Henry von Heiseler Peter und Alexéj Tragödie [Motto] Die Gestalten, die zwischen dir und dem Feuer sind, erscheinen dir dunkel. Leonardo da Vinci Personen Dramatis Personae. Peter. Katharina. Alexéj. 1 Awdótja, verstoßene Gemahlin des Zaren, Mutter des Alexéj. Afróssja, die Geliebte des Alexéj. Costa, der Narr. Oberst Gordon. Tolstoí. Ménschikof. Stepán Glébof, Kíkin, Dolgorúki, Abrám, Bruder der Awdótja, 1. Bojar, 2. Bojar, 3. Bojar, , Verschwörer. Der Alte, Stimmführer der Deputation. Sechs alte Männer, Deputierte. Der Kammerdiener des Zaren. Iwánuschka, sein Sohn. Mons, Kammerherr. Iwán Afanássjitsch, Kammerdiener des Alexéj. Vater Warlaám (stumme Person). Ein Arzt (stumme Person). Ein Offizier. Ein Soldat. 1. Diener. 2. Diener. 3. Diener. Bojaren, Soldaten, Edelleute, Hofdamen, Diener. Fußnoten 1. Akt Erster Akt Moskau. Das Zimmer des Alexéj. Afróssja in einfacher Nationaltracht – nur Hemd und Rock, durchaus nicht bunt – sitzt auf dem Schreibtisch links. Ihr glattes blondes Haar ist in zwei Zöpfe geflochten, die sie nach vorn über die Schultern herabhängen läßt. Iwán Afanássjitsch, der Kammerdiener des Prinzen, räumt auf. Russische Bauerntracht. Costa der Narr sitzt in einem Sessel dem Mädchen gegenüber – seine Kleidung ist bürgerlich, Rock, Weste, Kniehosen, Strümpfe, Schnallenschuhe, auf dem Kopf die Narrenhaube mit lang niederhängendem Zipfel. Das ist der Streit von Flut und Feuer, Kind. Du fragst, wer stärker ist? dies zeigt sich so Wie's eben kommt. Den Tropfen frißt die Flamme, Der Regen löscht den Herd. Was schwatzest du! Den Zaren meinst du, wenn ich dich verstand, Und meinen Herrn, den Prinzen. Ei, wen sonst? Was auch begreifst du nicht? der Vater ist Ganz Flamme, siehst du, denn er hat den Schweden Gebrannt und den Bojaren, die sich sträubten, Die Bärte abgesengt: so große Flamme Löscht kein so stilles Wasser. Du Afróssja, Ich sprech im Ernst, was träumst du da ... Nun, Spaß ... Was sagst du? welch ein Spaß? Er liebt ihn doch. Liebt? wen? Der Prinz, mein Liebster, liebt den Zaren Viel mehr als mich. Und du, du lachst? Nun ja, Da wird er ihm nichts tun, der Zar dem Prinzen. Wer liebt, ist kein Verräter. Glaubst du das? Dann sage mir ... Ich will's beschwören. Nie Hat er vor mir gezittert ... Vor dem Vater Doch zittert er? du Närrin, das ist Furcht Und keine Liebe. Still, du Alter! Furcht Und Liebe sind Geschwister. Das ist mehr Als ich begreifen kann. So muß ich stets Die Zeit an dich verschwenden: hast du nie Dein Weib geschlagen? Nein. Wo ist dein Weib? Gestorben? Weiß nicht. Nun? Es ging mir durch Mit einem Aktenschreiber. Doch das weißt du. Costa pfeift und springt auf. He was? Afróssja, lache. Diesem Alten Sag ich nichts weiter. Was ... Es ist erwiesen. zornig. Ich weiß nicht mehr, was zu erweisen war. Daß dich der Wasserteufel ... geh zur Hölle! Er geht ab. Afróssja, lache nicht. Sie schleichen alle Um ihn herum und ziehen ihre Fäden Eng, eng und enger und bevor er's merkt, Ist er schon eingesponnen. Glaubst du denn Das Kindermärchen von des Zaren Tod, Das Glébof sich ersann und Kíkin treulich Im Volk verbreiten ließ? frag deinen Prinzen, Der glaubt es nicht und dennoch geht er hin Und lauscht, wenn Kíkin singt und Glébof eifert, Dann endlich hängt er fest und kann dem Netz Nicht mehr entspringen, wenn die beiden kommen, Zar Peter und der Tod. Zar Peter liebt Den Ansprang aus dem Dunkel, dann erst macht Er gräßlich Tag um sich mit Blut und Feuer. Lehr mich ihn kennen. Hör – verbirgt er sich Wie jetzt ... ich sage, löscht er jede Spur Von seinen Tritten aus, so ist die Hand Zum Schlag erhoben und wir können nichts Auf Erden tun, als warten, wessen Haupt Er sich zum Hieb erspäht aus seiner Wolke. Und wär's auch wie du sagst! den Prinzen kann Die Hand nicht treffen. Willst du meine Kappe? Die Narrheit hast du schon. Den Prinzen nicht? Ihn, ihn vor allen! Peter fürchtet ihn, Weißt du das nicht? er fürchtet ... Meinen Prinzen! Glaub's oder nicht, ich weiß es. Und er hat Ganz recht, daß er sich fürchtet, denn gefährlich Ist Alexéj, der Sohn, und Alexéj, Der Name, nicht dein träumend sanfter Prinz Der lächelnd und in Einfalt süße Märchen Um deine Schönheit rankt. Du aber kannst Ihn wecken, darum tu's, es ist so leicht, Nur beim Gebet am Abend und am Morgen Zu sagen »hüte dich«. Mit deiner Furcht! Mein Prinz hat Furcht und nicht der Zar. Dem rät Die eigne Furcht schon »hüte dich«. Der fährt Aus tiefstem Schlaf empor und mit der Lampe Sucht er die Winkel ab und sagt im Fieber: Zar Peter schlich sich ein und will mich morden – Und suchen muß ich helfen. Und als wirklich Ein Mörder auf ihn schoß, hat er gelacht Und auf dem Meer im Sturm war ihm der Tod Nicht eine Sorge wert – allein den Zaren, Den Einen, fürchtet er und diesen Einen Nur um so stärker. Wohl, es gibt dergleichen. So feig und mutig ist mein liebster Prinz ... Weil er es ist, so feig und mutig, Kind, Wird Mut und Angst ihn locken in den Käfig Zum Tiger einzutreten und zu nippen Vom süßen Wein des Grauens, wenn das Tier Geduldig hinnimmt Schlag und Wurf und gleich Aufspringen wird, jetzt – jetzt – noch immer nicht – Jetzt aber – und so weiter. Denn was ihm Den Zaren wichtig macht, ist mehr als Liebe: Ein schwindelnd heißer Zauber der Gefahr Der uns verliebt macht in den Blitz und uns Den Kampf zu suchen treibt! was folgt daraus? Nicht viel ... nur bist du klüger als du warst Vor fünf Minuten nach der Pfauenuhr Die sich Zar Peter bauen ließ, daß ihm Kein Zifferblatt den Dienst erweise, den Ein goldner Vogel leisten kann. Jetzt aber Sei du dem Prinzen solch ein goldner Vogel Mit deinem Morgensprüchlein: »hüte dich«. Afróssja hat während der letzten Worte zur Tür hingehorcht, nun läuft sie dem Prinzen entgegen, der rasch eintritt, gefolgt von einem alten Mann in einfacher dunkler Kleidung. Alexéj trägt einen leichten schwarzen Anzug. Prinzessin, auf dem Wasser lag die Sonne Und das war schön und du warst nicht dabei, Es anzusehn mit mir! was sagst du Fürstin? Was sagst du, Kaiserin? sieh her, ich bringe Ins Haus dir einen Gast. Auch Costa hier? Hat er dich lachen hören? wie? Er sagt, Ich soll ein goldner Vogel sein – Du bist Ein goldner Vogel, meint er's auch nicht so. Der Costa singt sein altes Lied. Nun, Alter, Schau dir den Narren an. Das ist ein Narr Der lieber mahnt als lächelt und er will Mich unter breite warme Flügel stecken Bis ich erwachsen bin ... was wollt ich noch? ... Das mit der Sonne auf dem Fluß – ihr glaubt, Das sei nicht viel? doch, doch, es hat mich froh Gemacht, es war so wie ein schmaler Und goldner Fluß der auf dem großen blauen Hin mit der Strömung schwamm – dann fällt mir immer Im Gehen manches ein, wenn ich die Menschen Vorübergleiten sehe, immer nur Vorüber und vorüber, selten bleiben Sie stehn und selten grüßen sie, es treibt Sie immer nur vorbei und keinen freut es Den anderen zu sehn ... Afróssja, keiner Muß lachen mitten auf dem großen Platz, Wie ich es tue wenn ich einmal wieder Ganz deutlich weiß, daß du zu Hause bist Und mich erwartest und – ich bin zerstreut – Costa, sei still – nun kurz und gut, ich traf Den Alten auf dem Platz, der sah mich lachen Und sagte: Gott behüte dich, und das Ist mir so nötig, daß mich Gott behüte, Wie keinem zweiten – und ich sprach mit ihm. Er kommt vom Land, bei Gott, ihr ratet nicht, Warum er kam – was denkt ihr? Sag's. Der Kaiser Von China schickt Geschenke deiner Hoheit, Kamele, Sklavinnen und Götzenbilder Und Gold und Perlen, oder tut's der Sultan Vom Morgenland? Geschenke, ja! und wie Aus Morgenland! er und sechs andre noch Sind Abgesandte – von den Städten Rußlands Und von den Dörfern auch – an meinen Vater – Um ihn zu bitten – wie? begreifst du jetzt? Für dich? Für mich! sie lieben mich! sie wollen Zu ihrem Herrscher mich! und wenn das Volk Zum Zaren kommt und bittet, kann er's nicht Versagen. Er ist klug und groß. Ihr wißt es. Er ist auch gut. Nein, seht, ich kenn ihn besser Als alle, die ihn fürchten. Einmal hab ich Ihn weinen sehn, ganz leise vor sich hin Weil er's nicht zeigen wollte, doch ich sah Die blanken Tränen laufen. Er ist sanft. Er hat ein Lächeln das die kleinen Kinder Von ihren Müttern lockt und einen Zorn Wie der Prophet Elias der im Donner Zum Himmel fährt. Er herrscht mit ganzer Kraft. So wird er auch verstehen, daß in mir Sein Blut zur Krone drängt. Sei er gewaltig Und stark und weise, während ich von Schwäche Zu Schwäche taumle und von Traum zu Traum – Eins hebt mich über alle außer ihm Der Krone nah: er liebt das Land nicht besser, – In diesem bin ich stark und klug wie er. Er geht zum Schreibtisch und füllt einen Becher aus einer Karaffe mit Wein. halblaut. Nicht! Was denn? Laß den Wein, er schadet dir. Er frischt mich auf. Ich bitte dich. leise. Prinzessin, Du sollst nicht bitten. Liebe mich. Den Wein, Siehst du, kann ich entbehren. Er stellt den Becher zurück und blickt vor sich nieder. Herr, was fehlt dir? Zu Afróssja. Flink, sag ihm etwas was ihn freut. Du sprachst Vom Herrschen, Alexéj ... Ja, meine Blume, Vom Herrschen sprach ich. Peter braucht das nicht. Er darf es tun. spielerisch. Du nicht? Oh, glauben muß, Wer siegen will. Es hält die Hand den Sieg, Der kommen soll, vorher im Traum schon fest – Und nun er selbst, er selbst, in hundert Strömen Erfüllung schüttend ... nein, verzichten nicht, Nein, nein, auslöschen nur die Lampe nicht, Die einzige, die wirklich leuchten könnte Und alle Schatten töten in den Winkeln ... Den Wein, Afróssja, solchen Wein ... den wirst du Mich trinken lassen und vor seinem Glanz Weht alle Finsternis dahin. Alle sehen ihn an. Er scheint unter den Blicken zu erwachen, sieht sich um, besinnt sich völlig. Sagt zum Alten. Das war es Noch was ich wollte, hungrig wirst du sein, So nimm von unsrem Salz und Brot, bevor Du gehst. Afróssja ... Afanássjitsch öffnet die Tür, bleibt aber draußen. Herr, schon wieder sind Sie da um dich zu sprechen. Wer? Die Drei, Die immer kommen. heftig. Jag sie durch den Hof Mit Peitschen – Costa! Herr, das wäre gut. Ich will sie sehn, zum letztenmal. Wär's nur Das letzte Mal! Ruf sie herein. Afanássjitsch ab. Ihr geht Zum Essen, bis ich komme. Geht. Ich bin Dann wieder gleich bei dir. Er nickt Afróssja zu. Afróssja, Costa und der Alte rechts ab. Alexéj blaß und erregt am Schreibtisch, nimmt den Becher und leert ihn auf einen Zug, atmet erleichtert auf. Er sieht sich nach der Tür um, die sich hinter Afróssja geschlossen hat. hastig. Nur noch ein Wort, Afróssja, noch ein Wort! ich muß dir sagen ... Rasch ab durch dieselbe Tür. Durch die Mitte kommen Stepán Glébof, Kíkin und Dolgorúki. Alle drei in Uniform. Da sind wir wieder. Der Prinz nicht da? – heute wird und muß sich alles entscheiden. Warum heute? wir haben Zeit, wenn Zar Peter starb, wirklich starb. Wer sagt euch, daß er starb? Es geht ein Gerücht, das ist wahr – doch unter uns, wer glaubt daran? Ich freilich nicht. Wenn nur das Volk dran glaubt. Und der Prinz. Der Prinz! legt ihm den Zaren tot vor die Füße, so wird er noch nicht daran glauben. Den überlaßt ihr mir. Ich halte – versteht ihr? – ich halte den Zauber, der ihn gefügig macht. Zarin Awdótja, die Verstoßene. Doch sagt, Glébof, wollt Ihr den Prinzen durch seine Mutter gewinnen, oder habt Ihr dieses Amt Eurer Geliebten vertraut? Ich bin ihm der Verführer seiner Mutter, das ist es, Kíkin, was Ihr sagen wollt. Mag er mich darum hassen, das grade muß ihm zeigen, daß sein Weg der meine ist. Er hat das Leid seiner Mutter zu rächen, ich – Und Ihr eine Tat, die Euch Awdótja gewinnen half? meint Ihr, er glaubt Euch das? Es ist meine Sorge, ihn das glauben zu machen. Und außerdem – Nun? Und außerdem liegt uns nur an seiner Person und nicht an seinem Glauben. Die Person – verlaßt euch darauf – die haben wir. Ich will es loben, wenn Eure Rechnung stimmt. Still, hier ist der Prinz. Alexéj kommt zurück und begrüßt die drei mit einem Kopfnicken. Er lehnt sich an den Schreibtisch. Nehmt Platz, ihr Herren. Sprecht, ich bin bereit. Es ist die alte Frage, Prinz, die wir zu wiederholen kommen – Die alte Antwort hab ich nur zu geben, Gelüstet's euch, sie noch ein letztes Mal Von mir zu hören – wohl, es kommt mir nicht Auf drei Minuten an, ich habe Stunden Und Tage zu verschwenden – Das eben soll anders werden. Wir bringen Euch die Herrschaft, ein Gefäß, das Ihr mit siebzig hineingegossenen Jahren nur grade füllen könnt. Steht der Thron von Persien verwaist? oder soll ich die Kirgisen in die Schlacht wider Schafe und Rinder führen? Es geht ein Gerücht um, daß es dem Himmel gefallen habe, Euren Vater den Zaren zu sich zu nehmen. Doch das ist es nicht ... Schlägt man einen Mann wie meinen Vater mit Gerüchten tot –? Doch das ist es nicht, was ich zu sagen habe. – Prinz Alexéj, ich bringe Euch einen Gruß – und vielleicht noch etwas mehr – von Eurer Mutter. maßlos aufbrausend. Ihr – Ihr wagt – das wagt Ihr – der Ihr mit meiner Mutter – Ich. Ist keine Peitsche ... Prinz! sich überstürzend. Mein Vater warf Den Schmerz in ihre Seele und er war Im Recht, das mögt Ihr wissen. Vor der Welt Sieht meiner Mutter Schicksal wie ein Frevel Des Zaren aus – doch das ist falsch gesehn, Ich sag es, ich, ihr Sohn. Sie hat geweint, Wenn er sie lachend wollte, hat gesprochen In solcher Stille wo der kleinste Laut Verbrechen war, hat ihm vor jede Tat Ein kaltes »Nein« gesetzt – doch das ist nichts – Ob so, ob so, ich liebte sie ... den Zaren Hab ich darum nicht hassen können, ihn, Den ich begriff. Gesteht mir dieses zu: Aus Willkür tat er's nicht, er sprach: ich muß – Und tat es ohne Haß. Ihr aber habt Die Mutter mir beschmutzt – Prinz, das zu dulden –! Ihr werdet's dulden – hört Ihr das? – beschmutzt! Sie ließ den Zarenreif zurück und nahm Das Leiden mit und ich, als Kind schon hab ich Gewußt daß mancher, der's versteht, den Schmerz Wie eine Krone trägt. Was aber ist Ein Schmerz, der sich mit – Euch zu trösten weiß! Mit Buhlerkünsten! pfui! bezahlte Wächter Und Liebesboten! Briefe! Heimlichkeiten Wie zwischen Knecht und Stallmagd! daß der Ekel Mich nicht erstickt! das meine Mutter, das! Und das ihr Schmerz! o pfui, Ihr habt es nicht Gewußt, was Ihr getan, sonst war es nie Geschehn, Euch hätte schaudern müssen ... Sagt Das Eurer Mutter, wenn sie kommt. atemlos. Wenn sie – Was sagt Ihr da –? Sie kommt. Hierher –? Sie kommt. Sie kommt durch diese Tür. Das ist – gewiß? Sagt – Kíkin – Dolgorúki – durch die Tür – Sie kommt – Zaréwitsch, ja. Durch diese Tür – Wie sagt ihr? – jetzt – jetzt gleich – was tatet ihr? – Wie kam sie aus dem Kloster – Faßt Euch, Prinz. Was kann sie wollen? ihr – ihr wagt so viel – Ihr seid doch Männer – würdet nicht so spielen Wenn ihr nicht wüßtet – Antwort! gebt mir Antwort! Was ist's mit dem Gerücht? Gerüchte lügen Zwei Wochen lang, zwei Monde – und nun kommt Ein neuer Tag, da lügen sie nicht mehr. Ob wahr, ob nicht, wir haben vorzubeugen. Das ist's, wir beugen vor. Wem hat der Zar Das Reich vermacht? wem? Wenn er wirklich starb So gibt's ein Testament und das verleiht Die Krone – wem? Nicht Euch. Der Lagerdirne – Der Wäscherin – Nicht mir – – die aus den Händen Des Marketenders wie ein schlechter Pfennig In die des Trommlers ging und vom Trompeter Zum Fähnrich – Und von einer Stufe bald Zur nächsten sprang – Bis dann der glücklichste Und höchste Sprung geschah – in Peters Bett, In Peters Herz und mitten in den Glanz Von Peters Krone – Mitten in den Glanz, Der Eurer Mutter eigen war. Sucht hier Den Schmutz, von dem Ihr spracht, und die Befleckung. Und wenn das Testament – was ändern wir? Seid Ihr der Zar, so gilt das Testament Nicht mehr denn leeres Stroh. Ihr seid gewählt Vom Volk, gewählt vom Adel und die Kirche Hat Euch gekrönt. Und ich erbiete mich Das Testament am Säbel aufgespießt Im Krönungszug zu tragen – Doch er lebt! Er lebt ja doch! er lebt! und kommt zurück! Wie steh ich dann vor ihm? Dann habt Ihr Euch Als Mann gezeigt – Zum erstenmal – verzeiht! Und er erkennt sein Blut – Und achtet es – Und achtet Eure Kühnheit, die nach ihm Zu zielen wagte – unwillkürlich. Ja, so ist er, so! Ihr kennt ihn freilich – fieberhaft. Und es ist vielleicht Nur dies was er vermißt! warum auch hätte Er mich gereizt, gequält, so zum Ersticken Wenn er nicht wecken wollte, was in mir Da war und immer war, wenn auch versteckt Noch in dem Schutt. Er wollte sich vielleicht In mir erkennen, in die Winde streuen Den ganzen Zorn, er hätte mir gesagt: Du bist mein Sohn! du bist mein Sohn! – und ich, Ich bin's! mir glaubt das Volk – und mehr – ich selbst, Ich weiß es so wie keiner, daß ich's bin, Ihm aber muß ich's zeigen ... Er lauscht an der Eingangstür. leise. Glébof, helft, Das nützt uns nichts. Laßt, laßt! Er stürzt ihn Nur, um ihn neu zu krönen. Setzt ihm nur Die Krone auf – und dann, dann tut mein Degen Was nötig ist. Nur still! Ich will mich jetzt Nicht vor ihm schämen müssen. Glébof, hört, Mir scheint, ich tat Euch unrecht. Nur versteht, Warum ich ihn nicht hassen kann. Er hat Mich sehr gequält. Ich habe Dienst getan Wie ein Gemeiner und der Waffenrock Hat mich gedrückt an Hals und Brust. Wenn ich Schaluppe nannte was ein Kutter war – Als Kind, wenn er mich fragte – brach er mir Im Zorn mein Feenhaus entzwei. Ich lernte Da seine Schiffe hassen, wenn auch nicht Ihn selbst – denn über mein zerbrochnes Haus Wie ein Gewitter war er hingegangen; Ich nahm es als ein Schicksal und das Spiel Geriet nur immer schöner. Glaubt, das Messer, Womit er Späne schnitzt, hält er nicht anders, Als in der Schlacht den Degen und das Ruder Im Sturm: die Seele wächst hinein und wird Zur Kraft, die siegen muß. Das hab ich dumpf Als Kind gefühlt, ich hab es fühlen müssen, Weil so nur zu ertragen war, was er, Selbst irgendwie auf dunkle Art gezwungen, Mich tragen ließ. Und was mich heut ergreift Und mir den Weg zur Mutter und zu Euch Und in den Thronsaal weist, ist, wie mich dünkt, Ein Trieb von gleicher Art, verwirrt und dunkel Doch stark ... mir scheint, vor Gott und Welt und Himmel, Daß ich ihm folgen muß. Ruft Heil dem Zaren! Still, hört ihr nichts? Prinz, Eure Mutter – Sie! Entgegen! kommt entgegen! Er stürzt zur Tür, diese wird aufgerissen, Afanássjitsch steht in der Tür. du? Zaréwitsch – Ein Wagen – vor dem Tor – Im Wagen – wer? Vor Schleiern sah ich nichts – doch eine Stimme – Ich kannte diese Stimme – Nun, ich muß Die Stimme hören – Platz da, Platz! Ich sah Des edlen Fürsten Durchlaucht, Ménschikof, Vom Fenster – und verkleidet – auf der Straße – Er kam als Späher, glaubt mir nur – Du träumst, Geh fort, mach mich nicht zornig – Herr, ich kenne Das Fuchsgesicht – glaub mir – es ist Gefahr – Fort! fort! sie wartet – da! nun halte mich! Er hat den Alten zurückgestoßen und eilt fort, Afanássjitsch folgt laut rufend. ihm nach. Nun schnell zum Wagen – und hinein mit ihm – Und fort – zum Schloß. Folgt mir! Wir kommen. hält ihn zurück. Freund, Nur noch ein Wort: vor Glébof hütet Euch – Das weiß ich längst. Kommt nur, habt keine Sorge. Beide ab. Die Bühne ist leer. Nach einer Weile wird die Tür rechts geöffnet. Costa schiebt seinen Kopf vorsichtig durch die Spalte, sieht sich um, tritt ein, da er das Zimmer leer sieht. Afróssja hinter ihm, lächelnd, sorglos, ein Lied vor sich hin summend. Sie sind nicht da. Ich hörte laute Stimmen. singt. Und es ward ihm so wehe, Er seufzte und sprach ... Wo sind sie hin? du sollst das Singen lassen Ich höre nichts. Schau, Kind, wenn ich gehe, Vom Fenster mir nach. Hier ist etwas geschehn ... Er geht plötzlich hinaus. Afróssja lacht hinter ihm drein, Stimmen auf dem Vorplatz. Was faselst du? hinein, hinein mit dir! Es ist nicht möglich! draußen. Hätt ich nur den Fürsten Vom Fenster nicht gesehn! Costa kommt zurück, hinter ihm Afanássjitsch. So traf es ein, Was ich gesagt. Dein Prinz ist fort. Was heißt das? Das heißt: er spielt um seinen Kopf. Das heißt es. Verschwörung heißt es, Hochverrat! im Schloß Beraten sie's und seine Mutter ist Dabei – Die ist im Kloster – Aus dem Kloster Ist sie entsprungen, ist im Schloß mit ihm Und den Verrätern! und der Zar – Der Zar? Weiß alles. Der da hat den Ménschikof Gesehn und nun ist alles aus – ich hab's Gesagt – nun kam das Ärgste – bete du, Daß nur der Zar nicht kommt! Ich kann's nicht glauben. zum Diener. Du hast ihn gehen lassen. Wenn es jetzt Hereinbricht über uns, dann schlage dir Die Brust und winsle: meine, meine Schuld! Was hast du nicht gerufen ...? zurückweichend. Ich – Du hättest So schreien müssen, daß zu Hilfe dir Das Volk gekommen wäre von der Gasse – Die Wache vom Portal und wir – was hast du Getan? wohl gar die Tür geöffnet, sanft Gemeldet: lieber Prinz, die liebe Mutter Kam zu Euch auf ein Stündlein, wo mir recht ist – Was? hättest du geschrien: die Hölle steht Vor Eurer Tür! was sagst du? hättest du Das Haus in Brand gesteckt, du brauchtest nur Im Vorsaal eine Lampe umzustoßen So kam der Prinz nicht durch, so wäre Zeit Geblieben, Zeit! und nun – nun kommt der Zar Und schlägt den Prinzen tot. Was tatest du Um das zu hindern? was? nun kommt der Zar – Der Zar – Afanássjitsch ist schrittweise zurückgewichen bis zur Tür. Costa folgt ihm auf dem Fuß, ihn vor sich herdrängend. Plötzlich fahren beide erschrocken zurück und zur Seite – auf der Schwelle stehen zwei dunkle Gestalten in langen Mänteln. Eine Stimme vom Eingang her fragt. Wer spricht von mir? entsetzt. Er selbst! Hilf Gott Im Himmel! er! Zar Peter und Oberst Gordon sehen sich um und treten langsam vor. Wo ist mein Sohn? stammelnd. Nicht hier. Ich fragte: wo? Ich weiß nicht, Herr. Er ging Zur Kirche wohl. mit Gordon ganz vorn. So kamen wir zu spät. verdrießlich. Ihr seid noch stets zu spät gekommen, wenn Der Prinz in Frage kam. mit unterdrücktem Unwillen. Ei, Gordon! Eine kurze Stille. wohl, So muß ich heute pünktlich sein. Das wäre Zu früh. Noch kann der Fürst mit den Soldaten Im Schloß nicht sein. Auch wird es Euch nicht fehlen Wenn Ihr zur festgesetzten Stunde kommt, So wartet noch. Fürst Ménschikof späht gut. Sie sind im Netz, ich weiß. Bin ungeduldig, Wir wollen gehn. Noch eins: du bist mir Zeuge, Gordon, vor Gott, daß ich ihn warnen wollte. Ich bin's. Fand ich ihn hier wie ich gehofft, Wir hätten's ausgefochten Aug in Auge – Nun muß es anders kommen. Fort! Ihr seid Ermüdet, Herr. Soll ich ein Frühstück schaffen? Ja? oder Wein? Peter sieht ihn an. verzeiht. Gordon, wir gehen. Beide ab. Die drei anderen stehen unbeweglich. Costa rafft sich zuerst empor. Wie nun – Nichts weiß ich, nichts! fährt auf. Ich aber weiß es – Du willst? Wo willst du hin? Zum Prinzen, Kind! Ich laufe schnell – und finde wohl ein Pferd – 2. Akt Zweiter Akt Ein Saal im Kreml. Die Tapeten einfarbig dunkel. Von den Lampen und Kerzen, die hinter großen grünen Schirmen brennen, kommt ein mattes Licht. Die Fenster sind verhängt. Im Vordergrund in einem Sessel Awdótja, eine schöne ältere Frau in Trauerkleidung. Neben ihr, den Arm auf die Lehne des Sessels gestützt, steht Alexéj. Sie hat sich zurückgelehnt und sieht zu ihm empor, er, leicht gebückt, spricht auf sie ein. Hinten flüsternde Gruppen von Bojaren, teils in Uniform, teils in französischer Hoftracht, darunter Glébof, Kíkin und Dolgorúki. Nein, Mutter, nein. Ich bin das Kind nicht mehr, Du nicht die Frau, die ich gekannt. Ich bitte Bedenke, Mutter, daß dein Kloster mir Nicht mehr ist als ein Wort. Es gibt noch eins Was ich nie nennen möchte ... nichts davon, Wenn es auch immer, mächtig aufgerichtet, Dasteht, wo wir uns treffen – sage nicht Daß dies dich kränkt! ich sehe doch, zu wem Dein Blick hinüberläuft und daß aus dir Das Wort nicht kommen wird, das ich vorher Erwartete – und Jetzt nicht mehr. Es ist Viel besser so, daß du erfährst, wieweit Ihr auf mich rechnen könnt in euren Plänen. Ich sah noch nichts von einem Plan. Und – rechnen? Mein Kind, mir scheint, hier bist du eine Zahl Die fortzustreichen ist, damit kein Fehler In unsre Rechnung komme. Nimm es so Und laß mich gehn. Wohin? doch nicht – Du denkst, Zu meinem Vater? denkst du's? Awdótja schweigt verwirrt. Mutter, sieh, Was hast du doch gesagt? den Sohn verstehe Die Mutter, wenn er schweigt und – war's nicht so? – Auch wenn er lügt und stiehlt. Nun hab ich kaum Ein Wort gesagt, springt schon der Zweifel auf – Nur einen Schritt zur Seite, wäre schon Aus dir der Schrei gekommen: haltet ihn! Und sagte ich von eurem Bund mich los So wärst du rasch bereit, mir mit Gericht Und Blutgerüst zu drohen so wie – Er – Plötzlich heftig. Ich bitte, Mutter, sende nicht den Blick Zu dem da drüben, der dir Zeichen macht, Was soll er zwischen uns? hat er das Recht Dir zu befehlen: dieses ist zu tun Und das zu lassen? – muß ich den dort fragen: Was habt Ihr meiner Mutter, Herr, erlaubt Und was verboten? Sprich nicht so. Ich wäre Viel lieber stumm – du zwingst mich – Mutter, nein, Dazu nicht kamen wir – Hinüberrufend. ist denn der Kreis, Der ganze, nicht beisammen? Dossiféj Wird noch erwartet – und der Zarin Bruder – Laßt sehn, wer noch? Der Erzbischof kommt nicht. Ein Bote war bei mir. 1. BOJAR. Was, Dossiféj? Kommt nicht? Abrám, Awdótjas Bruder, tritt ein mit mehreren Bojaren, berauscht und lärmend. Wer ist es der nicht kommt? Abrám, Nun endlich! Einer fehlt, wer ist's? ihr spracht Von einem, der nicht kommt – Der Erzbischof – Der Fuchs! er rettet sich! 3. BOJAR ängstlich. So ist Gefahr, Meint ihr, wenn Dossiféj der Kluge –? Was Gefahr! was da Gefahr! wenn Peter kommt – Das mag ja sein – so haben wir – Sei still, Was redest du! lauter. So haben wir Pistolen Und Degen und – Abrám, du schweigst! Ich nicht – Der Sohn ist hier, so schweig! ungeduldig. Ihr Herrn, zur Sache. Zur Sache denn! ihr Herrn, ich bitte um Gehör. Der Generalmajor Glébof hat das Wort. 2. BOJAR. Still jetzt. Hört den Generalmajor. Es sind hier Stimmen laut geworden, die uns die Nachricht brachten, Zar Peter sei in der Stadt und wisse um unseren Rat. Ich will diese Stimmen nicht widerlegen – 3. BOJAR. Seht ihr's! Zar Peter in der Stadt! Ihr glaubt daran, Glébof? Steht uns das Wort »Verschwörer« auf der Stirn geschrieben? das einzige, was uns verraten könnte, ist die Anwesenheit unserer edlen Herrin, der Zarin Awdótja, in diesem gesellig freundschaftlichen Kreis. 1. BOJAR. Sehr gut. 3. BOJAR. So müssen wir die Zarin bitten – Dafür ist gesorgt. Beim ersten Alarmzeichen führt ein zuverlässiger Mann, den ich nebenan verborgen halte, die Zarin durch den geheimen Gang ins Freie, wo ein Viergespann mit Eskorte bereitsteht. Darum keine Sorge, Bojaren. Seht mich erstaunt, ihr Herrn. Ich höre viel Von Schutz und Deckung reden, warum nichts Von Tat und Mut – und war es Übermut? Ich kam nicht her, um mich vor meinem Vater Ins Dunkel zu verkriechen, noch vor ihm Den Freund zu spielen, der mit Freunden tafelt. Hier wird geheuchelt nicht und nicht verschwiegen, Wir kämpfen heut. Er gebe mir, was mein, Und wenn das Wort nicht hilft, dann spricht der Zwang Und hilft Gewalt. Wer sich verbergen will, Der gehe gleich, bald mag die Zeit ihm fehlen. 1. BOJAR. Er hat recht. Verdammt und verloren ist, wer sich im Kampf umsieht nach Hintertüren. 3. BOJAR. Wie denkt Ihr darüber, Zaréwitsch? Eure Mutter sollte bleiben? Keine Änderungen in letzter Stunde! sie geht, da; ist beschlossen. Jetzt aber handelt es sich um uns – 3. BOJAR. Warum nur ward es beschlossen? uns wird etwas verheimlicht. Was wäre zu verheimlichen? wenn unser Freund Glébof der hohen Frau die Aufregung ersparen wollte – 2. BOJAR. So ist das begreiflich – Ja, ja. Lachen im Hintergrund. dankelrot vor Zorn. Schweigt, schweigt, bei eurem Leben! wollt ihr mich Als euren Führer sehn – hier bin ich. Eins Doch müßt ihr wissen: wer sich wider mich Und meinen Willen setzt, wer mir von Flucht Zu reden wagt, wer mir in Rat und Kampf Den Mißklang seiner Narrheit bringt, ein Lachen Das mir zuwider ist, ein freches Wort Das nach der Pfütze stinkt, empfängt den Stempel Der ihm gebührt: ich stoße ihn hinaus Und jag ihn mit der Peitsche zu den Hunden! Ich mustre meine Schar und mustre so Wie ich's von einem lernte, der die Kunst Zuerst bei uns erfand und Meister ist. Gut spricht mein Neffe – 1. BOJAR. Gut? das wäre gut? Man spricht zu Knechten also – Wartet noch Und hört ihn an: Nun zum Beschluß. Wir setzen Ein Schriftstück auf, des Inhalts den ihr kennt: Wir bitten – Fordern! Die verbrieften Rechte Verlangen wir zurück für Adel, Volk Und Kirche, Schutz dem alten Glauben, auch Für jeden Untertan den ersten Anspruch Auf alle Ämter vor den Fremden – 2. BOJAR. Recht, Den ersten Anspruch. Des zum Zeichen werde Die Krone mir verliehn nach seinem Tode Und weigert er's – So recht, das fordern wir! Und weigert er's, wird die Gefangenschaft Ihn unsrem Willen beugen. fährt auf und tritt dazwischen. Bist du rasend? Ihn denkst du so zu beugen? Was? ihn nicht? Gefangenschaft – was willst du sagen? Ihn – Wie sagst du? – beugen? – töten! Schießen! stechen! Hast du ihn ganz vergessen? kennst ihn nicht? So denk dir doch, er wäre hier, vor uns, In unsrer Mitte, nimm ihn dann gefangen – Siehst du den Menschen nicht? Alexéj nickt unwillkürlich. du mußt ihn töten, Wenn du ihn zwingen willst. Er hungert sich Zu Tod im Kerker, er, und beugt sich nicht Und sieht dich immer an mit dem verhaßten, Zehnfach verhaßten Blick, den ich so kenne, Der alle bösen Wünsche in der Brust Aufstachelt wider ihn ... du zwingst ihn nicht, Als durch den Tod – Ihn töten – Wenn er kommt, Dann alle Degen hoch, gespannt die Hähne Und alle Kugeln durch sein Herz, dazu Ins Herz ihm alle Klingen – Ich – ich will's nicht – Du brauchst es nicht zu tun – Ich habe mi r Das Werk gespart – der erste will ich sein – Du wirst der erste sein – Nichts – nichts dergleichen – Ich will's nicht – hört ihr? – will's nicht – wild. Dann, Zaréwitsch, Zum Richtbeil ohne uns, mit uns zur Krone! Tumult. seine Stimme überschlägt sich. Den Tod auf deine Seele! Pest und Siechtum In euer Blut! wie steigt sie um mich auf, Die nackte Scheußlichkeit! doch wird das Gift Ihn nicht erreichen, den es fressen will, Mein Wort darauf, es wird nicht! eher laß ich Den Schurken Ménschikof mit seinen Hunden, Den roten Knechten, los auf euch und mich Und lieg an eurer Seite auf der Folter – Und so wird das geschehn – und müßte ich's Als letzten Wunsch erbitten vor dem Sterben! Den Kampf mit Euch zu kämpfen sind wir lachend Bereit, Zaréwitsch, lachend! sagt uns denn Zum letztenmal: wollt Ihr den Weg mit uns Zu Ende gehn, bis zu dem Punkt wo blutig Des Zaren Leiche liegt – und eine Krone – Zu viel! zu viel! ich kenne meinen Weg. Dann lad ich Euch zum Kampf mit mir. Bojaren! Bei eurem Leben! eh er euch verrät, Nehmt ihn gefangen! auf ihn zu. Mich! Zum Kerker! Glébof Hat recht! Verrat! nehmt ihn gefangen! Auf ihn! Die Menge dringt vor. Alexéj reißt dem ihm zunächst stehenden Bojaren den Degen von der Seite, zieht mit der Waffe einen blitzenden Kreis um sich und steht im nächsten Augenblick vor der Eingangstür. Versucht es! Teufel! Eine kurze Pause der Überraschung. Dann mitten in die Stille hinein drei – vier – fünf starke Schläge an die Tür. ängstlich. Prinz – um Gottes willen – Macht auf – macht auf – Was ist – was ist mir ihr – Mit ihr geschehn – Er schließt auf. Costa tritt rasch ein. atemlos. Der Zar – schreiend. Was hat er ihr Getan? Ihr – nichts – der Zar ist hinter mir – Er folgt mir auf dem Fuß – Der Zar! der Zar! Awdótja, folge mir! den Prinzen laßt Nicht fort, habt acht auf ihn! Er führt Awdótja zu einer Seitentür links. Die Zarin geht ab. Daß ich dem Zaren Zuvorkam, glaubt mir, ist ein Wunder fast – Der Schotte war bei ihm – sie standen plötzlich In Eurem Zimmer, Prinz – er fragte dann Nach Euch – und ging – vielleicht sieht er zuerst Nach den Soldaten – 1. BOJAR. Sprachen sie davon? 2. BOJAR. Von uns? wie sah er aus? Sprachst du mit ihm? 3. BOJAR. Mein Gott, wir sind verloren! Prinz Ihr dürft Nicht bleiben – geht – ich bitte, geht – Afróssja Hat mir gesagt und fest mir aufgetragen Ihr solltet fliehen – Sag, mein Vater kommt Mit den Soldaten? Costa nickt hastig. dann ist alles gut, Dann ist er sicher – Liebster Prinz, das denkt Ihr, Was sagt Ihr da! laut zur Versammlung. Seht, meine werten Freunde Und Mörder, seht! da liegen wir im Netz Und zappeln uns nicht los – 3. BOJAR. Wir müssen fliehen, Vielleicht gelingt es uns – Ihr kennt ihn schlecht. Wir sind umzingelt. Keine Maus kann durch Denn lauter Katzen hat er aufgestellt Rings um das ganze Haus – Seine Erregung macht sich Luft in einem heftigen lautlosen Lachen. Zaréwitsch, flieht! Das ist nicht zu ertragen! noch lachend. Und es rückt Heran – auf Katzenpfoten – lautlos näher – Der Tod und seine Truppe – fühlt ihr's nicht? – Ich fühl's – was wettet ihr! eh ich bis drei Gezählt, kommt's über uns – es legt die Hand Schon auf die Klinke – soll ich zählen – da – Die Tür geht auf, Zar Peter in einfacher Uniform ohne Mantel, und Gordon treten ein. Alle stehen unbeweglich. Gruß euch, ihr Herrn. tödlich erschrocken, mit versagender Stimme. Allein – fragend. Allein? wild triumphierend. Allein! Seltsame Antwort! halblaut, rasch. Nehmt den Prinzen fest, Er darf nicht sprechen – Welch ein stolzer Kreis! Die Edlen meines Landes, etliche Verwandte wie mich dünkt ... kann sein, ich komme Nicht sehr gelegen – 3. BOJAR. O das ist nicht möglich! Die Überraschung nur, das dürft Ihr glauben, Die Freude, edler Herr – hochmütig über ihn weg. Bemüht Euch nicht. Gelegen oder nicht, ich bin der Zar Und komme, wann ich will. 3. BOJAR. Wer zweifelt auch –! murmelt. Nur daß es hie und da gefährlich ist – Ihr wollt bemerken, Generalmajor – Was war es? wollt Euch doch bemühen, Herr, Die Stimme nur ein wenig zu erheben, Ein wenig, oder ganz zu schweigen, Herr, Wenn Euch zum Reden etwas fehlen sollte, Wohlklang der Stimme – oder etwa Mut – schreit wie rasend. Wollt ihr geschlachtet werden? seht ihr nicht Auf seiner Stirne, was er euch bereitet? Bei mir ist Rettung – und beim Degen – auf ihn! Zurück, zurück, ihr zaudertet zu lang – Ich zeig euch meinen Schutz. Er stößt die Tür auf, Soldaten drängen im Laufschritt in den Raum und besetzen alle Ausgänge. Da seid ihr ja. So recht, ihr kamt zur Stunde. Kennst du mich? Du da, tritt her – weiß Gott, da lacht der Mensch Und zeigt mir alle Zähne – ja, wir haben Uns einen Dienst getan, du mir, ich dir, Das war am Ufer, wo der Schwede ... siehst du Das weiß ich gut – jetzt geh nur zu mit Gott – Wo ist der Ménschikof? Gordon, ich wette, Der kommt zuletzt und – hab ich's nicht gesagt? Da seh ich ihn. Doch hat er's gut gemacht Und großes Lob verdient. Die Pünktlichkeit Ziert den Pastetenbäcker. Alter Schotte, Pastete ist kein Makel, wenn sie schmeckt Und gut gebacken ist. Willkommen, Fürst, Dir meinen Gruß, Tolstoí, ich bin mich euch Zufrieden. Die Verschworenen haben sich wortlos und ohne Widerstand entwaffnen lassen. Ménschikof und Tolstoí kommen durch die Mitte. Nun, wir haben uns bemüht. Wenn du gestattest, Herr, wir wollen gleich Zur Untersuchung schreiten? Geht voran, Ich folge bald. Hier ist noch ein Geschäft – Tolstoí, du nimmst den Vorsitz im Gericht. An euer Amt! Die Soldaten setzen sich mit den Gefangenen in Bewegung, der Saal leert sich langsam. Costa tritt zu Alexéj, der links im Vordergrund steht. Wie nun, mein Prinz? wie nun? Was wird mit Euch? Du gehst zu ihr? nicht wahr? Du mußt ihr sagen, daß ich ruhig bin Und alles wäre gut. Doch hat er Euch Nicht einmal angesehn! er ist sehr zornig. lächelt. Das war ich auch. Dann aber kommt das andre. Geh, grüße sie von mir. sehr bedrückt. Lebt wohl, mein Prinz. Er geht ab, Peter hat mit Tolstoí, Ménschikof und Gordon gesprochen, jetzt verneigen sich die Drei und gehen. Alle außer Alexéj und Peter haben den Saal verlassen. Peter wirft einen langen Blick auf Alexéj, geht dann nach vorn rechts, nimmt einen Lehnstuhl und setzt sich. Alexéj schlägt heimlich ein Kreuz. Tritt her zu mir. Alexéj nähert sich ihm, bleibt stehen. Du magst wohl müde sein, Nimm einen Sessel, wenn du willst. Alexéj wehrt ab mit einem Kopfschütteln. Hast du Mir nichts zu sagen? Ich besinne mich Und weiß nicht, was du willst. Ist dies Gespräch Schon das Gericht? ist's ein Verhör? bist du Als Vater hier? als Zar? Das eben muß Sich zeigen. Laß die Unterscheidung. Wer Hat mich gelehrt zu unterscheiden? oft, Wenn ich zum Gruß hervortrat aus der Front, Hast du mich fortgewiesen, denn im Dienst, So sagtest du, bist du mein General Und nicht mein Vater. Und nach deinem Anzug Befahlst du meinen Gruß: so warst du heute Der Lotse Peter, morgen Admiral, Doch immer schaute unter'm Lotsenhut Der Zar hervor und ich verstand es nie, Warum die wunderlichen Fetzen mir Den Vater und den Zaren decken sollten. Zur Sache. Was erwartest du? ich will Dir sagen, was ich weiß. Ich habe heut Mein Recht erkämpfen wollen und der Plan Zerfiel von selbst, sie kamen her und brachten Sinnlosen Streit, was weiß ich, und vor dir Fiel hin und platzte wie ein wirrer Traum Ein schlimmes Fratzenspiel. Und doch erzwingen, Erzwingen wollen! Spiel? und doch Gefahr Des Lebens, Zorn und Aufruhr und Beschimpfung Der Majestät? wie knüpft sich das zusammen? Ich weiß nicht. Ich – ich weiß nicht. Und es liegt An dir, das Wort zu finden. Schweigen ist So leicht. Das meinst du doch? Da Alexéj schweigt, fährt er fort. es ist so leicht, Sich in den dunklen Winkel einzunisten, Wenn ein Gewitter kommt und stumm gefaßt Den Blitzstrahl zu erwarten. Doch du wolltest Um eine Krone kämpfen, um ein – Recht? so komm Heraus und kämpfe. Alexéj scheint mit Anstrengung nachzudenken. Was nur brütest du? Dein ganz unwürdiges Tun mir irgendwie So hinzustellen, daß ich einen Schein Von Tugend sähe, wo der nackte Frevel Sich das Gesicht mit falscher Farbe schminkt? Was sagst du? Laß das sein. Versuche nicht, Mit List mir zu entkommen. Heute stehen Wir da, wo nie zwei Menschen standen, wo Kein Klugem hilft, wo sich die harte Rede Nicht kneten läßt wie Wachs, bald so, bald so ... Begreife das: heut steht dem bloßen Schwert Das bloße Schwert entgegen: du und ich! Empörer – Herrscher! Sohn und Vater! Feind Und Feind! ein Leben und ein Leben! Prüfen, So scheint es, willst du mich. Du bist nicht offen. Du möchtest mich versuchen. Denn du mußt Ja wissen, was mich treibt, was dich und mich Getrieben, seit ich denken kann, getrieben Durch all die Jahre, durch die Schrecknisse Der Tage von Neapel, durch die Zweifel, Die Angst, die Fragen und so immer fort, Bis in dies dunkle Zimmer, dich und mich, Wo wir zusammentraten, um die lang Gehäufte Qual, den Kampf, den Widerspruch In einer großen Stunde zu entscheiden. Was träumst du da! Entscheidung liegt bei mir. Du bist verklagt. Ich richte. Wer verklagt mich? Doch nur du selbst? und richten willst du selbst? Wohl zeugen auch? es wird das alte Spiel Von Zarenreif und Lotsenkappe wieder – Doch mag es sein! mir gilt der Weg gleichviel, Wenn wir den Fleck nur finden auf der Erde, Wo ich dich sehen kann und du mich siehst. So widerstehst du mir? du weichst mir aus, Du willst den Streit auf lächelndes Gebiet Hinüberspielen und der Finsternis Entfliehen, die dich fürchten macht. Laß sein. Das Dunkel ist der rechte Fleck für Feigheit, Verrat und jede List, da wühl dich ein Er steht auf. Wenn du nicht anders kannst, wirf aus dem Winkel Nach mir den Stein, ich kann auch dem begegnen, Zeig mir den Trotz, den Dolch! greif zu! greif an! Tu was du willst, nur menge nicht den Saft Der weichen Träume, der gekrümmten halben Gefühle, die den Tod zum Leben lügen, In eines Kampfes ernste Bitterkeit. in jäh aufsteigender Angst. Das ist nicht möglich! das ist ja nicht möglich! Was sprichst du da! was tust du da! du schlägst Nach einem, der mir fremd ist, und triffst mich! Du mußt mich hören, deine Worte könnten Mich ganz verstummen machen und es gäbe Dann keinen Weg von dir zu mir. Mich dünkt, Ich kann dich ziehen lassen. Du entsagst Dem Thron vor allem Volk und nimmst das Mädchen, Wohin du willst und gehst, wohin du willst, Sei's nach Neapel wieder, träumst und wachst Und suchst dir bei den Fischern deine Freunde Und baust am Strand aus Muscheln dir den Thron, Und Szepter wird ein Stab – Ich kann dich nicht Verstehen – Du bist feige, Alexéj, Ein Spieler und ein Träumer. Herrschaft ist Für solche Hände nicht, die sich im Wachen Zu rühren nicht verstehn. Was dir zu Nacht Ein selig Fieber an die Wände malt, Dir zum Entzücken, soll am Morgen gleich Geschaffen vor dir stehn, errungen nicht Und nicht erkämpft, mühlos erträumt, erspielt. Die Hand des Herrschers ist wie eine Zange Und wie ein Hammer, denn sie hält und schmiedet Den Leib der Welt – – vor deinen sanften Fingern Will ich das Reich bewahren. Kommt es so? Ich Tor, ich dachte ... und du wirfst nach mir Mit jeder Niedrigkeit! du siehst nichts mehr, Bist blind und taub und hörst nichts mehr! das ist's! Du willst es so – wohlan, so bin ich feige, Ein Schuft, ein Tier, ein Schurke, ich, dein Sohn! Kannst du noch hören? ich hab dich verraten, Ich hab dich töten wollen, hinterrücks, Im Schlaf, die feigen Mörder waren schon Mit schlechtem Gold erkauft – und ich, dein Sohn, Hab sie gedungen und ich wollte sie Nachher zu Fürsten machen und das Pack Zum Essen laden und ein Fest begehn, Ein herrliches! was stehst du da und siehst Mich an? ich wollte deinen Tod! ruf doch Die Richter! laß mich hängen wie den Dieb, Denn ich, dein Sohn, bin feige wie ein Dieb Und hätte fast ein Reich gestohlen, ich, Dein Sohn, dein Sohn, dein Sohn – Was soll mir das? Genug des blinden Rasens! komm zu dir Und hör mich an. Pause. Alexéj sieht sich nach ihm um, aufatmend, mit gewaltsam wiedergewonnener Fassung. Sie stehen einander gegenüber. Du höre mich. Ich will Vor das Gericht – verstehst du mich? – ich habe Dort manches anzugeben, mancherlei Gefahr und Frevel, auch ein gutes Stück Vom Hochverrat – doch sag ich das nicht dir, Nur dem Gericht. drohend. Nicht mir? Du kannst mich schlagen Und nach mir treten, doch ich sage nichts. Du denkst, ich werde noch in letzter Frist Das Urteil beugen und von deinem Haupt Den Streich des Beiles wenden – mit wildem Spott. Ja! ganz recht! Das hast du gut erfaßt! es ist ein Ausweg! So hab ich mir's gedacht! Wenn ich den Richtern Dich übergab, so spricht allein das Recht, Der Vater schweigt – und höchstens Gnade – heftig. Gnade! Wird wieder ruhig. Du willigst ein? Es sei nach deinem Willen. So bin ich denn gefangen? Du bist frei. Und wenn ich fliehe? Peter hebt nachlässig die Achseln. rechne nicht darauf. Ich fliehe nicht. Auf morgen denn! Er geht langsam ab, ohne sich umzusehen. 3. Akt Dritter Akt Derselbe Saal. Ein grauer regnerischer Nachmittag. In der Mitte ist ein langer Tisch aufgestellt. Die Vorhänge an den Fenstern sind zurückgezogen. Rechts neben dem breiten Fenster steht Peter und blickt hinaus. Am Tisch Tolstoí, über Akten gebeugt, neben ihm Gordon. Ein trüber Tag. Sie bauen das Gerüst Für die Bojaren, und der Ménschikof Läuft hin und her im Regen, faßt mit an Und achtet nicht der Nässe. Pfui, wie häßlich Die schwarzen Lappen um die Pfosten hängen! Er kehrt sich ab vom Fenster. So bleibt es denn dabei: er soll gestehn. Das tat er schon. Er gab ein Kupferstück Und ließ das Gold im Sack. Er gibt ein paar Verräterchen uns preis, der Gnade trauend, Die wir verhießen, doch das wahre Herz Des Bundes deckt er, deckt er. – Nützt mir das? Er muß mir alles sagen, alles, Gordon – Er darf nicht geizen – hörst du mich, Tolstoí? – Wenn ich Euch recht verstehe, soll der Prinz Den Anteil auch der Mutter Euch verraten – Verraten – nein – Ich finde nicht das Wort – Verraten meinethalben! doch von mir Darf dann die Gnade kommen. Die der Prinz Abweisen wird und muß wie einen Schimpf. Man weist nicht ab, was recht gegeben wird. Er soll mir trauen – halblaut. Kann er das? heftig. Ich will's. Sein Leben hängt daran. Ist es so schwer Den einen Weg zu finden? wenn der Prinz In seiner Brust nicht weiß – versteht – nicht weiß Daß ich die Frau nicht töten kann, um die Er Sorge trägt – wenn er mich fähig hält – Begreift ihr mich denn nicht? – will ich nicht mehr Die weißen Flügel sehn, die über ihm Auch jetzt noch liegen und ich gebe dann Dem Zweifel recht, bei Gott, der mir mißtraut. steht auf. Ich sehe, Herr, es soll die Probe sein. Die Probe. Leugnet er – So findest du Auf andrem Weg die Wahrheit. Herr, ich weiß Das Mittel schon, das letzte. Hör, Tolstoí, Versäume nichts, was ihn bewegen könnte – Ich weiß um Euren Willen. Und du kommst Dann zum Bankett? Zu Euren Diensten, Herr. Er geht ab. Gordon steht auf, nimmt ein Blatt vom Tisch, tritt auf den Zaren zu. So wird noch alles gut. – Was willst du, Gordon? Ich will Euch wehe tun. Gordon? nur zu. Du kennst mich doch. Ich will's verwinden. Herr, Das weiß ich. Nur – Sprich dreist. Es ist nicht leicht. Nicht leicht für dich – zu sagen? Herr, auch das. Doch schwerer noch – Mir schwer zu hören! rasch, Was ist es? Grad heraus. Dies Blatt erzählt Von Eurer Frau. ... der Zarin ... betonend. Von der Frau. Verleumdung der Bojaren? Nehmt und lest. Ich hätte wohl mit Lügen Euch verschont, Das müßt Ihr wissen. Diese Klage hat Geschmack der Wahrheit. Lest. Peter nimmt das Blatt. Er liest. Seine Züge bleiben finster und gesammelt. Er läßt das Blatt sinken, tritt ans Fenster und preßt die Stirn an die Scheibe. Der ist nun fort Der Ménschikof. Und ringsum rauscht die Flut Von allen Dächern. Er hebt das Blatt, liest. Gordon – weißt du Rat – Und Hilfe, Gordon –? Nicht einmal den Trost – Wie sagst du – Trost? bin ich ein Kind, ein krankes. Das seine Milch vergoß? nur wissen will ich – Was soll mir dieses Blatt? Herr, was es soll? Du siehst mich schon – nicht wahr? – am Schlüsselloch Vor ihrer Kammer, und ich zwänge dann Mich unter's Bett und warte, wie die Katze Lautlos und reglos, bis ihr Spiel die Mäuse Beginnen über mir? siehst du mich so? Dies Blatt ist Lüge, Gordon, und ich reiße Die Lüge so, und so – was blieb von ihr? Der Händler, dem ins Haus zur Zeit des Marktes Ein junger Kerl sich stahl, ergehe sich In Lärm und irrer Wut – ich, den du kennst, Ich darf mich nicht beim Lauschen finden lassen, Bei niedrigem Gebaren jeder Art, Scheltworten, Krämereifer, die der Menge Wohl anstehn mögen, Gordon, und nicht dem, Der jeden Umweg durch den Kot verschmähend, In Herrscherfreiheit und in Herrscherzwang, Nur glauben – oder töten kann. Gordon verneigt sich und tritt zurück. Ich werde Dies Blatt vergessen. Katharina bleibt Mir unberührt. Es ist des Herrschers Wille, Daß diese Meldung lüge. Hör mich wohl: Sie lügt, sie lügt, sie lügt. zögernd. Wenn Ihr befehlt – Dies aber sag ich dir – Gordon, gib acht: Dies Blatt – dies sag ich dir – dies Blatt lügt nicht, Sie buhlen wie die Fliegen, wenn ich nur Den Rücken zeige, stehlen sich die Gunst Des Augenblicks und hier im Winkel, da Und dort, verstohlen, legt sein hübscher Mund Auf ihre Lippen sich und dann – ich will's Nicht denken, Gordon, und es sei vergessen Als eitle Lüge, keines Ärgers wert. Es soll geschehn – doch wie begreif ich Euch! in sich versunken. Mich dünkt, ich kann nicht mehr. Wir gehen heut Nach Petersburg und dort entscheidet sich Des Prinzen Sache. Gordon, wissen wir, Ob diese Hand die Feder führen kann Beim Namenszug, der tötet? und mir scheint Sie wird es können, wenn sie muß. Dann aber – Was bleibt mir, Gordon, dann? es ist genug Und schon zu viel – dann will ich feige sein Und mich verstecken – und warum nicht feige? Denn jeden trifft es wohl – warum nicht mich? Man darf doch einmal müde sein, einmal, Warum nicht ich? Man lernt Euch, Herr, nicht aus. Dies ist so fremd. Da ist noch etwas, Gordon, Woran ich denken muß. Die mich betrügt, Die Frau, ich brauche sie, doch mein Bedürfen Hab ich zu opfern jederzeit verstanden, Wenn es die Not befahl, frag wen du willst, Sein Heil wagt er darauf. Doch ist es wahr Daß ich betrogen bin, so sage mir, Wie, Gordon, ist es wahr? ich kann den Wein Nicht hassen, den sie trinkt, das Hemd nicht hassen, Das sie umhüllt – und Mons, der hübsche Knabe, Ist ihr nicht mehr, ich weiß. So ist es. Hör, Sie nimmt ihn wie den Wein. Was geht's mich an, Wohin das Blut sie treibt, wo sie den Durst, Den raschen leichten Wunsch zu stillen sucht! Ihr Leben liegt bei mir, das Herz der Welt Hört sie nicht schlagen als in meiner Nähe. Hätt ich geschwiegen! Komm nur, Gordon, komm. Beide ab. Es vergehen einige Augenblicke. Ein ganzer Schwarm von Dienern in Livree dringt in den Saal, darunter Peters Kammerdiener und dessen Sohn Iwánuschka, dieser in russischer Bauerntracht, ein Kind von fünfzehn Jahren. Die Diener beginnen den Tisch zu decken. 1. DIENER. Wo sind die Tücher? wo sind denn nur die Tücher? 2. DIENER. Was schreist du denn so? welche Tücher? 1. DIENER. Was weiß ich! sie putzen sich den Mund damit – Das sind keine Tücher, du Esel, das sind Servietten! Vater! 1. DIENER. Meinetwegen. Eine komische Sitte, bei Gott. Seit tausend Jahren haben wir reinlich gegessen und keine Tücher gebraucht, jetzt aber – Hör doch, Vater! 1. DIENER. – jetzt aber muß man sich den Wein in den Bart gießen, nur um die neue Sitte mitmachen zu können. Eine komische Welt und eine lächerliche Sitte. Das verstehst du nicht – Aber Vater, hörst du denn nicht! Hörst du denn nicht! ich höre ja. Was willst du? ich habe keine Zeit. Sieh doch nur! was machen die da? warum hängen die schwarzen Tücher da auf dem Gerüst? Fort! fort mit dir! das ist nichts für dich! Was hast du hier am Fenster zu suchen? Da wird wohl ein Pope kommen und predigen? Her zu mir, Schlingel, soll ich dich bei den Ohren nehmen? Warum steht denn ein Block da wie beim Metzger? Kälber zu schlachten, Himmel und Erde, und so weiter! willst du wohl herkommen! da stell dich her, da hast du ein Tuch, kannst mithelfen, Gläser und Teller abwischen, daß mir kein Stäubchen ... holla! 1. DIENER. Schon gut, schon gut. Der Umstand, hol's der Teufel! 3. DIENER am Fenster. Seht, seht, seht! 1. DIENER. Ein Wagen! 3. DIENER. Seht doch, seht! Ihr Tröpfe, habt ihr noch keinen Wagen gesehn? 3. DIENER. Man hat doch gesagt, er wäre tot? 2. DIENER. Nun steigt er aus dem Wagen. Wenn er noch aus dem Wagen steigen kann – wer ist's? 2. DIENER. Schau selbst nach, was fragst du! schreit. Der Zaréwitsch ist's, der Zaréwitsch! mit einer wunderschönen Dame! Bengel, was weißt denn du von wunderschönen Damen! 3. DIENER. Da werden sie wohl gar den Zaréwitsch – da draußen – er pfeift: Was sagst du, werden sie –? 3. DIENER. Ich sage, sie werden – pfeift. Was? wie? Narr, das da draußen ist für die Bojaren – Bengel, mach dich fort, das ist nichts für dich, fort, fort, alle fort – sie kommen gleich und nichts ist fertig – 1. DIENER. Alles ist fertig, schrei du nur. Alexéj und Afróssja treten ein. Alexéj in derselben schwarzen Tracht, Afróssja modisch gekleidet. Der Kammerdiener verläßt mit allen Dienern den Saal. Iwánuschka ist stehen geblieben und starrt den Prinzen mit offenem Munde an. ihn bemerkend, zerstreut, fast unfreundlich. Was willst du, Kind? geh fort, laß uns allein. Iwánuschka erschrickt und läuft hinter den Dienern her. Afróssja hat sich in einen Sessel sinken lassen, Alexéj steht nicht weit von ihr. Du – Sag – Ich weiß nicht – Weißt nicht mehr –? Bei Gott, Was auf dem Platze steht – mich dünkt, man kann es Von diesem Fenster sehn – ich seh's – Der Block – – ist grade solch ein Ding, das die Gedanken Auslöschen kann im Hirn – was sagst du? Nichts. Was kann ich sagen! Sag – ob du mich liebst. Ach, Alexéj, dich lieb ich! Liebst mich nicht, Afróssja, liebst mich nicht. Komm, Alexéj, Komm her zu mir. Ich sag dir's und lache, Da ist es nicht so schlimm. Ich bin zufrieden, Läßt du es dir gefallen, daß ich dich In mein Gefühl wie in ein Tuch von Feuer Von Kopf zu Füßen wickle, läßt es dir Gefallen froh und kühl, von mir allein, Das muß mir denn genügen. Und es ist Genug – wie sehr, ich kann's nicht sagen. Freilich, Das Untertauchen hast du nicht gelernt, Du schwimmst im Licht, es zieht dich nie hinab, Der Schwindel, der verderbliche, des Traums, Greift nie hinauf zu dir und lockt dich nicht Und zwingt dich nicht – das hat mir vielen Schlaf Gekostet – früher – heute liegt ein dunkler Und süßer Reiz darin: er macht es wohl Daß keine Sattheit meinen Hunger stillt Und nach der seligsten Erfüllung immer Mir noch ein Wunsch und eine Frage bleibt. Still, still, das ist nicht wahr. Du liebst mich schlecht, Und alles ist nicht wahr. Sonst tätest du, Um was ich dich den ganzen Morgen schon Gebeten – wie gebeten! Nichts davon! Davon nichts mehr! Es ist ja nur ein Wort. Du sagst ein kleines Wort, dann hast du mich Dein ganzes Leben lang – ein kleines Wort, Sie wollen's hören, an das eine Wort Hängt sich ihr Eigensinn, du nickst nur: ja – Wenn sie dich fragen – Quäl mich nicht, ich kann Das nicht – es ist Verrat – er stand vor mir, Den Tod im Auge, und da soll mein Wort Die Mutter ihm ... er tötet sie – und ich Muß leben, so gezeichnet! lieber sterb ich Und sehe dich nicht mehr. Vergißt du so –? Das nicht! weißt du das nicht? kannst du denn nicht Verstehn, verstehn, verstehn, daß ich zu Boden Gleich fallen möchte und die Nägel tief Eingraben in das Holz, das rissige, Und schreien bis ich sterbe! – weil man schon Für mich so etwas baut wie das da draußen, Ein solches Ding, das draußen irgendwo Mit schwarzen Flügeln steht – und weil mein Herz Mich treibt, vor diesem Vater der mich haßt, Den letzten Trotz zu wagen – weil ich lieber Als Schuft mit dir im schmutzigen Winkel lebte Als daß ich kämpft und stürbe wie ein Held – Und weil ich dennoch muß – und nichts ringsum, Nichts andres sehe – denn die Rettung kommt Nie, nie, wenn nicht von ihm. Der Kammerdiener öffnet plötzlich beide Türflügel, Diener treten ein. Die Majestät des Zaren. Ein Trompetenstoß, dann Musik, Costa kommt, Flöte blasend. Peter tritt auf, Katharina führend, hinter ihnen paarweise mit Damen: Gordon, Tolstoí, Ménschikof, Mons, Edelleute, in französischer Hoftracht. Alle stellen sich um den Tisch herum, jeder vor seinen Platz. Costa setzt sich auf die Lehne eines Sessels links im Saal, die Flöte in der Hand. Im Namen meines Herrn kund und zu wissen: Der Zar ist nicht zu Haus, ich seh ihn nicht, Ich hör ihn nicht, ich weiß nicht was er tut, Kurz, er ist nicht vorhanden, Gott sei Dank ... Gelächter. Der Zar ist fort, der Bruder Peter lebe! Erlebe! Dankt Ihr nicht? auffahrend. Recht gern, recht gern – Der Bruder Peter trinkt und dankt! Tusch. Man setzt sich. Alexéj trinkt hastig. Afróssja versucht ihn zurückzuhalten. Peter steht auf, gibt Alexéj einen Wink, kommt nach vorn. Alexéj tritt zu ihm. Die Gesellschaft außer Afróssja scheint die beiden nicht zu beachten, das Gespräch am Tisch dauert fort. Nun widert mich die Posse. Willst du nicht Ein Ende machen, Alexéj? ich frage, Du sagst ein Wort und dieser ganze Spuk Stirbt hin, der Nacht Gebilde, das die Sonne Nicht leiden will. Du bietest mir das Leben. Gib's, wenn du kannst. Nur nicht als ein Geschenk. Nur nicht als Lohn – was willst du? Hab Geduld. Ich höre. Warte noch. Begreifst du nicht Daß ich zu sprechen zögre? Nein, ich nicht, Es ist nicht deine Weise. Sprich. Du willst Mich heute nicht erfassen und es wäre So nötig heut wie nie. Bemühe dich. Bemühen soll ich mich – und was tust du? Du siehst nicht was ich tue. Nun, es sei, Ich frage: eine seltne Beute brachte Der Posten auf am Tor – ein Wagen war's Und eine Frau darin – weißt du davon? unbeweglich. Ich weiß von nichts. Der Name ward ermittelt Und alles andre: Schwester Helena – Vor Zeiten meine Frau – und Herrscherin – Und deine Mutter – hatte großen Anteil An dem was hier geschah – weißt du davon? Ich! – nein. leidenschaftlich. Weißt du davon? zum letzten Mal! Sag, Alexéj, daß du es weißt! sag's mir! Wer dürfte schweigen, so befragt! sag's mir! Ich muß es wissen, Alexéj – einen Augenblick verwirrt, sieht ihn an, dann hart. Ich weiß Und sage nichts. fast taumelnd. Das Ende – du – ah du – Costa bläst plötzlich einen starken, sonderbar kläglichen Flötenton. Peter wendet sich schroff zur Seite. Tolstoí, zu mir. Tolstoí tritt rasch zu ihm. Jetzt gib dein letztes Mittel, Schaff mir die Wahrheit. Herr, in Petersburg. So sei es. Nun genug. Die Abgesandten Die für den Prinzen, Herr, zu bitten kamen, Die von den Städten, Herr – Nach Petersburg! Jetzt kann ich sie nicht brauchen. Er geht mit Tolstoí nach rückwärts. Komm doch nur, So komm doch, Alexéj. Sie ist zu ihm getreten und zieht ihn mit sich fort zum Tisch, Alexéj folgt willenlos. lärmend. Wer gibt ein Stück Das uns erheitert? Costa, du? Tolstoí? Dort unser Kammerherr? he, junger Freund, Ein Liebeslied auf deines Herzens Dame – Wer ist die Schöne? stotternd. Ich – ich kann nicht – Singe. Katharina spricht krampfhaft mit ihrem Nachbar. Erzwungenes Lachen. Mons steht da, rot und verlegen. Du willst sie uns nicht nennen? gut, man weiß Geheimnisse zu ehren – Costa! wollt ihr Ein Lied vom Wein, ihr Herrn? ein Liebeslied, Ihr Damen, sprecht! ein Schäferlied? Was soll Es sein? Sing was du willst – nur fange an. Costa hebt die Flöte. Peter fährt plötzlich auf und lauscht. Ein Glocke fällt ein mit schrillen und dünnen Klängen. schreit. Das Glöckchen ist's für die Bojaren! rasch! Er läuft zum Fenster hin, viele springen auf und drängen ihm nach. Alexéj läßt seinen Becher fallen, nimmt einen anderen und trinkt. Nicht! nicht! was tust du! laut, mit schwerer Zunge. Liebste, was ich kann. Die bluten sich zu Tod – und ich darf trinken. Ich gieße Wein auf meinen Ekel, der Verkriecht sich – und ich finde dieses Fest Erträglich – meinst du nicht? – erträglich – Still! Denk nicht daran! Prinz, Euer Vater sieht Euch an, geht doch zu ihm. So geht doch nur. Wer etwas von mir will, der komme selbst. Kirchenglocken setzen ein, eine Stimme sagt laut Gebete her, dazwischen Gesang. Das Zeichen! da! das Zeichen! und nun fällt Das erste Haupt – Alexéj steht zitternd da, wagt nicht ans Fenster zu treten. Das Gespräch verstummt, alle blicken hinaus. Und willst du, Alexéj, Des Todes Handwerk nicht zum ersten Mal Aus Neugier dir besehn? du hast es sonst Vermieden, wie mir scheint, ich traf dich noch In keiner Schlacht – sieh hin. schwer. In keiner Schlacht – Ich glaub's – warum auch sollt ich – Schlacht ist Unsinn – Der Tod ist Unsinn – auch der Lorbeer – vieles Und vieles noch dazu – es kostet mich Nicht viel, es anzusehn – ich gehe hin, Zehn Schritte, und zurück – marsch, Alexéj! Er geht langsam mit unsicheren Schritten bis zum Fenster, den Becher in der Hand, sieht hinaus. Dann dreht er sich um und geht ebenso zurück, im Vorübergehen einen scheuen Blick auf Peter werfend. Er setzt sich, knickt dabei zusammen und fällt mit Kopf und Armen schwer vornüber auf die Tischplatte. Das Geläut hat aufgehört. Gordon, wie faß ich nun den starren Trotz. Zu schwach, das Gräßliche zu sehn! und stark, Ja, stark genug, es zu ertragen? alles, Nur nicht das eine, nicht das leichteste, Was ihm sich in die Hände spielt von selbst, Er bringt's nicht über sich. Was tun? Der Vierte! wendet sich jäh zur Gruppe am Fenster. Was starrt ihr da! was ist da viel zu sehn! Ein Kopf, der fällt, und Blut, das fließt, nichts mehr! Die Mahlzeit ist gestört – zurück vom Fenster! Der Costa singt ein Lied – auffahrend. Was soll der Narr! Ich bin ein Prinz, ich hab den Vorrang, ich. Was Costa kann, das kann ich auch, nur schöner, Viel schöner, hört mir zu! Wie sprichst du doch – Ich will's! laß mich! was seht ihr mich so an! Ihr glaubt, es ist der Wein? und war's der Wein – Fort – fort mit ihm – zu Bett! Du brächtest mich In solch ein Bett darin man schläft und schläft Und nie – Hört nicht auf ihn! Costa, dein Lied! Ihr wißt es alle, daß ich sterben soll, Auch so wie die, die Stirne auf dem Block, Das Letzte, was ich weiß, Geruch von Blut Und feuchtem Holz! das wißt ihr doch und lacht Und trinkt mir zu, weil niemand euch bedroht, Und fürchtet nichts. Ich aber bin ein Prinz Und muß das kommen sehn, wovor mir graut, So wie ein Zwerg im Nebel auf sich zu Den Riesen schreiten sieht, den, den da drüben, Der über'n Becher zornig nach mir schielt – Da ist er ja – hier mitten unter uns – Er weiß noch nicht, wie er sich fassen soll Und trägt doch – seht ihr's nicht? – trägt meinen Tod Schon in der Tasche! Alle springen auf, großer Lärm, Verwirrung. Peter ist in die Höhe gefahren, will auf Alexéj zu, Katharina und Gordon halten ihn zurück. Schweig! zu Alexéj. Besinnt Euch doch – Was tut Ihr! Komm – komm fort – wenn du mich liebst – Ich liebe nur mich selbst, jetzt nur mich selbst, Weil ich doch leben möchte. O das Sterben Ist nicht so schlimm, schlimm ist der Tod. O – nichts, Nichts kommt dem gleich: im Sommer sich den Trunk Am Brunnen selbst zu schöpfen – und im Schatten Zu liegen, wenn zu stark der Mittag brennt – Den Schnee zu fühlen und – ich zähl's nicht auf – Es ist so viel – es ist – Er schwankt. Costa und Afróssja springen ihm bei, er wehrt sie von sich ab und geht halb taumelnd einige Schritte vor. laß mich doch leben – Ich will mich an dich hängen, will dich halten Bis du das Ja mir zunickst – weicht zurück. Schafft ihn fort! Laßt mich zu ihm – Ihr sollt nicht – dürft nicht – Laßt – Laßt mich zu ihm – Gott helfe uns! schreit auf wie ein gequältes Tier. Fort, Hunde! Er umklammert Peter, der entsetzt zurückgewichen ist, mit beiden Armen. Das Geläut der Glocken beginnt wieder. Nicht wahr, das tust du nicht? das kannst du nicht? Sag, daß ich leben werde! was Bedingung! Du gibst das Leben, weil es mir gehört – Das darf mir keiner nehmen, Gott, verstehst du, Gott gab es mir durch dich, er mag es nehmen, Du nicht! das kannst du nicht! Gordon, heran, Tolstoí, zu mir, so nehmt mir das vom Hals – Ich laß dich nicht – Wahnsinnig bist du – da – Er stößt ihn heftig von sich und verläßt rasch den Saal. Die Gesellschaft drängt ihm nach, der Aufbruch gleicht einer Flucht. schrill. Du – du – Er taumelt, wirft die Arme empor, fällt hin, bleibt liegen. Afróssja und Costa beugen sich zu ihm nieder. Nur fort – nur fort – ich helfe dir. 4. Akt Vierter Akt Petersburg. Ein Zimmer. An der rechten Wand ein Bett, mit dem Kopfende zum Zuschauer gekehrt. In derselben Wand weiter vorn eine Tür. Im Hintergrunde eine Holztreppe, die zu einer Tür hinaufführt. Links ein Tisch. In der linken Wand ziemlich hoch oben ein halbrundes Fenster. Hinten auf der ersten Stufe der Treppe stehend Vater Warlaám, sich verabschiedend von Alexéj, der an das Geländer gelehnt zum Geistlichen emporsieht. Habt Dank und denkt an mich, wenn Euch die Zeit Nicht beßre Bilder vor das Auge stellt. Besucht mich, wenn Ihr könnt. Ihr habt mir Gutes Getan ... und wenn Euch Furcht vor mir entfernt – Vor meinem Vater, mein ich – seid gewiß, Das braucht Euch nicht zu kümmern, ja, ich weiß, Er gönnt die seltne Stunde mir, die rein Von Mißtraun ist und Angst. Man lügt so viel Am Hof und in der Welt, versteckt sich immer Und nennt das Finstre hell. Zuweilen aber Braucht man das andre, braucht es, was mit Euch Geschützt von Eurem Kleid, ins Zimmer tritt, Und braucht es um so mehr, je länger es Nicht kommen durfte. Daß es heute kam, Muß ich Euch danken und ich tu's: habt Dank Und immer: Dank! Der Priester verneigt sich in sichtlicher Verwirrung, macht das Zeichen des Kreuzes über Alexéj und geht hastig ab. Alexéj sieht ihm nach. Afanássjitsch kommt die Treppe herab. Du, Alter? komm zu mir. Sahst du Afróssja? mürrisch. Ja. Mit Costa. Jetzt? Was weiß ich! früher. lächelt. Nun, was hast du, Alter? Du willst mich wieder schelten, so wie damals, Als ich ein Kind war. Tu's. Daß Ihr da lacht, Ist Sünde! ja, das ist's! ich sage, Sünde! Das nennt man: Gott versuchen, ja, bei uns Im Dorf, das was Ihr tut! macht, was Ihr wollt, Spielt nur um Euer Blut, was kümmert's mich! Bin ich schon alt, ich kann viel Arbeit tun Und finde leicht mein Brot. Euch brauch ich nicht. Und treibt Ihr's auch so weit, bis man Euch köpft – Treibt's immerzu! mich kümmert's nicht so viel – Nur zu! nur zu! Sei still und hör – Genug, Genug. Wer hat Euch nur den Trotz gelehrt, Wer Euch die Unvernunft? ich will Euch sagen, Wie das im Dorf geschieht – ein Beispiel – seht: Das ist ein Bauer – und da sein Sohn – Der Sohn hat ihm den Schimmel abgetrieben – Nun wird der Bauer zornig – und der Sohn – Was tut der Sohn? stellt er sich auf den Kopf Wie Ihr? schlägt er ein Rad wie Ihr? spricht er Wie Ihr von Stolz, von Würde? nein, er geht Zum Alten hin und sagt? verzeih mir, Vater – Und der, der Alte, sieht ihn an und spricht: Du bist ein Hundesohn, doch – Gott verzeiht. So, Herr, geschieht's bei uns. Costa ist eingetreten, bleibt oben auf dem Treppenabsatz stehen, hört zu. Du bist sehr klug. Das nächste Mal befolg ich deinen Rat, In dieser Sache dient mein Kopf mir besser, Doch das begreifst du nicht. Erlebt nur erst Das nächste Mal! doch vorher seid Ihr tot! Ich will das nicht verstehn! bei uns im Dorf Schlägt man mit Stöcken um sich, kratzt und beißt Eh man sich köpfen läßt – Ihr aber geht Mitten hinein und alle Türen, Herr, Zur Rettung stehen offen und Ihr seht Sie nicht, Ihr geht vorbei und ich, ich soll Das ansehn, Herr, und soll – Er wendet sich ab und geht, mit den Tränen kämpfend. Du meinst es gut Und kannst mir doch nicht helfen. Rufe mir Afróssja, wenn du gehst. Komm, sei nur ruhig, Wir sprechen noch darüber. ruft von oben. Herr – Da bist du – Wo ist Afróssja? geht nur, Alter, geh, Sieh nach und rufe sie. Afanássjitsch geht ab, fährt sich zornig mit dem Ärmel über die Augen. Du warst mit ihr? zögert ein wenig. Ich war's. Dann ging sie fort. Sie ist nicht hier, Das siehst du doch – wo aber steckt sie? Herr, Da war ein Knäuel roter Wolle – Wolle? Nun ja. Und diesen Knäuel warf sie, Herr, Nach mir – Wie das? Im Scherz – der aber sprang An mir vorbei und dann hinab die Treppe – lauscht, schüttelt dann den Kopf. 's ist nichts. Und dann? Sie lief dem Knäuel nach Hinab die Treppe, Herr, und kam nicht wieder. Sie ging wohl zu den Mägden. Herr, ich sah Afróssja dann im Hof vom Fenster aus, Sie ging die Wand entlang des Schlosses, Herr, Und neben ihr – Und neben ihr? Tolstoí. Ich weiß nicht, wie das kam. Er traf sie wohl Am Fuß der Treppe. Was? und ging mit ihm? Tolstoí? Da ging ich denn zurück, um Euch Zu fragen, Herr. Ich weiß ja nichts. Um mich Zu fragen! Costa! ich begreife nicht Wie das geschehen konnte. Und sie ging Freiwillig mit? er zwang sie nicht? so hilf Mir doch, ich finde das nicht aus Was da dahinter steckt – steh nicht so so da, Denk nach und hilf mir. War der Priester nicht Bei Euch? Der Beichtiger – was ist's mit dem? Herr, der gefiel mir nicht. Es ist so dumpf – Zieh doch das Fenster auf – Costa geht zur Wand links und zieht an einer Schnur, das Fenster springt auf. mir ist – als wäre Da etwas Fürchterliches – hinter mir – Unnennbar – etwas – das die Hände hebt – Grad hinter mir – dies Häßliche – o – Luft – Das Fenster ist zu klein – hilf mir – die Luft – Ich habe keinen Atem – hier die Tür – Er läuft nach rechts zur Tür, reißt sie auf, fährt zurück, jäh erschreckend. Soldaten! was bedeutet – Costa – Ein Soldat zeigt sich in der Tür, winkt nach rückwärts, man hört ein leises Rasseln wie von Gewehren. Sprich, Was tust du hier? wer hat euch, herbestellt? Ich geh nicht aus, ich brauche keine Wache – Zaréwitsch, gnädiger Herr, wir haben strengen Befehl des Zaren – Ihr – was ist geschehn? – Seit wann? – begreifst du, Costa? zum Soldaten. Guter Freund, Wie lautet der Befehl? Des Prinzen Hoheit Verläßt dies Zimmer nicht – Ei was – Wir haften Mit unsren Köpfen. winkt heftig ab. Geh nur – es ist gut. Der Soldat tritt zurück, die Tür fällt zu. Still, Costa, still – ich muß doch sehn – Er geht nach hinten und hastig die Treppe hinauf, öffnet die Tür. Ihm entgegen ein Offizier. Ihr müßt Zurück, mein Prinz – Herr Kamerad, Erklärt mir doch – Hier ist ein schriftlicher Befehl – Ich bitte, laßt! Ihr habt Befehl, Ich weiß und will es glauben ... sagt mir nur ... Ich habe Sorge, Herr, um eine Frau Die mir zu teuer ist als daß ich lang Die Furcht ertragen könnte ... man hat sie Von mir gelockt, man läßt mich nicht zu ihr, Wo ist sie, sagt? Ich traf sie im Gespräch – Es ist kein Grund zur Sorge – mit Tolstoí Und einigen mehr ... Nein, sagt mir mehr davon: Sie sprach mit ihm? sie weinte? und man hat Mit Fragen sie gequält? Beruhigt Euch – Man hat sie nicht gequält? komm zu mir, Costa, Kannst du's verstehn? man spürt sie aus, vielleicht Mit List, sie wird betrogen – Herr, mein Gott, Wann endet dies! wird diese Stunde nie Vorübergehn! muß ich hier angebunden In einer Zelle – Habt Geduld, mein Prinz, Hier kommt der Staatsrat selbst, er wird Euch sagen – Willkommen! o willkommen! Er läuft die Treppe hinab und wartet. Tolstoí kommt von oben, eine Rolle in der Hand. Der Offizier tritt zurück. Prinz, vergebt Wenn ich mit ernster Nachricht ... wollt verstehn Daß ich als Mensch ... Spart das! sagt alles! sagt! verneigt sich. Nachdem die Untersuchung beweiskräftig dargetan, daß Ihr, Zaréwitsch, des Hochverrats schuldig seid; nachdem der Zar, unser Herr, in seiner Güte die Begnadigung an eine einzige Bedingung geknüpft: Euer volles und rückhaltloses Geständnis, mein Prinz; nachdem Ihr den Kern der Verschwörung, das Einvernehmen mit Eurer Mutter, verschwiegen, da sich doch ein solches Einvernehmen unwiderleglich erwiesen hat ... Erwiesen! Wahnsinn! träumt Ihr? sagt, wie hätte Sich das erwiesen? Ihr, mein Prinz, Ihr selbst Gestandet – Ich! – vor einer Stunde selbst Gestandet unsrem wohlbewährten Diener, Dem Priester Warlaám – fassungslos. Ihr greift hinein – In das, was heilig ist – in das Geheimnis Der Beichte greift ihr – Menschen, was ist euch Dann unanrührbar noch – Die Beichte schützt, Und ihr Geheimnis, Hochverräter nicht – Das, müßt Ihr wissen, ist Gesetz. Was noch? Was nennt ihr noch Gesetz? ich will es glauben, Was ihr auch sagen mögt, nennt mir noch einen Verfluchten Greuel den ihr mit dem Namen Nicht des Gesetzes schmückt ... kühl. Ich fahre fort: Nachdem solches Geständnis noch bekräftigt worden ist durch die freie, das ist unerzwungene Aussage der schönen Freundin des Prinzen, des Mädchens Afrossínja ... schreit auf. Nein! nein! nein! nein! Zaréwitsch, fragt sie selbst. Erlaubt mir fortzufahren. Hängt Euch, Herr! Was könnt Ihr mir noch sagen! schlingt den Wisch In Euch hinein! was bringt er mir, das ich Zu hören noch vermöchte! wär's mein Tod, Mir gleich! sei's was es sei – ich will's nicht hören – Nichts mehr kann es mir sein – es ist nur eins Zu tun – sie fragen! fragen! Hört mich, Prinz! Alexéj ist die Treppe hinaufgeeilt, stößt die Tür auf, blickt hinaus. Afróssja, her zu mir! den Weg ihr frei! Zu mir, Afróssja! o, du weißt noch nicht Was du getan! so komm! komm nur zu mir, Ich will's dir sagen – Ob hier nicht der Arzt –? Afróssja ist in der Tür erschienen, Alexéj zieht sie mit sich die Treppe hinab bis in die Mitte des Zimmers, läßt sie los, sie fällt in einen Sessel, verbirgt das Gesicht in den Kissen. Noch weißt du nicht, es glänzt dir noch nicht auf Was du getan? du hast mich hingegeben In ihre schmutzigen Hände, hast – Hör auf! Sie sagten mir – Doch Worte nur? das war Dir schon genug, da warfst du mich von dir Vor ihre Füße hin – Sie wüßten alles Schon durch den Priester, sagten sie – Wer aber Hat dir gesagt daß sie nicht logen? Wer? Ich wollte – Was? Dich retten – und es war Kein andrer Weg – Verraten hast du mich, Verdorben und verkauft! was kümmert jetzt Die Rettung dieses Leibes mich. Wär ich Nicht krank, ich sagte dir ... Herr, seid Ihr krank? geht rasch ab. Ich sende gleich den Arzt. Gib acht auf ihn, Dem Zaren muß ich's melden. ohne darauf zu achten. Das hast du, Geliebte, du, getan. War ich nicht krank, Ich sagte dir ... Er denkt nach mit zuckenden Lippen, dann kniet er plötzlich neben ihr nieder. ich bin dir ja, mein Kind, Wie einer von der Straße, den du nie Vorher gesehn – die Lippen kennst du wohl Und ihre Worte – was von innen aber Empor die Worte zu den Lippen treibt Das Heimliche, das Dunkle, das Versteckte Sahst du noch nie – das, was ich bin, ich selbst – Du sahst es nie – so ist's – ich träume nicht Ob auch das Fieber ... wähle wen du willst Dir ist er fremd wie ich, du kennst ihn nicht, Weißt nichts von ihm, weißt nichts von mir – und kannst Nicht hören was ich sage. Fand ich nur Die Laute die dich zwängen! höre mich, Ich fühle wohl, dies ist verwirrt – nur höre – Es leuchtet doch vielleicht aus der Verwirrung – Nur höre ... laß mich nahe sein ... nur höre ... Er spricht stammelnd und fiebernd auf sie ein. Indessen ist der Vorhang gefallen. Verwandlung. Das Schlafgemach des Zaren. Ein dunkles enges Zimmer. Links das Bett. Rechts ein Tisch und eine Bank, hinter dieser ein Wandschrank. An der einen Seite des Tisches ein Sessel. Im Hintergrund die Tür, welche offen steht: man sieht ein Stück des schmalen bläulich beleuchteten Ganges. Über dem Tisch eine große laternenförmige Hängelampe, die ein gelbrötliches Licht verbreitet. Auf der Bank Katharina. Neben ihr, an den Tisch gelehnt, Mons. Draußen auf dem Gang gehen einige Hofdamen langsam auf und nieder. Und stets von neuem schön! und stets von neuem Kalt, hart und grausam! Still doch, hörst du nichts? Ich liebe solches Dunkel, wo ringsum Das Ungewisse wartet, still und schlafend Und nur ganz leicht bedeckt: ein kurzes Wort, Ein Seufzen stört es auf, schon läßt es heimlich Die Decke niedergleiten, schlüpft hervor Und tritt heran und hat mit einemmal Gestalt und Sprache ... Herrin, liebt Ihr's nicht? Du bist ein Knabe. Nein, ich mag es nicht. Ich traf in solchem Dunkel allzuoft Ein Wesen an mit Blicken ohne Süße Und einem Mund aus dem die Kälte blies ... Einst kommt es auch zu dir. Ich will's begrüßen Mit einem Kuß, dann lächelt es vielleicht. So jung noch bist du wärst du's nicht! So jung Weil's Euch gefällt und Euer. Still, nicht hier. Da springt es wieder auf in Eurem Blick Was ich nicht liebe. Herrin, weiß ich doch In wessen Schatten ich versinken muß Wenn Ihr so blickt: dann steht in Eurer Seele Der alte große Zar Spricht nicht von ihm! Er ist nicht jung, das ist's! die Falten stehen Ihm wohl, die auf der Stirn und hier und hier Und doch betrog ich ihn. Dann wieder mich. fremd, fast hochmütig. Betrügen dich? Seht, das ertrag ich nicht Viel lieber wär ich alt und würde so Betrogen, so wie er! Stimmen und Schritte. ich will, ich will Das nicht ertragen Still, er kommt! Ich tue Doch immer, was Ihr wollt. So muß es bleiben. Peter und Gordon kommen, gefolgt von den sieben Abgeordneten der Städte, darunter der Alte. Geschäfte noch so spät? Versprochen ist's, Die muß ich hören. Gehst du nicht zu Bett? Wenn du befiehlst Hab gute Nacht. Katharina wendet sich zur Tür. Ich muß Noch viel bedenken, laß mich nur allein Heut bin ich kein Gesell. Gut Nacht. Gut Nacht. Sie geht ab mit Mons und ihren Damen. Peter setzt sich. Die Abgeordneten kommen vor. Gordon steht vorn links. Noch einmal denn, was wollt ihr? Herr, das Leben Für den Zaréwitsch. Was, nicht mehr? Das Erbe Nach Eurem Tod. Das Reich. Wer spricht zu mir Ich meine, wessen Stimme Herr, des Volkes. Kurzweg des ganzen Volkes! wer sammelte Die Stimmen? Herr, die Städte sammelten, Die Dorfgemeinden ... Gut. Zu Gordon: Es ward geprüft? Geprüft. Er sagt die Wahrheit. Dieses Häuflein Steht für die Mehrheit? Für die Mehrheit, Herr. So sprecht. Den Prinzen gebt uns, Herr, zurück Der unser ist. Der euer ist? Er kennt Und liebt uns, Herr, und weiß um unsre Not. Er ist ganz so wie wir. Das alte Recht Der Erstgeburt ist sein. Das tat er ab. Und wär es das! Herr, gebt ihn uns zurück Um unsrer Hoffnung willen. Hoffnung? Seht, Er ist von unsrer Art. In ihm erkennt Das ganze Volk sich wieder. Und in mir? Wie sag ich's Euch? was denkt Ihr, Herr? was soll ich –? Mir zu entwischen suchst du, alter Mann. Du glaubst, noch sah ich falsches Lächeln nicht Und solches Flackern in der Menschen Augen? Die Zeichen kenn ich! suche nicht umher Nach Ausflucht und nach List! wie sagtest du? Um eurer Hoffnung willen? welche Hoffnung? Ei, sag mir, welche Hoffnung? Herr, er weiß – Er weiß um unsre Not – das alte Recht Der Erstgeburt – er gibt uns was wir brauchen. Zu Asche brennt er alles was ich gab Und bläst darauf. Die Häuser, die ich baute, Wirft er in Staub und läßt aus meinen Quadern Kapellen türmen für den trägen Sinn Der ernten will und vor der Saat sich scheut – Das braucht ihr Toren! und mit dieser Hand Soll ich die Axt euch geben, die sich einst Auf meinen Baum hebt! soll ich Sehender Euch Blinden glauben, die, das Haupt gehüllt In dumpfe Meßgewänder, Tag und Nacht Nicht unterscheiden und den Glanz nicht kennen, Der von der Sonne kommt. Vom Westen nicht, Von dort nicht kommt der Glanz. Zum Überdruß Ward mir das Lied. Genug. Sagt mir noch eins: Was hab ich zu befürchten, sprecht, wenn ihr Das Nein hinbringt zu denen die euch sandten? Was Ihr zu fürchten –? Nun, ihr werdet wohl Nicht gleich mit Blitz und Donner – nennt mir denn Was ich erwarten muß. Erwarten, Herr? Erwarten, Herr – befürchten, Herr – was würgst du An meinen Worten? Nun wohlan, ich stehe Für nichts, mein gnädiger Herr. Du stehst für nichts? Nein wahrlich, Herr, für nichts. Es könnte sein, Daß Euer Nein zur Fackel würde, Euch Und uns ein Feuer zu entfachen, weit Hinjagend mit den Winden, keiner Flut Sich fügend mehr. steht plötzlich auf. Du drohst? Gott schütze mich. Ich drohe nicht. Ich sage was geschieht. Doch also Blitz und Donner. Zeigst du mir In deinem Spiegel weit hinrollende Empörung, die den Feuerwagen schleppt An Ketten, und den Mord und Pest und Hunger Weit über meine Länder – läßt im Spiegel Den Tod mich sehn, den schwindeltiefen Sturz Und sagst: ich drohe nicht! Sehr heftig. o feige Herzen Tragt eure Lüge heim und spinnt euch ein In Niedrigkeit und gärt in euren Dünsten! rasch flüsternd. Du, Alter, warst ein Narr. durcheinander. Herr, wenn wir fehlten – Wir haben Euch erzürnt – laßt uns den Fehl Verbessern – hört uns, Herr! Peter hebt die Hand. Eine kurze Stille. Er ist nun ganz gefaßt, blickt finster vor sich hin. Habt ihr gehört? Der Prinz ist krank. Wie, krank? erkrankt? Es heißt, Ein Fieber ist's – kommt morgen hin zu ihm, Dort will ich Antwort geben. Gordon macht eine heftige Bewegung. Peter sieht hin, runzelt die Stirn. Herr, vergönnt Ein Wort der Hoffnung – Morgen. Sagt ich's nicht? Gordon geleitet die Alten hinaus und wendet sich um. Jetzt weiß ich keine Hilfe mehr. Befehlt Ihr Den Diener, Herr? Der ging zur Kirche. Laß. Ich geh nicht gern von Euch. Du hilfst mir nicht. Geh nur und laß mich, Gordon. Gute Nacht. Gordon geht zögernd ab, zieht die Tür hinter sich zu. Nach einem Schweigen. Allein muß ich's bedenken – und beschließen – Allein muß ich es tun. Aus dieser Stille Muß die Entschließung wachsen und wenn mir Der Morgen wieder in das Fenster blinzt Ist alles ganz vorbei – so oder so – Getan und ganz vorbei. Ich säße lieber In meiner Werkstatt, wo die Späne knistern, Am Ofen singend fromme Winterlieder, Nicht mehr im Sinn als eines Kahnes Bug, Die Schaufel eines Ruders – und es käme Nicht andre Sorge mir, als wie das Holz Standhielte jedem Druck der schweren Wasser – Und dennoch ... nein ... Er hat sich gesetzt. die Lampe brennt nicht hell, Ich sehe morgen nach, es ist vielleicht Ein Griff nur mit der Zange – und wie seltsam Hier in der Kammer Licht und Dunkel kämpfen, Hier flackert's, kriecht am Boden hin – und weiter Liegt starres Dunkel – und ich seh hinein Und seh und seh, ich muß es tun – und mehr: Allein muß ich es tun, kein andrer darf Mir helfen, keiner darf es wissen – so Nur ist sie mein, die Tat – kein andrer soll Sie tragen. Hier ... Er steht auf, öffnet den Wandschrank, sieht sich um. wäre einer hier – und horchte – Und spähte – nichts – ich höre nichts – die Flamme Saust leise nur, sehr leise, in der Lampe ... Er greift in den Schrank. Hier ist ein Fläschchen, das ich bei mir trug Im Lager – und ich sehe noch ringsum Die Türkenmonde blitzen auf den Fahnen – Und ihre Zelte lagen stumm und blinkend Wie Totensteine da – da kam die Rettung Von Katharina – Er steckt das Fläschchen in die Tasche des Rockes, zieht dann den Rock aus, wirft ihn auf die Bank, schließt den Wandschrank ... nun fährt er plötzlich zusammen. horch – Die Tür geht langsam und knarrend auf, dann Totenstille ... Peter starrt und lauscht wie gebannt. Was tappt umher und stößt die Türen auf Und schiebt sich lautlos weiter? Laut. wer? wer da? Gib Antwort! Horcht angestrengt. nichts – ist jemand hier? gib Antwort! Doch ist es hier – doch – doch – nur zeige dich – Und wär's die fürchterlichste Mißgestalt, Die Fürstin aller Fratzen – zeige dich – Er lauscht wieder, hält es dann nicht mehr aus, nimmt vom Tisch eine Glocke und schellt heftig und lange, lauscht von neuem und schüttelt wieder die Glocke, die einen schrillen und zitternden Klang gibt ... horcht und wartet ... Da – Schritte – jetzt – ein Mensch – es kommt – es kommt – Man hört eine Tür gehen, dann rasche leichte Schritte – Iwánuschka stürzt herein, seinen Schafspelz hinter sich her schleifend. Wer bist du? wer? – Gott sei gelobt! – wer bist du? Wo ist mein Diener? wo? Mein Vater ging Zur Kirche – So – Und ist noch nicht zurück. Ja – ich vergaß – du bist sein Sohn? schon gut, Nun kommt es mir, ich sah dich schon – dein Name – Laß sehn, ob ich ihn weiß – Luká? – Iwán – Iwánuschka – Ganz recht. Komm her zu mir, Sprich, hast du nichts gehört? im Gang da draußen? War keiner an der Türe? Niemand, Herr. Ich sah und hörte nichts. Kein Mensch ist hier In diesem Flügel, Herr, als du und ich – Du mußt dich setzen, Kind – nimm deinen Pelz – Ich tu ihn fest um dich – hier streicht es kühl Vom Gang herein – du mußt dich setzen – so – Ich schließe nur die Tür – denk nicht daran, Daß ich der Zar bin – und nun wollen wir Zusammen sitzen, ich erzähle dir Dann was du willst. Erst aber seh ich nach Im Schrank – wart nur, hier liegt ein Brot – es gibt Auch süßen Wein und Gläser – sitz und trink, Wir wollen wachen, sprechen, immer sprechen, Sonst ist die Stille mir zu groß – doch du Bist müde, Kind? Nicht müde – Morgen nimmst du Den Schlaf zurück, den du mir heute schenkst – Still, hörst du nicht Musik? Nein, Herr, ich nicht. So steckt es wohl in mir. Stark ist der Wein Und mir ist wohl. Von einer Königin Kann ich erzählen – nein, ein König war's, Der hatte einen Sohn – ja – einen Sohn – Was sagst du? Herr, wenn du erzählen willst – Was willst du wissen? – so erzähle mir – Was soll es sein? – wie du den Schweden schlugst –! Er sieht den Zaren an, erwartungsvoll und mit glühenden Wangen. Das kam ganz anders als du denkst. Paß auf, Ich war es nicht – Du nicht? Gott schlug den Schweden. Iwánuschka zieht den Pelz fester um sich. Da waren Blitze rings und finstrer Dampf Und über allem lag ein Lärm wie Donner, Daß man die eigne Stimme nicht vernahm, Und aus dem Tosen kam es über mich, Daß ich die Stelle wußte, wo der Schwede Zu treffen war – der Blitz ward eine Stimme Und Stimme war der Rauch – da schien es mir, Als hebe sich das Blut und redete Mit dem Geheul des Heers und der Geschütze Zu mir – und da ich's wußte, gab ich nur Das Zeichen mit dem Stab und in dem Rauch Verschwanden meine Reiter. Und ich hielt Den Sieg schon in der Hand, das wußt ich wieder, Die Klarheit schlang sich so um meine Stirn, Daß ich nichts andres sah, als nur den Sieg, Der in schwarzroten Wänden vor mir stand So wie in einem Saal – ich ging voran, Hinüber und hinein, das Heer mit mir – Und durch den Dampf und über aufgewühlte Zerfetzte Erde, über Gras und Blut, Hinein! da war es über mir wie jetzt – Wie eben jetzt – Er hat sich zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Und weiter? Nur die Stille Ist da – und ich – sonst keiner – Träumst du, Herr? Da fragt mich einer: träumst du, Herr? – und ich Bin wach – wie Er – ich stehe in der Esse, Wo Er das Leben schmiedet – und den Tod – Und warte, bis Er spricht – Wen meinst du? Warten. – – Dann aber – tun! Und weiter? Peter sitzt da mit geschlossenen Augen, ruhig atmend. weiter ... weiter ... Er beugt sich noch vorn, sieht den Zaren an. Dann legt er den Finger auf die Lippen, steigt auf den Stuhl und löscht die Lampe aus, setzt sich wieder, hüllt sich in seinen Pelz. 5. Akt Fünfter Akt Das Zimmer des Prinzen wie zu Anfang des vierten Aktes. Vor dem Fenster ein dunkler Vorhang. Auf dem Tisch eine Kanne, Becher. Am Tisch zwei Sessel, der eine mit der Rückenlehne zur linken Wand gekehrt, der zweite dem ersten gegenüber an der anderen Seite des Tisches. Halbdunkel. Auf dem Bett Alexéj, halb angekleidet schwarze Kniehosen, Strümpfe, Schuhe, weißes Hemd, schlafend. Der Arzt sitzt neben ihm; Kleidung violett. Eine Frauenstimme singt in unbestimmter Entfernung, der Gesang scheint von oben zu kommen. Nach einer Weile bricht das Lied jäh ab. Zar Peter erscheint oben und kommt die Treppe hinab. Er spricht leise mit dem Arzt, dieser verläßt gleich darauf das Zimmer. Peter beugt sich über Alexéj, der ruhig schläft, und verharrt einige Augenblicke in dieser Stellung. Nun geht er zum Tisch hinüber, füllt einen Becher mit Wein, nimmt aus der Tasche das Fläschchen, zögert kurz, schüttet dann den Inhalt des Fläschchens in den Becher. Er macht eine Bewegung, als wolle er trinken ... blickt in den Becher. im Schlaf. Das Lied, das Lied, Afróssja. Peter stellt den Becher zurück. Eine Stille. Peter geht langsam nach links und wartet. Singst du nicht? Singst du nicht mehr? Die Störung kam von mir. Alexéj fährt jäh empor, sieht sich um, streicht sich das Haar aus der Stirn. Du – bist es – Er setzt sich auf, schlägt die leuchtend rote Bettdecke um sich, starrt den Zaren an. Sein Gesicht sieht doppelt weiß aus unter dem dunklen Haar und über der roten Decke. Ich. Was wundert dich so sehr? Hat man dir nicht gesagt – Doch, doch – man sagte – Du mißverstehst – ich wundere mich nicht – Ich frage, was du bringst – Peter schweigt, sieht vor sich hin – Alexéj steht plötzlich auf. muß ich erraten? Sag's lieber gleich, ich habe meine Sinne Nicht ganz beisammen, denn das Fieber warf Sie durcheinander – sprich. Kannst du mir sagen, Was du erwartest? Nein. Das willst du nicht? Das kann ich nicht. Du sagst es mir nachher, Was ich erwarten soll. Er zieht die Decke unter den Armen durch und legt sie fester um sich. Hebt sich das Wort Nicht auf die Lippen dir? was macht dich stumm? Bist du gekommen, mich mit deinem Blick Zu töten? zu erwürgen mit dem Schweigen mich? Siehst du mich an und schickst aus deinem Auge Den Tod in mich und siehst mich immer an, Bis ich hinfallen muß? so muß ich gehn – Wo gehst du hin? am Fuß der Treppe. Ich halte das nicht aus. Ich gehe fort, weil du nicht reden willst. Was soll ich noch bei dir? was willst du hier? Wir können nicht so dastehn, bis ich sterbe – Ich – oder du – ich gehe fort von hier Und suche mir und finde irgendwen Da oben – Du sollst bleiben – Alexéj hört nicht auf ihn, schleppt sich langsam die Treppe hinauf, ist oben angelangt, greift jetzt nach der Türklinke. Alexéj! Alexéj, betroffen vom Klang seiner Stimme, kehrt ihm das Gesicht zu, beugt sich vor. Was soll ich? Mich – mich hören, Alexéj. Was tust du, Alexéj, du kannst nicht fort. Nicht fort? Vergaßest du? Ich kann nicht fort. Ganz recht. Hier sind Soldaten. Ich vergaß, Daß ich nicht fort kann. Ich darf nicht hinaus, Ein jeder darf herein und seine Laune An mir auslassen, jeder darf zu mir, Ich aber kann nicht fort. Du irrst, wir sind Hier ganz allein. Der Zugang ist gesperrt. Du weißt ja nicht, wie grauenvoll du bist. Unheimlich bist du. Und wir sind jetzt wie In einem Schacht, in einer Höhle, mitten Im leeren Dunkel, du und ich. Kein Ton Schwingt sich herab zu uns, nur deine Stimme Berührt sich mit der meinen und das Dunkel Hört zu. Nun sprich. hart und klar. Ich nenne dir Neapel, Den Turm, das Meer, das Licht. Ich will euch dort Gleich Fürsten halten, dich und sie – du wirst Gefährten haben wie ein Fürst und hast Ein Reich in deinem Garten. Welch ein Reich! Was da Neapel! Spott und Staub ist mir Neapel! Er kommt herab, langsam, zieht die rote Decke hinter sich her. Freunde sollst du haben. Nimm Von meinen Dienern mit, wer dir gefällt, Du magst verlangen, wen du willst, ich will ihn Dir geben. Ich begreife nicht – warum Stellst du Neapel vor mich hin mit seinem Glanzvollen Meer? kann ich dies helle Meer Ausgießen über mich und mir die Seele Fortspülen aus dem Leib? kann ich den Himmel Wie eine Decke um mich schlagen, warm Darin zu liegen? wenn ich alles das Zu tun vermag – dann schenke mir Neapel! Du hast dich sehr verändert, Alexéj. Was kam in dich hinein? So wie ich bin, So bin ich. Hörst du das? ich geh nicht fort. Du willst nur etwas nicht zu Ende tun. Du siehst dich um nach mir, weil du zu schwach Dich fühlst! wie seltsam! Nicht in Worten sollst Du dich verlieren, Alexéj – gib acht, Was ich dir sage – Er geht rasch auf ihn zu, Alexéj weicht zurück, hebt den Arm, wie um sich zu schützen – Peter innehaltend, leise. du – ich tu dir nichts – Er tritt näher. Du sollst dem Reich entsagen, Alexéj, Du mußt es tun, du mußt, sonst könntest du Nicht leben – hörst du mich? – und leben sollst du; Es mich zu denken, daß ich dir Ein Licht auslöschen müßte, stehlen einen Duft, Abtun von dir den stillen Glanz der Nacht, Abtun von dir die Welt – angstvoll rufend. Hast du das nicht, Hast du das nicht getan? Wer überhaupt, Wer hat etwas getan? du? ich? die Welt? Glaubst du, das Schicksal segnet uns so sehr Und läßt die eigne Tat in unsrer Seele Aufspringen wie ein Feuer? die Stunden treten Einander auf die Fersen und so geht Man weiter ohne Rast – nun stehn wir da, Vergessen ist der Weg, sag du mir jetzt, Kann ich dich noch zurück, das sage mir, Zurück dich reißen von dem Ziel? willst du Dem Reich entsagen? sag's mir, Alexéj! sieht ihn immer an, kann den Blick nicht abwenden. Du – du bist furchtbar – wie mein Tod in dir Wühlt, wühlt – und wie er wartet, – wie er ringt, Aus dir heraus zu treten – das kannst du – Ich seh's – das kannst du tun! wer kann das tun Und nicht vergehen! daß es Menschen gibt, Die leben können, gänzlich eingewickelt In Grauen, ganz durchströmt, erfüllt von Tod Und Qual und Widerstreit, wer denkt das aus! Du könntest hingehn und in ewigen Zeichen Trügst du's auf deiner Stirn, kein Hut, kein Band, Auch keine Kronen deckten's zu, es glühte Hindurch und wäre dein wie dein Gesicht, Wie deine Stirne, wie dein Haar – mich schwindelt, Daran zu denken! Alexéj, du wirst Es tun, du wirst es tun! der Namenszug, Ein Zug nur mit der Feder, dann ein Schwur Auf Kreuz und Buch – nicht mehr – du wirst es tun – mit einer weiten müden Bewegung der Abwehr. Nein, nein, ich darf nicht. Du verwirrst mich. Nein, Ich darf und kann's nicht. Bring es rasch zu Ende. finster. Das Ende steht noch fern – laß uns danach Nicht greifen – wart ein wenig – Laß. Mich friert. Peter ist hinübergegangen zur linken Wand, zieht an der Fensterschnur, der Vorhang schiebt sich zur Seite. Ein Lichtstreif fällt ins Gemach. Die Sonne mag dich wärmen. aufblickend. Eine Wolke Steht weiß und leuchtend oben und der Wind Zaust ihren Rand. Der Wind geht stark und schwer, Man hört ihn nicht hier unten. In den Mauern Fängt sich der Lärm, Hier unten bleibt es still. Eine kurze Stille. Plötzlich stark aufbrausende Rufe vieler Stimmen. Oberst Gordon reißt die Türe auf – der Lärm dringt stark herein – ruft von oben herab. Die Menge ruft den Prinzen. Was befehlt Ihr? Herr, sagt, was soll geschehn? die Truppen liegen Bereit in allen Gängen. Warte noch. Die Tore sind gesichert? Jedes Tor Bestreichen zwei Geschütze. Rufe mir Die Abgesandten, Freund, ich schulde noch Die Antwort ihrer Frage. Und das Volk? Die Menge warte. Ruf die Abgesandten! Gordon ab – Peter wendet sich zum Prinzen. Zum Schluß! was willst du tun? du mußt dich nun Entscheiden. Mach ein Ende. Sagst du mir Noch einen Wunsch? – Sohn, finde einen Wunsch! Erspare mir den Abschied von – den andren. Nicht mehr? ich glaubte – Bist du nicht sehr froh, Daß ich ganz ohne Wünsche bin? laß sehn – Ich möchte meinen Tod – vorher – nur wissen Will ich den Tod vorher. fährt zusammen. Da fandest du Ein Schweres – Sag, wie muß ich das verstehn? Das mußt du so verstehn: schon ist er hier, Den ich dir zeigen soll, ich brachte ihn ... Hier, sag ich, hier! zuckt, dann spöttisch. Du meinst den Tod? es ist Ein Gift dort in dem Becher? Peter blickt ihn schweigend an. und du hättest Ihn mitgebracht, den Trank? das soll ich glauben? Das wäre gut. Was hast du jetzt erdacht? Ich bin gefaßt auf jedes neue Spiel, Versprich das Leben mir, so will ich mich Bereiten auf den Tod. In dem Pokal Ist Arzenei vielleicht – soll ich sie trinken? Das kann ich tun, es hat nur keinen Sinn, Seitdem ich weiß, daß eher mit dem Regen Der dunkle Tod mir auf die Lippen käme, Als'jetzt aus diesem Wein. Ich will dir's zeigen – Sieh her – Du hoffst, ich reiße dir den Becher Vom Mund im letzten Augenblick, wenn doch Ein Gift – sei nicht so sicher – Jedes Wort schwer betonend. wenn du trinkst, Seh ich dir zu – und schweige. Rechne nicht Auf meinen Ruf und nicht auf meine Hand. halb schaudernd, halb eigensinnig. Was ist denn auch dabei, wenn du den Wein Mich trinken siehst! man sieht ja doch ringsum Die Menschen essen, spielen, gehen, schlafen, Warum nicht trinken? sträubt sich uns das Haar, Wenn einer trinkt? was ist dabei? sieh du Nur zu, wenn dir's gefällt – ich trinke dir was vor – packt ihn, schreit. Trink, Alexéj! trink, Alexéj! trink! Bist du noch hier und achtest meine Rede Nicht besser als den Wind! was bleibt dir noch, Als diesen Wein zu trinken! weißt du nicht, Wofür du sterben mußt? nie wirst du's wissen! Du siehst es nie! es hat für dich nicht Leib Und keinen Klang und keine Sprache, blitzend Von Lichtern steht es da, von Tönen rauschend – Du siehst es nicht – du siehst es nie – so nimm Den Becher – Alexéj hängt kraftlos in Peters Armen, sehr blaß, einem gescholtenen Kinde gleichend, doch gar nicht ängstlich. Die Decke ist niedergeglitten und liegt auf dem Boden wie ein purpurner Fleck. Und du selbst? was weißt denn du, Dir droht Gefahr von mir – schiebt ihn von sich. Gefahr nicht mehr! Das ist vorbei! vorbei! Du tötest mich, Um dich vor mir zu schützen – Nein! vorbei! Ein Etwas springt mich an aus deinem Blick, Das ich nicht dulden darf – jetzt nimm den Becher! So ist es wahr – – Peter schweigt. er lockt mich fürchterlich, Er lockt mich herrlich, eine solche Stunde Darf uns nicht wiederkommen, deine Worte Stechen in mich hinein, in dich die meinen, Das darf nicht mehr – so darf's nicht mehr geschehn, Gib mir den Becher – gib mir den Becher – Nimm. Alexéj greift nach dem Becher, sieht über ihn weg auf Peter hin. Dieser steht ganz ohne Bewegung, nur die Finger zucken leicht. Alexéj wirft den Kopf heftig nach hinten, trinkt, stellt den Becher zurück. nach einer Weile. Wie ist dir, Alexéj? lächelt. Sehr wohl, mein Vater, Der Wein ist gut, der Kampf ist besser. schaudernd. Kampf! Es ist so etwas wie ein Kampf – und mir Ist wohl – Setzt sich, lehnt sich zurück, die Sonne fällt auf sein Gesicht. Was hast du jetzt getan – Getan! Peter geht auf ihn zu, beugt sich über ihn, legt ihm die Hände auf die Schultern. Seine ungeheure Spannung beginnt sich zu lösen. unbeweglich. Du nimmst mich in den Arm? ich weiß, du hast Mich einmal so gehalten, ich war klein Und weiß es nicht, ein Diener hat's erzählt – Du hast mich auf das Pferd gehoben und Gezeigt den Truppen und im Arm gehalten, Das Pferd war weiß und ging voran im Schritt Und die Soldaten schrieen und ich lachte – So hat man mir's erzählt – Du hast's vergessen? Mir ist, es flattert wieder auf, es war Versteckt und schlüpft hervor – doch muß es so Gewesen sein wie jetzt – man hört sogar Die Rufe der Soldaten wieder – horch – Soldaten waren's und das weiße Pferd Trug mich und unsre Hoffnung – hörst du noch? Jetzt – hebst du mich – und zeigst du mich – den Truppen – Die Luft ging stark um uns und morgen streicht Derselbe Wind ins Land und wir – wo sind wir? ... Wie ist dir, Alexéj? Sie rufen mich, Es hört nicht auf – Bist du bei mir? wer ist bei mir? wer legt Mir auf die Stirn die Hand? wer legt den weichen Dichten warmen Mantel über mich? Gordon kommt, beugt sich über das Geländer. Was bringst du, Gordon? brach das Volk die Tore? Sie schlagen an das Tor gleich Wellen und Mühn sich umsonst. Noch halte ich den Zügel – Das tut Ihr, Herr – reckt sich auf. Wo sind die Abgesandten? Er setzt sich, stützt die Arme auf den Tisch, wendet den Blick nicht von Alexéj. im Abgehen. Die Alten sind bereit, sie werden gleich Vor Euch erscheinen. kaum hörbar. Nur die Stimme – nur – Liegt über mir – o Liebe – Er knickt leicht zusammen, bleibt unbeweglich. Die Sonne liegt auf ihm. Sein Haar ist vornüber gefallen. sieht Alexéj an, spricht undeutlich, so daß nur abgerissene Worte zu hören sind, scheint kaum zu wissen, was er spricht. Wie leicht Und schwer dies alles! wie denn? muß ich so Herabsehn auf den Strom und trägt er mich Nicht auch auf seinem starken blauen Rücken Durch Tag und Nacht und aus dem Schatten wieder Hinein ins Licht – und ohne Ende reihen Sich Lichter an die Schatten? Und weiter jetzt? und nehme nichts Aus diesem Schatten mit als dieses Lächeln Von diesen Lippen – weiter geh ich nun – Weiter jetzt – und weiter – Die Abgesandten sind eingetreten und kommen langsam die Treppe hinab. Eine Pause. Wir kamen, Herr, zu dir. Peter beachtet sie nicht. Nach einem Schweigen. zugleich. Wir kamen, Herr. Peter hört nicht; über den Tisch gebeugt blickt er starr auf den Toten, seine Lippen bewegen sich leise.