Drittes Buch 1. Der Knabe mit dem Mantel Ein Rittermährchen Englisch S. Reliq. Vol. III. p. 1. Am dritten Maien In Karlil kam Ein art'ger Knabe Bei Hofe an. Ein'n Gürtel und Mantel Der Knabe hatt' an, Mit Ringen und Spangen Reich angethan. Eine Schärpe von Seiden Am Leib' er trug, War artig, bescheiden, Und schien gar klug. »Gott grüß dich, König Arthur, Bei deinem Mahl, Wie auch die gute Königin, Und Euch ihr Gäste all! Ich sag euch, ihr Herren, Seyd auf der Hut: Wer jezt sein'r Ehr' nicht sicher ist, Dem gehts fürwahr nicht gut!« Er zog aus der Tasche, (Was hatt' er drein?) Er pflückt heraus ein Mäntelchen Aus zwo Nußschalen klein. »Hier hab's, König Arthur, Hier hab's von mir! Gib's deiner schönen Königin; Und wohl bekomm' es ihr! Es steht keiner Frauen, Die Treu nicht hielt –« Ha! wie jed'r Ritter in Königs Hall Stracks auf die Seine schielt. Die Kön'gin Genever Trat stattlich auf; Der Mantel ward ihr umgethan – O weh, was folgte drauf! Kaum hatt' sie den Mantel, Als sich's närrisch begab, Sie stand, als mit der Scheer geschnitten, Ringsum geschnitten ab. Der Mantel verfärbt sich, Der Mantel wird grün, Wird kothig, wird schmuzig; Gar übel es schien. Jezt war er schwärzlich, Jezt war er grau. »Mein' Treu', sprach König Arthur, Mit dir stehts nicht genau.« Ab warf sie den Mantel So niedlich und fein, Und floh, als wie mit Blut begoss'n, In ihre Kamm'r hinein; Flucht Weber und Walker, Der das ihr gemacht, Flucht Rach' auf den Jungen, Der'n Mantel gebracht: »Lieber im Walde mögt' ich seyn Unter dem grünen Baum, Als hier so beschimpfet In Königs Raum!« Sie ruft ihrer Dame Zu kommen näh'r: »Madam, mit Euch stehts auch nicht recht! Ich bitt Euch, haltet her.« An kam die Dame Mit kurzem Tritt, Grif drauf nach dem Mantel – Wie ging's ihr damit? Kaum hatt' sie den Mantel, Als es geschah, Sie stand ganz Mutterfadennackt Vor allen Gästen da. Jeder Herr Ritter, Der dabei saß, Wollt' fast sich zerlachen Bei solchem Spaas. Ab warf sie den Mantel So niedlich und fein, Und floh, als wie mit Blut begoss'n, Zu ihrer Kammer hinein. Ein alter Ritter Hinkt nun heran, Und weil sein Glaube nicht bieder war, Schleicht er zum kleinen Mann; Bot zwanzig Mark ihm Blank und baar, Wollt' frei ihn halten Die Christmeß gar: Nur daß sein Weib im Mäntelchen Je nur bestünde klar. Kaum hatt' sie den Mantel Sich angethan, Hier 'n Lappe, da ein Plunder Hing närrisch dran. Die Ritter zischten allesammt: »Nun der wirds übel gahn!« Ab warf sie den Mantel So niedlich und fein, Und floh, als wie mit Blut begoss'n, In ihre Kamm'r hinein. Kraddock rief sein Weibchen, Ruft's sanft herein, Sprach: »Frau, gewinn dies Mäntelchen; Dies Mäntelchen ist dein!« Sprach: »Frau, gewinn das Mäntelchen; Dies Mäntelchen ist dein, Wenn du dich nie vergassest, Seit dem du warest mein.« An hat sie den Mantel, Und weh, ach weh! Er rollt sich zusammen Zum grossen Zeh. Sprach: »garstiger Mantel, Beschäme mich nicht! Ich will's erzählen, Worans gebricht: Ich küßt' Lord Kraddock Im grünen Hain, Ich küßt' einmal Lord Kraddock, Eh wir noch waren Ein.« Kaum hatt' sie gebeichtet, Die Sund'bekannt, Da stand der Mantel Lobesan Ihr nett an und galant. Er glänzt an Farbe Wie Gold so schön. Jeder Ritter an König Arthurs Hof Mit Augen thät er's sehn. Ein schrie Frau Genever: »Herr König, nein! Hat die den Mantel? Das kann nicht seyn! Sieh doch die Dame; Die brennt sich rein, Und ließ wohl funfzehn Männer In ihre Kammer hinein. Ließ Pfaffen und Schreiber Zu sich herein; Und seht doch, nimmt den Mantel, Und brennt sich weiß und rein!« Der Knab' mit dem Mantel Sprach: »König, sieh! Dein Weib schändiret; Züchtige sie! Sie ist ein' Hure, Bei meiner Treu! Herr König, in eurer eignen Hall Seyd ihr ein Hahnenreih!« – Der kleine Knabe Zur Thür' aussah, Und sieh! ein grosses wildes Schwein War g'rad im Walde da. Er zog ein Messer Von Holz heraus; Und wer war schneller Vor Königs Haus? Bracht' flugs den wilden Schweinskopf In König Arthurs Haus. Legt stattlich den Schweinskopf Wohl auf den Tisch: »Wohlan, wer nun kein Hahnreih ist, Derselb' trenschire frisch!« Das Wort den Herren Ging übel ein. Sie puzten und wezten Ihr Messerlein; Theils liessen's fallen, Und.hatten kein'. Ging ans Trenschiren, Ging rings herum; Die Messer, die bogen Sich schändlich um: Die Spize, die Schneide War lahm und krumm. Lord Kraddock hatt' ein Messerchen Von Eisen und von Stahl; Er ging an wilden Schweinskopf, Zerlegt ihn all und all, Und präsentirt die Schnittchen Den Herrn in Königs Saal. – Der Knab' hatt' von Golde Ein schönes Horn; Er sprach: »Da ist kein Hahnreih, Der trinkt aus diesem Horn! Er muß sich beschütten Von hinten, oder vorn.« Die Herren probierten, Doch gar nicht fein – Dem kommts auf die Schulter, Dem kommt's aufs Bein, Und wer dabei sein Maul noch braucht, Fliegts ins Gesicht hinein – Und kurz und gut, wer Hahnreih war, War's jezt bei Tagesschein. Das Horn gewann Kraddock, Den Schweinskopf dabei; Sein Weib gewann das Mäntelchen Für ihre Ehetreu. Geb Gott, ihr Herrn und Damen, Daß euch so gut auch sey!