Reuchlin 1777. Daß er die Bande brach und aus den kalten Schatten Der Finsterniß, ein Morgenstern, Hervorging, Allen, die in Nacht geseufzet hatten, Ein süßes Licht vom Herrn: Mein Geist, deß freue Dich! und freue sich, wer liebet Der hohen Mittagssonne Pracht, Freu' sich des Morgensterns! und wer ihn trübet, Weich' in die alte Nacht! Gott kam, und Wolken unter seinen Füßen Zerrannen, weite Sündfluth goß Hinweg den alten Staub, und als die Wolken rissen Und weite Sündfluth floß – Noch dämmert's tief. Der Griechen schöne Pfade, So hell, so eben, lagen da Vergangen. Alles schaut' auf düstre, krumme Pfade, Dem düstern Orkus nah. An Licht, an freiem Blick gebrach's! Im Staube Lag noch das heil'ge Morgenland, Jehovah's altes Wort, der Wahrheit Quell, zum Raube Des Unsinns, unerkannt Und unverstanden. Da ging auf aus Hainen, O Suevien, Dein Morgenstern! Und leuchtete so schön, so thauicht, wie im reinen Urglanz der Welt, von fern. Ein Vater neuer Zeit, die ihm an Seele Und Mund und Antlitz, an der Hand Geweihten Zügen hing, er hob sie aus der Höhle Dort in sein Morgenland. Wohl ist mir's, wohl an Dir, o Vater! führest So fern uns und so milde fort In innres, tiefes Gottgeheimniß und regierest Uns mit dem Wunderwort. Wolauf, wolauf, mein Lied! Erwach und schalle Dem Sieger seiner Sieger, ihm, Der mit Verlassnen auszog und im Wunderhalle Vollendete, Reuchlin! Sie kamen (Höllenfackeln in den Händen), Der unterdrückten Jüdenschaar Die Bücher wegzuglühn und mit den Höllenbränden Zu prangen vorm Altar. Und Kaisers Wort ging aus. Die alten Schatten In weiser Jüden Heiligthum Erbebten dem Gericht: »Wer wird uns, wer erstatten, Wer retten unsern Ruhm?« Da zog er aus und stritt und drang zum Kaiser. Und Wespen-, Schlangen-Ungestüm Lag auf ihm. Er erstand's! und sieget' einmal. Kaiser, Du kannst nicht helfen ihm! Der Wespenschwarm erbraust. Die Schaar der Schlangen Verstopft ihr Ohr dem Zauberwort Des Rufers. Sickingen, Du rufst umsonst! Sie hangen Nur an dem Edeln dort, Anspeien ihn mit Giftstrom; all sein Leben Erkranket, siechet fort und fort. Erstirbt er? Nein! auf ihm liegt Siegel Gottes! Beben Geht aus vom Wunderwort. Er ruft nach Rom zum dritten Mal. Sie blitzen Voran und werfen siegerisch Schon ihre Kronen auf. »Wer soll in Rom Dich schützen?« Und züngeln, stechen frisch. Und nun genug! Er steht! die Schlangen funkeln Auf seinem Haupte, Kronen nun! Neu glänzt der Morgenstern nach schwerem Kampf im Dunkeln Und ruht und kann nun ruhn. Sein sind die Edeln. Alle Edeln waren Mit ihm im Kampf geheim und treu. Wolan, wolan, mein Lied! nenn ihre treuen Schaaren, Daß rings ihr Name sei! Held Hutten ging voran und blitzt' im Feuer Und geht voran itzt und singt froh: »Mein Deutschland! Kennst Du Dich, sind Dir die Deinen theuer, So singe mit, Jo!« Und Sickingen und Busch und Bilibald und Alle, Benignus und Graf Nuenar, Selbst Maximilian frohlockt zum Jubelschalle. Auch Du bist in der Schaar, Erasmus? und vergöttest itzt? Und bliebest So still einst, überlegtest Dir! Und sondertest Dich aus, weil Du den Kampf nicht liebest, Und warst nicht mit uns hier. Und liebst nicht Jüdengrillen, bliebst, zu lauschen Dem Blöken Deiner Heerde zart Und wie? nun bebst Du nicht und kommst, da Jubelrauschen Es allweg offenbart. Sieh auf! blick auf! dort geben andre Seelen Ihr Leben reichlich in den Tod Und stehn auf Feldeshöh und blicken nicht aus Höhlen Ins stille Morgenroth. Die Fürsten sind im Kampf. Da kommt und segnet Den Greis Reuchlin, den Gottesmann, Der's aushielt, Luther, und geht fürder und begegnet (Wer, der ihm ob sein kann?) Noch tiefrer Mitternacht. Und an ihm glänzet Sein Streitgenoß, ein Zwillingsstern, Melanchthon, den Reuchlin ihm gab. Zwar Castor grenzet An Halbgott Pollux fern Und sterblich nur; doch Brüder, theilen Beide Sich Tag um Tag nun Ewigkeit; Und alle Sterne sind in lauten Kampfes Freude Und siegen weit und breit; Und Himmelsbäche fließen, wälzen prächtig, Von Weisheit stark, die Leichen fort. Tritt auf die Starken, Geist des Liedes, die so mächtig Da liegen hie und dort! Die Rosse strauchelten am Siegeswagen Und wandten sich; sie jagt die Schaar, Sie jagt sich selbst. Ihm Fluch, der konnte für uns zagen, Mit Gott und uns nicht war! Und Heil ihm, der voranging, fremder Sache Erkämpfend schon all unsern Kampf! Sie gierten Jüdengold, die Bücherbrenner. Rache Dem Thier in Goldesdampf! Hoogstraten, Rache Dir! Du gierst? Zum Lohne Wird Dir statt Goldes Blei; das faßt Des frömmsten Mannes Hand und drückt's Dir auf zur Krone; Da krümmt' er sich, erblaßt, Der Ketzerheld, zu Boden. »Wie? sein Wagen Verzeucht noch stets? Es weilet lang' In Rom sein Siegesräderrasseln!« So mit Zagen Sah Mutter Köln und bang Nach ihrem Sohn zum Fenster. »Er theilt Beute,« Sprach Vater Ortuin; »den Raub Der Jüden bringt er uns und unsern Dirnen heute Und trat sie längst in Staub!« So müssen sie vergehn, die Wahrheitwonne Vertauschen mit der Lüge Nacht; Und wer Dich liebet, Herr, sei, wie die helle Sonne Aufgeht in ihrer Macht!