Auf eine übersendete nelcke C.H.v.H. Du sendest mir das blut von deinem mund und wangen/ Und eine nelcke muß dein theurer bote seyn: Ich schaue zwar das blut auf weissen feldern prangen; Doch stellt die wärmde sich hier nicht als nachbar ein. Die negel ehr ich zwar mit mehr als tausend küssen/ Ich bin dazu verpflicht/ sie kommt auß deiner hand; Doch wil nichts feuchtes mir auf mund und lippen flüssen: Was geist und wärmde heist/ ist ihr gantz unbekandt. Sie weiß mit honigthau mir nicht den mund zu netzen/ Sie kennt das schmätzeln nicht und diß was züngeln heist/ Sie weiß den purpur nicht auf meinen mund zu setzen/ Ich fühle nicht was mich auf meine lippen beist. Sie weiß mir meinen mund nicht schlüpfrig aufzuschliessen/ Die feuchte kützelung kennt diese nelcke nicht. Durch warmes böben kan sie keinen kuß versüssen/ Weil nässe/ geist und blut der nelcke stets gebricht. Doch kömmt die nelcke mir nicht leichtlich aus dem munde/ Ich aber netze sie durch einen heissen kuß. Ach freundin! Wünsche mir doch zeitlich diese stunde/ Da mich entzücken kan dein reicher überfluß. Es reist mich aus mir selbst ein süsses angedencken/ Was mir vor höflichkeit dein kuß hat angethan. Du wirst mir einen kuß bey dieser nelcke schencken/ Und zeigen/ daß dein mund mehr als die blume kan.