Eine Weihnachtsepistel Du neidest mich mit deinem gönnenden Selbstlosen Neide, Freund, um all den Zauber An Farb' und Licht und immergrünem Flor Des Winters hier im Süden. Einzig nur, Daß es um Weihnacht uns an Schnee und Eis Und Schlittenbahn gebricht, »was doch durchaus Gehört zu einem richtigen heil'gen Christ«, Müss' ich wohl auch beklagen. Freilich war's Mir selbst verwunderlich, als frühe schon Die heil'ge Nacht vom klaren Firmament Herabsank und ich hoch am Bergeshang Hinschlendernd auf den See herniedersah, – Weitum der Ufer reingeschwungner Ring, Der einer edlen Silberschale gleich Die dunkle Flut umfaßte, – daß mich noch So lind die Luft umspielte, wie bei euch Im Mai, und dachte: Heut ist Heiligabend; Heut flockt vielleicht der Schnee in dichtem Schwarm Auf Münchens Gassen, oder schneit es nicht, So heult ein rauher Winterwind mit Macht Weit vom Gebirg daher, daß, die verspätet Noch unterwegs sind, ihre roten Nasen Tief in den Kragen stecken und trotzdem Den trefflichsten Katarrh nach Hause bringen. – Nun, ländlich sittlich. Auch ein Schnupfen wohl Gehört zu einem »richtigen« Weihnachtsfest, Und mit Sylvesterpunsch kuriert man ihn. Mich aber dünkt, die erste Weihnacht, die Historische, hat von Katarrhen nichts Und Sturm und Schnee gewußt. Lag doch, gehüllt In leichte Windeln nur, im offnen Stall Das liebe Christkind. Und die Hirten, die Des Engels Botschaft hörten, ihre Herden Auf freiem Felde hütend bei der Nacht, Sie krochen frierend nicht in dumpfe Hütten, Denn lau und lieblich war die Luft. Auch ragt' Ein Lorbeer wohl hoch an des Stalles Mauer Und strömte seinen Duft aufs Kripplein nieder, Noch ehe die drei Könige mit Weihrauch Und Myrrhen kamen. Eines Palmbaums Krone War ausgebreitet als ein Baldachin Zum Schirm der dürft'gen Wiege. Drinnen aber Das Himmelskind bedurfte wahrlich nicht Der goldnen Kerzchen unsrer Weihnachtstannen. Denn in der Nacht des Südens funkelte, Geschart um jenen Leitstern, das Gewimmel Der Goldgestirne – fast wie überm See Sie heut erglänzen, wo aus tiefem Blau Sie nach und nach aufglimmen, während rings Geläut ertönt – meinst du nicht doch, man könn' Auch ohne Schnee und Eis an dieser Stätte Die richtige Weihnacht feiern? – – –