[Wie lange soll noch meine pein] C.H.v.H. Wie lange soll noch meine pein/ Durch dich/ o grausame Caliste/ In der verzweifflungs-öden wüste Ein abgematter pilgrim seyn? Die zeit verlieret jahr um jahr/ Daß ich nach meinem tod wallfarte/ Und auff die letztere gefahr/ Als bote/ den du schickst/ auff deine botschafft warte. Zwar klag ichs nicht der höhnschen welt/ Ich stille mich mit stillem kummer: Doch glaube daß ein ieder schlummer Mir deinen zorn für augen stellt. Lacht gleich die lippe manches mahl/ Nur fröhlich vor der welt zu scheinen; Ist doch das hertz ein trauer-saal/ Wo die gedancken mich als leiche schon beweinen. Mein gantzes leben streicht dahin In meynung bald nicht mehr zu leben: Und was mir einen trost soll geben/ Spricht: daß ich noch mehr würdig bin. Ich sterbe täglich ohne todt/ Der kalte schweiß auff meinen wangen Ist zwar ein vorbot dieser noth: Nur daß ich noch nicht kan den letzten stoß empfangen. Ich scheu mich für dem tode nicht/ Nur daurt es mich dich zu verlassen Und durch das traurige verblassen Zu meiden deiner augen licht. Mein leben lieb ich/ weil du lebst/ Daß ich in solchem dich kan lieben/ Denn weil du meinen leib begräbst/ Ist weder lust noch schertz der aschen überblieben. Caliste sey nicht felß und stein/ Soll ich im leben schon verderben? Was mach ich/ wann ich werde sterben? Ists nicht genug dann todt zu seyn? Zweymahl zu sterben ist zu viel/ Und zwar dich ewig zu verlieren. Ich fehl lebendig meinem ziel/ Und in dem tode kan ich gar dich nicht berühren. Hastu ein hertz von fleisch und blut/ So hast du/ als ein mensch/ empfinden; Du straffst zu hart so kleine sünden/ Da doch dein zorn was höhers thut/ Der himmel/ der dir gnädig ist/ Heist dich nicht unbarmhertzig bleiben: Und weil du selbst ein sünder bist/ Muß keinen übermuth dein unmuth mit mir treiben. Doch ist mein tod bey dir gemacht/ Wohlan/ so schick ich mich zum ende/ Und spreche/ daß Calistens hände Aus grausamkeit mich umgebracht. Der ich im leben war zu schlecht/ Die würdigt mich doch zu verderben; Dann mir verbleibet nur das recht: Durch ihre grausamkeit unschuldig hin zu sterben. Caliste noch ein eintzigs wort: Man soll den sterbenden gewähren/ Was sie zu guter letzt begehren: Vollbring in deiner schooß den mord. Dann weil ich einmahl sterben soll/ Ist dir es gleich/ wie ich verscheide/ Und ob durch pein/ weh oder wohl/ Von schmertzen oder lust ich dieses urthel leide.