2. Hochwohlgeboren Justum et tenacem propositi virum – Horatius Ein guter Bürger willst du werden? Pfui, Freund! – Ein guter Bürger – du? Das also war dein Ziel auf Erden? Dem stürmten deine Lieder zu? O, nimm's zurück, das ekle Wort! Wer mag sich so gemein gebärden? Nein, nein, mich reißt es weiter fort: Ich muß Geheimer Hofrat werden! Um meine Wiege sah die Amme Schon frühe den Prophetenschein, Und in mir diese ew'ge Flamme, Sie kann, sie darf nicht Lüge sein. Bleib du im Tal, wo dir's behagt, Und grase mit den Pöbelherden, In mir steht fest, was ich gesagt: Ich muß Geheimer Hofrat werden! Daß unsre Wege so sich teilen, Glaub' mir, Georg, es tut mir weh; Du gehst zum Bier; und ich derweilen Zu einem Oberappellationsgerichtsvizepräsidenten -Tee. Du hast erfüllt dein stilles Los, Das meine liegt noch den Behörden Der dunkeln Zukunft schwer im Schoß: Ich muß Geheimer Hofrat werden! So mancher hat's doch schon erreicht, Der höher noch als ich gedachte, Der krummer seinen Vers vielleicht Und krummer seinen Rücken machte. Was einer kann, das kann auch ich ! – – Und, trotz Gefährden und Beschwerden, Schwör' ich's – St. Huber, höre mich! – Ich muß Geheimer Hofrat werden! Sieh: ein Logis im ersten Stocke, Recht weit und reich, mit Maß geheizt, Ein Kreuzchen auf dem schwarzen Rocke, Das sich kokett versteckt und spreizt, Ein Chaischen, ein Livreechen drauf, Und fährt's auch mit Fiakerpferden – Bruder! die Seele geht mir auf: – Ich muß Geheimer Hofrat werden! Noch lebt ein Gott: Verdienst zu lohnen, Noch steht manch edles Fürstenhaus ; Gott teilt den Fürsten ihre Kronen, Die Fürsten uns die Titel aus. Gewiß, gewiß! ich find' es noch Mein letztes Ziel auf dieser Erden; Wär's nur um Voigtens Nekrolog: – Ich muß Geheimer Hofrat werden! Franz Dingelstedt.