6. Und da liegt er, der arme, verwaisete kleine Pantoffel, Blickt vom Tische wie ernst zwischen den Büchern mich an! Zoccolo, bist du mir gram, daß ich dich trennte von deinem Holden Bewohner? Es wär' freilich ein triftiger Zorn. Denn ihr Zoccoli führt das geplagteste Leben von allen, Habet die Mühen allein, andere ernten den Dank. Stets in den Gassen den Staub und das Felsengeröll im Gebirge Schmeckt ihr, und regnet es gar, geht's in die Pfützen hinein. Aber um Mittagszeit auf glühendem Sand in der Vigne Oder den Fahrweg hin knirschet das Leder und ächzt. Freilich, der hölzernen Sohle verschlägt's nicht, erst in der Hitze, Dann gleich wieder im Haus über den Fliesen zu stehn. Aber es gibt doch ein Ding, das Ehrgeiz heißt; der geringste Knecht – Festtags in dem Krug prahlt er und spielt er den Herrn. Ihr bleibt immer zu Haus, wenn's hoch hergehet, und leider Schiebt der Gerechteste euch selber die Schuld in die Schuh. Laß mich's offen bekennen: man ehrt ja deine Gesinnung, Aber warum, mein Freund, trittst du so bäuerlich auf? Wie soll dir ein Mädchen vertraun ein verliebtes Geheimnis, Wenn zum Handwerk dir immer das Klappern gehört? Schleicht sie zum Liebsten, der Mutter davon, erst mußt du ins Eckchen, Weil du die Stiegen hinab immer so laut räsonnierst. Auch im übrigen bist du und bleibst zu zärtlichen Dingen Unanstellig. So oft unter dem Tische den Fuß Ihres Geliebten das Mägdlein sucht, dir muß sie entschlüpfen; Geht's zum Tanze, gewiß läßt sie den Zoccolo stehn. Und ist endlich die Hochzeit da und das Mädchen vermählt sich, Dem zu dienen du nie Regen und Hitze gescheut, Anderen räumst du den Platz, Fremdlingen, verzärtelten, die nicht Nahe gestanden der Braut manch ein beschwerliches Jahr. Und du bleibst von der Kirche zurück, und die gleißenden Stutzer Gehn zum Fest und sogar nachts in die Kammer mit ihr. Und dann führst du im Winkel ein ernstes Gespräch mit dem Bruder: Oft im schlechteren Rock schlage das bessere Herz, Und wenn seidene Schufte zu herrlichen Ehren gelangten, Hülle der Redliche sich still in den eigenen Wert. – Aber es schmerzt doch immer. Und nun, nun gar im Gefängnis? Schändlich geraubt? Und warum? – Wüßt' es der Räuber doch selbst! Sträflicher Mutwill war's, und er rächt sich. Seit du das Zimmer Mit mir teilest, wohin rett' ich Gedanken und Blick? Wirst du eitel und denkst, dir gelte die sehnliche Wallung Hier im Blute? Du irrst. Doch du beschworst mir herauf Jenes bezaubernde kleine Gespenst des winzigsten Mädchen- Schuhs, der damals noch trug in die Schule das Kind, Als ich in all der Kleine zuerst ihn erblickte; das Röckchen Gab ihn dem Blick noch frei, dem er gewaltig gefiel. Noch schlief aber das Herz. Nur spukt' ihm häufig ein Pärchen Zierlicher Füße behend durch den bedenklichen Traum. Aber das Schulkind wuchs, und es wuchs zum Erschrecken das Röckchen; Über des Fräuleins Fuß wallte der schleppende Saum. Als nun das Herz aufwacht' und mit staunenden Augen sich umsah – Ach, wie holder Besitz kam da dem Frommen im Schlaf! Eins nur fehlte. Doch einst, auf meinem Schoße sie haltend, Sah ich von Kopf bis zu Fuß fast wie in Zweifel sie an, Ob nicht gar Melusinens dämonisches Teil sich verriete Unter dem Saume des Kleids, der sich ein wenig verschob; Aber ein Schuh sah tröstlich hervor, nun freilich gewachsen, Dennoch, Zoccolo, viel kleiner und feiner als du. Zwar unedel erschien's und ungroßmütig, den Kerker Dir mit verächtlichem Wort noch zu verbittern; auch du Bist ein schmucker Geselle. Der Wahrheit aber die Ehre: Daumensbreite gewiß hast du vor jenem voraus. Und ihn hab' ich gekannt von klein auf. Ach, und es bürgt uns Dauernden Glückes Besitz besser und sicherer nichts, Als aufwachsen zu sehn mit eigenen Augen das Füßchen, Dessen Pantoffel dereinst unseren Wandel regiert.