Ein Nachtgemälde In einer Sommerlaube, 1769. Also werden sie verdämmern, Meines Lebens Sonnenblicke, Schön und traurig in die Nacht; Und Du, Thräne meiner Jugend, Brichst mir meine Sonnenblicke Früher schon in Todesnacht! Lustgefilde grauer Schatten, Blumen, die der Tod entfärbet, Deren Haupt der kalte Thau Niederbeugt mit stummer Thräne, Und die Thräne träufelt nieder, Und der Boden trinkt sie stumm: Also sind auch mir verblühet, Mir verschwunden Bäum' und Lauben. Meiner Jugend Brüder sind, Alle sind nicht mehr, die Brüder, Die Gespielen meiner Jugend! Und ist denn ihr Bruder noch? Schöner Silbersee, in dem ich Mit gesenktem Seherblicke Neue Welten hangen sah, Deine Welten sind versunken, Schöner Silbersee, Du hüllest Trübe Deinen blauen Schooß. Gleich den bunten Schmetterlingen, Die im Morgenduft der Blumen Gaukelten, sind sie mir weg-, Weggegaukelt, Freuden, Freunde, Sind in alle Welt zerstreuet, Oder modern schon zu Staub. Und in einer Pilgerhütte, Unter dieses Baumes Schatten, Wohn' ich. Ach, des Baumes Frucht Geußet Müh und schmecket bitter; Aber seine Blüthen trösten; Denn sie heißen Hoffnungen. Und so komm denn, mich zu trösten, Mich zu laben, süße Blüthe, Und auch Du komm, bittre Frucht! Jenseit jener Berge sollen Süßre Gartenfrüchte blühen, Und sie reifen schon für mich. Und auch von dem kalten Thaue Soll sich Alles frischer färben, Sollen schöner auferstehn Blumen, holde Morgenrosen, Mit der Freudethrän' im Busen, Ihre Wange Morgenroth. Und ja auch um meine Hütte Duftet eine Nachtviole Labend-süßen Schattenduft. Dufte dort, bescheidne Blume, Mich verschleiert zu erquicken Mit dem Kuß der Dämmerung! Nie will ich der Sonne Spiegel Rauben, Deinen Duft zu kosten, Nie Dich in ein Strahlenmeer Tauchen, Deinen Wuchs zu höhnen, Deine Demuth zu beschämen, Deine Nichtigkeit zu schmähn. Denn was soll der Sonnenspiegel, Duft der Dämmerung zu kosten? Was soll mir ein Strahlenmeer, Schattenfreunde zu beschämen, Morgenträume zu verjagen Und den Jüngling zu ergraun? Trug ist Alles: Licht und Schatten, Morgenpracht und Abenddämmrung, Nachtviol' und Nachtigall. Trug um Trug! Und Trugeswonne, Bei dem Tausche wegzutauschen, Um sich arm getäuscht zu sehn! Weise Blöde! Armer Scharfsinn, Der den falschen Zauberspiegel Nicht zerbricht, nur dunkel trübt! Sohn von Liliput, Du Kleinling, Zeigst in meinen Jugendfreuden Mir statt Reiz ein Brobdingnag. Menschen-Feind, nicht Freund! Du zeigst mir, Ruhm sei Schatten, meine Liebe Buhle um ein Rosenglück. Ruhm ist Schatten, Jugendliebe Ist nur eine Rosenliebe; Aber auch die Rose blüht. Nein, o Welt, Du holde Wüste, Wo nichts ist und Alles scheinet, Und doch wahr und lieblich scheint! Und Ihr süßen Täuscherinnen, Sinne, gebt mir immer Wolken, Wenn sie Engelspeise sind!