Des Schülers Klage Die Mitternacht ging längst vorbei – Wenn ich nur früh genug erwache Und meinen Aufsatz fertig mache: »Wie Cicero zu preisen sei!« Welch öder Firlefanz, Schönredner-Mummenschanz! Fahl gähnt mich grauenhafte Leere Aus diesem Phrasenspiegel an. Zu eines hohlen Schwätzers Ehre Wie man doch fleißig flunkern kann! Das ist ein Plunder Ohnegleichen, Wer wird den Zunder Der Zerstörung reichen? Soll das Verderben fressend immer weiter schleichen? Mit all den toten Formeln, Regeln Soll ich durch Wind und Wellen segeln? Ich hör' die Welt da draußen branden, Ein Schauder fährt mir durchs Gebein, Als blinder Schiffer muß ich stranden – Und schreibe klassisches Latein. Kann Roms Monarchen 'runterhaspeln Von Cäsar bis Augustulus, Kann klafterweise Süßholz raspeln Zum Überdruß. Kann wie 'ne Puppe konjugieren, Am Schnürchen plappr' ich's nur so hin, Und muß mich vor mir selbst genieren, Frag' ich nach Lebens Ziel und Sinn. Ich mach' euch recht ein brav Examen, Ich rede noch zum Publikum, Den eingeladnen Herrn und Damen, De regibus Macedonum Und bin ja doch – in Gottes Namen! – Mordsmicheldumm. Gepfropft mit Reisig der Verstand, Die Lust zur Tat, des Sehnens Brand Erstickt mit hagrer Knochenhand! Die meiner Jugend Feierkleid Mit dürrer Vettelfaust zerfetzt, Die meine gärende Heiterkeit Mit mürrischem Geißelhieb verletzt; Die den emporgereckten Sinn Zum Kleinlichen herniederzwang, Ich fluche dir, Zerstörerin, Und hasse dich mein Leben lang. Mit deinem Wust sollst du vergehn, Sturm soll durch Staub und Moder wehn, Und ein Geschlecht, des Mutterwort Nicht auf der Schulbank schon verdorrt, Drin unsres Volkes Bild und Art Sich wunderquellend offenbart, Geist, der sich Bahn zur Sonne bricht, Blüh auf, blüh auf im Morgenlicht!