußen friert, ans Licht getraut? Kein Mann zu sein, das ist jetzt deine Pflicht, Nun sie gewagt hat, ganz ein Weib zu sein! Läg ich, wie du, an ihrer keuschen Brust, Ich schiede nie, und spottete man mein, Ich würd es lächelnd dulden, mir wärs recht, Ihr meinen Wert und meine Würdigkeit Durch Opfer darzutun, die keiner bringt. O Liebe, niemals hab ich dich erkannt, Doch jetzt erkenne ich dein heilig Recht! Du bists, die diese kalte spröde Welt Durchflammen, schmelzen und verzehren soll! Du bist nicht Leben, du bist Tod, ja Tod! Du bist des Todes schönste, höchste Form, Die einzige, die gibt, indem sie nimmt! Dir widerstehen, heißt den Kampf mit Gott Und mit dem Weltgeheimnis einzugehn, Du sollst vertilgen, was nicht ewig ist, Doch nie wird Märtrer, wer den Holzstoß löscht! Ein Baum ist besser dran doch wie ein Mensch: Man reißt ihn aus, vom Menschen wird verlangt, Daß er es selber tu! Was sinnest du? Ich denk, daß es im Krieg viel Wunden gibt Und daß ich Wunden gut verbinden kann. im Hintergrund. Ich mögte gleich mich hauen in den Arm. Ich aber sinne nach, was besser ist: Ein letztes Wort, ein letzter Kuß. Man kann Von beidem eins nur haben. Wähle du! umarmt und küßt Siegfried. O, wie sie küßt! Man fühlts, indem mans sieht. Ich trenne sie, denn ihm gebührt kein Kuß! Er tritt hervor. setzt den Helm auf. fällt in Ohnmacht; Golo und Siegfried springen hinzu; Golo fängt sie auf. Ihr hattet recht, Herr Graf, es muß von uns Hier einer bleiben! will Genoveva küssen. wehrt ihn ab. Laßt! Ihr weckt sie auf. Dann hält sie Euch! Und hat noch einmal ihn, Den Schmerz, dem jetzt die Ohnmacht sie entzieht. Ich geh! Ihr seid ein Held! Bei Gott, dies ist Ein Heldenstück, wie ich noch keins bestand. Leb wohl und schütze sie! Leb wohl, mein Weib! Mit einem Blick auf Genoveva ab. Bald hört man hinter der Szene lustiges Trompetengeschmetter. Sie liegt im Arm mir, wie im Sarg. Er schleicht Sich, wie ein Mörder, von der Toten weg. O, ganz zurückgewichen ist sie jetzt In die bewußtlos-fromme Majestät Der Kindlichkeit, der sie ihr Schmerz entriß! O weiße Ros, die von der roten träumt, Und die der Traum mit sanfter Glut durchhaucht! Erwachend wirds ihr sein, als ob sie sich Geflüchtet hätt aus einer Feuersbrunst, Die sie im Beten unterbrach! Jetzt steht sie zweifelnd zwischen dieser Welt Und zwischen jener, gastlich offen sind Die Pforten beider, jede wirbt um sie Und zeigt ihr alles, was sie Schönes hat. Stirbt sie – ich will nicht knirschen! Doch, sie seufzt, Das holde Fieber, das man Leben nennt, Es kehrt zurück, der dunkle Born des Seins Entläßt aufs neu die innern Strömungen, Und auf die Lippen tritt das erste Rot. O Lippen, süße Lippen! Wer euch küßt, Der stiehlt sich hier die ewge Seligkeit, Denn nie, o nie! verglüht ein solcher Kuß. Ich könnt es tun! Die heilgen Augen stehn Noch nicht, wie Cherubime mit dem Schwert, Abwehrend vor dem roten Paradies. Ich muß, ich will sie küssen, und mich dann, Vor Wonne zitternd, von dem steilsten Hang Hinunter stürzen in des Abgrunds Nacht. Er küßt sie. umarmt ihn. Mein Siegfried! Siegfried! stößt ihn fort. Weg! Wer bist du, Mensch! Ich glaube, ich bin Golo. Golo – Ihr? Wie kam ich denn in Euren Arm? Der Graf, Herr Siegfried, Eur Gemahl, legt Euch hinein. So ist er fort! Ja wohl, als Ihr vor Schmerz In Ohnmacht sankt, da eilt er schnell hinweg. Euch zu erwecken, hatt er nicht die Zeit. Für sich. Wer spricht aus mir? Ich nicht! Schweig, böser Geist! Mir war, als weckt' er mich mit einem Kuß. Ich schwör Euch zu, er hat Euch nicht geküßt. Er wagt es nicht, er hatte Angst, daß Ihr Zu früh erwachtet, und das wollt er nicht. Für sich. Ich hab ihm nichts geraubt, der Kuß ist sein! Zu ihr. Vielleicht, daß er in Ohnmacht fiel, wie Ihr, Und daß die Geister, aus der Leiber Haft Fortstürmend, feurig sich begegneten. Leise und verschämt. War er denn heiß, der Kuß, den Ihr gefühlt? Für sich. Ha, er war so, wie morgens ihn ein Kind Mit glühndem Mund auf junge Rosen drückt, Schnell abgebrochen, keinen Tropfen Taus Verschüttend, heilig, wie nur je ein Kuß! O schwache Sinne, daß Ihr rißt, bevor Euch noch das Bitterste geboten ward. Nun hört ich nicht des Liebsten letzten Gruß. Wohl Euch! Ihr hörtet auch den Hufschlag nicht Des Rosses, das ihn rasch von dannen trug! Für sich. Und saht nicht, daß er ohne Tränen schied. Der soll der Wertste mir vor allen sein, Der ihn zuletzt gesehn. Seid Ihrs? Ich sah Ihm durch dies Fenster nach. Er hatte Eil! Er schaute nicht zu Euch und mir hinauf. Er hat es nicht gewagt. Er hat gedacht, Ich könnt am Fenster stehn, und, gar zu schwach, Zurück ihn winken. Doch, ich kenne mich, Das hätt ich nimmer, nimmermehr getan! 3. Szene Dritte Szene Drago tritt ein. Verzeiht mir, daß ich komme, edle Frau, Ich bringe Euch den letzten Gruß des Herrn. So bist du mir von jetzt der Werteste! Ich schlich mich früh am Morgen aus der Burg, Ging eine Viertelstund und harrte sein, Am Wege, hinter ein Gebüsch versteckt. Und als er nun daher gezogen kam, Der letzte, all die andern weit voraus, Da trat ich vor und sprach: Vieledler Graf, Habt Ihr an Genoveva noch ein Wort? Vielleicht vergaßt Ihr etwas; tragt mirs auf, Damit ich es bestellte, kam ich her. Er sprang vom Roß, und hätt ich nicht gewehrt, Er hätte mich geküßt, mein schlechter Mund War ihm durch Euren Namen wie geweiht. Nun rief er: Sag ihr, sag ihr – was du siehst, Und wandte sich, und schwang sich auf sein Roß; Ich aber sah die große Träne wohl, Die sich verschämt aus seinem Auge schlich. Dann sprach er: Sag ihr dieses noch einmal: Sie soll in allem Golo sich vertraun! Er führt an meiner Statt das Regiment, Denk ich an ihn, so wird mir leicht ums Herz. Nun trocknet er sein Aug und sprengte fort. Er sprach: Dächt er an mich, so würd ihm leicht, Und trocknete sein Aug und sprengte fort? Er tats! Schon gestern abend sprach er so, Auch weiß ich es ja längst, wie Ihr ihn liebt, Und wer in liebt, den lieb auch ich! will abgehen. Verzeiht! Ist Euch nicht wohl? Recht wohl. Für sich. Ich will nur sehn, Ob nicht das Tor der Hölle offen steht. Laut. Es haust da drüben, in und an dem Turm, Verwünscht und häßlich, eine Dohlenbrut, Durch Teufelsfarbe und Gestalt den Tag Entweihend, durch Gekrächz die stille Nacht. Längst hat der Graf das finstre Volk verflucht, Doch hoffte er, daß wohl einmal der Sturm Herunterfegen würde Nest für Nest. Seit gestern siedeln sich auch Eulen an, Es wird 'ne Wirtschaft, wie Beelzebubs, Wenn man bei Zeiten nicht zu steuern sucht. Der Sturm, so ernstlich ers auch meint, vermag Nichts dran zu tun, drum muß ein Mensch hinauf. Heut ist der Tag dazu, heut führ ichs aus. Wenn Eur Gemahl zu Hause kommt, so muß Doch ihm zu Liebe was geschehen sein. Herr Golo, wer den Schwindelrand des Turms Umwandeln will, der bricht gewiß den Hals! Das denk ich auch! Ei, Narr, das denk ich nicht! Und wer es tut, verdient kein beßres Los, Warum denn hat ers Klettern nicht erlernt? Nur einer hats bis diesen Tag versucht; Noch sieht man an dem bröckelnden Gestein Sein Blut, das seit Jahrhunderten der Wut Des Wetters trotzt, weil es uns warnen soll. Ihr kennt die Sage, daß ein grausam Weib Einst einen Freier, der ihr lästig war, Die Höh erklimmen hieß, um dort für sie – Ich weiß nicht was, zu tun. Den Knaben zeigt Man früh den Ort, wo er zerschmettert sank, Damit ihr Übermut sich zeitig bricht. Mein Freund, man hat auch mir den Ort gezeigt; Doch jener Ungeschickte, der den Turm Verrufen machte, soll im Grabe heut Erröten! Will abgehen. Gnädge Frau, erlaubt es nicht! Ihr werdet das nicht tun! Ich muß! Ich muß! O Heilige, halt du mich nur nicht ab! Bloß deinetwegen solls geschehn! Sich fassend. Das heißt: Dein holdes Auge soll nicht länger mehr Beleidigt werden durch das Nachtgezücht; Nein, weiße Tauben, morgenrot-beglänzt, Sie sollen niederschaun vom Turm auf dich, Wenn in der Früh du zur Kapelle gehst, Um für uns alle, die wir sündigten, Durch dein Gebet dem Herrn genug zu tun! Wenn Ihr nicht ablaßt – nie verzeih ichs Euch! für sich. Das heißt: sie will das Beste, was ich tat, Das Beste, was ich tun kann, nie verzeihn! Zu ihr. Es ist gar nichts. Bedenkt: dem Drago hier Ist alles Wunder, was er selbst nicht kann! Lebt wohl! Im Abgehen. Du aber, Gott, beschirm mich nicht! Ich fürcht mich selbst, drum wend ich mich an dich! Brech ich nicht Hals und Bein zu dieser Stund, So leg ichs aus: ich soll ein Schurke sein. Er geht schnell ab. Drago folgt ihm. Genoveva eilt mit einer Gebärde der Angst auf das Fenster zu, durch das man auf den Turm sieht. 2. Akt 1. Szene Erste Szene Caspar und Balthasar, einander begegnend. Habt Ihrs gesehn? Ich sahs. Doch werde ich Mir morgen nicht mehr glauben, daß ichs sah. Kaum einer Fliege hätt ichs zugetraut, Daß sie auf so abschüssig-steilem Rand Sich halten könnt! Ich hab es nicht gesehn. Ich hab den Golo lieb, wie meinen Sohn, Drum eilt ich schnell ins Haus hinein, der Sturz Schien unvermeidlich mir. Die alte Frau, Die Katharina, die ihm Amme war, Und, nichts von allem wissend, eben ihn Zum Frühtrunk rufen wollte, kreischte laut, Als sie ihn hoch in Lüften schweben sah; Er strauchelte, als er den Schrei vernahm, Sie aber rief: Nimm, Teufel, meine Seel, Nur führ mir ungefährdet ihn zurück! Dann ballte sie die Hand, und schrie hinauf: Du Bösewicht, bist du dir selbst so gram, Daß du durchaus den Hals dir brechen willst, So warte doch, bis ich begraben bin! Dann wieder: Komm herab, mein liebes Kind, Es soll die Untat dir verziehen sein! Dann ward sie still und blaß, und ging ins Haus. Warum ers doch wohl tat? Warum? Um nichts! Ja, stand der Kaiser unten mit der Kron, Und sprach: Wer das vollführt, dem schenk ich sie – Da würde alles mir begreiflich sein! Doch er – er riß die Dohlennester ab, Weil ihn zu schwarz die öde Brut bedünkt. Der Tor! Sie bauen neue, eh ers denkt. Ich haß den Menschen, der sich selbst nicht liebt. Da kommt er! 2. Szene Zweite Szene Golo, sehr erhitzt, tritt auf. Luft! Er bemerkt die beiden. Was starrt ihr mich so an? Zwei Beine und zwei Arme bracht ich mit Herunter, nahm ich deren mehr hinauf? Geht! Habt ihr nichts zu tun? Wir gehen schon. Ab mit Balthasar. Luft! Luft! Ich mögte fluchen! Denn mir scheint, Ich tat doch alles, was ein Mensch vermag. Im Vorgefühl des Ungeheuersten Stellt ich mich selbst vors oberste Gericht. Nicht eines Stoßes von des Höchsten Arm Bedurft es noch, nur, daß er mich nicht hielt! Er aber tat ein Wunder – und warum? Damit in mir der Schurke reifen kann. Als ich hinauf stieg, wo noch keiner stand, Da drängten mich die Winde schier zurück, Die Eule aber sah so trotzig drein, Als dächte sie: Du kehrst wohl wieder um, Und schwer an meine Fersen hängt es sich, Wie eine Welt, die abzuschütteln war. Ich wollte beten, doch ein Fenster klang, Und Genoveva winkte mit der Hand, Und sie, die Tote stören könnt im Schlaf, Wenn sie vorüber wallt an ihrer Gruft, Daß durch vermoderndes Gebein aufs neu Ein Angedenken aller Seligkeit Hinzittert, die auf Erden möglich ist, Mich lockte sie vergebens aus dem Tod, Den ich erwählt, ins helle Sein zurück, Ich sah sie schwindeln, und beharrte doch. Zurufen wollt ich ihr: Ich liebe dich! Doch in der Brust hielt ich es fest, das Wort, Und jenes Kusses denkend, den ich stahl, Wie einer, der vor Fieberdurst verglüht, Von einer Lilie, den Tropfen Tau, Schwang ich mich zu des Turmes Rand empor Und seufzt und sprach: Nun ist er gleich bezahlt! Mein Blick zerrann im Unermeßlichen, Kaum fühlt ichs noch, daß mich ein Leib umschloß, Doch leicht und fest, wie man die Erde tritt, Und ohne Straucheln wandelte mein Fuß, Und in der Seele klang mirs, wie zum Hohn: Du stürzest nimmermehr, du bist gefeit! »Ich will!« So dacht ich, und, zum Sprung bereit, Hob ich den Fuß, dann aber rief ich: Nein! Ich tat genug! Wirft Gott mich nicht herab, So will ich auch nicht selbst mein Henker sein! 3. Szene Dritte Szene Katharina tritt eilig auf, die rechte Hand ist ihr verbunden. Mein Golo, lebst du? Freilich, Mutter, doch, Was fehlt denn dir? Dir blutet ja die Hand! Das kam, als sie vorhin mir mit Gewalt Das Messer nehmen wollten. Mit Gewalt? Zu deiner Strafe höre, was ich tat. Als ich mit Grauen dich dort oben sah, Da war mirs ganz, als säh ich dich schon tot. Drum ging ich in die Küch, nahm aus dem Schrank Das breitste Messer, riß den Brustlatz ab Und horchte, um beim ersten Weheruf Die Spitze tief zu stoßen in mein Herz. Ich schaudre, Mutter. Sohn, versprichst du mir, Daß du den Turm nicht mehr besteigen willst? Nie, Mutter, nie! Nun will ich beichten gehn. Was macht die Gräfin? Einem Starmatz lehrt Sie Siegfrieds Namen. Würg mir diesen Star! Du meinst, weil er so dumm ist! Ist er dumm? Dann laß ihn leben! Unverständig glotzt Er sie mit gelb beringten Augen an Und guckt umher, ob sich nicht irgendwo Ein Körnlein in der Nähe finden läßt. Ich hätt ihm längst die Kehle umgedreht, Sie aber lispelt mit dem kleinen Mund Ihm fort und fort den Namen Siegfried vor, Als wäre jegliche Musik der Welt In die zwei Silben: Sieg! und Fried! gebannt. Sie muß doch fürchten, daß sie ihn vergißt, Weil sie schon jetzt in einem Vogel sich Den Warner und Erinnerer bestellt. Sag, liebe Mutter, meinst du das nicht auch? Mein junger Herr, ich bin zwar alt und grau, Doch werd ich nie verraten mein Geschlecht. Ab in die Kapelle. Kein Vaterunser will ich sprechen mehr, Kein Ave, wie ich sonst doch gerne sprach, Wenn morgens eine erste Lerche stieg, Wenn abends eine ferne Glocke klang. Von jetzt an soll mir zum Legendenbuch Das Leben Siegfrieds dienen, meines Herrn, Gedenken will ich all der Tugenden, Der Tapferkeit, des hohen Edelmuts, Wodurch er seinen Feinden selbst so oft Die Tränen in die Augen hat gelockt, Will mich der Zeit erinnern, wo kein Held, Kein Heiliger, mir anders denkbar war, Als nur in seiner herrlichen Gestalt, Will seine Taten, seine Worte mir, Wie Perlen, die er, wo er ging, gesät, Zusammen reihn zu einem Rosenkranz, Und, den beschämt abbetend Tag für Tag, Ersticken mein Gefühl, damit ich bald, Von dem Gedanken seiner Trefflichkeit Durchbohrt, verschwinde in das leere Nichts. 4. Szene Vierte Szene Genoveva tritt auf. Da naht sie! Blicke weg, ruhmredger Tor! Wozu? Ich seh sie doch! Und wenn mein Geist Ihr Bild sich malt, so blickt es sanft und mild, Doch sie blickt ernst. Drum schau sie immer an! Er wendet sich und stürzt ihr, wie niedergeworfen, zu Füßen. Verzeiht Ihr? Niemals, daß Ihr vor mir kniet! sich erhebend, und sie von der Seite betrachtend, für sich. Ich kniee nur, damit sie zögern muß! O, jeder Blick in dieses Angesicht Ist ein Gewinn, und jedes Wort, entlockt Dem rührend-süßen Mund, bereichert mich Und weckt die Ahnung einer Seligkeit, Fremd und geheim, in meiner tiefsten Brust; Wie, wenn Musik erklingt, Entzückungen Durch alle Nerven, leise schwellend, ziehn. Und soll der Durstge, wenn ein voller Strom Umflutend ihn erfaßt, die Lippen feig Zusammenpressen, daß kein Tropfe ihm, Durchdringend, kühlt den heißen Herzensbrand? Wenn das die Tugend ist, verfluch ich sie! Ihr weint! Tu ichs? Dann ists das erste Mal, Und wie Gewitter-Regen, der umsonst Den Blitz, nachstürzend, auszulöschen sucht. Er faßt sich ans Auge. Weg, Sündflut vor der Sünd! Du kömmst zu früh! O Genoveva, seht, mir fehlt ein Tuch, Und Tränen stehen einem Mann so schlecht; Ich bitt Euch, trocknet mir die Tränen ab. Wie rot er wird! O echte Männerscham! Ei, Eurer Wangen Glut ersparte mir Die Mühe schon, sie sog die Tränen ein. für sich. Ich hatt als Knabe einst ein Saitenspiel, Und liebt es sehr, und übte viel und gern Die heitre Kunst, die aus Metall und Holz Mit edler Müh den holden Wohllaut lockt. Doch eines Abends, als ich einsam mich, Die Saiten rührend, im Gewäld erging, Da schnitten mir die Töne mördrisch-tief Ins Herz, das Auge ward mir feucht, und kalt Schlich Schauer mir nach Schauer durch das Mark. Wohl war das süß, und lange sog ich still Die wunderbare Todeswollust ein, Dann aber zuckt ich knirschend auf, zerriß Die Saiten, und zerschlug das Instrument, Und nie ein andres nahm ich in die Hand. Mit einem zornigen Blick auf sie. Mir deucht, ich sollte heut dasselbe tun! O, Sünde ists, so liebenswürdig sein, Daß man durch einen Blick, durch einen Ton, Ja, durch ein Lächeln selbst, das ihm nicht gilt, Den Mann im Innersten in Fesseln legt, Die Kraft ihm bricht, den stolzen Mut ihm raubt. Was ist wohl süßer! Plötzlich an den Hals Ihr fliegend, alles, was man ist und war, Zu setzen an den räuberischen Kuß, In dem man Zeit und Ewigkeit vergißt, Und dem Fluch folgt, welcher vierfach trifft: Von Gott, von ihr, von ihm und von mir selbst Wie, oder zieh in grimmger Notwehr ich Mein Schwert, und – Ha, Verfluchter, zieh dein Schwert, Doch kehr es reuig-wütend gegen dich! Welt-End ist da, nachdem du dies gedacht; Gott, aufgestört aus seiner ewgen Ruh, Erhebt sich schaudernd und versiegelt stumm Den Schöpfungsborn, damit nicht einst ein Mensch Geboren wird, der, was du denkst, vollbringt. Auf deine Knie! Er kniet. Verzeiht mir, edle Frau! Für sich. Schurk! Schurk! Du greifst zugleich nach ihrer Hand, Wie jener, der dem Muttergottesbild, Vor dem er beichtete, ein Kleinod stahl. Ihr ängstigt mich! Was soll ich Euch verzeihn? Daß ich – o, daß ich nicht den Hals mir brach! Ihr frevelt, Golo, daß Ihr also sprecht! Steht auf! Steht auf! Und wollt Ihr knie'n durchaus – In der Kapelle ist dazu der Ort. erhebt sich. Gebt Euer Buch mir, und ich folg Euch gern Zu Beichtstuhl und Altar. Ich geh allein! Doch wißt, mich wunderts sehr, daß Ihr von mir Vergebung Euch erfleht, und nicht von Gott. Leicht habt Ihr mich, Gott habt Ihr schwer gekränkt. Viel edle Güter hat er Euch vertraut: Kraft, Jugend, einen ritterlichen Arm! Dies alles, wie ein trunkner Steuermann Mutwillig zwischen Klippen treibt sein Schiff, Statt es vorbeizulenken, setztet Ihr Um eine Torheit tollkühn auf das Spiel. Der Atem stockte mir, als ich zum Turm Empor Euch klimmen sah, ich winkte Euch, Denn rufen konnt ich nicht, Ihr ließt nicht ab, Ich glaube gar, Ihr lachtet, häßlich klangs, Kaum wußt ich, durft ich beten, durft ich nicht. Sie hat für dich gebetet. Freue dich! Nein, sei kein Tor! Sie tats nur, daß dein Bild Sich nicht zerschmettert, blutig und entstellt, Zu ihrem Herzen schleiche, und, sie kalt Berührend, weck aus linder Seligkeit. O, sei gewiß, den schwarzen Mörder selbst Verschont in ihrer heilgen Näh der Blitz, Damit er fallend nicht ein Blumenbeet Beflecke, das ihr Düfte senden soll. In Lächeln wandelte sich Gottes Zorn, Als sie in Angst um mich emporgeschaut, Und wie ein Vater, wenn sein Kind sich naht, Vergißt, daß er den Diener strafen will, So streut' er Lilien mit der rechten Hand, Auf sie herab, und mit der linken gab Er seinem Engel einen stummen Wink, Mir, ihretwegen, Schutz und Schirm zu sein. Ich kann es ihr nicht danken, ihr Gebet; Läg ich zu ihren Füßen jetzt, ein Klump, Ein rauchender, von Knochen, Fleisch und Blut, Sie würde weinen, und im Schmerz um mich, Wär es auch nur auf einen Augenblick, Vergessen, daß sie eines andern ist; Ja, fühlen würde sies in tiefster Brust, Daß ich ein Opfer ihrer Schönheit sei, Und Liebe, welche stumm den Tod erwählt, Sie wird verziehn, erwidert, nie verdammt. Ihr redet, Golo, warum nicht mit mir? Ich sah Euch niemals so, Ihr seid wohl krank. Ich bin ganz Wunde, und mich heilen, heißt Mich töten! Seine ganze Krankheit ist Die Jugend, die in ihrer Kraft erstickt, Weil noch die Welt sie nicht zum Dienst berief. Ei, Golo, blickt doch freudig auf, und fühlt, Was ich gefühlt, als ich aus sichrem Tod Euch stolz und trotzig wiederkehren sah. Wenn Gott den Frevelmut des Jünglings schützt, So ists ein Zeichen, daß er schon den Tag Im Auge hat, wo er des Manns bedarf. Erkennt dies still und beugt Euch demutvoll Und harrt, bis er Euch winkt, er winkt gewiß! erschüttert. O! lächelnd. Habt Ihrs heute doch mit Gott gemacht, Wie einst mit Eurer Amme, wißt Ihrs wohl? Herr Siegfried hat es mir erzählt, es kam, Ich weiß nicht, wie, mir oft schon in den Sinn. Als die einmal mit Euch am tiefen Rhein Vorüber ging, da rieft Ihr, plötzlich Euch Von ihr losreißend und dem blanken Strom Zueilend: Bin ich wirklich dir so wert, Wie du mir sagst, so zeigs! und sprangt hinein. Sie stürzt Euch nach, und – Noch erröte ich! Ich konnte schwimmen, und sie wußt es nicht, Sie konnt es nicht, und sank. Ich ward bezahlt. Ein Fischer kam zuletzt und zog für tot Sie aus den Wellen. In erstarrter Hand Hielt sie mein Käpplein fest, als wär ichs selbst. Das ging ans Herz mir. Ja, sie zeigte mir, Was ich ihr galt. Gott hats Euch auch gezeigt! Er hätt Euch seinen Engel nicht gesandt, Wär Euch nicht eine Tat bestimmt, so groß, So schwer, daß sie jedweden anderen Zum Feigling machen wird, zum Helden Euch. Und kommt dereinst ein Tag, der das verlangt, Was Ihr verweigern könnt, und doch ein Mann Noch bleiben, und ein tapfrer Mann dazu, Dann denkt: Gott bin ichs schuldig! und vollbringts. für sich. Dem heilgen Fluß ist ihre Seele gleich, Aus dem Aussätzge, niedertauchend, rein Und leuchtend sich erhoben. Sünde kann Sie sich nicht denken; was sie dafür hält, Ist schlackig Gold, das gleich geläutert wird, Sobald es ihr Gedanke nur erfaßt. In plötzlicher Bewegung sein Schwert ziehend. O Genoveva, weihe du mein Schwert! Am liebsten dazu, daß es immerdar In seiner Scheide bleibe. Doch, es will Geschwungen sein. So weih ichs denn als Weib, Gedenkend meines eigenen Geschlechts, Das, schwach und waffenlos, in seinem Feind Zugleich den Freund und den Beschützer sieht, Gedenkend dessen, was von Jugend auf Als aller Greuel höchster mir erschien. Wenn irgendwo ein edles Frauenbild, Von einem ehrvergeßnen Mann verfolgt, Nur kaum sich schnöder Übermacht erwehrt; Wenn sie, durch wilde Wünsche, halb verhehlt, Halb ausgesprochen, schon befleckt sich dünkt, Und fort und fort sich nun in Tränen wäscht; Wenn alle Heilgen ferne sind, von Gott Zurückgehalten, der den Himmlischen Verbot, den irdschen Helden eine Tat Zu rauben, die sie jenen zugesellt: Dann hat dies Schwert Sie berührt es. ein Recht auf Blut, dann solls, Der hart bedrängten Unschuld letzter Hort, Dräuen, verwunden, töten, wenn es muß. Ist doch das Schwert ein rächerischer Blitz, Der, statt aus Himmelshöhn, aus dunklem Schoß Der Erde kommt, die, innerlich ergrimmt Ob all dem Frevel, den sie tragen muß, Ihn sendet, daß er ihn bestraft und tilgt. Ein Schauer faßt mich. Ist es nicht Gott selbst, Der also zu mir spricht durch ihren Mund? Zu Genoveva. Wie kommt Ihr darauf? Habt Ihr nie gehört, Was für ein Ende meine Schwester nahm? In ernstem Kloster sah von ungefähr Ein Ritter sie bei einem Kirchen-Fest. Erglüht verfolgt' er Gottes reine Braut Mit ungestümem Werben, plötzlich ihr Zu Füßen stürzend, als sie ahnungslos Bei Mondenlicht im Garten sich erging. Sie floh entsetzt; er aber rief ihr nach: Du sollst heraus aus dieser Mauern Kreis, Und muß ich auch mit meiner eignen Hand In Brand sie stecken, daß des Feuers Glut Dich scheuche; der Äbtissin sagte sies, Und in derselben Nacht noch ging des Herrn Geweihtes Haus in düstern Flammen auf. Und Eure Schwester? Keiner sah sie mehr. Man meinte, daß sie in der Finsternis Wohl nicht den Weg fand, der ins Freie führt. Das glaub ich nicht. Sie wollte nur den Weg Nicht wandeln, welcher sie mit Schmach bedroht. Entsetzlich! Wenn ich meines Herzens Trieb Nicht folgte, der auch mich ins Kloster zog, So war es nur, weil ich die Schwester dort An jedem Ort in Flammen sterben sah. Gern stellt ich sie mir nur mit Palmen vor, Die Himmelskrone in dem goldnen Haar Und stimmend in den Halleluja-Ruf. Doch oft verwandelt sich vor meinem Blick Ihr edles Bild, ich sehe sie verzerrt, In Rauch und Qualm, ich höre ihren Schrei! Sie geht in die Kapelle. O, daß sie eine goldne Wolke jetzt Dem trüben Kreis, wo man verlangt und wünscht, Enthöbe! Denn, was auf die Erde sich Herniederläßt, das will die Erde auch Mit Banden, schwer und unrein, wie sie selbst, Festketten, daß es adle ihren Staub. Darum gebiert sie nichts Geflügeltes, Als nur den Vogel, und der Vogel selbst, Sobald er edel ist, kehrt nie zu ihr Zurück, selbst dann nicht, wenn der Lenz die Flur Mit allen seinen Blumen überdeckt. Von ferne nur, von einem Blütenbaum, Sieht er sich Lilien und Rosen an Und schwingt sich dann zur Sonne wieder auf. Nimm, Ewiger, nimm sie zu dir empor! Nur, weil es Edelsteine gibt und Gold, Gibts Räuber. O, ich fühl es, dieses Weib, Wenn du nicht schnell sie unserm Blick entziehst, Ruft Sünd ins Dasein, außerordentlich, Wie ihre Schönheit, einzig, wie sie selbst! 5. Szene Fünfte Szene Ein alter Jude stürzt herein, vom Gesinde verfolgt. Ein Jud! Ein Jud! Was hat der Jud getan? Getrunken aus dem Brunn! Hat er ihn auch Vergiftet? Das gilt gleich. Wer trinkt wohl noch Aus einem Brunn, woraus der Jude trank! Reiß dir den Leib auf, wenn du durstig bist, Du Hund, und saug die eigne Galle aus! Habt ihr doch Galle unserm Herrn zum Hohn Gereicht, als er vor Durst am Kreuz verging. Was meint ihr, wenn wir den hier kreuzigten? Es steht im äußern Hof ein steinern Bild, Der Heiland mit der Dornenkron, das Haupt Geneigt, die Seite von dem Speer durchbohrt. Ich denk doch, lächeln muß das Schmerzensbild, Wenn wir, ihm gegenüber, an die Wand Den Juden nageln, und verdreifacht ihm Die Marter antun, die der Herr erlitt! dringt mit dem Messer auf den Juden ein. Fürs erste wäre hier der Seitenstich! Halt! Für sich. Jedem Sünder fühl ich mich verwandt! Nein! Laß sie, Christ! Noch keinem deines Volks Ward Dank ich schuldig, würds auch dir nicht gern! Fluch! Fluch der Feigheit! Warum wandt ich mich, Daß ihre schweren Steine nur die Brust Mir trafen, nicht die Schläfe. Wenn ein Greis, Halb blind, elendiglich, in Fiebers Glut Aus einem Brunnen trinkt, wo er vorher – Sonst hätt ers nicht gewagt – den grindigsten Der Hunde trinken sah, und man den Greis, Bloß, weil er trinkt, zu Tode steiniget: Dann ist das Maß der Zeit erfüllt, dann dreht Der Herr die Welt, daß unten oben wird, Dann tut er unsre Sünden aus, und spricht: Sie sind bezahlt! Auf, Christen, steinigt mich, Doch schnell, schnell, schnell! Ich sterbe sonst von selbst. Man sieht in der Kapelle Messe lesen. Der Geistliche, Chorknaben mit Rauchfässern werden erblickt. Dir wird kein Haar gekrümmt! Ich spei nach dir, Damit dus widerrufst! Wenn auch mein Leib Dem Schlage zittert, der von fern ihm droht, Wenn sich mein Auge furchtsam schließt, mein Fuß Zur Flucht sich hebt, so lechzt doch meine Brust Nach Schimpf und Schmach und unverdienter Qual. Sie sind mein Schatz, mein einzger, letzter Schatz, Sind meines Volkes Schatz, wodurch es einst Zurück erkauft, was es an Rom verlor: Die heilge Stadt, das hochgelobte Land. Für jeden Stein in Zion will der Herr Ein Herz, das brach, und eine Wunde, die Nicht heilt und nicht verharrscht. Ich bin schon reich. Siehst du die Narbe von dem Pfeilschuß hier? Ein Ritter schoß den Bolzen mir ins Haupt, Weil just kein Tier daher kam, sein Geschoß Zu prüfen, das er niemals noch versucht. Ich jauchzt, ich ächzte auch, doch flucht ich nicht! Siehst du, daß links das Ohr mir fehlt? Ein Knapp Hieb mirs herunter, bloß zum Zeitvertreib, Weil ich gerad am Wege saß und aß. Als nach dem blutgen Läpplein Fleisch sein Hund Verhungert sprang, da trat ers mit dem Fuß, Sprach: pfui! Hei, dies Pfui hör ich noch! Ich jauchzt, ich ächzte auch, doch flucht ich nicht. Siehst du – Schweig, wenn du nicht die Wunde mir, Die ich dir selbst schlug, zeigen kannst. Ob wir Den Bart ihm scheren? Seine Augen glühn, Als legte drin ein Teufel Feuer an. Ich fürcht ihn fast. Er richtet sich empor, Wie eine blaue Schlange, die man tritt. Ich habe nie geflucht! Ich habs gespart! Jetzt sterb ich. Soll ich beten, oder soll Ich fluchen? Ich will fluchen. Herr der Welt, Für alles, was ich litt, leg jetzt den Fluch Mir auf die Lipp, der sie am ärgsten trifft! Schweig, oder stirb! Gleich beides! Doch zugleich! Fluch! Fluch! Mir deucht, es wirkt! Sie werden blaß! Fluch! Hei, die Mauern wanken! Fluch! der Turm Erzittert, er begräbt sie. Fluch! 's wird Nacht! Ich blas die Sonn aus mit dem letzten Hauch! haut mit dem Schwert nach ihm. Fluch! Fluch! Man schlägt die Sterbenden! Ich will Doch sterbend einen würgen! Er tastet umher und faßt Balthasar. stößt ihn zurück. Fort, du Aas! Aas bin ich bald! Dann werd ich eure Luft Verpesten, hei, denn ihr begrabt mich nicht! Fluch! Donnerts nicht? Es donnert! Ja! hör auf! Nun flucht Gott selbst! O weh, ich fürcht mich doch! Er stürzt fort. Hinab! Hinab! Wos finster ist und still! sieht ihm nach. Er fällt! Zum Teufel! Innerhalb des Tors? Nein, außerhalb! Da mag er liegen, bis Die Raben ihn fort schleppen. Freilich sinds Langsame Leichenträger. Doch, was tuts? Das Gesinde zerstreut sich. Die ewge Lampe brennt noch ruhig fort! Man sieht sie heller, weil es dunkel wird. Kommt das vom nahen Abend, oder will Die Sonne nicht mehr leuchten über uns? Jud! Jud! Ich wollte, daß dein Fluch die Welt Zersprengte! Nicht zum zweiten Male wird Sie Gott erschaffen, nur sein Mitleid hält Sie noch zusammen mit dem blutgen Kitt, Den ihm vom Kreuz herunter bot sein Sohn. Mich schauderts. Denn mir ist, als wär ich nur Ein Wurm in einem Körper, der verfault. Er tritt der Kapelle näher und blickt hinein. Die Messe ist beendigt. Man sieht Genoveva am Beichtstuhl. Der Geistliche wird nur wenig gesehen. Sie beichtet. O, nun lauscht Gott selbst herab Vom Himmel. Ob er gleich allwissend ist, Doch kennt er ihre Sünden nicht, und horcht Auf ihres Mundes Stammeln, daß er jetzt Erfahre, wes sie selbst sich lieblich zeiht. So wäscht ein Kind sich wohl in Maientau, Nicht, daß es reiner, daß es schöner wird. Doch, hier ist beides gleich unmöglich. Ernst, Beschämt fast schaut der Pfaff auf sie herab, Denn ihre Beichte fällt ihm so ins Herz, Wie Diamantenstaub in schlechten Sand. Er sinnt umsonst auf eine Buße, wie Auf Sünden sie. Doch, sie erglüht, und gibts Für Sünde aus, daß sie von keiner weiß. Pfaff, leg zur Buße ihr die Sünde auf, Wie du dem Mägdlein, das sein weißes Kleid So liebte, und in Unschuld dirs gestand, Befahlst, es zu beflecken. Er ist stumm. Jetzt flüstert er. Sie neigt sich still und geht. verläßt die Kapelle und geht ins Schloß. sieht ihr nach. Sie kehrt zurück, erleichtert um ein Nichts, Das ihr doch viel dünkt. – Ob sie wohl aufs neu Jetzt ihren Starmatz unterweisen wird? Die einzge Sünde, die sie je beging, Die, wett ich, hat sie nie gebeichtet. Ists Doch Sünde, daß dies Himmelsbild Aus goldnem Rahm in eines Mannes Arm, Um seinen Hals sich flechtend, niederstieg. Nur, weil die Heilge Weib ward, lieb ich sie, Nur, weil ichs sah, wie süß sie küssen kann! O, wie verstrick ich mich! Unglückliche! Vom stillen Kloster wies die Schwester dich, Ein jammervoller Schatten, dich zurück, Und von des starken Gatten Brust, an die Du dich geflüchtet vor dem Drang der Welt, Zerrt Leidenschaft, entzündet durch den Strahl, Den nur der Abschied dir entlockt, dich fort. Doch nein! Zu schlimm bedrohter Frauen Schutz Hast du mein Schwert geweiht; ich will für dich Es zücken auf mich selbst, wenn – dus gebeutst! Ab. 3. Akt 1. Szene Erste Szene Schloßraum. Links ein Garten. Rechts ein gewölbter Gang mit Aussicht auf das Tor. Margaretha und Katharina begegnen einander, jene aus dem Gang, diese aus dem Schlosse kommend. Frau Katharina? Guten Tag! Weg! Weg! Wer bist du? Beiseite. Scheusal! Keine Elster, die Den eignen Namen nennt. Besinne dich! Ich kenn dich nicht, und hab dich nie gekannt! Auch diese Narbe nicht auf meiner Stirn? Margretha! Schwester! Hi! Es ist doch gut, Daß du als Kind mich schon gezeichnet hast! Du weißt doch noch? Du warfst mir einen Stein Ins Angesicht, weil ich den Apfel aß, Der dir gehörte. Strömend floß mein Blut. Ich weinte sehr, du weintest auch, weil du Die Schläge fürchtetest von Vaters Hand, Der, weil ich ihm so glich, mein Antlitz nicht Entstellt sehn wollte. Damals war ich schön. Wie oft hab ich gewünscht, noch einmal dich Zu sehn, und nun – Nun freut dichs nicht, nicht wahr? O, sprichs nur aus! Es kann nicht anders sein! Ich nehms nicht krumm! Nun kommts so unverhofft. Ja, etwas früher, als im Beinhaus, wo Geripp sich findet zum Geripp, wenns glückt, Das heißt, wenn nicht der Teufel mit der Seel Zugleich den Leib entführt. Mir graust vor dir! Ich habe mich verändert, das ist wahr. Wir sahn uns, glaub ich fast, zum letzten Mal, Als ich dir deinen roten Müllerknecht An deinem eigenen Geburtstag still Abspenstig machte und mit ihm entfloh. Wie lang ist das! Man wird doch wirklich alt! Willst du den Galgen wissen, wo er hängt? Pfui! Pfui! Du mußt doch hören, wie er starb, Damit du weißt, was du an ihm verlorst. Tot schlug er einen, für des Toten Geld Betrank er sich, und in der Trunkenheit, Besinnungslos, erzählt er selbst den Mord, Wie wohl ein Held von seinen Taten spricht, Jedweden Schlag, den er mit seiner Faust, Geführt, beschreibend und mit manchem Fluch Beteuernd, daß dies alles Wahrheit sei. Ist das nicht lustig? Still! Ich bitte dich! Nicht wahr, ich bin ein greulich Weib? Beiseite. Man wirds, Wenn man sein Kind erst umgebracht, wie ich! 2. Szene Zweite Szene tritt auf. Ist das die Gräfin, der du dienst? Ja wohl! Hochedle Gräfin! Wenn Ihr mich nicht ganz Geblendet seht von Eurer Schönheit Licht, So ists, weil ich im Traum Euch schon erblickt, Doch eine goldne Krone trugt Ihr da. zu Katharina. Wer ist die Alte? schnell. Eine Pilgerin, Seit zwanzig langen Jahren auf dem Weg Zum heilgen Grabe nach Jerusalem; Jedoch der Böse, welcher mächtig ist, Schlug mich mit Gliedergicht und Knochenpein, So, daß ich selten von der Stelle kann! Heimlich zu Katharina. Der Graf zog in den Heidenkrieg, nicht wahr? nickt. küßt Genoveva die Hand. Heil mir! nun kann ich sagen, daß mein Mund Die schönste aller Hände hat geküßt. Darf ich hinein schaun in die Hand? Sie tuts. O weh! Ich nannt Euch Gräfin! Ihr seid Königin! Ihr staunt? Ja, ja! So ists! Versteht mich nur! Erst stirbt der Graf, dann wirbt der König. Mit Gebärden. Ha! Ihr seid schon Witwe! Sarg, hinab mit dir! Dem Hochzeitsreigen stehst du breit im Weg! Abscheuliche, du lügst! Ich sehs! Ich sehs! Doch freilich sehe ich die Tränen auch, Die züchtig Ihr um den Gemahl vergießt. Sie werden strömen, bis der erste Blick Euch zündend aus des Königs Auge tritt. Vor dem vertrocknen sie. Ich sag dir: schweig! Mein Herz erbebte schon, denn sterben kann Herr Siegfried, kann es doppelt leicht im Krieg. Doch, sähest du ihn eingesargt und tot, So sähst du auch der Witwe ewgen Gram. Den zweiten Gatten wählen? Ganz so leicht Den zweiten Vater, wenn es möglich wär! Nein, ist das Schwerste über mich verhängt, So schau ich von der Erde, die ihn deckt, Nur noch zu Gott auf, der ihn einst erweckt. Mir graut in deiner Nähe. Zu Katharina. Gib ihr schnell, Was sie begehrt, und laß sie weiterziehn! Ab. Das Alter, schöne Gräfin, steckt nicht an! Die Jugend, leider, tut es auch nicht, sonst Verfolgt ich Euch. Die ist ja, wie ein Glas, Worin ein Licht steht: hell und blank und rein. Sie ist dazu gemacht, daß man sich schämt, Wenn man sie hört und sieht. Doch mir gefällt Das nicht besonders. Wen ich lieben soll, Der muß mit mir verwandt sein. Engel sind Gar unbequeme Vettern. reicht ihr die Hand. So ists recht. Wo kommst du her? Ich komm von Heidelberg. Und wenn ich lügen wollte, sagt ich jetzt: Ich komme, weil mein Herz zu dir mich trieb. Doch nein, mein Schatz, ich komme gar nicht gern, In jener kleinen Bergstadt ging mirs wohl, Der Teufel hole die, die mich verjagt. Wer wars? Ei, wer? Es war die ganze Stadt. Natürlich trieb ich mancherlei Gewerb, Zitierte Geister, stand Verliebten bei, Verkaufte Tote an Lebendige, Leichname an Doktoren, die mir gut Bezahlten, was ich nachts dem Kirchhof stahl. Verflucht! Ein totes Kind erwachte jüngst Bei mir, die Augen riß es mächtig auf Und griff mit seinem Händchen nach dem Kranz Von kalten Blumen auf dem fahlen Haupt Und stammelte mit schwerer Lipp ein Wort. Das war mir doch zu viel, ich floh entsetzt Aus meiner Hütte, schrie das Wunder aus Und faselte von Gott und Jüngstem Tag. Was folgte drauf? Die Nachbarn drangen ein, Sie sahen, was sie längst geahnt, man zog Als Leichenräuberin mich vor Gericht. Dann – doch, was gehts dich an. Jetzt ziehe ich Hinauf nach Straßburg! Wär ich nur erst dort! Man hats von da zum Blocksberg freilich weit. Was tuts, man kommt wohl hin. Ich reite gut, Und du, ehrwürdge Schwester? Nun, du bist Dem Kätzchen gleich, das nie das Haus verläßt, Wo es geworfen ward. Ich wußte stets, Wo du zu finden seiest, wenn ich gleich In dreißig Jahren nichts von dir vernahm. 3. Szene Dritte Szene Genoveva tritt wieder auf. zu Margaretha. Fort! Spute dich! Die Gräfin kehrt zurück! Wir sehn uns wohl zur Nacht noch. Meine Saat Ist aufgegangen. Sei gewiß, sie will Jetzt bei mir fragen nach dem Wie und Wo. Du irrst dich! für sich. Sie ist schlecht. Doch – sie ist alt. Ich übereilte mich. Ich mach es gut. Sie soll, die erste, nicht von dannen ziehn, Der ich nicht Speis und Trank und Herberg bot. Sie nähert sich Margarethen und bleibt unentschlossen stehen. zu Katharina. Siehst du? Sie ist verlegen. Nun, ich will Es ihr erleichtern. Wie sie mit sich kämpft! Sie faßt Genovevas Hand. Soll ich noch einmal lesen, edle Frau? entreißt ihr die Hand. Nein! Diesem Weibe bitte ich nichts ab! Sie wendet sich stolz und geht. begegnet ihr. bleibt vor Drago stehen. Da hast dus! Meinst du, daß es mich verdrießt? Das nicht! Das nicht! Doch freilich merk ichs mir. Mich kitzelts, wenn man schaudernd vor mir weicht, Ich denke dann: Du hast ein Angesicht, Das einst die Häscher dir verscheuchen wird, Wenn sie zur Nacht mit ihren Stricken nahn. Auf Genoveva und Drago deutend. Ei, wie vertraulich! Was denn? Weißt du nicht, Warum ein Schwan so weiß ist? Daß man ihn Mit Kot bewirft. Dann dient der Flügelschnee Dazu, daß dunkler ihm die Flecken stehn, Wie der gemeinen Gans! zu Drago. Ihr geht zu Bett, Wenn ich nicht zürnen soll. Das Fieber hat Euch zwar verlassen, doch Ihr seid noch schwach Tuts, Drago! Wenn Ihr es durchaus so wollt! Für sich. Ich steh doch wieder auf! 4. Szene Vierte Szene tritt auf. ruft ihm entgegen. Seht, Golo, doch Auf diesen Kranken, dessen Arzt ich bin, Und der mir nicht gehorchen will. Das ist Gar große Sünde. Er zerpflückt eine Blume. Was zerreißt Ihr da? Das erste Veilchen, das ich draußen fand. Euch wollt ichs bringen. Besser macht ichs so! Der Frühling macht das Leben wieder frei, Nun regt sichs in der Erde, in der Luft, Und wie man atmet, zieht mans ein; ich bin, Wie einer, welchen man zum Trinken zwingt, Und der im Rausch sich und die Welt verflucht. Ich wollt, ich wär der Tod! So zieht das Schwert! Dies in der Hand, ist jeder Mann der Tod. Nun, Drago? geht ab; Genoveva ebenfalls. auf Golo deutend. Diesen Jüngling zög ich vor! Doch, freilich, mit den Jungen hats Gefahr, Und mit den Alten treibt mans, wie man mag. Du sprichst hier Dinge, die du selbst nicht glaubst. Ich zeig dir nur, wie man die Unschuld würgt, Wenn sie hochmütig ist. Und sei gewiß: Die Tugend ist ganz, wie ein andrer Staat, In den der eitle Mensch sich spreizend hüllt; Beflecke ihn: der Träger wirft ihn weg. tritt herzu. Wer seid Ihr? Meine Schwester ist es, Sohn! So hängt die noch nicht? verlegen. Golo! Schadet nichts. Ich seh, des Guten sprachst du viel von mir. Gib mir die Hand! Zu Golo. Herr Ritter, schämt Euch nicht! Ich koch Euch dennoch einen Liebestrank, Wenn Ihr ihn brauchen könnt! Ein Liebestrank! Gebt einen Trank mir, der zum Haß mich zwingt. Er tritt zurück. Des Lebens schlimmste Krankheit ists, daß wir Noch wissen, was wir waren, wenn wir längst Es nicht mehr sind. Da wollen wir zurück In unsre Wurzeln kriechen, doch umsonst. O Torheit! Ich auch mögte gar zu gern Des Grafen Siegfried treuer Diener sein Und doch zugleich sein Weib ihm rauben! Narr, Dies oder das! Entschließe dich! Und schnell! Was ists denn auch! Der Funk, der in dir schlief, Schlug über Nacht in lichten Flammen auf, Und die Natur des Feuers ist bekannt: Es macht ein andres aus jedwedem Ding, Ein beßres, oder schlechtres, wie es kömmt; Keins bleibt dasselbe. Sieh nun, was du bist! Ab. Ist das dein Sohn? Dann ists ein Bastard auch! Ich lieb ihn, wie mein eignes Kind, doch war Ich seine Amme nur. Er scheint mir sehr In Trübsinn und Melancholie versenkt. O, wüßt ich nur, was ihn bekümmert! Sonst War er ganz anders. Dir vertraut er nicht? Zum ersten Mal nicht. Dann ist er verliebt. Gewiß nicht. Denn er kommt nicht aus der Burg. Und in der Burg? Ist nur die gnädge Frau! Wenns die nun wäre? Das verhüte Gott! Warum? Warum? Sie ist ein ehlich Weib! Liebt sie den Grafen sehr? Du frägst, und hast Es selbst gehört? Seis, wie es sei, er soll Sie haben! Wer? Dein Sohn! Du faselst! Nein! Hast dus denn nicht bemerkt, wie rot er ward, Als sie zwei Worte mit ihm sprach? Sie ists! Ich bitt dich, laß mich hier! Zum Kuppeln? Nein! Zum Beten, wenn du willst! Du kannst mich ja Bekehren. Doch im Ernst, ich bin zu sehr Ermüdet, sechzig Jahre tragen sich Nicht leicht. Es sei für heut. Mein Kämmerlein Ist abgelegen. Dort versteck ich dich. für sich. Wie einen Feuerbrand im Stroh! So komm! Beide ab. 5. Szene Fünfte Szene Man hört das Horn des Burgwarts. Golo kommt von der einen Seite; Caspar von der andern. Der Ritter Tristan kommt mit Brief und Gruß Von unserm Herrn! So öffnet ihm das Tor! Ich melde ihn der Gräfin! Nach Befehl! Ab nach der Seite, wo das Tor ist. Ein Bote! Wohl! Dem Boten folgt er selbst! Ein Brief! Du wirst es sehn, sie küßt den Brief, Weil sie ihn selbst nicht küssen kann. Sei still, Sei still, mein Herz! Wenn du gesündigt hast, Jetzt wirst dus büßen. Ha! Er kommt! Er schleicht Sich nachts zu ihrer Kammer! Schleicht? O nein! Ein Licht, ein unverschämtes, in der Hand, Naht er, mit Schritten, die man hören soll, Scheucht sie ins Bett, und – du, du stehst derweil, Gehorsam, wie sichs für den Diener ziemt, Und wisperst: pst! wenn einer stören will! Ab. 6. Szene Sechste Szene Genovevas Gemach. Genoveva sitzt am Tisch. Ein aufgeschlagenes Buch liegt vor ihr. Weh! Weh! Die Seele kreuziget sich selbst, Wenn sie der Kreuzigung des Herrn gedenkt. Viel kann ich fassen, eins doch faß ich nicht, Nicht faß ichs, wie das menschliche Geschlecht Die Sündenschuld, die lastend es bedrückt, Durch aller Sünden ungeheuerste Hat tilgen können: durch den Mord an Gott! 7. Szene Siebente Szene tritt ein. Der Ritter Tristan kommt mit Brief und Gruß! erhebt sich. Von meinem Herrn? Willkommen ist er mir! ab. O Gott, führ mir ihn bald zurück! Ich darf So beten, denn ich bete ja zugleich: Vertilge bald den Feind der Christenheit! 8. Szene Achte Szene Golo tritt mit Ritter Tristan ein. Gott grüß Euch, edle Frau! Er sei mit Euch! halb für sich. Ein echtes deutsches Weib! Vor jedem Blick Aus eines Mannes Aug wird sie aufs neu Zur Jungfrau, und verschließt sich in sich selbst! Saht Ihr noch niemals eine deutsche Frau? Verzeiht. Ich komme aus dem Morgenland Und grüße drum die Heimat doppelt warm. Mich sendet Eur Gemahl, mein würdger Freund, Mit seinem wärmsten Gruß und diesem Brief. Er überreicht Genoveva einen Brief. O sprecht, wann kommt er selbst? Dies weiß nur Gott, Der uns bis jetzt erst halben Sieg vergönnt. Wie, Ritter? Ist der Krieg nicht aus? Und doch Seh ich Euch hier? Verzeiht, dies wundert mich. Mir fesselte ein Schwur den Arm. Ein Schwur? Ein Schwur, daß Ihr nicht kämpfen wollt? Bei Gott, Das Wunderbarste, das ich je vernahm. Ich spare, bis nachher, die Antwort mir. die inzwischen gelesen hat. Der Brief ist gut. Allein, was seh ich hier? Ein roter Fleck! Und offenbar von Blut! Verzeiht! Ich ritzte neulich mir die Hand An meinem neu erkauften Schwert. Nein! Nein! Inwendig ist der Fleck. Das ist das Blut Von meinem Siegfried. Euer Ritterwort, Daß Ihr mir nichts verhehlen wollt! Ich gebs! Mir meldet er, er sei gesund und wohl. Ists wahr? Darf ich ihn Lügen strafen? Sprecht! Daß er verwundet wurde, schreibt er nicht? Dann hat ers wohl vergessen. Ja, so gehts, Wenn eine Wund so klein ist, daß sie dem Zum Schimpf gereicht, der sie geschlagen hat. Ich hatte auch einmal ein solches Ding: Eh mans betrachten konnte, wars geheilt. Bedenkt, Ihr sprecht zu einer Frau! Nun ja! Ich sag auch nicht, es sei ein Nadelstich, Das wär gewissermaßen falsch. Doch glaubt: Die Narbe dieser Ritze wird sich sehr Zu schämen haben, wenn sie sich dereinst Mit ihren Schwestern auf der Brust vergleicht. Der Pfalzgraf Siegfried ist ein reicher Mann, Was Wunden anbetrifft, ihm tuts nicht not, Daß er die Schrammen mitzählt, wie ein Knapp. Wo ist die Wunde? Wo das Herz nicht ist, Und auch die Lunge nicht: im Oberarm. Ich sah sie, als sie frisch war, denn ich kam Den Tag ins Lager, wo er sie erhielt. Mein Ritterwort: jetzt ist sie längst geheilt! Ich darf nicht zweifeln, und ich zweifle doch! für sich. Verfluchter Blutfleck! Warum schrieb er auch, Als ihm gerad der Arm verbunden war. Ich sollte schweigen. Ei, ich tats. Der Brief, Der unvernünftge, ward zum Plauderer. Laut. Nun fällt mirs ein. Geschrieben war der Brief, Bevor der Graf die Wunde noch erhielt. Gesiegelt ward er später. Als ich ging, Rief er mir noch mit muntrer Stimme nach: Wenn über andern, die Euch selbst vielleicht Betreffen, Euch mein Unfall nicht entfällt, So sagt doch meiner Frau davon ein Wort. Doch – setzt er schnell hinzu – sagt ihr zugleich, Die kleine Wunde sei ihr bester Freund, Sie sei ein Schild, der mich vor größern schützt, Denn aus dem Feld hält sie mich doch entfernt, Ich kann jetzt tanzen, aber fechten nicht. Herr Siegfried wird den Tod mit einem Scherz Empfangen, daß ich mich nicht ängstige. Nicht diese Reden, muntrer, als er selbst, Mich tröstet Euer ritterliches Wort. Das kanns. Ich dank Euch, Ritter. Golo, sorgt Für unsern Gast. Nicht weil' ich, edle Frau. Fünf Jahre sinds, seit ich mein Weib nicht sah, Ich weiß nicht, lebt sie oder ist sie tot, Nun mein Geschäft bestellt ist, eile ich, Sie aufzusuchen. Zu Golo. Doch zuvor ein Wort Mit Euch noch, junger Herr. Zu Genoveva. Verzeihet mir, Es muß in Eurer Gegenwart geschehn. Ich tat, wie ich gesagt, den Schwur, mein Schwert Nie gegen einen Heiden mehr zu ziehn, Entscheidet Ihr, ob ich ihn halten darf. – Als ich vor Jahren mit dem großen Heer Auszog ins Morgenland, das heilge Grab Von seinen Drängern zu befrein, da fiel Mit andern ich den Feinden in die Hand, Weil wir zu ungestüm ums vorgewagt. Umsonst ertrotzt ich mir den Tod, ich ward Zum Sklaven erst, zum Gärtner dann gemacht, Und in der Hoffnung auf den künftgen Tag Trug ich des gegenwärtgen Schmach und Leid. Mein Herr, der König, kam zum Garten nie, Doch, seine junge Tochter, ernst und tief In Schleier eingehüllt, betrat ihn oft. Lang wandelte das Mägdlein an mir hin Und schien mich nicht zu sehen, während ich, Wie es die Sitte dort erheischt, sie floh. Doch plötzlich ward sie anders, stand mir oft Zur Seite, eh ich sie noch kommen sah, Verlangte Blumen, oder eine Frucht, Und wenn sie fortging, lag ein Edelstein Zu meinen Füßen, auch wohl rotes Gold. – In einer stummen Mitternacht, wo mich Der Schlaf auf meinem Lager floh, trat sie Mit leisen Schritten, zögernd bald, und bald Zum Vorwärtsgehn sich zwingend, bei mir ein. Sie wähnte, daß ich schliefe, lüftete Den Schleier, seufzte, schlug ihn ganz zurück Und trat mit ihrer Fackel an mein Bett. Sie war so schön, daß ich, zum ersten Mal Ihr Antlitz unverhüllt erblickend, mich Als Wachenden durch einen hastgen Laut Des Staunens, der Bewundrung, ihr verriet. Den schien sie zu mißdeuten, beugte sich Auf mich herab, und sprach: ich wußt es ja, Daß du mich lieben mußtest, nun gereut Michs nimmer, daß ich kühn mich zu dir schlich. Wie eine Kohle, fühlt ich ihren Mund Auf meinem, heiße Zähren doch dabei Entstürzten ihren Augen, Wang und Stirn Mir netzend, warmen Regentropfen gleich. Ich wand mich ernst aus ihren Armen, sie Stand regungslos, und starrte nach mir hin, Als wär das Ungeheuerste geschehn. Dann ward ihr Angesicht zur Flamme, stolz Hob sich ihr Busen, drohend rief sie aus: Was lebst du denn, wenn du nicht lieben kannst! »Ich habe längst ein Weib – versetzt ich sanft – Und keine lieb ich, als die eine nur!« »Er hat ein Weib! – sie wiederholt es dumpf – Und keine liebt er, als die eine nur!« Sie ward zu Stein, ich nahte ihr, da stieß Sie mich zurück und schwankte aus der Tür. Bald kehrte sie, drei Schwarze folgten ihr, Von denen einer einen Becher trug. Sie sah mich nicht mehr an, sie zitterte Und sprach, wie eine Tote spricht: trink aus! »Ich trinke!« rief ich, heftete den Blick Auf sie, und trank, und hielt den Trank für Gift, Von der Verschmähten rächend mir gereicht, Damit ich nie verriete, was sie tat. Bald schwand mir das Bewußtsein, kalt, wie Eis, Auf meinen Lippen fühlte ich den Druck Der ihren, von mir stoßen wollt ich sie, Doch schon versagte meinem Arm die Kraft. Nach einer langen Pause. Wo wacht ich auf? Auf einem schnellen Schiff, Das mich gerades Wegs zur Heimat trug! Nicht Gift: sie hatte einen Schlaftrunk mir Gemischt, der Hirn und Sinne still betäubt, Und schlummernd durch verschwiegne Diener mich Hinunter bringen lassen an den Strand. Von solchem hohen Edelmut besiegt, Schwur ich mir unter Tränen glühnder Scham, In einem Heiden nie jetzt noch den Feind, In ihm Fatimens Bruder nur zu sehn. Darf ich ihn halten? – Edle Frau, lebt wohl! Er geht rasch ab. Golo folgt ihm. 9. Szene Neunte Szene Katharina tritt ein. Der Maler, der Euch malte! Führ ihn her! Dort kommt er schon mit Golo. Ab. 10. Szene Zehnte Szene Golo und der Maler treten ein. Mein Bild? Verzeiht, daß ich nicht längst erschien! Ich war inzwischen krank, und, daß ichs nur Bekenne, unzufriedner, wie noch je, Mit meiner Arbeit, fing ich vier Mal sie, Vernichtend das Geschaffne, wieder an. Er hat inzwischen das Bild aufgestellt. vor dem Bilde. O, welch ein Bild! Ich mögt ein Maler sein, Und, ins Geheimnis ewger Schönheit mich Versenkend, diese Züge fort und fort Nachbilden, bis der öden Qual mein Herz Erläge, daß es mir unmöglich sei. Wohl ist das Qual! Zu Genoveva. Ich bitt Euch, edle Frau, Nur einen Blick – ob Ihr zufrieden seid. Mich schmerzt, daß mir von meiner Schwester nicht Ein Konterfei verblieb, wie dieses hier. Man sieht die Toten, wie im Nebel nur, Und immer weiter weichen sie zurück. Hier seh ich Tod und Leben wunderbar In eins gemischt, die Unbeweglichkeit Des Todes, und des Lebens frischen Reiz, Der sich verändern mögte, und nicht kann. Bild, lächle! Denn ich sehe, daß dus willst. Zufrieden würd ich sein, wenn dies das Bild Von meinem Herrn wär, und das meine nicht. Ich mal ihn Euch, obgleich er ferne ist. Doch, wie? Zu Pferd? In kriegerischem Kleid? Das Auge vorwärts dringend, wie ein Pfeil? So ist er, wenn er auszieht. Malt ihn mir, Wie er zurück kehrt, sei es vom Gefecht, Seis von der Jagd. Nachlässig sitzt er da, Wie Herkules, der ausruht, und sein Blick – Ist auf die Burg gerichtet, wo ich ihm Entgegenharre. Deutlich drückt er aus, Daß alles eitel, nur die Liebe nicht. Die Finsternis verhüllt die Welt, doch hell Winkt ihm ein Licht ins trauliche Gemach – Das angezündet ward von meiner Hand. Ich mal ihn so! Ab. Was soll mir nun dies Bild! Wenns Flügel hätt, so spräch ich: eil ihm nach Ins ferne Land. der die ganze Zeit vor dem Bilde stand, wie im Traum. Gebt mir es. Euch mein Bild? für sich, aber von Genoveva beobachtet. Halte dich! Sieh nicht mehr hin! Wie Funken springts Mir aus dem Bild entgegen, Funken strömt Der Boden aus, die hellen Funken zieht Mein Aug aus allem, was mich rings umgibt. Dort steht ein Stuhl – ich trat hier einmal ein, Sie saß darauf, und er stand neben ihr, Verwirrt und rot erhob sie sich, er sprach Mit mir, doch war die Stimme ihm bedeckt. Ich ging, und träumte in der Nacht – Still! Still! Hier steht ihr Bett. Dort schläft sie. Er dabei! Das ist doch – – Ha, ich sehe sie, die zwei, Zu Eins verstrickt im Wollustknoten! Er Will plaudern, sie versiegelt ihm den Mund Mit einem Kuß, und trotz der tiefen Nacht Erglüht sie – – Er blickt nach Genoveva, die starr zu ihm hinüber sieht. Sie erglüht? Nein, sie ist bleich, Bleich, kalt, ein Geist, mir zum Gericht bestellt! Mich friert! Er kehrt sich wieder gegen das Bild. Ich wende mich zur dir zurück! Du bist nicht blaß geworden, seit ich dich Verschlang mit Blicken, du verfluchst mich nicht, Wenn ich dir näher trete, wenn ich dir Mein Herz verrate, wenn ich einen Kuß Dir drücke auf den roten Er küßt das Bild. kalten Mund! Dir will ich alles sagen, und dabei In jenen Spiegel schauen, der mir zeigt, Ob sie zu meiner Beichte freundlich blickt, Ob sie, das Weltgericht im Angesicht, Die Hand erhebt und mich verdammt. Doch nein, Das wäre feig! Er wendet sich rasch wieder zu Genoveva, die starr da steht. Sie steht, als wär sie Stein. Ihr Atem stockt, Sie fürchtet sich, mit mir dieselbe Luft Zu trinken; wenn sie nicht ohnmächtig jetzt Hinsinkt, so unterbleibts aus Scheu vor mir, Aus Angst, ich könnt – und könnt ichs denn nicht auch? Weib, sprich! Ich bin gewiß, Gott legt ein Wort Dir auf die Lippen, das mich, wie ein Blitz, Zerschmettert dir zu Füßen niederwirft! Sie schweigt! Mir schwindelt. Woran halt ich mich? Woran? An ihr! Die Heidenjungfrau steht Vor meinem Blick, sie lächelt stolz herab Auf meinen Schwur. Ha! Edle Frau, ein Wort! tritt einen Schritt zurück. Weicht nicht vor mir. Da ich vor Gottes Thron Nicht treten kann, so wend ich mich an Euch. Euch ruf ich auf zum Spruch, den Jüngsten Tag Auf diesen Tag verlegend. Hört und sprecht! Dumpf und leise. Wenn einer fühlt, daß ihn die nächste Stund Zum ungeheuren Frevler stempeln wird; Wenn ein Verbrechen, das die Hölle selbst Aufs neu entzünden könnt, wär sie verlöscht, Aus seiner Brust hervor bricht, hat er dann Das Recht, sich selbst zu töten? Sprecht für Gott! nach langem Stillschweigen. Bleibt ihm die Wahl noch zwischen Sünd und Tod, So ist er edel, und wird nimmermehr Vollbringen, was er schaudernd selbst verdammt. Er wirds! Ich schwörs Euch! Doch, ich schwör Euch auch: Er wird sich töten, sagt Ihr, daß ers darf. Ich kann das wissen, denn ich bin es selbst. Seht hier mein Schwert – ein Wort, ich geh sogleich, Und ruft Ihr mich zurück, so denke ich: Zuerst sprach Gott aus ihr, nun spricht sie selbst, Ein mitleidvolles Weib, und kehre nicht. Ich suche einen Ort mir, wo mich nie Ein Mensch, ein Rabe höchstens, finden wird, Ihr werdet nicht den blutgen Leichnam schaun! Ihr schweigt? Ich sag dir mehr noch. Du bist schön, O, himmelschön! Du weißt doch? Sieh dies Bild! Nicht weiß ich, ob die Schönheit von sich selbst Ein Sklave sein muß, wie wir andern sind, Ich – still! Sie zittert! Seht, Ihr habt mein Schwert Geweiht zu schlimm bedrohter Frauen Schutz, Ihr seid bedroht, wie keine noch, von mir. – Darf ich mich töten? Haltets nicht zurück, Das Ja, das Gott Euch in die Seele legt! Aus seinem Munde wärs ein Donner mir, Aus Eurem ists ein letzter süßer Laut. Verstummen will ich eh auf immerdar, Als daß ich Euch erwiderte ein Wort, O Golo! Schweigst du? Wohl! Mir gilts für ja! Er geht. in höchster Verwirrung. Halt ein! bleibt stehen. So sagst du nein? Das ist ein Ja Zu bösen Dingen. Noch einmal! zögert; Golo geht; da sagt sie. Halt ein! schleudert das Schwert, das er gezogen hatte, von sich. erfaßt ein Cruzifix. Allmächtger Gott, tritt zwischen mich und ihn! Nun bist du mein! Er tritt ihr nah, sie hält ihm das Cruzifix entgegen, er entreißt es ihr und schleudert es fort. Und ob der Heiland selbst Sich stellen wollte zwischen dich und mich: Zu seinen sieben Wunden gäb ich ihm Die achte – du erstarrst, das tu ich auch, Und doch, ich täts, und wärs ein Stich zum Tod. Weißt du, was Liebe ist? Und wenn dus weißt – Von deinem Siegfried hast dus nicht gelernt. Der liebt – ja, ihn verklag ich! Als du bleich, Geschloßnen Augs, dahin gesunken warst, Des tiefen Schmerzes stummes Monument: Mir war, als würd es Nacht, als öffnete Die uralt-ewge Finsternis den Schlund, Als schluckte sie die Schöpfung wieder ein; Doch er, erwägend, daß es rühmlich sei, Der erste aller in das Feld zu ziehn, Er nahm den Vorteil wahr und schlich sich fort. Held! Dieser Abschied kostet dich dein Weib! Muß man sich trennen, sei es, wie ein Glied Vom Leib sich trennt: Schmerz – Blut – und ein Gefühl, Daß das uns fehlt, was unersetzlich ist! Er schied so kalt von dir! Da warf er dir Dein Herz vor deine Füße, und du mußt Es wieder nehmen, seis dir noch so schwer! Weißt du, was Liebe ist? Ha, weiß ichs selbst? Noch weiß ich nur, wie sie mich elend macht, Mir alle Lebensbrunnen rings verstopft, So daß der tausendfach gespaltne Strahl Nur einen Weg noch findet: den durch dich! Doch, wissen will ich auch, wie sie beglückt! Umarmen will ich dich! Ich schwörs bei Gott! stürzt auf ihre Kniee. Aus Asche schufst du mir den armen Leib, Zu Asche wandle, Ewiger, ihn schnell, Daß dieser, wenn ich still vor deinem Hauch Zerstäube, mit der Asche, die ihn jetzt So frech empört, sein Haupt bestreuen kann! In diesem Augenblick empfängt der Tod Von Gott Befehl, daß er mit kalter Hand Dich nimmermehr berühre, weil die Zeit, Die allen nimmt, dir ewig geben soll. O, zweifle nicht! Die bildende Natur Hat sich bisher im Schaffen nur versucht Und Form nach Form zerbrochen, weil ihr nie Gelang, was wert war der Unsterblichkeit. Du bist, wie keine noch, und dürfte dir Der Tod sich nahen, o, da würde sie Dem Maler gleich tun, dessen Meisterstück Der hämsche Neid zerfetzte: starr und stumm Hieb er den Arm sich ab, und schuf nichts mehr. Nur zu! Nur zu! Des Opfrers Weihrauch zieht Aufs Götzenbild des Himmels Blitz herab! Gott wird dir zeigen, daß ich sterben kann. Und kannst du sterben, warum mahnst du mich? Die Rose sagts nicht selbst, wenn sie ihr Feind Entzückt betrachtet, daß sie morgen welkt, Sie weiß es, daß er dann schon heut sie pflückt. Ja, es ist wahr, und weil es wahr ist, will Ich gleich mein volles Maß der Seligkeit. Der unsichtbare Hauch, der dich und mich Ins Nichts hinein bläst, facht in mir zugleich Die Lebensglut zur höchsten Flamme an. O komm! und stirb mit mir den Liebestod! Ha, Aug in Auge wurzelnd, Mund in Mund Einwachsend, drängen wir, bis sie zerspringt, In unsre Brust den Odem still zurück. tritt zum Fenster. Seht, Golo, Ritter Tristan zieht erst fort. Ein Ruf aus diesem Fenster – er vernimmt Und eilt herbei! Sie tritt weit vom Fenster weg. Ich rufe nicht. Nun geht! Wer jetzt noch bleibt, der muß ein Schurke sein. Ich Er nimmt sein Schwert auf und steckt es ein. bin ein Schurk. Nun hab ich Schurken-Recht! Denn auch ein Schurk hat Recht. Er kann nicht mehr Zurück, drum muß er vorwärts. Wie es sich Vergessen läßt, daß man ein Räuber war? Man wird ein Mörder. Vater-Mörder dann, Welt-Mörder! Gottes-Mörder! Schüttelts dich? O Genoveva, halte mich! Du siehst, Ich habe nichts, als dich! O, einmal nur, Nur einmal gib mir, was du geben kannst! Nur einmal laß mich ruhn an deiner Brust! Wohl ist das viel! Doch biete ich noch mehr: Aus meinem Arm entlassen will ich dich, Sobald ich dich umschlang. Das sei der Preis. Wenns Sünde ist, so ists die kleinste doch; Begehe denn die kleinste Sünde, Weib, Damit du vor der größten mich bewahrst. Denn rauben muß ichs, wenn du mirs versagst, Und rauben will ichs. Er umschlingt sie. Wohl! Nun hab ich dich! Nun halt ich dich! In Flammen tauch ich dich! tritt ein. stößt ihn von sich. Zurück! Und ehrst du nicht das Weib in mir, So ehr in mir die Mutter, denn ich bins! Die Mutter! Ha, sie glüht, indem sies sagt, Dies Wort – weicht, Bilder! Gott! in höchster Raserei. Was hält mich noch? Wer stürzt hinunter in des Abgrunds Nacht, Und reißt die letzte rote Beere nicht, Die sich ihm bietet, noch im Fallen ab? Er dringt wieder auf sie ein. Jetzt ruf ich! Golo! zieht das Schwert gegen Katharina. Weib, was willst du hier; Komm, Bösewicht, durchstoße meine Brust! Sie wars, die dir die Kraft gab, daß dus kannst. zu Katharina. Habt Ihrs gesehn? Ich – habe nichts gesehn! zerbricht sein Schwert. zu Golo. Wohl Euch, daß keiner kam. Ich schweige! Weib! Du siehst, was Liebe ist! So sag mir an: Trieb es dich je zu ihm, wie mich zu dir? Sprich nicht zu schnell dein Ja! Dies eine Ja Stößt Gottes Welt in Nacht und Graus zurück. Wenn das, worauf mein ganzes Sehnen geht, Was ich nicht missen kann, ein anderer Mit gleichem, ja mit größerm Recht besitzt, Dann raste die Natur, als sie mich schuf. Trieb es dich nicht zu ihm, wie mich zu dir? Dann wars ein Mord, den du an mir begingst, Als du, den Schauder, der dich warnte, feig Erstickend, ihm, weil er der erste warb, Die Hand gereicht zu einem ewgen Bund, Dann, Ehweib, sei verflucht! Er hält schaudernd inne. Verflucht? Stark. Verflucht! Ab. Wenn das der Graf erfährt – – ich muß ihm nach! Ab. drückt ihre Hände erst gegen das Haupt, dann gegen die Brust. Darauf nimmt sie das Kruzifix und geht ab. 11. Szene Elfte Szene Große Gesindestube im Schloß. Man sieht Jagdhörner, Spindeln etc. An der Wand ein großes Kruzifix. Margaretha sitzt am Tisch und legt Kräuter auseinander. Golo lehnt starr und schweigend gegen die Wand. Katharina steht vor ihm. nach einer langen Pause. Du zücktest gegen mich dein Schwert. Ich steh Und wills verzeihn. Doch, bitten sollst du erst. Fort! Stört den Teufel nicht, der bei mir ist! Er wird verrückt! O Weib! Verfluchtes Weib! Er wollte einen Kuß! Was ist ein Kuß! lacht. Was lachst du? Immer gibts der Toren doch, Die so weit gehn, daß sies zum Galgen führt, Doch nicht so weit, daß es sie glücklich macht. Er ging nur zu weit. erhebt sich. Nein! Nicht weit genug. Der Ritter ist noch jung! Ach Gott! Ein Kuß! Ein Kuß ist ein Versprechen. Gibt man erst Versprechen ab, wenn man schon halten will? Er war zu ungeschickt! War das Gemach Denn abgeriegelt? Nein! Du drangst ja ein! Das arme Weib! Mir schelte keiner sie! Wer wagte das bei unverschloßner Tür! Sie wurde rot, nicht? Oder ward sie bleich? Nun, das ist gleich! Der einen dringt das Blut Zum Herzen, und der andern zum Gehirn. Sie sprach von ihrem Mann? Das tut man wohl, Man ruft ihn an, wie einen Heiligen, Sobald man weiß, daß er nicht hören kann. Sprach sie nicht auch von Gott? Ach, daß Ihr dies So falsch verstanden habt! Ich denke doch, Ein Weib ist weit genug, wenn sie erklärt, Daß nur die Allmacht sie noch schützen kann. Dort geht sie zur Kapelle! Engelschön! Wär ich ein Mann, ich setzte alles dran! Doch, Männer gibts vielleicht, die dem Gemahl Das Licht vortragen, wenn er sie besucht. Nun, die sind brav. Gott segne sie und Euch. Was sprach sie? Gings, wie Wind, an deinem Ohr Vorbei? So höre mich. Wenn der Herr Graf Zurück kommt und erfährt, was du gewagt – Meinst du, er kanns verzeihn? Das kann er nicht, Doch zweifle nicht, sie schweigt. Sie schweigt? Ei! Ei! Ist die ein braves Weib, die das verhehlt, Was ihres Mannes Ritter-Ehre mehr Noch kränkt, als ihre Frauen-Ehre? Die Sich der Gefahr aussetzt, zum zweiten Mal Den Bock zum Gärtner sich bestellt zu sehn? Nein, junger Herr, ist sie ein braves Weib, So muß sies beichten, beichtet sie es nicht, So ist sie so, wie Ihr sie brauchen könnt. Nun wär mein Rat: versucht den zweiten Weg! Ihr müßt zum Ziel, und treibt Euch nicht die Glut, So treibe Euch die Sorge um Euch selbst. Ihr habt da einen hübschen Lockenkopf, Es wär doch schade, wenn ein Henker dran Beweisen müßte, daß er Meister ist. Was meint Ihr mit dem zweiten Weg? Ja, seht: Wenn sie Euch abwies, denk ich, so geschahs, Weil ihrem Sinn die Ehre höher galt, Als das Vergnügen, das sie Sünde nennt. Kehrt einmal das Verhältnis um, und nehmt Die Ehre ihr, die Sünde aber stellt Als Preis, um den sie, wenn sie willig ist, Den Leumund sich zurück erkaufen kann. Der Teufel selbst ersinnt nichts Besseres. Doch – wie versteht Ihr das? Gibts hier im Schloß Nicht einen Diener, dem sie Gunst beweist? Da ist der Drago! Den ich draußen sah? »Ihr seid noch krank!« »Ihr geht zu Bett!« Zu Bett! Lacht. Das ist ihr Mann! Den zieht sie allen vor! Man weiß nicht recht, warum? Ich weiß es! Gott! Die andern sind ihm alle neidisch. So? Doch häßlich ist er, wie die Nacht! Was tuts! Nun weiter. Diesen Drago schiebt ihr still Ins Schlafgemach. Es könnte gleich geschehn, Sie ist noch vom Gebete nicht zurück. Wozu? Daß man ihn finde, wo man nie Ein Mannsbild finden darf. Nur frägt es sich: Wie bringt man ihn hinein? Ich hab es schon! Für sich. Ich laß ihn Wache stehn! Dann brecht Ihr ein, Nehmt Zeugen mit, stürzt auf den Menschen zu, Ergreift ihn, führt ihn, eh er reden kann, Von hinnen, werft ihn ins Verlies hinab Und macht mit ihm, was Euch gefällt. Will er Nicht sprechen, wie er sprechen muß, so ists Genug, wenn er nur gar nicht wieder spricht. Die Dienerschaft ist überzeugt, sie gilt Für eine Ehebrecherin, und Ihr Habts in der Macht, wie lang es dauern soll; So lange, denk ich, bis sies wirklich wird. Sobald sie sich im stillen Euch ergab, Erklärt Ihr, daß sie rein und schuldlos ist, Und straft den Drago, wenn er dann noch lebt, Für dies und das, was sich erfinden läßt, Mit ewgem Kerker, oder schnellem Tod. Satanisch! Ei, Warum? Wenn sie besteht, Wer wehrt Euch dann, der neuen Heiligen Mit eigner Hand als erstes Opfertier Euch selbst zu schlachten? Doch – versucht sie erst Und seht, ob sies verdient. Das tut Gott selbst. Er reichte keiner noch die Palme dar, Die er zuvor in Flammen nicht geprüft. Da habt Ihr recht. Der Drago kommt! tritt still ein. So geht! Schnell! Schnell! Vorsichtig, Sohn! Ist ihr Gemach Auch offen? Ja, denn sie verschließt es nie. Beide ab. 12. Szene Zwölfte Szene Ich treib die Sünde bis zum äußersten, Nur, um zu sehen, obs auch Sünde war. Ha! Kann sies tun um irgend einen Preis, So bot ich schon den höchsten, und ich darf Verachten, was ich jetzt verehren muß. Wars nicht die innerste Unmöglichkeit, Wars nur die Ebb im Blut, nur feige List, Die niemals spricht: ich will! Doch oft: ich muß! Dann ist die Welt, als deren Stern sie glänzt, Nicht wert, daß man von Unrecht in ihr träumt! Dann wird sie mir, wie eine Fackel sein, Die Gottes Schöpfung schrecklich mir erhellt, Und diese Fackel, fürcht ich, blas ich aus, Bevor sie alles noch erleuchtet hat. Wohlan! Ihr Höllenhunde, Schmach und Not, Euch hetz ich auf sie ein! Wenn sie erliegt, So hatt ichs Recht zur Jagd! Wenn sie besteht, So werd ich um nichts schlechter sein, als jetzt! Das merk dir, Freund! Du bist ein Schuft! Was schont Der Schuft sich noch? Willst du den Tugendriß Mit Selbstverachtung flicken? Schäme dich! Als ob dies schnöde Selbstverachten nicht Noch ein Sich-Achten wäre, ein Asyl Der Eitelkeit, worin sie keiner sucht. Drum vorwärts! Immer vorwärts! Und wer weiß! Sie ist mit dir aus gleichem Stoff gemacht, Der Stoff, du siehsts an dir, hälts Feur nicht aus! Vielleicht ward dir in deiner Fieberglut Der Lindrungstropfe darum nur versagt, Weil du auf einmal und in einem Zug Den Becher leeren, weil du, Lieb und Haß Zugleich empfindend, sie in deinem Arm Erniedrigen und dann erwürgen sollst! Er wendet sich rasch zu Drago. Sprecht, Drago, liebt Ihr unsern Herrn? Ihr wißts! Und liebt Ihr unsre Frau? Was fragt Ihr doch! Wen liebt Ihr wohl am meisten? Immer den, Für den ich just das meiste tun kann. Wie? Ja, darin bin ich schwach. Wer mich nicht braucht, Mir meinen Dienst erläßt, mich seitwärts schiebt, Mir sagt: geh, ruh dich aus! Den lieb ich nicht, Der macht mich ja zum Nichts. Doch, wer mich plagt, Wer mir den Schweiß aus allen Poren treibt, Wer mich so müd macht, daß die Ofenbank Ein Himmelreich mir scheint, den liebe ich, Denn der gibt mir ein Recht auf das Gefühl: Der Drago ist doch nötig in der Welt! Und ohne dies Gefühl halt ichs nicht aus. Ich will Euch brauchen, Drago. Das ist recht. Schwört mir zuvor, daß Ihr nicht weigern wollt, Was ich verlange an des Grafen Statt. Ich einen Dienst verweigern? Schwört! Ich schwörs! So schleicht Euch in der Gräfin Schlafgemach, Versteckt Euch dort – wo nur? – Nun, hinters Bett – Und – Nein, Herr Golo, nimmer tu ich das! Bist du der Schuft, der Gott die Schwüre bricht? Der bin ich nicht! So tu, was ich befahl. Doch hör zuvor. Es steckte einer mir, Daß Nacht für Nacht zu Genoveva sich Der fromme Mann, der Burgpfaff, schleichen soll. Und Ihr, Herr Golo, hättet das geglaubt? Seht! Seht! Ihr werdet rot und bleich! Bei Gott, Zehn Meineid wiegen nicht die Sünde auf, Daß Ihr den Schelm nicht gleich erstochen habt. Herr, fordert einen andern Dienst von mir: Nennt mir den Buben, der so niedrig sprach – Ich zeig noch heut Euch, daß ich morden kann! für sich. Schurk! Schurk! Sie ist jedwedem, wie ein Licht. Man kann es löschen, doch beflecken nicht! Laut. Wer sagt Euch, daß ichs glaubte? Doch mein Amt Erheischt die Untersuchung des Verdachts. Die Gräfin ist ein Schatz, mir anvertraut, Und wenn man mir von Diebstahl spricht und Raub, Wer schilt mich, wenn ich auch zu ängstlich bin? Ich will ja den Beweis nicht ihrer Schuld, Ich will den Zeugen ihrer Unschuld nur, Damit ich den Verleumder strafen kann. Ihr seid der Mann, dem ich vertrauen darf, Ihr müßt es tun, der Graf verlangts durch mich, Zeit ists, die Nacht bricht ein, versteckt Euch, fort! Ich bitt Euch, laßt erst forschen, ob der Schelm, Der seinen Mund so frech gemißbraucht hat, Nicht stumm geworden ist, ich hoffs zu Gott Und seinem Zorn, die Zung ist ihm verdorrt. Du hörst, mein Freund, er braucht sie ganz, wie du, Und wenn du zögerst, macht er das, was ich Bis jetzt allein nur weiß, im ersten Rausch Der ganzen Dienerschaft im Schloß bekannt. Ich tus. Doch, wenn ich Euch nun morgen früh Beschwören kann, daß alles Lug und Trug, Laßt Ihr den Schelm dann hängen? Hängen bloß? Ich laß ihn foltern! Macht! geht, kehrt aber wieder um. Nur noch ein Wort. Es ist doch kaum für eine Mannsperson, Was Ihr mir auftragt, sendet doch ein Weib. Hier handelt sichs um Leben oder Tod, Da kann ich nicht auf Weiberzeugnis baun! Das ist wohl wahr. In Gottes Namen denn! Ab. 13. Szene Dreizehnte Szene Katharina und Margaretha treten von einer andern Seite ein. zu Katharina auf Drago deutend. Ihm nach! Zu Margaretha. Lacht nicht! Ihr irret Euch in mir! Das wär mir leid um Euch. Man könnte jetzt Die Leute vorbereiten! Tut das nicht! Es muß sie treffen, wie ein Donnerschlag. 14. Szene Vierzehnte Szene Es ist nach und nach dunkel geworden; von einer Magd wird eine große Lampe angezündet, Krüge werden auf den langen Tisch gestellt, Brot wird gebracht. Caspar, Balthasar und Hans kommen durch verschiedene Eingänge, einer nach dem andern. Golo im Vordergrund, geht unruhig auf und ab. Conrad kommt singend. Der singt! Wie seltsam, daß in dieser Welt Noch einer singt. tritt singend ein; zu einem Hunde, den man nicht sieht. Zurück mit dir! Ist hier Dein Stall? Er singt. Der Jäger zog – wo zog er doch? Der Jäger schoß – was schoß er doch? Wer fragen kann, der zog nicht mit, Ich denke auch, er aß nicht mit Vom – Er bemerkt Golo. Ich biet Euch guten Abend, Herr! Zum Singen hat der Jäger heut kein Recht, Denn was er schoß, ließ er zurück im Wald. Daß man ihn mitnahm, war der Has nicht wert! Zu Margaretha. Ist Käthchen untreu, oder treu? Ihr seid Doch eine weise Frau, nicht wahr? So treu, Wie Genoveva! Freue dich, mein Herz! immer für sich. Wie lange bleibt die Mutter! Ward der Narr Ertappt? Ging er vorüber an der Tür? Recht! Wechsle Frag und Antwort mit dir selbst, Mach Worte, daß dich kein Gedanke stört! Der tolle Klaus kommt herein, ein langes geschliffenes Jagdmesser in der Hand, und eilt auf Hans zu. Blank – scharf – sieh! Er schneidet sich in die Hand. entreißt ihm das Messer. Ists erlaubt, so toll zu sein? Der schneidet, um zu zeigen, daß er mir Mein Messer gut geschärft, sich in die Faust. Klaus Ohnegrund, warum nicht in den Hals? Wer gibt dem Tollen auch zum Schleifen wohl Sein Messer? Wer? Ihr fragt ja, wie ein Graf! Der tuts, der selbst nicht Zeit hat. Soll man Euch Erst um Erlaubnis bitten? Wie man will. erhebt sein Messer. Es scheint, Ihr zweifelt, ob des Tollen Hand Die Arbeit gut gemacht: wollt Ihr Beweis? Halt Frieden, Hans! Noch ists vorm Beten, Herr, Und den da – nun, steck ein! Sein Wams ist fein! Nicht um den Kerl wärs schad, doch um das Wams. dringt auf Hans ein. Was? Hans, du bist im Unrecht. Klaus ist toll! Doch der ists auch, der ihm ein Messer gibt. Klaus ist nicht toll, wenn er den Hundestall Verläßt, und aufrecht wandelt, wie ein Mensch. Ja, wenn er kriecht, dann geb ichs zu. Klaus, komm! Das Vaterunser lehrt ich dir! Sags her! Klaus hat sich inzwischen in eine Ecke gekauert. Wo ist er? Dort! Er schläft! Er hat den Platz Beim Ofen sich gewählt. Ja Er lacht. der ist toll! Noch gestern biß er mit dem Philax sich. So? Nun, dann tat er, was nicht jeder tut. Zu Hans. Wie kommt es nur, daß solch ein Halbmensch sich Aus Busch und Wald in dieses Schloß verirrt, Um die hochadelige Dienerschaft Durch seine Torheit zu entzwein? Ja wißt: Von Bettlern, Tollen, Mit einem Blick auf sie. Alten Weibern wirds Bei uns nicht leer, denn die Barmherzigkeit Wohnt unter uns in eigener Person. Nicht wir: die Gräfin herbergt jenen Klaus, Sie traf ihn 'nmal, ich glaub, in einem Sumpf. Klaus mag es ihr vergelten, wenn sie selbst Einst toll geworden ist, und er ein Graf. Ein wahres Ungetüm! Schneeweißes Haar, Und rote, runde Backen, wie ein Kind. Man sagt, er hat im Wald zur Nacht einmal Ein Schreckgesicht gesehn, da ward das Haar Ihm weiß, Gott steh ihm und uns allen bei! Die andern haben sich, mit Ausnahme des schlafenden Klaus, um den Tisch gestellt, jetzt treten auch Hans und Margaretha hinzu. Wo bleibt der Küster denn? Noch immer krank. Ihr meint doch Drago? Wen wohl sonst, als ihn, Der sichs zur Essenszeit nicht nehmen läßt, Uns vorzubeten. Wenn der Narr nicht kommt, So ist er mehr, als krank noch, ist halb tot. Er stand schon mitten aus dem Fieber auf Und sprach den Segen zähneklappernd her. Was spottet Ihr? Es ist sein Amt im Schloß, Von seinem Vater hat er es geerbt, Sein Ältervater hat es schon versehn. Wenn Ihr vergönnt, so bet ich heut für ihn. Caspar faltet die Hände, alle übrigen tun es auch, nur Margaretha nicht. betet. Gott segne unser Brot und Wein, Laß es dem Braven wohl gedeihn, Doch dem, der Böses sinnt und schafft Dem stärk es dazu nicht die Kraft. Sie wollen sich setzen. Ein stumm Gebet für eine Seele noch, Für eine arme Seele! Sie beten still, dann setzen sie sich. zu Conrad. Trinke mit Von meinem Wein, und iß von meinem Brot! Das tu ich gern. Wer mir zu leben gibt, Der zeigt mir, daß er mir das Leben gönnt. Das ist der Grund, weshalb man trinken muß, Wenn man entzweit war, und sich dann versöhnt. für sich. Ein Mord ist wohl genug. Dem zweiten war Ich heute nah. Ich mag nicht essen. Faust, Du bist schon röter, als du sein sollst. Wars Für Euren Vater, das Gebet? Mir hats Gefallen, daß Ihr fromm seid. Nein! Nein! Nein! Auch nicht für meine Mutter. Er pfeift. erwacht. Ja? Schlaf zu! Dir gilts nicht immer, Klaus, wenn einer pfeift. am Tisch. Der Graf! Der edle Graf! Er lebe hoch! Sie stoßen an. Herr Hof- und Schloß-Verwalter, hört Ihr nicht? Es gilt dem Herrn! So? Nun, da trinkt man mit! Er geht langsam auf den Tisch zu. kommt und macht Golo ein Zeichen. Doch fürcht ich sehr, wir müssen mehr für ihn Heut nacht noch tun, als daß wir trinken! Alle werden aufmerksam. zu Katharina. Nun? Du bliebst ja lange! Sohn, ich zittre sehr! Es ist doch Sünd! Die größte auf der Welt! Allein, was hilfts? Hat Drago sich versteckt? Ja, Sohn! Und sie? Ist krank und zieht sich aus. Sie zieht sich aus? Da hat man, was man braucht! tritt zum Tisch. Ihr Leute, hört! Du ewger Gott! Was ists? zu Katharina. Sprich du! Er setzt sich nieder. Ja, tus. Ihr aber – glaubt ihr nicht, Auch ihm, auch mir nicht, nur euch selber glaubt! Vielleicht ists Augentrug. Drum rat ich: geht Und überzeugt euch! spricht die Worte nach. Trug – drum – rat – ich – geht – Und Schnell. Überzeugt euch! zu Klaus. Schweig! spricht nach. Schweig! will ihn fortjagen. Fort, du Narr! Laßt doch den Klaus, er hört schon wieder auf! spricht nach. Laßt doch den Klaus, er hört schon wieder auf! Hört er die Hunde bellen, bellt er mit, Und hört er Menschen reden, spricht ers nach, Weil ihms an Worten, wie Gedanken fehlt! Doch, gleich ermüdet, schläft er wieder ein. Wir stehen alle starr. Herr Golo, sprecht: Was ists? Ein Mord? Die Gräfin starb doch nicht? Ists das? Du armer Graf! Dann trinken wir Ein ander Mal auf deinen Tod! zu Katharina. Sprich! Sprich! Dein Sohn, du siehst es, ist zu sehr bewegt. Das redliche Gemüt! Ihn greift es an, Als wärs ihm selbst geschehn! Das ist doch Treu! Ja, Menschen gibts, wie Edelsteine. Heimlich zu Katharina. Sprich! Sein Kopf steht auf dem Spiel, verrät er sich. Zu den andern. Kein Mord! Kein Todesfall! Bloß Ehebruch! Die Krankheit und die Unschuld paarten sich In süßer Sünde! Ja, die Gräfin liegt In Dragos Armen! Oder lag darin! Das ist doch wohl nicht wahr! zu Katharina. Weib, kennt ich dich Als lügenhaft – drei Finger gäb ich drum! Je nun, warum nicht? Aber, find ich auch Die Tat begreiflich – niemals den Geschmack! Der Drago, ei – – Auf Golo deutend. Das wär ein andrer Mann! GOLO springt auf Was soll das heißen? Nichts! Zu Margaretha. Der ist noch jung! wild. Ich glaubs nicht, eh ichs sehe. Sehe ichs – Er hebt drei Finger in die Höhe. Ich schwör zu Gott, den Drago bring ich um, Den Heuchler! Zu Hans. Leiht doch Euer Messer mir! Mit rechten Dingen ging das nimmer zu, Der Schurke gab ihr Zaubertränke ein. Zu Golo. Nun, Herr Verwalter? Euer Schmerz gereicht Euch zwar zur Ehre, aber Euer Amt Verlangt die Untersuchung. Geht voran! zu Caspar. Ihr schwurt da – Was ich halte! zu Golo. Mach, mein Sohn! Sie spricht zuweilen mit sich selbst! Wenn sies Auch heute tät, und Drago – Sei es denn! Alle ab. Katharina und Balthasar mit Lichtern. 15. Szene Fünfzehnte Szene Genovevas Schlafgemach. Das Bett. Hinter dem Bett Drago, den man nicht sieht. sich entkleidend. Ich bin mir heute selbst zu schwer. Mir ist, Als würd ich in die Erde mit Gewalt Von einer ehrnen Hand hinein gedrückt. So sehnt ich mich noch nie nach Schlaf, wie heut. Nun, wünsch dir selber gute Nacht. Das Licht Zeigt dir, daß du zu Bett sollst; es verlischt. Geräusch vor der Tür. Wer kommt? Wer es auch immer sei: zurück! 16. Szene Sechszehnte Szene Golo, Caspar, Balthasar, Hans, Conrad, Margaretha, Katharina treten ungestüm mit Lichtern ein. Verzeiht. Wir glaubten, daß hier Feuer sei. wirft ein Tuch über. Ihr seht, hier ist kein Feuer. Geht denn! Nun? Sie drängt ja sehr! Wir kommen ihr nicht recht. Nun, nun! Käm man um diese Zeit ihr recht, So wär sie, was sie nicht ist, wie wir sehn. Ich sagte: geht! Vergaßt ihr, wer ich bin? zückt gegen Katharina das Messer. Kniet vor dem Engel nieder, schlechtes Weib! Guckt erst mal hinters Bett! Ha, was ist das? Er tuts, zu Katharina. Ich bitt Euch um Verzeihung! Zu dem versteckten Drago. Hund, hervor! kommt, in höchster Verwirrung. Herr Golo – Wär Herr Golo auch so schwach, Dir zu vergeben, eh er noch das Wort Aussprechen kann, stehst du vor Gottes Thron! Er sticht Drago nieder. Frau Gräfin, mit Erlaubnis: das ist schlecht! Freund, du bist rasch! Ho! zu Golo. Freut Euch! Ihr habt Glück! Wenn ers nicht tat, so mußtet Ihr es tun! Was sagt Ihr nun, Frau Gräfin? Nichts zu Euch! Das glaub ich. Nichts zu uns, die wir es sahn! Was aber wohl zu dem, ders hört von uns? Heimlich. Was mich betrifft, mich macht der Goldring blind! Dann deute ichs auf einen Mordplan aus, Den mir der Tote vorlängst schon verriet, Durch Winke freilich, die ich nicht verstand. tritt mit Würde unter sie alle. Glaubt, was ihr seht. Nur bitt ich, glaubt nichts mehr, Als was ihr seht. Ihr brachtet Lichter mit, Gebt mir ein Licht! Sie leuchtet gegen das Bett. Das Bett ist unberührt. Nun, das beweist: unschuldig ist das Bett! Wer hat das Bett verklagt? tritt vor Golo hin. Euch ruf ich auf! Sagt Ihr, Herr Golo, was Ihr denkt und glaubt. Ich heiß nicht Siegfried, bin der Richter nicht. Ihr mahnt mich recht! Die ist ja nach dem Fall Viel stolzer noch, als Bessere vorher. Doch bräche sich der Stolz vielleicht im Turm. Wär ich der Herr – Zu Golo. Ihr seids – sie müßte gleich Hinunter; – wenn dem Grafen dann der Schmuck, Den der ihm aufgesetzt, gefiele, nun – So holt er sie mit leichter Mühe ja Zurück ins Bett, ich aber spuckte aus Und kündigte zur Stunde ihm den Dienst. Führt mich, wohin es sei, nur führt mich hin, Wo ich dies Blut nicht seh. Zum Turm mit ihr! Alle ab bis auf Golo. sich gegen Dragos Leichnam wendend. Ein Mord! Was ist ein Mord? Was ist ein Mensch? Ein Nichts! So ist denn auch ein Mord ein Nichts! Und wenn ein Mord ein Nichts ist, dien er mir Als Sporn für das, was wen'ger, als ein Mord, Und also wen'ger, als ein Nichts noch ist! Er folgt den übrigen. 4. Akt 1. Szene Erste Szene Halle im Schloß, wie im zweiten Akt. tritt auf. Er ging zum Turm! Es ist das erste Mal! Wie wirds ihm sein, wenn er sie wieder sieht! kommt von der andern Seite. Weib! Ist sie tot? Tot? War es ihr Gespenst, Das ich erblickte, oder war sies selbst? Mich überläufts. Sie wird doch nicht – – Du machst Mir Angst – – Ich spähte durch den Mauerspalt Hinein. O! O! So stand sie! Mit einer Pantomime. Übers Kind Gebeugt, ein Geist, der eine letzte Pflicht Erfüllen mögte und nicht kann; die Brust Dem stummen Bettler reichend, der sie nicht Ergriff, weil sie verwelkt und trocken war; Doch sie nicht weichend, starr und regungslos Verharrend, nicht einmal den Augenstern Bewegend, wie versteinert durch den Blick Des abgezehrten Säuglings, und ihn selbst Versteinernd durch den ihrigen – – ich hielts Nicht aus, sie anzusehn, ich wandte scheu Das Auge ab, statt ihrer sah ich nun Ein schlechtes Brot und einen Wasserkrug Und in der Ecke eine Schütte Stroh. Tratst du nicht ein? Du meinst, um ihr den Kopf Herabzuhaun und ihrer Qual das Ziel Zu setzen? Nein! Ich stürzte schaudernd fort. So mag der Mörder, der den letzten Blick Aufs blutge Opfer warf, von dannen fliehn; Er denkt nicht mehr ans Plündern und vergißt Des Mordes Zweck, nun er den Mord vollbracht. Du selbst befahlst das alles. Hör mich an. Des Abends spät warfst du sie in den Turm, Am nächsten Morgen stieg ich, in der Hand Den Becher Wein, den ich für sie gezapft, Zu ihr hinab. Als ich der ehrnen Tür, Die in die Tiefe führt, mich näherte, Flog sie mit Krachen auf, du tratst heraus, Dein Antlitz glühte, schrecklich war dein Blick, Und düstre Schauer des Entsetzlichsten Durchzuckten eiskalt mir Gehirn und Brust. »Was soll das noch?« So riefst du, mir den Wein Entreißend und den Becher an der Wand Zerschmetternd. »Brot und Wasser ziemt sich hier, Dazu ein Bett von Stroh und weiter nichts.« Ich sah dich an. »Du zweifelst? – riefst du dann – Sie selbst hats mir gesagt, nun glaubst dus doch? Drum bring ihr Brot und Wasser, bring ihr Stroh, Und bei dem Teufel, der den Meineid rächt, Dem, der ihr mehr gibt, geb ich weniger!« Ich weiß. Du aber weißt nicht, was im Turm Vorher geschah. Vernimm es jetzt. Ein Traum Hatt mir in jener Nacht mein Innerstes Enthüllt, wie wohl ein Licht, ins Schlangennest Gestellt, den grausen Würmerknäul erhellt. O, welch ein Traum! Mir war, als säh ich sie Mit aufgeschnittnen Adern vor mir stehn, Bleich, totenbleich; ich hatt ihr das getan, Dieweil sie schlief, sie aber wußt es nicht; Aus allen Adern blutete ich selbst, Denn mir, wie ihr, riß ich sie auf; sie sah Nur meine Wunden, ihre nur sah ich, Mitleidig trat sie auf mich zu und schloß Die Ader, die am stärksten sprudelte, Mir mit der Hand, ich drückte meinen Mund Auf ihren aufgeschlitzten Puls, den Strom Des Lebens rückwärts drängend in sein Bett. Doch, für uns beide wars zu spät, sie sank, Ich sank mit ihr, und sah ihr ins Gesicht Und sparte meinen letzten Odemzug, Bis sie den letzten Odemzug getan. Ha! Fürchterlich! Mir ist, als säh ich das! Nun waren Haß und Liebe ausgesöhnt, Der Haß fand in der Wunde, die er schlug, Sein süßes Grab, die Liebe, die umsonst Zu heilen suchte, was unheilbar war, Verging in Tränen, und ein höheres Gefühl, das alle beide lind vereint, Ein uranfänglich-allumfassendes, Zog, wie auf Wogen, tief und tiefer mich Hinunter in die Nacht, wo man vergißt. So war mein Traum. Mit Wollust hatt ich ihn, Mit schaudriger Befriedigung, geträumt, Doch namenlose Angst erfaßte mich, Als ich erwachte und das düstre Bild Beleuchtet sah von des Bewußtseins Strahl. Mir war, als würd ich dies tun, wenn ich schnell Nicht etwas andres täte. Ich sprang auf Und eilte in den Turm. »Sie soll von ihm – Rief ich zu mir, – sich trennen, wie von mir, Damit sie keinem angehört, als Gott!« Ich trat vor sie. Sie wich entsetzt zurück, Als wär ich, was ich damals nicht mehr war, Was ich erst wieder ward, als ich sie so Mit stiller Angst vor mir entweichen sah. Ich stand und schwieg, die Furcht, die sie verriet, Die ausgestreckte Hand, erfüllte mich Mit dumpfem Grimm, doch ihre Schönheit drang, Wie Licht, in meine tiefste Seele ein. Und sie war schön, wie nie. Nur kaum vom Schlaf Erwacht, erst halb bekleidet, drängte sich Jedweder Reiz, den unter ernster Tracht Sie sonst gefangen hielt, mutwillig vor. Sie war der Juwelier, dem eben jetzt Das Kästchen, drin er Gold und Edelstein Vor fremder Blicke Neid verwahrt, zerbrach, Und ich der Räuber, der ihn überrascht. Sie wandte ihr Gesicht, da sagte ich: »Mißfällts dir, daß du mir gefällst? Was gibst Du für ein Mittel, das dich häßlich macht?« »O nenn es!« rief sie. »Rede mir von ihm!« Versetzt ich spöttisch. »Siegfried, reite schnell!« Rief sie, als säh sie ihn. Ich sah ihn auch, Gemächlich schreitend, und den Stern der Welt Ans Knopfloch heftend, wie'n Vergißmeinnicht. Ich knirschte, und nicht ruhig-ernst, wie ichs Beschlossen, als ich ging, nein, rasend, wild, Beschwor ich sie, durch einen teuren Eid Von ihm sich abzuscheiden, wie von mir. Sie kehrte sich entrüstet ab. Ich sprach: »Gleichviel! Wenn dus nicht tust, so tut ers selbst, Denn Drago steht schon zwischen dir und ihm!« »Du wagst es?« rief sie – doch, dann hielt sie ein Und schien zu sinnen, nun mit einem Blick Voll stolzen Mitleids sah sie auf zu mir Und sprach halblaut: »Es gibt nur einen Mann, Der mir vertrauen muß, den einen nur Ließ ich hinab in meine Seele schaun!« Doch dann, als ob sie das Gefühl der Schmach Jetzt übermannte, trat sie vor mich hin, Erhob die Hand und rief erglühend aus: »Auf deine Knie! Noch kann ich dir verzeihn! Du säumst, als ob dich nicht dein Innerstes Der Lüge ziehe? O, dann zeig es kühn Mir durch die Tat, daß du mich schuldig glaubst. Bin ich ein schändlich-ehebrechrisch Weib, Wie ziemte mir ein Bett und Frucht und Wein? Kaum Brot und Wasser, kaum ein Bündel Stroh!« Nicht Hochmut wars, nicht Trotz, der aus ihr sprach, Nur das Vertraun, das Menschliche in mir Zu wecken, nur kindliche Zuversicht, Ich würde, vor des Frevels Äußerstem Erzitternd, ihn bereun. Ich aber sprach: »Das kann geschehn, und wenn dus müde bist, So laß mirs sagen, durch den ersten Kuß Kaufst du von Schmach und Not dich wieder los!« Dann – doch, du sahst, wie ich den Turm verließ! Ich sah dich, ich vernahm dein hartes Wort Und widersprach dir nicht. Bald hört ich dich Von dannen sprengen in den Wald hinein. Nun füllt ich einen anderen Pokal Und bracht ihr den. Ich war nur kaum zurück, Da kam ein trauervoller Zug ins Tor: Vier Knechte trugen einen Sterbenden, Verhüllt, auf einer Bahre, in die Burg. »Wer ist es?« fragt ich. »Golo!« sprach der Hans Dumpf und gedämpft. »Tot?« »Noch nicht, aber gleich!« Als ich ins Freie kam, als mich die Luft Umspielte, als die ewge Sonne mir Ins Auge schien, von Laub und Blumen mir Der Tau entgegen glänzte, alles rein Und keusch und heilig schön, da preßte ich Die Lippen zu, als wollte ich der Luft Den Eingang wehren in die heiße Brust, Nach Gottes Sonne hätt ich einen Pfeil Verschießen mögen, und ins grüne Laub Hieb ich hinein, als säh ich einen Feind. Blut mußt ich sehn, ein Hirsch kam vor mir auf, Ich hinterdrein, mir war, als jagt ich sie, Ich warf den Spieß nach ihm und traf ihn gut, Im Grimm des Schmerzes wandte sich das Tier Und stellte sich, ich sprang vom Roß herab, Da strauchelt ich, der Hirsch drang auf mich ein, Hei, Kühlung! rief ich – Ja, und breitetest Die Arme, als das spitzige Geweih Den Leib dir aufriß, wie umschlingend, aus Und fielst dem Ungetüm, wie um den Hals. Hans sahs und riß dich los. Ich danks ihm nicht. Doch ich. »O, würde ihr der Wein zu Gift!« Rief ich, als ich in deinem Blut dich sah, Als ich vom Hans erfuhr, was du getan. Margretha kam herbei, sie schüttelte Den Kopf, verband dich, seufzte still und schwieg. Ist Hoffnung? fragt ich. »Wenn auch – sagte sie – Was hilfts? Die Kunst ist groß! Solange er Bewußtlos liegt, wie jetzt, verbürge ich Mich für sein Leben, doch wenn er erwacht, Erwacht sein Liebesgram mit ihm und schleift Dem Tod die Sense. Hätt das Weib ein Herz, So – – doch, sie hat ja keins!« »Wir wollen sehn!« Rief ich und eilte fort, zum Turm hinab, Auf deinen bleichen, zugekrampften Mund Das Auge richtend, in verbißnem Grimm Der letzten Worte denkend, die er sprach, Und schwörend, sie aufs treuste zu vollziehn. Auf meinen Knieen sank ich vor ihr hin Und flehte laut: Die Feder regt sich nicht Auf Golos Lippen, die den Odem prüft, Und seine Finger zupfen schon am Bett. So sagt denn, ruf ich jetzt ihm noch ins Ohr, Daß ihr ihn lieben, ihm gewähren wollt? Ihn zu erretten, kommt das Wort zu spät, Doch einmal lächeln, denk ich, wird er noch. Und sie? Was sprach sie? Was sie sprach? Nicht ja! Nicht ja! Da ballt ich grimmig meine Faust Und rief ihr zu: Stirbt er, so stirbst du auch! Sein Leben soll die Uhr des deinen sein! Zu Margarethen aber sagte ich: Sie hat auch dich gekränkt, geh, räch dich jetzt, Dir stell ich alles heim. – Die triebs so weit, Daß keine Umkehr möglich ist! Man hört des Burgwarts Horn. Das Horn! Mich schüttelts, wenn ichs höre! 2. Szene Zweite Szene tritt im Reiseanzug auf. Einen Gruß Von Frau Margretha! Ihr seid schnell zurück! Habt Ihr sie ganz nach Straßburg – – Nein. Verzeiht! Doch bis zur Rheinbrück hab ich sie gebracht. Warum nicht weiter? Weil ein Reisiger Mich dort durch eine Nachricht schlimmer Art Zur Umkehr zwang. Blickt nicht so bös auf mich. Nicht eben gern hab ich das alte Weib Geleitet, denn, vergebt, sie taugt nicht viel, Doch, weil sie einmal Eure Schwester ist, So übernahm ich das verhaßte Amt, Und seid gewiß, daß ich nicht eher sie Verließ, als bis sie völlig sicher war. Allein in Straßburg selbst konnt ich sie nicht Hineinbegleiten, nein, ich war zu feig, Den kranken Herrn, wie mir die Pflicht gebot, Zu töten durch die Zung in meinem Mund. Was heißt das? Nun, das heißt, ich wollte nicht Der sein, der ihm den Todesstreich versetzt, Obgleich ich weiß, daß er ihm nicht entgeht. Ritt ich in Straßburg ein, so mußt ichs tun, Ich bin sein Knecht, mußt ich nicht zu ihm gehn? Und wenn er frug: Wie stehts mit meinem Weib? So konnt ich doch nicht sagen: Es steht gut! Ist denn der Graf in Straßburg? Ist ers? Sprich! Ja, freilich. Würd ichs sagen, wär ers nicht? Der Krieg ist aus, der Heide ist verjagt Und hat, wie's heißt, auf hundert Jahr genug. Nun flog denn jeder, der was Liebes hat, Zu Haus und allen unser Herr voran. Die Wunde hatte ihn nicht aus der Schlacht Entfernt gehalten, noch viel weniger Hielt sie, obgleich noch immer ungeheilt, Beim alten Juden-Doktor ihn zurück. Das lief schlecht ab; zwar hielt er lange sich Im Bügel fest und achtete das Blut, Das ihm entging, nicht mehr, als wär es Schweiß, Doch fühlt er sich am Ende todesmatt, Und sank in Straßburg, einem Leichnam gleich, Vom Roß, der Landsknecht, der mir das erzählt, Hatt ihn in seiner Herberg selbst gesehn. ängstlich. Hat Margaretha all dies auch gehört? Was fragt Ihr doch? Versteht sichs nicht von selbst? Es war am Mittag, von dem scharfen Ritt War Eure Schwester müde, durstig ich, Und ob wir gleich schon klar den Münster sahn, So hatten wir es doch noch weit zur Stadt. Da trafen wir ein kleines Haus, worin Die Gastfreundschaft auf eine neue Art Geübt wird, Trank und Speise reicht man dort, Und andres, was der Wandrer braucht, für Geld. Für Geld! Es wohnt kein Edelmann im Haus, Auch kein gesunder Mensch, ein Krüppel nur, Der von den Reichen sich bezahlen läßt, Daß er umsonst den Armen geben kann. Wir kehrten ein, der Landsknecht saß am Tisch, Fest eingeschlafen, auf den leeren Krug, Der vor ihm stand, sein schweres Haupt geneigt. Wir setzten uns, der Krüppel hinkt herbei Und bracht uns Wein. Da fuhr der Schläfer auf, Ich grüßte ihn und reicht ihm einen Trunk, Er gab zum Dank mir von dem Krieg Bericht. lauernd. Margretha ist, was Wunden anbetrifft, Geschickt, wie keine; brach sie nicht sogleich, Als sie erfuhr, wie's um den Grafen steht, Mit Eifer auf, um ihm zu Dienst zu sein? Sie tats. zu Golo, heimlich. Nun bin ich ruhig. Sie ist klug Und haßt die Gräfin, wie die Nacht den Tag. Gewiß, sie baut uns vor. Sie tats schon hier. Hats doch kein Mensch im Schloß, kaum nur ich selbst, Erfahren, wann die Schwangre niederkam. Zu Caspar. Und trug sie Euch nichts auf? Ich hätt es bald Vergessen. Ja, als ich von dannen ritt, Rief sie mir nach: Schickt mir Herrn Golo zu, Er darf nicht länger krank sein! Sie hat recht! Wenn mein Wort gilt, so senden wir ihm nicht Den Raben übern Rhein. Wir schlagens Schloß Mit schwarzem Tuch aus, stellen ins Gemach, Das sie bewohnte, einen leeren Sarg, Der schweigend mahnt, daß er zu füllen ist, Und kleiden sie in Grabgewande ein. Dies wird er gleich verstehn, ich bürge Euch, Ein altes Märchen schließt so, das er kennt. Mein Pferd! Ihr wollt – Sogleich! Hans reitet mit! ab. Ich wälze meine Tat, wie einen Stein, Bergan, und mir ists recht, wenn sie zuletzt, Herunter rollend, mich zermalmt! Getrost! Wenn dus nur klug machst, geht noch alles gut! Was kann noch gut gehn, Weib? Ich wolle sie Erniedrigen. Das war der einzge Weg, Der mir noch blieb, mich wieder zu erhöhn. Sie aber hat, wie jener edle Stein, Für jeden Schlag durch einen Funken sich Gerächt, der sie verklärt. So hab ich nichts Durch all mein Tun erreicht, als daß ich selbst Vor Gott mich ihrer unwert nennen muß, Daß ich bekennen muß: du bist ein Schuft, Und nur, daß du erführest, welch ein Schuft, Ward dir dies Weib versagt und doch gezeigt! Nun sollt ich gehn und ihr die Kerkertür Aufriegeln und mit einem Stierkopf mich Einmauern lassen in den Hungerturm. Mich aber lockts, mit einem blanken Schwert Vor sie zu treten und in bittrem Hohn Zu sprechen: Edle Frau, dies schickt der Mann, Den Ihr in Eure Seele schauen ließt, Er zeigt Euch jetzt, wie fest er Euch vertraut! Ab. 3. Szene Dritte Szene Straßburg. Siegfrieds Herberge. Später Abend. Hinten Siegfrieds Schlafgemach. Edelknecht putzt einen Helm. Verdammt! Schon morgen! Gestern war mirs recht! Doch heute – – gar zu lieblich ist das Kind, Das ich im Münster sah. Er hörts doch nicht? Horcht am Schlafgemach. O nein! Er schläft! Warum auch schäm ich mich? Ich denke doch, wer mit zu Felde zieht, Der darf wohl auch nach einem Mädchen schaun! Wüßt ich nur, wo sie wohnt. Dann müßt er mir An ihren Fenstern morgen mit vorbei, Ich tummelte mein Roß, sie säh hinaus, Ich grüßte sie, sie würde rot. Verdammt! Heut trug ich just den alten Federhut, Und in dem Helm hier, der so gut mir steht, Wird sie mich nicht mehr sehn. Verzeih mirs Gott, Ich wollt, er würde kränker, als er war, Damit er bliebe! Er legt den Helm weg und nimmt einen andern. Nun den seinen noch. Ein wenig nur! Denn ihm gilt alles gleich. 4. Szene Vierte Szene Golo tritt ein im Reitmantel und mit Sporen. Sieh, Edelknecht! So spät noch? inwendig. Wer ist da? Edelknecht geht in Siegfrieds Schlafgemach. Nun gilts! Er haut vielleicht mich in den Sand! Dann nutz ich meinen letzten Odemzug Und decke sterbend den Verrat ihm auf. 5. Szene Fünfte Szene kommt halb entkleidet. Ihr, Golo? In der Nacht noch? Und so bleich Und abgehärmt, als kämt Ihr aus der Gruft? Sprecht lieber so: als wollte ich hinein! Ich fürchte sehr, Ihr seht in mir Euch selbst, Wie Euch mein Auge gleich erblicken wird, Sobald mein Mund ein einzig Wort noch sprach. Mein Weib ist tot! Du sagst nicht nein? Sprich nie Zu mir ein Wort mehr, oder sprich dies nein! Sie lebt! Sie lebt? Dann sei es, was es sei, Nimm im voraus mein Wort: ich trag es leicht. Ihr Kind lebt auch! Mein Kind! Das sagt ich nicht! Ha! feierlich. Edler Herr, ich fühl mich nicht geschickt, Durch eine Meldung ungeheurer Art Eur Herz zu spalten, und den Riß zugleich Zu heilen durch ein weich gewähltes Wort. Drum, wie man Mord ruft in das Ohr der Nacht, Den Schlaf zerreißend, wie man, wenn die Stadt In Flammen steht, den Strang der Glocke zieht, Nicht an die Fenster klopft, so ruf auch ich: Ihr trefft es nicht zu Hause, wie Ihr sollt! Pause. Wie schwer es sei, der treuen Gattin Tod Dem Gatten anzusagen, kinderleicht Ists gegen das, was ich Euch künden muß. Ich traf Eur Weib im Ehbruch mit dem Knecht, Dem Drago, und der Knab, den sie gebracht, Kam vor drei Tagen erst, Ihr selber müßt Am besten wissen, ob zur rechten Zeit. dumpf, langsam. Eins – zwei – zehn Monde bin ich fort! – Erst jetzt? Und als ich zog, da sagte sie – – Erst jetzt! Er lacht. Ich ging ja schon zu Bett! Was quäl ich mich! Von allen Träumen ists der dümmste Traum, Und auch der sündlichste. Gib acht! Gib acht! Gleich kommts dir vor, die Lilie sei schwarz. Er schließt die Augen. Woher nur nimmt die Seele, die doch wohl Geordnet ist und nicht im Irren schweift, Zum reinen Widerspruch den Stoff im Schlaf? Ei nun! Man kann ja auf dem Turme stehn, Den festen Boden unter sich, und hat Doch schwindelnd ein Gefühl, als ob man stürzt. Er sieht Golo an. Du bist noch da? Dann bist du ein Gespenst, Das mir die Hölle schickt, und trügest du Nicht Züge, die mir wert und teuer sind, Ich dränge mit dem Schwerte auf dich ein, Obgleich ich weiß, daß man die Schatten nicht Verletzen kann. als ob er gehen wollte. Ich komme morgen früh. So wach ich, und du bist es wirklich? Ja! Doch überrascht michs nicht, daß Ihrs nicht glaubt. Denn leichter ist es, einen Lebenden Für ein Gespenst zu halten, als ein Weib, Wie Euer Weib, für eine Sünderin. richtet sich stolz auf. Ja wohl! ja wohl! Ich bin ein Mann, und hab Als Mann ein Recht auf ein getreues Weib! Und faß ich dies mein Recht und ihre Pflicht In ein Gefühl zusammen: frei und stolz Mögt ich da sagen: Wer so sprach, der log. Ich log vielleicht schon einmal. O, das ists! An dir zu zweifeln, hab ich nicht das Recht, An ihr zu zweifeln, hab ich nicht den Mut. Wie in zwei Waageschalen sehe ich Die höchsten Güter, die ich mein genannt, Gleichschwebend kämpfen einen stillen Kampf; Nicht weiß ich, wohin werf ich mein Gewicht. Pause. Und doch! Ich weiß! Ich frage nicht mein Herz! Wenns bricht, so tut es seine Schuldigkeit! Ich stelle mich als Mann zum Mann. Ich kann Nur stehn für mein Geschlecht, für ihres nicht. Was einem Weibe möglich ist, wer hats Erforscht! Doch, was ein Mann zu tun vermag, Das sagt die Ahnung in der Brust mir an, Und die spricht jetzt mit tausend Zungen: Nein! Nun aber sei nicht unbarmherzig, Freund, Rett vor dem Wahnsinn mich, und mach mir klar, Wie das geschehen konnte, was geschah. Mir deucht, du nanntest – doch das kann nicht sein! Ich hörte falsch! Nicht wahr, ein Sänger kam, Ein goldgelockter, in mein stilles Schloß. Er sang – er sang vielleicht von mir! Und sie Verwechselte in süßem Rausch den Mund, Der ihr mein Angedenken sanft erneut, Mit meinem eignen Mund, und küßte ihn, So, daß die Liebe, die sie zu mir trug, Doch noch zum neuen Brand den Funken gab. Wars so? Die Schande ist für mich gleich groß, Doch nicht für sie. Den Sängern hätt ich wohl Das Tor verschlossen, wie es sich gebührt. Ihr hörtet recht. Kein Sänger: Drago wars! Mann, treu wie Gold! Jetzt schwöre ich für dich, Daß alles sich verhält, wie du gesagt. Auf einen Drago fällt die Lüge nicht, Und käme sie aus eines Tollen Hirn. Das Herz ist listig! Satisfaktion! Ja, ja! Nur darum darfs der Knecht nicht sein! Nun, Freund, das Nähere. Ergötze mich! Du hast gewiß den Drago mitgebracht. Ruf ihn herbei! Ich will dem Schuft verzeihn, Wenn er die Schnurre gut erzählen kann. Auf Gottes Kosten mögt ich über Nacht Ein wenig lachen; bis zum sechsten Tag War er ein Meister, ich begreif es kaum, Wie er zuletzt noch solch ein Stümper ward. Nun? Nun? Den Drago stach der Caspar tot. Doch ist der Hans hier. Ist es Euch genehm, Den zu befragen? Aus des Reitknechts Mund Ein Siegel mir erbetteln für den Schimpf? Nein, Golo! Ihr vergebt. Es fällt mir schwer, Euch Pfeil nach Pfeil ins Herz zu bohren. Tus! Ich sterbe nicht davon. Nur schnell und kurz. Zu Edelknecht. Du kleid mich an! Dann führ mich hin! Du weißt Ja, wo sie wohnt. Wer denn? Die alte Frau, Die meiner Wunde pflegte. Unbesorgt! Ich werde sie nicht töten, weil sies tat. Was sinnet Ihr? Mit eignen Augen will Ichs Wunder schaun! Zu Edelknecht, der ihn ankleidet. Mein Schwert! Vergiß es nicht! für sich. Er will zu Margaretha! Seltsam ists! Wie scharf der Teufel sieht! Sie hat es mir Vorausgesagt, und hält sich schon bereit. Nun, Golo? Gleich nach Eurem Abzug ward Die unbegreifliche Vertraulichkeit Bemerkt, die Drago an die Gräfin band. Ging sie zur Messe – Drago folgte ihr, Rief sie, und wars auch aus dem Schlafgemach, So rief sie meine Mutter nicht, noch sonst Der Dienerinnen eine, immer ihn. Doch weiß ich dies nur, weil man mirs erzählt, Ich selbst hab nichts davon gesehn. Ich glaubs! Dir lag der Argwohn fern! Am Ende zwar Ward das Geflüster, das im Schlosse lief, Das schlimme Deuteln, mancher freche Witz Auch mir bekannt. Nun paßte ich mit Ernst Doch – nichts entdeckt ich! setzt den Helm auf. Nichts? Kaum fiel mirs auf, Daß sie ein paar Mal ihre Tür verschloß, Wenn Drago drinnen war. Du warst ein Kind! An einem Morgen sprach die Mutter mir Von Händedrücken. Ha! Da dachte ich: Du schickst auf gute Art den Burschen fort. Ich rief ihn zu mir. Drago, sagte ich, Im Bergschloß wurde der Verwalter krank, Nun hab ich keinen, dem ich trauen darf, Als Euch, drum macht noch heut Euch auf den Weg, Damit Ihr seine Stelle dort verseht. »Weiß sies?« versetzt' er plump. Ich fragte: Wer? »Ei, sie, die Gräfin!« – Nein! – »So fragt sie erst, Ob sie mich ziehen läßt!« Ich tats. Da griff Sie mir ans Kinn – Ans Kinn? Und sprach: Mein Sohn, Es gibt wohl andre, die du schicken kannst, Geh lieber selbst, den Drago brauch ich hier. Wozu? Er drückt sich den Helm tief ins Gesicht. So fragt ich auch. Da aber ward Sie zornig, wie ein Mensch denn zornig wird, Wenn ihm die Antwort fehlt. So ging es fort. Ich war im Krieg. Im Krieg, da stirbt sichs leicht, Und Tote fordern keine Rechenschaft. Was deucht dir, Freund, hat sie nicht so gedacht? Was sie gedacht hat, davon weiß ich nichts. An einem Abend, als die Dienerschaft Beim Essen saß – ich stand und härmte mich, Weil ich nicht mit am Tisch den Drago sah; Da trat auf einmal, stier und totenbleich, Die Mutter in die Tür und sprach zu mir: Der Drago geht mit ihr zu Bett! Ich hielt Es gleich für wahr und spie sie dennoch an. Sie aber, drob erglühend, ging zum Tisch Und riefs den Leuten zu, die sprangen auf, Nach Lichtern griffen Balthasar und Hans, Der Caspar schwur dem Drago Mord und Tod, Ich ward voran gedrängt – fühlt sich mit der Hand nach der Stirn. Genug! Genug! Komm, Edelknecht! – Das Weitre unterwegs! Ich könnt es wissen! Warum schaute ich Nicht längst ins Glas der Wahrheit! Ahnt ichs schon? Du sahst, nicht wahr? der Caspar und der Hans, Der Balthasar, der Conrad, wer noch mehr? Die ganze Welt, Ihr sahet – Hinterm Bett Versteckt den Drago und entkleidet sie! grimmig. Ein Glück für dich, daß es so viele sahn! Wärst dus allein – den Spiegel meiner Schmach Haut ich in Stücke, eher noch als sie! reißt sich die Brust auf und deutet auf Siegfrieds Schwert. reicht ihm die Hand. Still! Still! Nichts weiter! Wissen muß ich mehr, Ja, alles! Denn ich muß ja alles tun! Ja! Ja! Allein aus deinem Mund kein Wort. Der schweigende Kristall, vor dem ich nicht Erröten darf, soll mirs vertraun. Kommt! Kommt! Zu Edelknecht. Du gehst sogleich, wenn du mich hingebracht, Zurück und sattelst mein arabisch Roß! Ab. Er ist ein Mann, wie sie ein Weib. Und ich? – Er folgt Siegfried. 6. Szene Sechste Szene Tiefe Mitternacht. Margarethens Zimmer, seltsam dekoriert und mit Zaubergerät erfüllt. Ein großer runder Kristallspiegel, verhüllt. Sie sitzt schlafend an einem Tisch. Nach einer Weile erwacht sie. Ich sah ein Kind im Traum, ein hübsches Kind, Die Zähne weiß, die Backen rot und rund, Die Augen – nein, die sah ich nicht so recht, Zwei große dicke Tränen standen drin. »Zum Engel – rief es – war ich dir bestimmt, Du warfst mich in den Bach!« – Zum Engel, ei! Ein Engel, den der Müllerknecht gemacht! – »Die kalten Fische fraßen all mein Fleisch!« – Kind, an den Fischen kann ich nicht einmal Dich rächen, denn ich esse keinen Fisch – »Und als der Bach vertrocknete, da kam Ein magrer Wolf und nagte mein Gebein!« Laß nagen, Kind – wie heißt du doch? Je nun, Ich gab dir keinen Namen! Dummer Traum! Kind, willst du bitten für das andre Kind? Da bittest du umsonst! Man soll dereinst Nicht von mir sagen, daß ich mitleidvoll Gewesen gegen fremdes Fleisch und Blut, Und gegen dich – – Es rasselt an der Tür! Kommt Ihr, Herr Graf? Der Teufel ist schon da! Sie steht auf und schüttelt sich. Ich bin doch schlecht! Da fällt mir eben ein: Hätt ich das Mägdlein nicht ertränkt, und wär Es schön geworden, wie ichs sah im Traum, So klopfte jetzt vielleicht ein Freiersmann, Ein solcher, der das Geld bringt bei der Nacht. Laß ruhn die Toten, denn sie ruhen gut. Ei nun, wer stört sie? Stören sie doch mich! tappt draußen. Holla! Macht auf! öffnet die Tür. Wer da? Herr Graf – – – Stellt sich verwundert. So spät? Siegfried tritt mit Golo ein. zu Golo, heimlich. Tut unbekannt! Ihr habt mich nie gesehn! Vergeßt es nicht! Er weiß kein Wort davon, Daß ich auf seiner Burg gewesen bin! Verzeiht mir, Golo. Was denn, edler Herr? Gewiß, ich trau Euch. Einen Sessel her! Ich will nur einen Augenblick hier ruhn. So lange nur, bis ich ein einzig Mal Mein Weib mir in des Knechtes Arm gedacht. Es will nicht gehn. Ich seh den Drago stets So vor ihr stehn, als wollt er eben knien, Und sie mit Augen, wie vom Himmel her, Auf den Elenden klar herunterschaun! Zu Margarethen, die den Sessel bringt. Laßt! Laßt! Wer sagt Euch, daß ich sitzen will? Ich halte mich nicht lange bei Euch auf! Was meint Ihr, Golo, hat denn Gott das Recht, Geschehn zu lassen, was kein Mensch begreift? O! O! Und doch! Wenn ichs nicht fassen kann, Was zeigts denn an, als daß sie Meisterin Im Heucheln, wie im frechen Laster war. Der Drago! Ha! Ein Bursch, der nicht so viel Des Muts besaß, ihr auf den halben Weg Entgegenkommend, sich verliebt zu nahn, Den sie – nicht bloß durch Wink und stummen Blick, O nein, durch offnes Wort, vielleicht, wer weiß, Gar durch Befehl an ihre Brust gelockt, Und der mit ekler Missetäter-Angst, Die selbst im Rausch den Henker nicht vergißt, Befleckend all ihr Süßestes genoß. In meinen Armen war sie ganz, wie tot, Wenn ich – es schüttelte sie innrer Frost, Sie schien ein Engel, der sein Flügelpaar Abwehrend gegen irdschen Staub bewegt – – Ist es denn möglich? Doch, was frag ich dich! Du bist ein Mann! Wo find ich solch ein Ding, Worin nichts Folge hat, ein Ding, wie sie, Ein Weib. Ist hier ein Weib? Mein edler Herr? Du bists, die mehr sieht, als wir andern, nicht? Und wenn ichs tu, so hab ichs nicht umsonst. Im Scheiterhaufen zahl ich einst den Preis Mit Leib und Seel für meine Wissenschaft. Was steht zu Diensten? O, nicht viel! nicht viel! Was meinst du, wird der Weinstock dieses Jahr Wohl Trauben bringen? Setzt er Augen an? Ich habe nicht darauf geachtet, doch Ich wüßt es gern! Wie siehts am Himmel aus? Die alte Wirtschaft noch mit Sonn und Mond? Jetzt ist es Nacht. Kann man mit Sicherheit Drauf bauen, daß es morgen wieder tagt? Gut Nacht! Gut Nacht! Steht alles so, wie sonst? Zerriß der Faden nicht, der Gott und Welt Zusammenknüpft? Dreht sich die Schöpfung nicht In tollen Wirbeln, losgelassen, um? Dann, Genoveva, komme keiner mir, Der dich entschuldige! stürzt, tief erschüttert, auf die Kniee. Herr Graf, ich log! Du logst? Er reißt sein Schwert heraus. Steck ein, denn eben hört ich ja, Daß alles noch im Welt-All steht, wie sonst. Die schnöde Sünde, welche sie beging, Schien kurz zuvor mir alles Frevels Maß, Doch gegen eine solche Lüge wär Sie schuldlos, wie ein neugebornes Kind. Nein, Golo, wenn du dich verklagen willst, So halte dich im Menschlich-Möglichen, Dann helf ich dir vielleicht mit meinem Schwert Aus diesem Leben mitleidvoll heraus. Du logst! Steh auf! Er reicht ihm die Hand. Du bist ein Mann! Er umarmt ihn. Ein Freund! Du hättest gern für diese letzte Nacht Mit deinem Leben einen letzten Traum Von Liebe und von Treue mir erkauft. Ich danke dir, und muß ich auch mein Weib Verloren geben, und mit ihr zugleich Das ganze halbe menschliche Geschlecht: Ich fand in dir, in deiner Männerbrust, Zu dieser Stunde, was mich trösten wird, Und was mich jetzt schon vor Verzweiflung schützt. kaum hörbar. Ich log. Ich bitt dich: sags nicht noch einmal! Ein Mensch ist schwach, und was ein Weib vermag, Das weißt du nicht, du hast noch nicht geliebt. Blindwütend gegen besseres Gefühl, Könnt ich dich niederhauen in den Sand, Und gleich ins ferne Land zurück dann ziehn, Um niemals zu erfahren, ob mein Weib Die Sünderin, ob du der Lügner warst. Er setzt sich nieder und legt seinen Kopf in die Hände. zu Golo. Brav. Eins – zwei – drei! Drei? Nun, ich denk, nur zwei. Den einen dingt Ihr ab. Mein alter Kopf Und Katharinas Kopf sind wohl genug. Ich log! Zum dritten Mal! Nur fügt hinzu: Ich log den andern beiden nach. Verschweigt, Warum wir logen, sagt, es sei aus Haß Der Unschuld, sei aus Tugend-Neid geschehn. Dies wär, was mich betrifft, nicht einmal falsch. Erzähle ich das Ding auch, wie es war, Ihr straft mich Lügen. Schwöre ich – was hilfts? Ich bin ein Weib, Ihr seid ein Mann, ein Freund! Und, daß Ihr Euren Abscheu am Verrat Recht gründlich dartut, schlagt Ihr mir zuerst Das Haupt herunter, Eurer Mutter dann. Was Mutter! Eure Mutter ists ja nicht! Sie hatte keine Pflicht, tat, was sie tat, Aus Liebe nur und aus Barmherzigkeit. Wohlan! So gebt denn jetzt ihr den Beweis, Worin ein Fremdling und ein echter Sohn Sich unterscheiden. Ei! Ein altes Weib Und eine schöne Frau – wer schwankte noch! Nur zu! Ich log! Doch glaubt nicht, daß der Graf, Wie Euch, auch uns verzeihen wird und kann. Ihr wißt noch gar nicht alles, was geschah, Als Ihr bewußtlos-krank darnieder lagt, Was, als sie kreißend ihrem nahen Tod Entgegensah, die Gräfin von uns litt. Erfährt das ihr Gemahl, so gibt er uns Zu einem Vaterunser nicht die Frist. Mir gleich! Ich betete ja dennoch keins. Ho! Ho! Mein Widerruf bewirkte nichts, Als daß er mirs nur um so fester glaubt. Nur darum, denk ich, ließ die Höll ihn zu! Wars so gemeint? O nein! Es kam nur so! steht auf. Mein innres Auge tut mir nicht den Dienst! Die Nacht hält fest, was sie gebar. Kein Bild, Wie ich es brauche, stellt sich meinem Geist. Ich seh sie lächeln, weinen seh ich sie, Ich seh die Engel, zart, wie Morgenrot, Die ihre Tränen trinken, was den Tag Sie schauen ließ, das alles schau ich auch, Doch nichts von dem, was sie im Finstern trieb. O Golo, mal mir solch ein Bild, daß ich, Die Schmach erblickend, meiner Männerpflicht Genüge, und sie räche. Könntet Ihr – Ich weiß nicht, was ich kann, nur, was ich muß! Kann sein, daß ich, wenn ichs nun tat, es schwach Bereue, daß mein ganzes Leben dann In Selbsthaß sich und Selbst-Verachtung teilt. Kann sein – Was frag ich! Wenn ein Pfaff dir sagt, Du sollst verzeihen, was den Gott in dir Ermordet und dein Eingeweid zerreißt, Dann lache ihn nicht aus, doch folg ihm nicht! Nur Einer darf vergeben, Er allein, Der, unbegriffen nah und fern zugleich, Von nichts verklärt wird und von nichts beschmutzt. Was dich betrifft, so halt dich rein. Dies ist Das erste der Gebote, und ein Mann Erfüllt es so, als wärs das einzige. Was ihn auch treffe – immer muß der Kraft So viel ihm übrig bleiben, als er braucht, Um dem Geschlecht in sich genug zu tun. Ich will das Beil sein, das ein sündig Haupt Vom Rumpfe trennt, und das der Blutfleck dann Im Winkel, wo es rostet, still verzehrt. Doch, ich bin hier, um – Alte, auf ein Wort! Mein edler Herr? Du schlägst im Buch der Zeit Die Blätter, sagst du, um und wieder um, Du scharrest Frevel, heimlich beigesetzt, Aus der vergangnen Tage Gruft hervor Und stellst sie vor des Richters Angesicht? Ich habe einen Spiegel, das ist wahr, In dem man dies und das erblicken kann. Ein teures Stück! Ich wollt, ich hätt ihn nicht. Ich selber sah noch nie hinein, mich plagt Die Neugier selten; edlen Herren steht Er zwar zu Diensten, doch, mir wär es lieb, Wenn keiner käme, denn entweder sehn Sie das, was niemand gern sieht, oder nichts. Sprich, weißt du, wer ich bin? Ihr seid ein Mann, Den keiner zu belügen wagen wird, Die Blinden, das versteht sich, nehm ich aus. Hier Euer Freund hat Augen, wie ich seh, Und dennoch mein ich, wenn man einem traut, So traut man einem mehr schon, als man soll. Zu Golo. Verzeiht mir das! Laßt Eure Reden jetzt Und zeigt in Eurem Spiegel mir mein Weib Und was sie vor neun Monden tat. Ja, seht: Ich weiß nur so viel, als der Teufel weiß. Das merkt Euch wohl. Ob Eure edle Frau Zur rechten Zeit zur Beichte ging, ob sie Almosen gab und Pilger kleidete, Von diesem allen zeigt der Spiegel nichts. Doch, ob sie etwa unerlaubt geküßt, Ob sie – das, wenn es anders möglich wär, Das könntet Ihr in meinem Spiegel schaun. Doch, was man immer Euch berichtete – Ich merk es wohl, Ihr seid ergrimmt auf sie – Es ist erlogen! Zu Golo. Nichts für ungut, Herr, Ihr könnt ja selbst belogen sein! Zu Siegfried. Ein Weib, Das einen Mann besitzt, wie Ihr – ich will Nicht schmeicheln – alte Frauen kleidets schlecht – Ein solches Weib ist treu, sie fände ja Den zweiten kaum, der ihrem Gatten gleicht, Und nie den dritten, der ihn übertrifft. Sie muß ja treu sein. Denn hinunter steigt Doch keiner, der sich auf der Höhe sieht. Euch laß ich gern in meinen Spiegel schaun, Nur bitt ich, schlagt mir, wenn Ihr nichts erblickt, Ihn nicht entzwei und scheltet nicht die Kunst. Hör auf! Das heißt: fang an! Ich bin bereit! Doch, die Bedingung! Denkt jetzt nicht an Ihn, Der einst die Welt erschuf und sie erhält. Denkt nur an Ihn, vor dem seit Anbeginn Sie bebt und oft im Krampf zusammenzuckt, Wenn er ihr Innerstes mit Krallen packt. Sie beschreibt einen weiten Kreis, in den sie Siegfried und Golo hinein nötigt. Dann reckt sie die Hand gen Himmel und spricht mit dumpfer Feierlichkeit. Du, dem der zittert, welcher mich beherrscht, Ich weise dich heraus aus diesem Kreis! Ihr Segenshauche menschlichen Gebets, Die ihr vielleicht hier schwebt, euch blas ich fort! Du Schaffend-Zeugendes, das regsam-still In Lüften schwimmt, verirr dich nicht hieher! Lange Pause. Nun sind wir einsam. Doch nicht lange mehr. Sie senkt den Arm, streckt die Hand gegen die Erde aus und spricht beschwörend. Du Zweiter, der dem Ersten Leiber macht, Und in den Leibern seine Geister fängt; Du Heimlichster, der alles Werdende Im Ei beschleicht, und alles Blut verdirbt, Dich ruf ich auf! Verdopple mir dereinst Die Höllenqual, nur sei mir heut zu Dienst! Sie reißt den, den Spiegel verhüllenden Flor herunter; wild, mit lebhaften Gebärden, im leidenschaftlichen Ton. Beim Wort der Worte, das zum Sieger den, Zum ewgen Sieger krönt, der allererst Es findet, und den andern rufend stürzt: Bei allem Bösen, das noch werden soll, Zeig mir sogleich das Böse, das schon war, Und Leise. zeig auch das, was nie gewesen ist! Vor dem Spiegel hüpft eine Flamme auf, die sogleich wieder verlischt. Margaretha ergreift Siegfried beim Arm und führt ihn zum Spiegel. schaut hinein. Das ist sie. Ja! tanzt. zu Margaretha. Du rasest. Höre mich! Wer kann! Mich treibts! Der Teufel fand das Wort! Viktoria in alle Ewigkeit! Denn bös ist gut und gut ist bös. Tanz mit! Ich gönn es dir. Ich denk, man läßt dich zu! Du bist ein Findling. Weißt dus ganz gewiß, Daß du nicht deinen Vater schon erschlugst? Sie tanzt immer fort. vor dem Spiegel. Sie blickt in stiller Sehnsucht vor sich hin. Gilts mir? Gilts dir? Unartig Glas, du zeigst Mir hie und da auf meinem Haupt zugleich Ein graues Haar. Mich schauderts wie noch nie. Ein Käfer, schwirrend, flog zum Kreis hinein. Tot fiel er hin, als fehlt es hier an Luft. tanzend, in höchster Ekstase. Sprichs aus! Sprichs aus! Schon lange horch ich auf! Was säumst du? Zu Golo. Kannst du beten? Bete doch! Sie fällt um. vor dem Spiegel. Was? Habt Ihr keine Augen, schöne Frau? Bursch, du bist keck! Ein Kuß auf ihre Hand! Ich küß die Hand nicht wieder. Seid Ihr stumm, Daß Ihr nicht scheltet, Genoveva? Ha! Du neigst dich auf ihn nieder? Wie er grinst! Sie – o Verfluchte! Er wird rot, sie nicht! Nun, das ist deutlich! Merkt ers nicht, mein Freund? Er sieht sich um. Weshalb? Ich bin im Krieg! Jetzt wieder solch ein Engels-Angesicht? Recht, Blattern-Drago, recht! Nun machst dus recht! hat sich inzwischen wieder erhoben und sich hinter Siegfried gestellt. Ich gratulier Euch herzlich, edler Herr! Ihr guckt umsonst. Grüßt Eure Frau von mir! Sie sieht ihm über die Schulter. Was seh ich! tritt vor sie. Solch ein Bursche! Ja, das ist Der Kaiser nicht! wütend. Und wärs der Kaiser auch – Nun, dann bezahlte sie den Fehltritt Euch Mit einem Prinzen, und das wär genug! Wie stehts denn nun? Sie sieht ihm wieder über die Schulter. Hinweg! tritt in starrer Wut vom Spiegel zurück. Der Teufel hat Es angestiftet. Gern vergeb ichs ihm. Der Teufel ists ja auch, der mirs verrät! In Eurem Antlitz les ich nicht das Wort, Das, spricht der Mensch es aus, zum Gott ihn macht. Du armes Weib! Wer weiß! Der Teufel ist Der Mann der Wahrheit nicht. Ich prüfe ihn Und riegele der Zukunft Pforten auf! Kurze, stumme Beschwörung, dann blickt sie in den Kristall. Kristall! Verfluchter! Dich zerschlag ich noch! Du zeigst die schöne Frau mir ohne Kopf! Was? Gleich den ganzen Kopf herunterhaun, Bloß, weil der Mund ein wenig sündigte? Was taten denn die Augen, und was tat Der schlanke weiße Hals, den man zerschnitt? Zu Siegfried. Macht ihn zum Lügner, Herr! Die Zukunft hängt Von Euch allein in diesem Fall ja ab! Und wird die Zukunft anders, als er sie Gezeigt, was ist dann die Vergangenheit? Sie rast, von der dämonischen Gewalt ergriffen, umher. Die Fenster auf! Die Türen auf! Hinaus! Mich hebts! Mich trägts! Wohin? Ich fliege fort! Sie blickt in den Spiegel; statt ihres Bildes grinst ihr eine Teufels-Larve entgegen. Weh! Weh! Das ist ja nicht mein Bild! Das ist er selbst! Heraus! Heraus! Mein Leib ist nicht dein Haus! Sie schlägt sich. Ich tu mir weh, damit dus fühlst, und weichst! Sie schaut wieder hinein. Der Teufel! Noch der Teufel! O! O! O! Sie fällt leblos zu Boden; alle Lichter erlöschen; von Margaretha geht ein rotes Leuchten aus. will reden und kann nicht. hat von allem nichts bemerkt; schnallt sein Schwert ab und geht auf Golo zu. Nimm dies mein Schwert. Gib mir das deinige. Du weißt, wozu! Herr! Töten sollst du sie, Und widerruf ich den Befehl, mich selbst. Mein schnellstes Roß, gesattelt und gezäumt, Steht schon bereit. Besteigs und reite gut! Eilt ich dir nach, und holte ich dich ein – Ich hoffe, daß es nicht geschehen wird – Dann zieh! – Du schweigst! Bei meinem Zorn! – Dann zieh, Und haue, eh das Wort, das mich entehrt, Der Lippe noch entflieht, mich in den Sand. Das Kind – Des Drago Bastard? Frägst du noch? Und hätt ich selbst von ihr ein Kind – hinab! Der Sohn, damit er nicht betrogen wird, Die Tochter, daß sie nicht betrügen kann! Ihr Quellen der Natur! Ich kann Euch nicht Verstopfen! Zu Golo. Nimm den Siegelring! Doch auch Auf mich ist mitgerechnet! Alter Ahn, Vergib, in mir erlischt dein Nam und Stamm! schüttelt sich; sie will sich erheben, aber sie fällt wieder zurück, sie will reden und kann nicht. zu Golo. Du bist noch da? Fort, sag ich, Knecht. Verzeih! Ich werde tun, was Euch gefallen wird. Zehn Worte sind zehn Todessünden! Fort! ab. Teufel, merk auf! Stellst du den Drago mir Auf eine kleine halbe Stunde nur In Fleisch und Blut leibhaftig wieder her, Daß ich – mich selbst verschreib ich dir dafür Mit Leib und Seel und ding kein Haar dir ab! Mit Zähnen aus dem Grabe könnt ich ihn – Warum? War ers nicht, wars ein anderer! Schlaf, Bursche, schlaf! Wohin die Schlechteste Sich kaum zuletzt verirrt, da fing sie an, Ganz unten; tiefer sank noch nie ein Weib! Und daß sies trug, als sie ihn wieder sah, Daß sie sich nicht mit ihrer eignen Hand Erwürgte, als der ekle Rausch entfloh! Erbärmlich! Horch! Ein Roß! Das meine erst? Schnell, Golo, schnell! Die Peitsche reich ich dir! Ab. erhebt sich halb und bleibt auf den Knieen liegen. Verstrickt! Erstickt! Die Gurgel zugedrückt! Ein Aderlaß! Ein Aderlaß! Sie beißt sich eine Ader auf. Ists Blut, Ists Feuer, was hervorspringt? Wasser! Luft! Noch lebe ich! Noch hab ich drauf ein Recht! Trink! Atme! weil du kannst, denn bald ists aus! Dann kommts! Dann kommts! Du armes Menschenkind! Von Flammen angezehrt! Nie aufgezehrt! Die Ewigkeit hindurch! Die Ewigkeit! Und selbst im Auge nicht den Tropfen mehr, Der deine Wimper vor dem Glutbrand schützt! O, wär ich noch einmal ein Kind! Ein Kind! War ich denn wirklich einst ein Kind? Sie nickt. Ein Kind! Im Mutter-Arm ein Kind! Und jetzt? O GOTT! Ein Donnerschlag. Der Geist des Drago steigt aus der Erde hervor. springt auf. Wer ruft dich, Geist? Mich sendet Gott an dich! Entweich! Ich hör ihn nicht! Du riefst ihn an! Und er gebietet dir durch meinen Mund: In sieben Jahren, keinen Tag zu früh, Und keinen Tag zu spät, erhebst du dich, Stellst dich dem Grafen Siegfried, mußt du auch, Eh du ihn findest, hundert Meilen gehn, Machst ihn, an dem zumeist du freveltest, Zu deinem zorngen Richter und bekennst. Du selbst verklagst dich jeder Missetat, Die, schaust du rückwärts, dir entgegen grinst, Du selber richtest dir den Holzstoß auf, Du selber schürst ihn an und springst hinein! schaudernd, sich am Tisch lehnend. Und – da – für? Dafür hast du keinen Dank! Das lügst du, denn du bist ergrimmt auf mich! Ich kenne die nicht mehr, die gegen mich Gesündigt, die nur, die ich selbst gekränkt. Wohl mir, wenn mir was zu vergeben blieb! Gehorchend trotz ich. Ja, ich wills gestehn, Doch nicht nach sieben Jahren, morgen schon, Damit Er, der mich zwingt, zum Lügner wird. Warum auch nicht? Schon morgen ists zu spät, Um sie zu retten, aber nicht zu früh, Auch ihm ins Herz zu setzen einen Wurm. Kenn ich ihn recht, so stürzt er, eh er sich Noch an mir rächen kann, schon leblos hin, Und machte er den Henker auch an mir, Was tuts? Ein Feuer wird mir dann erspart. Die Zeit ist um, wo der befleckte Ball Der Erde neu entsündigt werden muß, Wenn nicht der Donner aus der Hand des Herrn, Die schon sich hob, zermalmend fallen soll. Er tat im Anbeginn den Gnadenschwur, Daß er das arme menschliche Geschlecht Nie tilgen will, wenn alle tausend Jahr Auch nur ein einziger vor ihm besteht. Auf Genoveva schaut sein Auge jetzt Herab und sieht die andern alle nicht; In sieben langen, langen Jahren wird Sie dulden, was ein Mensch nur dulden kann. Ich sehs mit Schaudern, und ich sah doch auch Von fern die Krone schon, die ihrer harrt. Dann endlich ist die Zeit der Prüfung aus, Still geht sie ein zur ewgen Herrlichkeit, Und ein Gefühl erneuter Zuversicht Durchdringt belebend jede Menschenbrust. Du aber reinigst ihr bedecktes Bild, Damit die Welt die neue Heilige Erkennt und preist, zu der sie beten soll. Nicht früher tust dus, später tust dus nicht! Eröffnest du aufrührerisch den Mund Vor dem bestimmten Tag, so wirst du stumm, Und lahm, wenn du durch Zeichen reden willst! Stumm! Lahm! Dann töt ich mich! Versuch es nicht! In Flammen wirst du Salamander sein! Im Wasser Fisch! Im Schoß der Erde Wurm! Und gegen Stahl und Eisen, wie von Stein! Ein andrer kommt. Ich geh! Der Geist sinkt in die Erde. lacht. Noch sieben Jahr! Triumph! Auf, Heilge, in den Kampf mit mir! Schaut Er auf dich – Er soll auch schaun auf mich! Gegen die Erde. Du! Du! Verschwende nichts! Zieh dich zurück Aus allen, welche dein sind, außer mir, Und mach aus mir der Hölle Mittelpunkt, Den einzgen Schlund, wodurch du Feuer speist! Laß all dein Denken gehn durch mein Gehirn, Laß, was geschehen soll, durch mich geschehn, Und spare nichts mehr für die Zukunft auf, Daß Er, der sie und mich betrachtend wägt, Die Waage von sich schleudert und zugleich Den Blitz, der mehr, als eine Welt, vertilgt. Sie steht hoch aufgerichtet da. Flammen zucken und beleuchten sie. 5. Akt 1. Szene Erste Szene Es ist früher Morgen. Halle im Schloß. Golo tritt mit Hans und Balthasar auf. Er trägt Mantel und Sporen. zieht Siegfrieds Siegelring ab. Kennt Ihr den Ring? Es ist des Grafen Ring! Kennt Ihr das Schwert? Es ist des Grafen Schwert! So wißt: das Schwert hier hat er mir gereicht, Daß es durchhacke seines Weibes Hals. Den Ring, damit an seines Willens Ernst Nicht Vorwitz oder Mitleid zweifeln kann. Klug tat er dran. Euch beide frag ich nun, Ob ihr die Tat an ihr vollstrecken wollt. Wir? Seid ihr Memmen, daß ihr um das Ja Erst mit euch kämpfen müßt? Dann rat ich: geht Und schert im stillen eure Bärter ab, Die waren schuld, daß ich so lange euch Für Männer hielt. Warum tut Ihrs nicht selbst? Ich bin der Richter, doch der Henker nicht, Und wollt euch ehren. Hans, was sagst denn du? Ich bin bereit! Bist dus? Dann bin ichs auch! Wohlan denn! halb für sich. Ist sie doch die erste nicht! Das wußt ich längst! Du lügst! Du tätest wohl, Allein zu schlafen! Else! Balthasar! Was tuts denn, Hans? Wenn es nichts tut, so kann Ichs beichten! Nun? Ich tötete ein Weib, Das, als ich warb, mich höhnend von sich wies. Noch sehe ich des Schädels grausen Spalt, Die starren Augen, und die Hand, die sie, Bevor sie hinsank, ballte. Bösewicht! zornig. Was wettest du, dir will ich von dir selbst Ein Stück erzählen! Höchstens einen Griff In eine fremde Truhe! Allerdings! In die des Grafen! Aus dem eignen Sack Ersetzt ich, was du stahlst, damit ich dich Nicht hängen lassen dürft am nächsten Baum. Schäm dich nur nicht, doch reich dem Blutmann hier Die Hand, wie ich. Ich wußte damals nicht, Warum ichs tat, jetzt aber weiß ichs wohl. Ich hatte in das Edle mich verliebt, Und nicht mit Worten bloß, mit Taten auch Kann man sich schminken. Nun, wenn Ihr es wißt, So will ichs eingestehn. Doch glaubt nur nicht, Daß ich mir eben viel daraus gemacht, Wenn Ihr mich auch ertapptet. Konnt ich dann Auch nicht den Diebstahl leugnen, hätt ich doch Durch eine Absicht wundervoller Art Ihn so vergoldet, daß Ihr ihn nicht bloß Verziehen, nein, bewundert noch dabei. Das wäre viel. Ich sprach den Tag zuvor Beim Köhler ein, dem es so schlecht ergeht. Heintz – sagt ich, als ich ging – merkt Euch mein Wort: Um Euch zu helfen, tu ich, was ich kaum Vor Gott und meinem Herrn vertreten kann: Da trug ichs schon im Sinn. Ergrifft Ihr mich, So wars aus Schwachheit des Gemüts geschehn, Aus Mitleid mit dem Köhler, und der Mann Hätts mir bezeugt. Du bist ein ganzer Schuft! Zur Sache nun. In einer Viertelstund Kommt ihr zum Turm hinab und pfeift. Sogleich Werd ich euch öffnen, und die Sünderin Euch übergeben, der ich unterdes Den Tod verkünden will. Weiß sies noch nicht? Nein doch. Ich steig ja eben erst vom Pferd. Ihr nehmt sie dann, samt ihrem Kind, und führt – Verzeiht – das Kind stirbt mit? Er will es so. zu Balthasar. Töt du das Kind, ich töte sie dafür! Wir losen, denk ich. Schweigt, und hört auf mich! Ihr führt sie in den Wald. Zur rechten Hand Biegt ihr vom Fußsteig ab und schreitet vor, Bis ihr an einen Quell gelangt – Mir ist Der Platz bekannt, ich habe dort für sie Einst einen Rasensitz erhöht! Beim Quell Macht Halt und – Er hält schaudernd inne. macht die Bewegung des Kopfabhauens. Richtig, lieber Balthasar! in Gedanken. Das Kind! Läßt man sie beten? zornig. Fragst du noch? Ein Vaterunser! Bis man hundert zählt? Ja wohl. Die Leichen? Werden gleich verscharrt! Gut! Merkt euch! Rechts beim Quell! Er kennt den Ort! zu Balthasar. Noch eins! Der Graf, als ich aus Straßburg ritt, Rief dies mir nach: Ich folg dir, eh dus denkst, Und treff ich sie zu Haus noch lebend an, So hau ich dich in Stücke, wie sie selbst. Wollt man dem Weib auch gnädig sein, man darfs Nicht wagen, denn es kostete den Kopf. Ich hört es selbst. Wir wollen ihr das Haar Abschneiden, daß er den Gehorsam sieht. Man löst wohl besser ihr die Augen aus. Willst du es tun? Sobald sie tot ist: Ja! Auf eins bin ich begierig. Und auf was? Ob sie in ihres Kerkers Dunkelheit Nicht eine giftge Fabel gegen mich Ersonnen hat, die mich verdächtig macht? Wie könnte sie? Du zweifelst doch wohl nicht, Daß sie mich hassen muß? Wer war es denn, Der auf die Spur ihr kam, der sie verklagt? Der, als sie alles, Herz und Hand ihm bot Für einen einzgen Schuß, aus dem Gebüsch Zu tun auf den heimkehrenden Gemahl, Verachtend ihr den Rücken zugewandt? War sie so schlecht? Bei allen Teufeln denn, Der tut was Gutes, der sie niedersticht. Hans, wettest du? Du wirst der erste sein, Der ihr die Fabel glaubt! Um Haut und Haar, Ums Wams! Wohlan, ums Wams. Kehrst du zurück Und hast nicht einen Augenblick geschwankt, So ist mein Tressenrock, mein neuer, dein. Doch, wenn du kindisch wirst, zieht Balthasar Das Wams dir ab und nimmts. Ich schenk es ihm. In einer Viertelstunde! abgehend. Gut, beim Turm! zieht eine Schreibtafel hervor, reißt ein Blatt heraus und schreibt mit Unterbrechungen. Weißt du gewiß, daß es dein Ernst nicht ist? Daß du, sobald es not tut, aus dem Busch Hervortrittst, ihr dies Blatt reichst, und dich selbst An ihrer Statt dem Rächer-Eisen beutst? Besinne dich, und trau dir nicht zu viel! Er schreibt. Wie, wenns dich, wie ein Wahnsinns-Wirbel packt, Wenn du dem Mörder darum nur das Schwert, Sobald ers zückt, entreißest, um an ihr Mit eigner Faust die Bluttat zu vollziehn? Wenns, wie belebt, in deiner Hand sich dreht, Wenns auf dem Weg zu deinem Herzen sich Verirrt, und sich den Weg zu ihrem bahnt? Je schrecklicher das ist, je eher kanns Geschehn. In allen Sinnen drängts. Gott zieht Umsonst den Faden an, der lose noch Ans letzte Ende der Natur dich knüpft, Du denkst: gleich bin ich frei! und haust ihn durch. Er schreibt. Da stehts! Und würd ich nicht in ihrem Blut Für Zeit und Ewigkeit zugleich mich fei'n? So mit Entsetzen bis ins Innerste Die Seele tränken, so den kranken Geist Ins Grausen bannen, daß der Lebensborn, Einfrierend, stockte, des Bewußtseins Kreis Zerbräche, und das starrende Gefühl Jedweder Regung trotzte? daß die Tat, Die so, wie keine mehr, zum Himmel auf Um Rache schriee, vor der Rache selbst Mich schützte, weil sie mich versteinerte? Ja, daß vielleicht das Unerhörte sich Begäbe, daß ich selbst, das blutge Schwert Erhebend, stumpf und unbewußt die Welt Durchirrt und früge, wer ihr Mörder sei? Er faltet das Blatt und legt es in die Schreibtafel. 2. Szene Zweite Szene Katharina tritt auf. Was wird denn nun? Bring einen Becher Wein Und folge mir damit zum Turm! O, sprich! Du hörst, ich rüste mich auf einen Trunk! Ab, Katharina folgt ihm. 3. Szene Dritte Szene Turm. Genoveva. In einer Nische, in einige Kleider der Mutter gewickelt, das Kind. Ein Wasserkrug. Kalt! Kalt! Und draußen muß doch Sommer sein! Für mich ists nicht mehr Zeit, schon Ewigkeit! Oft war mirs, wenn ich lag in dumpfem Schlaf, Als hätt ich Tod und Leben, Welt und Grab Und alles Wandelbare hinter mir, Als braucht ich nur die Augen aufzutun, Um das zu schauen, was kein Mensch noch sah. Dann schrie mein Kind. O Gott! Sie legt ihren Kopf auf den Tisch. Pause. Die Tür geht auf und Golo tritt ein. Ihm folgt Katharina mit einem Becher Wein, den sie auf den Tisch stellt. zu Katharina. Laß uns allein! mit angstvollen Gebärden ab. bleibt in der vorigen Lage. tritt ihr näher. Schlaft Ihr? Erwacht! Ich komm von Eurem Herrn. Was bringt Ihr mir? Ein Richtschwert! Seht! entsetzt. Sein Schwert! Legt den Kopf auf den Tisch. Wie dünkt Euch das? Still! Sprecht. Ich faß es nicht! Was denkt Ihr über Dragos Nachtbesuch? Nichts! Nichts! Was denkt er? Was ein jeder denkt. Und jeder – Denkt, daß Ihr die Ehe bracht! Er hat mich so gesehn, wie Gott mich sieht. In dieser Stunde fängt mein Elend an. In dieser Stunde hört dein Elend auf! kniet nieder. Hier ist mein Hals! Macht schnell! Ich will es nicht Erleben, daß mein Herz sich von ihm kehrt, Und ach, ich fühls, daß dies geschehen kann. Wenn Ihr so mutig seid, daß Ihr den Tod Erwählt – ich bin zu feig, dies schöne Haupt, Das mir, wie Sonn und Mond und Sterne war, Ans Schwert zu liefern. Kommt, und flieht mit mir! Reiz ich Euch noch? Dann hat die Kerkernacht Mir selbst den letzten armen Dienst versagt, Des Leibes Schönheit, die zum Fluch mir ward, Mir abzustreifen, wie sie sonst doch tut. O, seht mich an! Ists nicht ein Totenkopf, Der zu Euch redet? Ein Gerippe nicht, Das fleischlos-magre Arme grausend hebt? Mich selber müßt ich hassen, wärs nicht so. Oft schrie mein Kind nach Nahrung, und umsonst, Wie? Hätt auch nur ein einzger Tropfen Bluts Bei diesem Schrei gezögert, in die Brust Sich zu ergießen? Den verfluchte ich! Fieht! Flieht! sieht scheu zu dem Kinde hinüber. Heut ists so still! so gräßlich still! Es schlief sich doch nicht in den ewgen Schlaf? O Gott! Sieh eine Mutter gnädig an! Sie bittet nicht um viel! Sie bittet nur Um einen Schrei noch aus des Kindes Mund, Um einen Schrei, der, wenn er auch ihr Herz Zerreißt, ihr doch den Trost gibt, daß es lebt. Wer bat um weniger! Erhör mich, Gott! Nehmt es und flieht mit mir! Mit Euch? O, nie! Wenn mein Gemahl Euch einen Auftrag gab, So malme ich Euch selbst, ihn zu vollziehn. Tuts! Aber tuts in diesem Augenblick! Leb ich nicht mehr, so wird der Säugling hier Im ersten Menschen, welcher ihn erblickt, Den Pfleger finden, und der schlechtste wird Mehr für ihn tun, als seine Mutter kann. Kommt! Tötet mich! Es ist ein gutes Werk! Auf meines Kindes Kosten leb ich jetzt, Und leb ich fort, so werd ichs sterben sehn, Denn, hülflos, wie ich bin, vertrete ich Dem fremden Mitleid nur den Weg zu ihm! Sie tritt zu dem Kinde. Noch atmets! Einen Kuß nur noch! Nein! Nein! Es könnt erwachen! Schlaf! Wie wirds ihm sein Beim ersten Blick in dieses Angesicht! Es ist sein Abbild! Glich es mir, wie ihm, Ich hätte es nicht halb so sehr geliebt. Sie küßt des Kindes Hand. Zum ewgen Abschied! Segen über dich! Und daß du nie erfahrest, wie ich starb. Ich scheid Euch nicht! Das Kind stirbt mit! Er wills! wild, faßt Golo bei der Hand. Schau her und frag dich, ob dus töten kannst! Der Henker ist ein Mann, der alles kann. Ich aber bin der Henker nicht. fällt ihm zu Füßen. Die Welt Ist umgekehrt. Sie kniet. Sie kniet vor mir! Jetzt kann ich bitten. Kannst du küssen auch? steht auf und verhüllt ihr Angesicht. Noch einen Pfeil. Er tritt vor sie hin und zieht den Siegelring ab. Ist Euch der Ring bekannt? nickt. So wißt Ihr, daß er Gift enthält. Wohlan! Er öffnet die inwendige Kapsel des Ringes und schüttet das Gift in den Becher; dann nimmt er das gefaltete Blatt aus der Schreibtafel. Reicht mir den Wein! So geb ich Euch dies Blatt! Dies Blatt? Lest! Er reicht ihr das Blatt. Meine Augen sind so trüb! Es ist ein Brief! An Siegfried, meinen Herrn! liest still, gibt aber ihre Überraschung und ihr Entsetzen durch Gebärden zu erkennen. nachdem sie gelesen. Entsetzlich! All dies hättet Ihr getan? nimmt den Brief wieder. Ich sag nicht ja, nicht nein. Glaubt, was Ihr könnt, Tut, was Ihr müßt. Obs wahr ist, oder nicht, Euch rettet es. Mich dürstet. Reicht den Wein! betend. Führ mich nicht in Versuchung, Herr, mein Gott! für sich. Man trifft sie, wie man eine Saite trifft! Die Antwort ist ein wunderbarer Ton! Durchs Foltern ward sie immer schöner noch, Vielleicht ist sie am schönsten, wenn sie stirbt. Man hört pfeifen. Entscheidet Euch! Die Mörder stehn bereit. ergreift den Becher und gießt ihn mit einem Blick auf Golo aus. geht auf die Tür zu; mit erhobener Stimme. Auf solche Taten folgt ein solcher Lohn! Mensch! öffnet die Tür. Ehrenwerte Männer, tretet ein! 4. Szene Vierte Szene Hans und Balthasar treten ein, Balthasar mit einem Grabscheid. aufs Wams deutend. Seht Ihr die Silberknöpfe? Nun, was solls? Mich kränkte Eure Rede von vorhin, Drum warf ich rasch mich in mein Sonntags-Wams. Dies möge Euch beweisen, daß Ihr Euch Auf mich verlassen könnt. Wenn sie ihn rührt, So sieht er rasch von ihr auf seinen Rock. zeigt aufs Grabscheid. Was soll denn das? Wer sich die Nägel putzt, Der wühlt mit Händen keine Gräber auf! Seid ihr bereit, den richterlichen Spruch An Genoveva, wegen Ehebruchs Zum Tod verurteilt, ehrlich zu vollziehn? Wir sinds. Ja wohl. Und um so eher zwar, Als wir mit Augen fast die Sünde sahn. Und wollt ihr an dem Kind tun, wie an ihr? Eins ist nicht schwerer, als das andere, Es ist dasselbe Blut. zu Genoveva. Ich frage Euch: Sind diese Männer, die ich auserkor, Euch wegen Übertretung des Gebots, Das Lust verbeut, zu strafen, Euch genehm? schweigt. Ihr sagt nicht nein? Das ist ein stummes Ja. Ich füg hier alles, wie's der Herr gebot. Zu Hans. Zu ganz besonderer Genugtuung Soll dieses hochnotpeinliche Gericht Vollzogen werden durch sein eignes Schwert! Nimms hin! Und trag es, wie's dem Knecht gebührt. nimmt das Schwert unter den Arm. Nehmt doch ein andres Schwert! Wenn nichts ihn reut, So reut ihn dies! Es geht nicht. Er befahls. Nehmt Euer Kind! außer sich. Ihr Leute! Hans, merk auf! zu Genoveva. An jenem Abend waren wir nicht blind, Nur deshalb sind wir heute morgen taub! Nimm du das Kind! stürzt auf das Kind zu und nimmt es. Ich sag euch, rührts nicht an! Sonst werd ich das tun, was die Löwin tut! Es lächelt! Ists ein Mägdlein, oder ists Ein Knabe? Fort! Ihr wißt doch noch? Beim Quell! Links. Rechts! Zum Teufel, rechts! Er weiß den Platz! Kaum, daß sie gehen kann! Beim Quell! Ja! Ja! Hans, Balthasar, Genoveva und das Kind ab. lacht, dann ergreift er den Wasserkrug. Sie hat hier Überfluß gehabt. Da steht Noch Wasser. Sie und er! Mein letzter Trunk! Ich knirsche. Dennoch trink ich! Er trinkt, dann zerschmettert er den Krug. Geist der Welt! Machs jetzt mit mir, wie ich mit diesem Ton! Nun auf! Zum Forst! Er will ab. 5. Szene Fünfte Szene wirft sich ihm in den Weg. O Golo! Laß mich los! Gnad! Gnad! Für wen? Für dich! für mich! für sie! Halt mich nicht auf! Wohin so schnell? Zum Wald! Was willst du dort? Ich – will sie sterben sehn! Unhold, die Höll ist heiß! Wie Liebesglut! Besteig dein Roß und jag mit ihr davon. Wenn sie nicht will, so zwinge sie. Leb wohl! Willst dus nicht tun? Gewiß nicht! Sei verflucht! Nach Flüchen dürste ich. Vielleicht zerreißt Der Ur den Hans, der Bär den Balthasar, Der geizge Wolf teilt seinen Raub mit ihr, Die scheue Hindin kommt, und stillt ihr Kind. Unschuldig, wie sie ist, kanns wohl geschehn! Meinst du das wirklich? Nun, da muß ich fort, Daß ich die Hindin töte, und den Wolf! Ab. Die den geboren hat, die wendet jetzt Sich um im Grabe. Fliegt er doch zum Mord, Wie nie ein andrer, wenn in finstrer Nacht Ein Hülferuf erscholl, zur Rettung flog. O! O! Ich trags nicht mehr. Wohin ich schau, Da stiert es mich, als wärs mit Augen, an! Was sitzt dort in der Ecke? In der Tür, Was ists, das mir den Ausgang wehrt? Durch! Durch! Nicht links, nicht rechts gesehn! Zum Brunn hinab! Sie stürzt fort. 6. Szene Sechste Szene Dicker Wald. Hans, Balthasar, Genoveva mit dem Kinde. Hinter ihnen drein schleicht der tolle Klaus. Hier schoß ich, däucht mir, eine Bache einst! Ein grausam-wilder Platz! Nun, überall Ists wild in diesem Walde. Endlos zieht Er sich hinunter; wer kein Jäger ist Und sich hinein wagt, der verhungert leicht, Eh er den Pfad trifft, der heraus ihn führt. Ich fand einmal ein halbverfault Geripp In einem Busch, das war das Scheußlichste, Das ich noch jemals sah, der Kopf von Fleisch Entblößt und doch an Stellen noch behaart, Der Bauch von Schlangen wimmelnd, groß und klein Zu einem Klump verflochten – Schauderhaft! Besonders, wenn man denkt, daß diese hier Bald einen gleichen Anblick bieten wird. Erlaube mir – – Was willst du? Nicht umsonst Hab ich den Umweg bis hierher gemacht. Ich wollte, da wir ihr so nahe sind, Zugleich doch nach der Bärengrube sehn! Halbpart! abgehend. Für heute gelt es! zu Genoveva. Ruht Euch aus! setzt sich auf einen Baumstumpf. Sie ist so still, als wäre sie schon tot. Das dauert mich. bringt dem Kinde eine Blume. Da! Da! kehrt zurück. Nur weiter, Hans! Nichts sitzt im Loche, als ein Fuchs! Da hat Der Bär ein Frühstück, welcher nach ihm kommt. zu Genoveva. Steht auf! versucht es. Ich kann nicht mehr! Hier, oder dort, Ich denke, es ist eins. Was quält man sie! deutet mit angstvollen Gebärden gen Himmel. Au weh! au weh! Was hast du wieder, Narr? Er schaut in die Höhe. Nun, das ist grauserlich genug! schaut gleichfalls auf. Was ists? Ich sehe nichts! Tritt hieher. Nun? Daß Gott Uns gnädig sei! Ich schau nicht mehr hinauf. Mir wird dabei ganz ängstiglich zumut! Die Sonne blickt die Erde zornig an, Als sähe sie, was sie nicht sehen mag. Schwarzrot! Solang ich das seh, mord ich nicht! bekreuzt sich. Ave Maria! Welch ein Greuel sich Denn wohl begibt? Vielleicht vergeht die Welt. ergreift Hans beim Arm und führt ihn nach der andern Seite. Was siehst du nun? Nichts! Nun, so gehts mir auch, Drum denke ich, wir machens ab! Es muß Ja doch geschehn, und was es immer sei, Worauf dies Zeichen deutet, niemals wirds Verkünden sollen, daß der heilge Gott Eins der Gebote von der Tafel strich. Drum, ehebrecherisches Weib, fahr wohl! Fahr wohl! spricht nach. Fahr wohl! Ein Sturm erhebt sich auch, Die Eichen werfen Zweig auf uns herab! Mir fällt was ein. Ein jeder hält die Hand, Soweit er kann, von Blut sich rein. Der Graf Schobs auf den Golo, der auf dich und mich, Und wir – was meinst du? schiebens auf den Klaus. Der tuts und weiß doch selbst nicht, was er tut, Schläft ein, und weiß von nichts, wenn er erwacht. Ein trefflicher Gedanke, wärs auch nur Des Kindes wegen, denn das sag ich dir: Vor einem Mord der Unschuld schauderts mich. Man zeigt dem Klaus den Fleck, wohin der Stoß Zu richten ist, an Kraft gebrichts ihm nicht, Du weißt, er würgte neulich einen Wolf. Zu Genoveva. Erhebt Euch jetzt! Wir sind noch nicht am Ort. steht schweigend auf, sie taumelt. unterstützt sie. Du siehst, sie kann nicht weiter. Wird uns das Entschuldigen? Wir gehn von hier zum Quell Und bringen ihm die Augen und das Haar. Unmöglichkeit ist stets Entschuldigung. Zu Genoveva. Habt Ihr noch einen Wunsch auf dieser Welt, So nennt ihn, wenn ich ihn erfüllen kann, Soll es geschehen. Darauf nehmt mein Wort. Verschont dies arme Kind. Das geht nicht an. Wollt ihr es schlachten, und mit Händen, rot Von seinem Blut, das Weltgericht bestehn? Wenn Gott euch fragt, was es gesündigt hat, Was sagt ihr dann? Wir sagen: frag nicht uns, Frag unsern Herrn! Von solchen Dingen schweigt. Ich zähle jetzt bis hundert, dann ists aus. Er fängt an, ein Grab aufzuwerfen, und zählt leise. Eins, zwei, drei usw. Zuweilen hört man eine Zahl. Habt Ihr nichts andres auf dem Herzen noch? Wenn mein Gemahl zurückkehrt, sagt ihm dies, Daß ich, wie hart er auch mit mir verfuhr, Ihm alles doch, bevor ich starb, vergab. Weib, heuchelt nicht im letzten Augenblick, Denn mich empörts. Ich sah den Drago selbst In Eurem Schlafgemach. Was sollt er da? Wollt Ihr dem Mann, an dem Ihr freveltet, Vergebung bieten? Wahrlich, das ist keck! Kniet lieber hin, schlagt reuig Eure Brust Und beichtet Euer schmähliches Vergehn, Damit dies, wenn ers hört aus meinem Mund, Ihn rührt und ihn bewegt, Euch zu verzeihn. Ich sah den Drago erst, als ihr ihn saht! So! Golo, frevelhaft in mich entbrannt, Und abgewiesen, wie es sich geziemt, Spann Ränke. Ei! Den alten frommen Knecht Betört er, daß er in mein Schlafgemach Sich schlich – barsch. Wie konnt er das? Das weiß ich nicht. Hm! Hm! Er hats vorausgesagt. Zu Genoveva. Ihr wollt Das Blutwerk uns erleichtern. Wie? Ihr macht Es, wie die Schlange. Wenn man sie zertritt, So sticht sie noch. Habt Dank! Ich bitt Euch sehr, Errötet, wenn Ihr könnt, und hört mich an. Wenn Ihr den Drago gar nicht saht und spracht, Wie könnt Ihr wissen, daß Herr Golo ihn In Eur Gemach geschickt, und wenn Ihr ihn Gesprochen: warum fand man ihn versteckt? Mir sagt' es Golo selbst. Sehr glaubhaft. Schweigt! zählend. Hundert! tastet nach dem Kinde. Gebt her! hält es fest. Erst mich! Versteht sich. Gebt! drückt es an sich. Stoßt zu! Und wenn ich falle, nehmt mirs ab! Klaus! Ja! reicht ihm das Schwert. Nimm! Ja! Zieh! tut es. Ja! deutet auf Genovevas Brust. Ziel! Ja! mit einer Bewegung. Stoß zu! stiert ihn an. heftig. Stoß zu! Stoß zu! Wie ich aufs Wildschwein! Nein! greift nach dem Schwert. hält es fest und erhebt sich in drohender Stellung. Du sollst nicht töten! Und was folgt darauf? Du – sollst – – Er stockt. Nicht ehebrechen! Zu Genoveva. Merkt Euch das! Gib. Er will Klaus das Schwert entreißen. durchstößt ihn. fallend. Höll und Teufel! Er stirbt. Ewger Gott, bist Dus? schwingt das Schwert über den Kopf und kehrt sich gegen Balthasar. Du sollst nicht töten, und du tötest selbst? dringt wütend auf Balthasar ein. tritt zwischen beide. Halt ein! Zu Balthasar. Ich rette das Leben Euch – Bringt Ihr mich um? Hab ich das Schwert? Ihr seht, Ich kann des Grafen Auftrag nicht vollziehn. Allein, was soll nun werden? Nimmermehr Dürft Ihr ins Schloß zurück! O nimmermehr! Dort harret mein, was schlimmer ist, als Tod. Den Himmel rufe ich zum Zeugen auf: Nicht, weil ich sündigte, erleid ich dies, Ich leide es, weil ich der Sünde mich Geweigert habe. Schaut auf dieses Kind, Und sagt mir, wem es ähnlich ist. Dem Herrn! Das hab ich längst bemerkt. Jedoch, was hilfts? Unschuldig oder nicht – mir gilt es gleich. Erfährt der Golo, oder auch der Graf, Daß ich Euch leben ließ, so kostets mir Den Kopf! Ich schwör Euch, daß ich niemals mich Hier wieder blicken lassen, ja mich selbst Des Namens abtun will, den ich geführt. In dieser öden Wildnis such ich mir Die ödeste der Höhlen auf, wohin Sich selbst des Jägers Dogge nie verirrt! Um Wurzeln spreche ich die Erde an, Den Trunk beut gütig mir ein frommer Quell, Das Lager mach ich mir aus Laub und Moos. Ihr irrt Euch, Gräfin, das ertragt Ihr nicht! So hat der erste Mensch gelebt, so wird Der letzte nicht verderben. Wenn Euch nun Ein Wild zerreißt? Ich zittre nicht davor. Gott lenkt den Trieb des Tieres, wie er will, Doch nicht des Menschen widerspenstig Herz. Ihr konntet nicht mehr fort. Als ich mein Kind Dem Tod entgegentrug. Jetzt hab ich Kraft, Zu fliehn, denn jetzt entführe ichs dem Tod. So geht. Doch laßt mir Euer Haar! Er schneidet es ihr ab. Nun eilt! Nimm du mich auf, für ewig auf, o Wald! Wenn Gott dies Kind dem Mörderschwert entzieht, So tut ers nicht, weil es verschmachten soll. Sie verschwindet im Gebüsch. sieht ihr nach. Ich nahm dem Wurm das Fleisch und gabs dem Wolf! Beschwöre ichs heut abend, daß sie tot Und kalt ist, werd ich keinen Meineid tun. Dort liegt der Hans im Blut. Hier ist das Grab. Ich machte es für sie, nun ists für ihn. Erst geh ich jetzt zum Quell, dann kehr ich um Und leg den Freund hinein. Zu Klaus, freundlich. Mein Klaus! Das Schwert! reicht Balthasar das Schwert. dringt auf Klaus ein. Du sollst mich nicht verraten, Schuft! entspringend. Au weh! eilt ihm mit gezücktem Schwert nach. 7. Szene Siebente Szene Ein anderer Platz im Walde. Quell. Rasenbank. geht unruhig auf und ab. Das Maß des Grausens, statt der Seligkeit, Hab ich geleert. Die höchste Reue schlägt Den Weg nicht ein, der sie zur Gnade führt. Nein, nein! Verzweifelnd an dem letzten Recht Des Sünders, an dem Recht zur Umkehr selbst, Nährt sie den Fluch, indem sie ihm erliegt, Zwingt sich, die Missetat, die sie verdammt, Nachdem sie halb getan ist, ganz zu tun, Und bläst ins Höllenfeuer, statt es feig Mit Tränen auszulöschen, selbst hinein. Jetzt steh ich da, wo das Erbarmen mich Nicht mehr erreicht, wo ich durch neue Schuld Den innern Ekel nicht mehr steigern kann, Drum lasse ich das Letzte ungetan. Und wie ein Mensch im Ozean das Boot, Das ihn getragen, wegstößt mit dem Fuß Und sich im Meer begräbt, so stoß ich jetzt Das Leben von mir, und entriegle mir Die Nacht der Nächte, wo ich nichts mehr bin, Als ein Gedanke meiner Missetat. Das ist dein Ende, Trotz! Du darfst den Spruch, Der dich verdammt, bekämpfen, weil du ihn Bestätigen, weil du bekennen sollst: Gott tat mir recht und Gott allein hat recht! Doch, Trotz, ich schelt dich darum nicht! Du hast Mich mit mir selbst bekannt gemacht, ich weiß Jetzt, wer ich bin, und was auch kommen mag: Gott tut mir recht, und Gott allein hat recht! Da sind sie! Er tritt ins Gebüsch; nach einer Weile kommt er wieder hervor. Noch nicht? Fiel sie unterwegs In Ohnmacht, oder – Kniee, brecht nicht ein! Er setzt sich auf die Bank. Das ist unmöglich. Er ruft. Hans! Balthasar! Hier! Man hört mich nicht. Der Wind bläst gar zu stark. Ich will die Augen schließen Er tuts. und mir selbst Ein Märchen vorerzählen, grauenvoll, Wie's nur ein Teufel, der in seiner Brust Den letzten Schauder wecken will, ersinnt. Dumpf, gedehnt. Ich will mir denken, daß die Knechte sich Verirrten, daß sie, während ich mit Angst Auf ihre Ankunft harre, roh und stumpf Das Schlächter-Amt vollziehn und blutbespritzt, Wie ich die Augen öffne, vor mir stehn. Langsam kommt Balthasar. Wie Golo die Augen öffnet, erblickt er ihn mit dem blutigen Schwert. 8. Szene Achte Szene springt auf, ihm entgegen. Ihr habt sie fliehen lassen! Unbesorgt! Ist dies hier Er erhebt das Schwert. Blut? Ist dies Er zeigt die Locken. Ihr Haar? bedeckt sich das Gesicht. Es ists! So lobt mich! Hund, ich sagte – Sollten wir Mit Ruten die Entkräftet-Taumelnde Fortpeitschen, bis sie lautlos und entseelt Zusammen sank? Den toten Leichnam dann Hätt man zerhacken, keine Lebende Exekutieren können! wirft sich im höchsten Schmerz auf die Bank. für sich. Sprach sie wahr? Es scheint mir fast! So sieht kein Richter aus, Wenn man das Schwert ihm bringt. Ich prüfe ihn. Bring ichs heraus, so nutz ichs, wie ich kann. Laut. Es ist doch schad um sie! Verruchter, schweig, Wenn du das jetzt erst fühlst. Hätt ichs gefühlt, Als ich – Er macht die Bewegung des Kopfabhauens. So starb sie nicht! So starb sie nicht! Zwar überliefs mich kalt, als ich das Schwert Auszog, und sie das Haupt, anstatt es feig Zu senken, wie dies sonst geschieht, erhob. Er erzählt langsam und lauernd fort. Golo starrt ihn an. Und sonderbar, ich muß es Euch gestehn, Ward mir zumute, als sie manches sprach Vom Drago und von Euch. Ihr werdet bleich. Nun – nun – ich ward nicht irre, wie der Hans. Der Hans? einen Schritt zurücktretend. Rief laut: Herr Golo ist ein Schuft! nickt. Verzeiht das Wort. Dann kehrt er sich zu ihr Und sprach: Ich schütze Euch! Und du? Ja, ich! Ich tat, was Ihr nicht denkt. Ihr habt in mir Nicht eben viel gesucht, ich weiß es wohl. Darum ergriff ich die Gelegenheit, Euch darzutun, daß man mir trauen darf. Ich sprach zu Hans: Du lügst! Und stach ihn tot. Nun drang der Klaus, der tolle, auf mich ein, Von hinten mir das Schwert, eh ichs gedacht, Entreißend, daß mir zur Verteidigung Nichts, als mein Grabscheit blieb. Dies Menschentier Zu fällen, ward mir schwer. Zuletzt gelangs. Den Bauch schlitzt ich ihm auf, dem Ungetüm. Sprecht, ob das Eifer war in Eurem Dienst? Zwiefacher Mörder ward ich, ehe ich Ihr Henker werden konnte. Dankt Ihrs mir? Vergeh, wie ich! Unschuldig, wie das Kind, Das sie geboren, war sie. für sich. Hab ich dich? Frech. Das weiß ich! Wie? Das wußt ich, eh ich ihr Den Kopf herunter hieb. Sie war nicht stumm Und ich nicht taub. will sich erheben, aber starre Wut fesselt ihn an die Bank. Und doch? Ja seht, so ist Ein Mann. Ich hatt Euch feierlich gelobt, Sie abzutun, und ehrlich hielt ich Wort. Doch keineswegs versprach ich Euch, dem Herrn Das zu verschweigen, was sie mir vertraut, Und mein Gewissen, durch den letzten Schrei Der Sterbenden geweckt aus seinem Schlaf, Treibt mich – springt auf, rasend. Du wußtest, daß sie schuldlos war, Und dennoch? Wehr dich deines Lebens, Knecht! Du hast ein Schwert! Ich will dich adeln! Brauchs! Er reißt sein Jagdmesser heraus. Komm an! Ich habe nur dies Messer! Komm! in Angst. Sie – ist – Unschuldig! Ja – allein – Wicht! Wicht! Kannst du nur ziehen auf ein Weib? wirft das Schwert weg und flieht. Fahr hin! Er ersticht ihn. fällt im Gebüsch nieder und stirbt. Hätt ichs getan mit meiner eignen Hand, Ich trüge es, und wohnt in meiner Tat, Wie Satan in der Hölle, die er schuf, Indem er stürzte, einsam, unnahbar, Doch jetzt! Gen Himmel knirschend. Du! Du! Ich nehm mein Wort zurück! Das ist nicht recht! 9. Szene Neunte Szene stürzt atemlos herbei. Da ist er! Gott sei Dank! Caspar folgend; tonlos, aber ruhig. Ist es geschehn? Es ist! für sich. Zu spät! zu spät! Nun schweig auf ewig, mein Verdacht! Ich kann Jetzt nichts mehr retten, auf die Folter nur Den Herrn noch spannen. Die erspar ich ihm. Zu Golo, heimlich. Was sagt Ihr dazu? Als der Graf ins Tor Geritten kam, warf Eure Mutter sich, Vom Brunnen, wo sie, wie im Wahnsinn, stand, Hereilend, seinem Rappen in den Weg. Das Tier zerspaltete mit ehrnem Huf Den Schädel ihr, Gehirn und Blut flog auf, Und in die Halle trug man sie für tot. kalt. So? Warum tat sie das? auf Siegfried deutend. Ich sag es ihm. Was du auch immer zu gestehen hast, Behalts bei dir! Die Tote kannst du nicht Erwecken, schone drum den Lebenden. Ich will es tun, wenn du mir eins beschwörst. Was? Daß du so sie an mir rächen willst, Wie er sie rächen würde, wenn ich ihm Die Untat beichtete. Das schwör ich dir! Golo! Herr Graf! Mir trat in meiner Burg Ein Maler in den Weg. Er reichte mir Ein Bild. Sie hatte es bei ihm bestellt, Als er ihr Conterfei, für mich gemalt, Ihr überbracht. Ich weiß. Der Buhle nicht, Ich selbst bin abgemalt auf diesem Bild. Noch klingts mir in der Seele, wie Musik, Was sie an jenem Tag zum Maler sprach. Sie war – unterbricht ihn mit Angst, zu Siegfried. Denkt nicht an das noch, was sie war, An das nur, was sie ist! Er bemerkt den toten Balthasar. Wer liegt denn dort? Ich warf Euch diesen Knecht zu Boden, Herr, Ich bin ein freier Mann! Macht Euch bezahlt! Das tut! Hier ist ein Schwert! Er nimmt das Schwert auf. Das Eurige! ruhig. Ich strafe niemals einen Menschen mehr, Seit ich ins Innre der Natur geschaut. Auch sie, wenn sie noch lebte, stürbe nicht. Was ist ein Wort! Der Hauch von einem Hauch! Sie war das schöne Zifferblatt der Welt, Und ihre Schuld der schwarze Weiser, still Durch das verborgne Triebrad fort gerückt, Und rasch vom Mittag auf die Mitternacht Zusteuernd, die den Kreislauf schließen soll. Weh mir, daß ich den schimmernden Kristall Zerschlug, weil gar zu schnell der Weiser doch Die Reise mir zurückzulegen schien. Wer sagt mir nun, wieviel es an der Zeit! Er faßt Golo bei der Hand. So ists, mein Freund! Verdamm auch du sie nicht! Was hat Er zeigt auf Balthasar. Der arme Narr getan, daß du Ihn um das heutge Mittagsmahl gebracht? Er war es, der die Gräfin tötete. Konnt er so viele Schönheit, die ihn nie Beleidigt hatte, würgen? Grause Tat! Sie starb mit Recht, doch der mit größerm noch, Der solch ein Weib kaltblütig schlachtete. Ich lobe dich, daß du ihn niederstachst. Er stellt sich vor Golo und schaut ihm ins Gesicht. Du Armer dauerst mich! Du warst ein Kind, Als ich von hinnen zog. Was bist du jetzt? Du bist, wie jener, der zum Festmahl ging, Und den man unterwegs ergriff und zwang, Scharfrichter-Dienst zu tun. Nun war sein Kleid Mit Blut besprengt, als bleiche Schreckgestalt Trat er ins Haus der Freude ein, und sah, Selbst ein Gespenst, ringsum Gespenster nur. Nach einer Pause. Ich tadle mich. Wer eine solche Tat Befiehlt, der muß sie auch mit eigner Hand Vollziehn. Wem Gott die Kraft dazu versagt, Dem zeigt er an, daß er den Spruch verwirft! für sich. Ich trag es nicht! Zieh in die Welt hinaus! Die Welt ist groß und bunt. Vielleicht, daß du Vergessen kannst! Gebt Ihr mir Urlaub? Ja! Ich zieh noch heute! Wenn du wiederkehrst, So wirst du Pfalzgraf. Dir vererbe ich, Wofür der Sohn mir fehlt, mein Hab und Gut, Und durch des Kaisers Gnade auch den Stand! Er geht langsam ab. sieht ihm nach. Kein Lebewohl! Daß ich aus seinem Mund Nicht eins zurück erhalte! Als Siegfried nicht mehr gesehen wird. Caspar! der Siegfrieds Schwert noch immer in der Hand hielt, dringt mit demselben auf Golo ein. Ja! Nicht so! Was wäre das! Der Rache Geist Verlangt ein andres Opfer: jede Qual, Die nur ein Mensch auf Erden dulden kann, Und einen Tod, der kommt, als käm er nicht. Er tritt vor, und erhebt die Hand. Im Angesicht des Himmels heb ich jetzt Die Hand als Richter auf, ich steh zugleich Als Kläger und Beklagter da, du bist Gezeuge, die Vollstrecker schickt der Wald. Der Frevel ist bekannt, dies ist mein Spruch: Die Augen hier, die viel zu viel auf sie Und viel zu wenig auf den Herrn geschaut, Sind auszustechen; diesem säumgen Arm, Der, als mein falsches Herz ihr Bild sich stahl, Es nicht sogleich durchbohrte, leg ich auf, Die Strafe an den Augen zu vollziehn! Zu Caspar. Ist das geschehn, so führst den Blinden du Ins Innerste des Waldes, reißest ihm Die Kleider ab, und bindest nackt und bloß Mit Stricken ihn an eine Eiche fest, Damit der Eber und der zornge Bär, Die Schlange, die von unten sticht, der Aar, Der aus der Höhe schießt, sich in sein Fleisch Mit Zahn und Kralle teilen. Wenn der Baum, Vom Wind durchrauscht, auf den Verhungernden Von seinen Eicheln eine niederwirft, So darf er die nicht fangen mit dem Mund, Doch, wenn er seine Zunge essen will, So sei es ihm vergönnt. Und nun zum Werk! Er reißt sein Jagdmesser heraus, wendet sich waldeinwärts und sticht sich, ohne daß dies jedoch gesehen wird, die Augen aus. tritt ihm näher. Er blutet! Beide Augen! tappend. Führ mich jetzt, Und wenn du wieder kehrst ins Schloß, so sprich, Ich sei zu Roß, den Falken auf der Hand, Ins Land hinein gesprengt. für sich. Ich töt ihn gleich! So wie Caspar sein Schwert erhebt, fällt rasch der Vorhang. Nachspiel zur Genoveva Personen Personen. Der Pfalzgraf Siegfried. Genoveva. Schmerzenreich. Caspar. Conrad. Jäger. Die Handlung ereignet sich im tiefen Walde. 1. Szene Erste Szene tritt aus der Höhle. Der strenge Winter ist vorbei, der Wald Wird wieder grün, die Lüfte werden lau, Die Blumen blühn, des Frühlings Macht ist groß, So groß, daß ich sogar mich freuen muß! Jetzt sind es sieben Jahr! Wie wunderbar Ist doch der Mensch gemacht! In seinem Glück Erträgt er nichts! Und alles in der Not! Drei Elemente sind für ihn genug, Er kommt mit Erde, Luft und Wasser aus, Das Feuer braucht er schon nicht mehr, ich habs Hier nicht gehabt und leb mit meinem Kind! Ach! Und der arme Wurm! Wie freut er sich Des Atemholens, denn was hat er sonst? Wie sprang er heute immer ein und aus, Und als ich fragte: Warum tust du das? Ei, rief er, drinnen werd ich wieder kalt, Dann tut der Sonnenschein mir doppelt wohl! Jetzt sucht er Wurzeln, und hat neue Lust, Denn leichter gibt die Erde sie heraus, Auch findet sich wohl eine Beere schon! Sie faltet die Hände. O Gott, ich danke dir für so viel Glück! Und wenn du willst, daß auf der ganzen Welt Auch nicht ein einziger mehr murren soll, So zeige jeglichem im Traum dies Kind! 2. Szene Zweite Szene stürzt atemlos herbei. O Mutter, Mutter! Fasse dich! Was ists? Man hört Jagdhörner in der Ferne. Hör doch! Hör doch! O Gott! Das ist gewiß Der Böse! Alle Tiere fürchten sich, Die Vögel fliegen weg, denk dir, ein Bär Lief hart an mir vorbei, und noch ein Tier Mit einem spitzen Horn, das wir im Wald Noch niemals sahn! Wie zittern mir die Knie! Halt mich, ich fall sonst um! beugt sich auf ihn nieder. Mein Kind, du weißt, Daß dich dein Vater schützt! Als Auerochs Und Bär hier einmal kämpften, schriest du auch Und meintest zu vergehen. Dennoch wars Nur unsrer Kleider wegen, daß der Herr Sie hergetrieben hatte! Jeder fand Den Tod durch seinen Feind, dann ward das Fell Des Ochsen deins, das Fell des Bären meins. Wer weiß, was heut geschieht, drum zag nicht so, Bete ein Vaterunser! betet still. Was ist das? Jagdhörner! Hier? Du liebe Mutter, sprich: Wer ist mein Schuldiger? So lange schon Versprech ich im Gebet dem lieben Gott, Daß ich ihm seine Schuld vergeben will! Auch tät ichs ganz gewiß von Herzen gern, Allein ich kenn ihn nicht! Man hört die Jagdhörner ganz in der Nähe. Schau hin! Schau hin! Die arme Hirschkuh, deine Amme! Gott, Wie blickt sie wild und scheu! Sie wird gejagt. Hieher, du frommes Tier! Sie schlüpft hinein, Nun komm auch du! Wenn ihr nur keiner folgt! Flüchtet mit Schmerzenreich in die Höhle. 3. Szene Dritte Szene tritt in Jagdkleidern auf. Wo blieb die Hirschkuh? ihm folgend. Fort, als hätte sich Die Erde aufgetan – Die Erde tut Sieh niemals auf! Nun, gleichviel, wo sie blieb! Wenns die nicht ist, wirds eine andre sein! Gleichviel? Nicht doch, nicht doch, hochedler Herr! Spricht so ein Jäger? Für den Jäger gibts Nur ein Tier auf der Welt, das Tier nur gibts, Das er gerade jagt! Was kümmern ihn Die übrigen, eh das am Boden liegt! Mein treuer Knecht, man zieht den grünen Rock Wohl einmal wieder über, wenn ein Mensch, Wie du, ihn alle Morgen bringt und fragt, Ob man ihn nicht verlange, doch das Herz – Das Herz läßt sich nicht zwingen, und ich weiß, Warum ich aus dem Totenschädel nur Mein bißchen Wein noch trinken mag! Ich hab Dir diesmal nachgegeben, wie ichs tat, Als du mir, zur Erheitrung! auf mein Schloß Die wilden Vettern ludest; nicht, weil ich Dein Mittel gut fand, nur, weil ich dem Arzt Beweisen wollte, daß mir nichts mehr hilft! – Ich trags, ich fluche nicht, was soll ich mehr? Daß ich es fühle, dafür kann ich nichts. Auch Christus hat am Kreuz sich nur gebeugt, Wo liest man denn, daß er gelächelt hat! Ach, wüßtest du, wie mir zumute ist, So sagtest du: es ist ein Heldenstück, Daß er noch ißt und trinkt! Es ist nicht bloß Der Schmerz um sie – den hielte ich geheim, Wie Pest und Aussatz, fänd ich mich zu schwach, Ihn zu ersticken – nein, mich plagt die Angst, Ob ich ihr nicht zu viel getan, es blieb Ja alles dunkel bis auf diesen Tag. Caspar, ich hab mich furchtbar übereilt! Das ist gewiß! Wer eine solche Tat Befiehlt, der soll sie auch mit eigner Hand Vollziehn, wem Gott die Kraft dazu versagt, Dem zeigt er an, daß er den Spruch verwirft! Ich schob sie auf den Golo. O, das hat Sich fürchterlich an mir gerächt! Hätt ich Sie auf dem letzten Wege noch gesehn, So wäre alles anders! Ihre Furcht, Ihr Zittern, hätte meinen Mut erhöht, Ihr Mut ein Zittern in mir selbst erweckt, Und wie's auch immer kam, in meiner Brust Wär Friede! Jetzt – Ha! Jeder Tote ist Ein Vampir, ohne daß ers weiß, und saugt Dem, der ihn liebt, das Herzblut aus, es steigt Kein Schatten aus der dunklen Gruft herauf, Der sich, bevor er sichtbar werden kann, Mit diesem Rot nicht tränken muß! Und sie – O meine Träume! Und bei Tage auch, Ich hab sie stets vor Augen! Kaum, daß sie Zurückweicht, wenn die Welt um mich vergeht, Wenn ich am Hochaltare steh vor Gott, Und wenn ich schaue in ein offnes Grab. Sonst – Caspar, hab Geduld, bald ist es aus! Dann kannst du – Schlafen gehn, nicht wahr? – Ein Reh! Wo nur der Golo bleibt! Ich hoffte stets, Der sollte wiederkehren und von ihr Noch manches mir erzählen, zwar zu viel Für völliges Verzeihn, doch nicht genug Für gänzliche Verdammung, so daß mir Doch Aussicht bliebe für die Ewigkeit! Auf Golo wartet nicht! Du meinst, er ist Verunglückt? O, gewiß, der lebt nicht mehr! Wohl ihm! Ich habe nichts dagegen! Wie? Ich wünsch ihm Glück zum Jüngsten Tag! Der scheint Nicht fern zu sein! Wie meinst du das? Ei was: Wenn sich die Hexen selbst verbrennen, muß Er vor der Tür stehn, und das alte Weib Von gestern hat sich selbst verbrannt! Das wär Ein grauses Zeichen! Als ihrs nicht gelang, zu Euch zu dringen – Ich stieß sie zurück, So sehr sie flehte – Schickte ich ihr nicht Genug heraus? Gewiß! Nur kam sie nicht Um eine Münze, noch um Brot und Wein, Sie kam um Pech und Schwefel, Hanf und Werg! Und als man ihr das weigerte – ich nicht, Ich hätt ihr dies Almosen gern gereicht Und einen Wachsstock obendrein, denn mir War sie von früher her bekannt – da lief Sie in den Wald, und sammelte, was sich An Reisig fand, dann türmte sie daraus Sich einen Scheiterhaufen, kroch hinein, Schlug Feuer mit zwei Kieseln, zündete Die dürren Blätter an, und alles das Mit einer Hast und Eil, als müßte sie Auf die Sekunde damit fertig sein! Und wehrte niemand ihr? Nein! Nicht einmal Die Regenwolken, welche dick und schwarz Am Himmel hingen. Keine ließ auch nur Den kleinsten Tropfen fallen, später kam Ein Wolkenbruch! – Hochedler Herr, sie sang, Ein andres Lied, als jene Heiligen, Die Gott im glühnden Ofen prüfen ließ! Sie fluchte freilich nicht, sie beichtete, Und das mit Ernst, denn mitten in der Glut Der Flammen klapperten die Zähne ihr Vor innerm Frost in ihrer Seelenpein. Doch was zum Vorschein kam, war solcher Art, Daß ich beim dritten Wort die Gaffer schon Von hinnen trieb. Da aber rief sie aus: Du jagst die Menschen fort? Das hilft dir nichts, Die Vögel hören mich, und jeder fängt Zu sprechen an, wenn er – Er unterbricht sich. Was such ichs noch Zurückzuhalten? Sie hat recht, ich fühls; Die Amseln plapperns aus, wenn ichs nicht tu, Es geht nicht mehr! Auch hab ich eine Angst, Die gar nicht weicht! Er fährt fort. Wenn er den Grafen sieht! Caspar! Ja, Herr! Mich selbst belud sie dann Mit einem Morde – leichte Last, nicht wahr, Für meine siebzig Jahre? – den ich einst, Von ihr verhetzt, an einem frommen Knecht Begangen habe! Ha! Was Euch betrifft, Euch bitt ich: wenn Ihr Euer Ehgemahl Im Himmel antrefft, Gott zur rechten Hand, So denkt nicht, daß der ewge Freudensaal Auch Ehebrecherinnen offen steht! – Nun vorwärts! Kommt! Die Tiere höhnen uns, Schaut hin! Ein Wort! War dieses Weib einmal In Straßburg? Fragt nicht mehr! Allmächtger Gott, Du sagst nicht nein? War da die Hirschkuh nicht? – Er schreitet auf die Höhle zu. Ich glaubte, ihren scheckgen Hals zu sehn! Nun ist sie wieder weg! folgt ihm. Du läufst vor mir! Was das wohl ist? Er entdeckt die Höhle. Eine Höhle! Nun, da wär Das Wunder ja erklärt! Sprich, Caspar, sprich. Tod oder Leben? Rasch! Nun, wenn ich muß, So wißt: der Teufel trieb sein Spiel mit Euch, Ihr hieltet Weiß für Schwarz und Schwarz für Weiß! Doch Golo! Hab ichs Euch nicht schon gesagt? Ihr hieltet Schwarz für Weiß! Denn der war schwarz. Golo! Er hält sich an einem Baum. Hat Euch getäuscht! Versteh ich dich? Er – Er – So ists! Er war zu jung, und sie – Dann – Er tritt vom Baum weg. Nieder! Er führt mit geballter Hand einen Schlag. Caspar, hör, wo er auch sei, Im Arm der Liebe, in der Freunde Kreis, Den Becher in der Hand, ja am Altar, Jetzt fällt er um und steht nicht wieder auf! Das tut er nicht! Es ist dafür gesorgt! O Genoveva! Genoveva! entfernt sich mit Entsetzen von der Höhle. Herr, Ein Ach kam aus dem Berg, ein Klageton, Hier führts zur Höll hinab! O loderten Die Flammen mir entgegen! Er will in die Höhle hinein, stürzt aber gleich wieder heraus. Heilger Gott! bekreuzt sich. Alle guten Geister – 4. Szene Vierte Szene erscheint am Eingang. Loben Gott den Herrn! Ich bin kein Geist! ohne sichtbar zu werden. Mutter, Mutter, geh nicht hinaus! Eine Mutter ists! Ein Weib! Ein armes Weib! Tritt näher. In dieser Wüstenei! Ein Weib? So muß Ich vor ihr knien, damit sie mir den Kopf Zertreten kann! Mein Siegfried, sagt Dein Herz dir nichts? Dein Auge kann dir wohl Nichts sagen, doch dein Herz – Mit ausgebreiteten Armen ihm entgegen. Ich bin es ja! abwehrend. Nein! Nein! Und hätt ich schon Äonen lang Im Schwefelpfuhl gebüßt, was ich verbrach, Noch immer sagt ich: Nein! So willst du mich Nicht halten? Siehst du nicht? Ich fall ja um! Sie umschließt ihn. So halt mich doch! – Du Armer hast wohl nicht Geküßt, seit wir geschieden sind! Das ist Gar lange Zeit! Dein Weib hat viel geküßt! Komm, Schmerzenreich! Jetzt teilen wir! Doch nimm Den letzten Kuß, den ich mir nahm, zurück! Sie küßt ihn. O, es wird Ernst! Sie taumelt. Halt mich! der schüchtern gekommen ist. Die Mutter stirbt! Ach Gott! ich kenns! Schon einmal war sie so! sich wieder erholend. Und starb ich da? Vater, dein Sohn! Zu viel! Zu viel! Er tritt zurück. Ich nehm nichts an! Du willst dein Kind Nicht küssen? Sieben Jahre wartets schon Und noch versagst dus ihm? Recht! Töte mich! Ei, Schmerzenreich, so nimm dir mit Gewalt, Was dir gehört! Du kannst ja klettern! Auf, Und küß den Vater! verbirgt sich hinter Genoveva. Holdes Kind, du säumst? Du fragst, wofür du ihn denn küssen sollst? Ei, sieh auf dein Gewand, dann weißt du das! Wer in ein Fell dich kleidete, wer dir Ein Loch zur Wohnung anwies, und den Tisch Dir, wie dem Bären deckte, der verdients! Nicht so, mein Siegfried! Danke Gott mit mir, Daß er uns dir erhielt! Wir haben schlecht Gelebt, wir haben aber doch gelebt, Und wissen jetzt, warum! Dein Kind hat nie Erfahren, daß es weichre Betten gibt, Als die von dürrem Laub, von Gras und Moos, Und süßre Speise, als die Wurzelkost, Nun kann es das ja lernen! reicht Caspar die Armbrust. Caspar, nimm! Dann blas dein Horn! Was sinnst du, mein Gemahl? Ich muß doch wissen, wie es tut, wenn man Allein in öder Wildnis haust, und nichts, Als seine beiden Hände hat, ich will Es selbst versuchen! Zu Caspar. Blase, daß mans hört! bläst, ihm wird aus der Ferne geantwortet. Es ist der Rechnung wegen! Heilige, Du kehrst ins Schloß zurück, ich bleibe hier! Zwar heißt das nicht gar viel! Ich bin ein Mann, Kein Weib und auch kein Kind! Doch wird der Mann Ja einst zum Greis, und ich, ich werde jetzt, Wie fühl ichs! nach der Stundenglocke alt! Halt ein, halt ein! Ha, glaubst du, daß ich kann? wirft die Armbrust beiseite. Herr, Herr, nehmt Euren Sohn, das übrige Stellt Gott anheim! Ei, meine Faust ist rot, Und doch hoff ich auf Gnade! Finster wars, Der Teufel hatt sich quer vors Licht gestellt Und hetzte uns, da stachen wir drauf los Und trafen unsre Freunde! – Edle Frau, Ich – Er bricht in ein konvulsivisches Lachen aus. Ja! Ich lache, wenn ich weinen will – Verfluchte Art! – Je nun, Ihr sehts ja wohl, Wie weh mirs tut, Euch so – – Doch, glaubt mir das, Auch er – auch er – Schaut ihn nur einmal an: Ist dieses noch der Mann, der von Euch schied? Zu Siegfried. Ihr habts verdient, nun nehmt, was Gott Euch beut! Er bringt ihm Schmerzenreich. Rasch, rasch, sonst komm ich Euch zuvor! preßt Schmerzenreich in die Arme. Mein Kind! Ich habe viel gelitten, es ist wahr, Doch dieser Augenblick macht alles gut! Ich nehme dir die Schmerzen ab um mich, Du mir die Angst, die Qualen um mein Kind: Nur Gott weiß, wer am meisten tat! Mein Weib, Mein armes, blasses Weib, könnt ich das Blut Aus meinen Adern in die deinen nur Hinüber gießen! Dann – Dann stürb ich ja In dir, und hätte nicht das Sterben bloß, Nein, auch das Weinen! Nicht doch, teurer Freund, Die letzte Arbeit teilen wir! Die ist Zu schwer für einen! O, nicht mehr! Nicht mehr! Ich peitschte einen Engel, er enthüllt Sich mir und ahnt nicht, daß er mich dadurch, Wenn er nicht einhält, töten muß! – Und die Wollt er ermorden! Ausbrechend. Golo! Flucht ihm nicht, Denn er hat mir geflucht, weil ich ihn nicht Erst marterte, bevor ich ihn durchstach! Ein ander Mal von ihm, nur so viel jetzt: Ermorden wollte er sie nicht! Ich hab Noch einen Brief für Euch von ihm! Ihm sei Die Erde leicht und leicht auch das Gericht! Amen! Und klammerte das Wort sich auch Mit Krallen in der Kehle fest, es soll Heraus! Noch einmal! Amen! Wer bin ich, Daß ich ihm die Vergebung weigern will! Er faltet die Hände. Ja, Herr, vergib mir meine Schuld, wie ich – Nein, nein! betet fort. – Vergebe meinem Schuldiger! Nicht wahr, mein Siegfried? O gewiß, du kannst Das Vaterunser beten! Nicht? Es ist Das schwerste Stück auf dieser Welt! – Doch seis! Faltet die Hände. Wie ich dem Golo! Ja! – Nun hab ich Mut, Dich und mein Kind zu küssen! Er tuts. ruft. Auf, herbei! Er stößt ins Horn, ihm wird aus der Nähe geantwortet. Ich hoff sogar, daß du mir bleiben wirst! Dein Kind bleibt dir gewiß! Was sagst du da? Wozu uns quälen! Heute will der Herr Uns lächeln sehn, denn unsre Lust Ist seine! Mach ers denn, wie's ihm gefällt! 5. Szene Fünfte Szene tritt mit vielen Jägern auf, sie blasen die Hörner. Habt Ihr die Hirschkuh? – Ha! Die Knie gebeugt! Die Toten stehen auf! Die edle Frau Ist wieder da, schaut hin! und auch das Kind! Sie lebe hoch in alle Ewigkeit! Nun zäumt ein Roß für sie! mit ein paar Knechten ab. Recht, Caspar, recht! Zu Genoveva. Nicht wahr, an sieben Jahren wars genug? Nun fangen andre sieben Jahre an! Die sind das wenigste! – Du wankst? Nein, nein! Ich bitt nur noch um einen Augenblick, Und den allein! entfernt sich rasch mit den übrigen. betend. Nur sieben Tage noch! Ein Mensch ist nicht so stark, wie ich gedacht, Nur die, dann winke, Herr! erscheint. ihm entgegen. Ich bin bereit! Trompeten.