Trinksprüche Breslauer Schillerfest 10. Nov. 1835. Es leben die Poeten! Die erhabenen begrabenen Und die strebenden lebenden, sinnig waltenden, innig entfaltenden, minnig gestaltenden, Langentzückten entzückenden, Langbeglückten beglückenden, bei Erlebnissen, bei Begebnissen, bei Begräbnissen, bei Hoch- und bei noch andern Zeiten und Gelegenheiten – Es leben alle Poeten auf Erden, Die's heute schon sind oder morgen noch werden! Breslauer Dürerfest 20. Mai 1836. 1. Es leben die Gönner und Könner! Denn ein Künstler, was gewönn' er, Hätt' er nicht auch seine Gönner? Der Künstler muß auf der Erde leben, Doch ist sein ganzes Ringen und Streben Euch auf der Erde den Himmel zu geben. Er möchte lieber im Himmel schweben, Als unten an der Erde kleben – Doch muß er nun mal auf der Erde leben. Wenn's euch nun freut, wie der Künstler waltet und schaltet, Wenn euch freut was er in Worten und Tönen entfaltet, Und zu seelenvollen Bildern gestaltet, So mögt ihr eure Freude zur Erscheinung bringen, Und lasst anmuthiglich eure Meinung klingen, Und vergleicht nicht erst mit der Bildnerei des Thalers die Schilderei des Malers Und mit der Moneten Singsang der Poeten Klingklang! Denn das ist mir nun einmal klar Seit manchem Jahr und bleibt auch wahr Heut' und immerdar: Alle wahre Kunst Ohne wahre Gunst Müht sich fürwahr umsunst. Drum lasst uns alle das Glas erheben: Die Kunst und die Gunst, sie sollen leben! 2. Es leben die komponisten! Die aus dem gewaltigen Meer von Tönen Fischen die Perle des Edelen, Schönen, Die uns des Lebens Mißklang' entwöhnen, Allem Jammern, Klagen und Stöhnen, Uns mit dem Weltgewühle versöhnen, Uns das Leben erheitern, verschönen – Die, was ein Dichter irgend gesagt hat, Was er gelacht und was er geklagt hat, Was er zu ahnen kaum gewagt hat, Rastlos streben und ringen Schöner in Tönen darzubringen. In allen Herzen muß das Schön' ersprießen, Wenn sie das Schön' in Tön' ergießen; Und wir wollen den Dank im Becherklang bringen, Wenn sie uns ihren Zechersang singen. 3. Es leben die Dichter, die fröhlich strebenden, herzenerhebenden, Düstres und Klares, Schönes und Wahres sinnig verwebenden, Erd' und Himmel minnig umschwebenden, die da trachten und dichten, das Dunkle zu lichten, das Gebeugte zu richten, das Verworrne zu schlichten; Die aus der Erde Banden und Schlingen Sich frei mit der Lerche gen Himmel schwingen, Und unbekümmert um diesen und jenen Fröhlich singen ihr Lieben und Sehnen, Und nicht aus Pfützen und Lachen schlürfen, Und keiner undeutschen Quelle bedürfen, Und nach keinen fremden Gängen schürfen – Sondern am heimischen Born sich laben Und in ihrem eigenen Herzen graben, Weil sie selbst den Schacht im Herzen haben; Die wie der Frühling Blüthen entfalten Und wie der Frühling niemals alten, Und auf die ganze Welt verzichten, Weil sie nicht um Ruhm und Geld dichten. Breslauer Schillerfest 10. Nov. 1836. Es lebe die Zeit die neue! Und keiner bereue Die Zeit die neue, Doch jeden erfreue Die Zeit die neue! Ich beschwör' euch bei den Perrücken und Zöpfen, Bei den Atlasröcken mit großen Knöpfen, Bei den runden bepuderten ernsten Köpfen, Bei dem Reifrockknix und dem Fischbeinmieder, Bei dem verschämten Aufschlag der Augenlieder, Bei der Feiertagsruhe aller Glieder, Bei den Tressen und Litzen, Manschetten und Spitzen, Bei den seidenen Strümpfen mit falschen Waden, Bei den Schönheitspflastern, Schminken, Pomaden, Bei der Weitschnurigkeit Und Breitspurigkeit Aller alten und jungen Herzen und Zungen – Wer könnt' es wagen, Das Verlorene zu beklagen, Und wünschen, unserem Leben und Treiben Das Langweilige wieder einzuverleiben? Wie der Staub verweht durch das Feld, Ist der Puder hinweg aus der Welt, Und was er verhüllt und unkenntlich gemacht, Ist rein und lauter ans Licht gebracht. Die alte Zeit musste verloren gehn, Schon weil sie Schillern musste geboren sehn. Die alte Zeit ist die gerichtete, die vernichtete, Weil Schiller dichtete. Doch wir wollen vom Alten Alles Gute behalten. Wir behalten heute zu unserem Feste das Beste – All' ihr Versammelten wisst es: Schiller bleib es, den Schiller ist es. Breslauer Künstlerfasching 1837. Hoch lebe die Fastnacht! Wo wir fasten und rasten Von des Lebens Lasten, Und uns gewöhnen zu fröhnen Allem Schönen, Wo wir anstecken Die Kerzen unsrer Herzen, Und wie Gecken Uns selbst zum Besten haben Und mit heitern Gästen laben, Nach Fröhlichkeit trachten und dichten Und unsre Gedanken richten Eher auf den besten Keller Als auf den letzten Heller – Es lebe die Fastnacht, Die keinem Last macht, Wo Wirth und Gast lacht Und ohne Rast wacht Bis an den Morgen Abzuwerfen der Sorgen Ballast-Fracht Und was das Leben verhasst macht – Hoch lebe die Fastnacht! Breslauer Schillerfest 10. Nov. 1838. 1. Lasst die Philister immer schrei'n: Gar keine Zeit wird bald mehr sein! Wenn wir nur soviel Zeit noch haben In Jugendlust voll Fröhlichkeit Uns zu erfreun an Gottes Gaben, Was kümmert uns dann noch die Zeit! Ob leer ist oder voll die Tasche, Ist nur immer voll die Flasche, Und Herz, Geist und – Der Magen gesund, Dann kann man sich in unsern Tagen Auch mit der papiernen Zeit vertragen; Und wir lassen ein Jeden Cassenschein, Und mit Geduld ein Jeden Staatsschuldschein, Und ohne weitere Deliberation Jede heitere Obligation, Und wir halten nicht die Hand schief, Wenn uns kommet ein Pfandbrief, Und wünschen, daß immer heckten In unseren Kisten und Kasten die Staatseffecten, Und freuen uns über jedes Lumpenpapier, Wovon man leben kann bei dem Humpen dahier. 2. Und wär' er auch für euch nichts weiter als ein Ketzer, So war er doch ein biedrer edler deutscher Mann, Den man im besten Weine wie im schlechten Krätzer Genug nie loben noch auch je beschimpfen kann. Und hätt' er nur gesprochen das Eine Wort, So müsst' er leben unter uns hinfort: »Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, Der bleibt ein Narr sein Lebelang!« Hoch lebe du ehrlicher Dr. Martine sine fine! 3. Hoch lebe Scharnhorst! Preußens Schutzpanier, Und Ehr' und Ruhm für Preußens Schaaren! Was er uns ist, das wissen wir, Wenn wir bedenken was wir waren. 4. (Der damalige Präsident des Festes, Prof. Schön, hatte kurz vorher einen Trinkspruch auf die Frauen ausgebracht.) Schön hört sich's an, wenn Schön beim Schillerfest Die schönen Frauen leben lässt. Schön ging mit schönen Frauen schon voran, Schön folgt auf schöne Frau'n der Mann, Nicht weil er war der erst' im Paradies, Sondern weil er ist der erste ohnedies. Ich meine unter Mann nicht allerlei Leute, Die jeder Tag uns bringt, das Morgen und Heute. Wer männlich strebt und wagt, steht und nicht fällt, Und männlich lebt, unverzagt geht durch die Welt, Und männlich sich müht für's Gut' und Rechte, Und männlich erglüht mit Muth wider das Schlechte, Und männlich auf eigenen Beinen steht, Und sich nicht nach jedem Wetter, Glauben und Meinen dreht, Und männlich, mit Geduld, bieder erträgt, Und männlich ohne Schuld nieder sich legt, Und frei noch ist in Gefängniß, Und froh noch ist in Bedrängniß, Der weiß was er will, und will was er kann, Ihr Männer, stoßet an! Hoch lebe – mit und ohne Frau – der Mann! Bei einem Faschingsball 1839. Es leben die Frauen und Fräulein! Die uns wie ein Kranz im Frühling gewunden umgeben, Und wie ein Tanz von fröhlichen Stunden umschweben, Und Freude in unser Leben weben, Und Leben unserm Streben geben, Und unser Leben zum Leben erheben, Die unser Herzweh Und unsere Plagen, Wie die Sonne den Märzschnee, Wissen zu verjagen; Die den Becher der schlimmen Laune für sich behalten, Und uns nur den Fächer der Fröhlichkeit entfalten; Die besser Kartoffeln als Pantoffeln kennen Und mehr für den Herrscher als die Herrschaft entbrennen; Die nicht grollen und schmollen, Wenn wir trinken sollen und wollen, Die unsern heißen Durst zu würdigen immer bereit sind, Und denen unsere leeren Flaschen und Taschen nimmer leid sind: Es leben die Frauen und Fräulein jetzt eben, Die uns wie ein Kranz im Frühling gewunden umgeben, Und wie ein Tanz von fröhlichen Stunden umschweben, Und Freuden in unser Leben weben, Und Leben unserm Streben geben, Und unser Leben zum Leben erheben, die Frauen und Fräulein eben sie sollen leben hoch! Breslauer Schillerfest 10. Nov. 1839. Ich habe einst die Philister leben lassen, Aber ich müsste jetzt das Leben hassen Und die Sonn' und den Regen, die die Reben nähren Und uns das Schön're zum Leben gewähren – Sollt' ich mich zu solchen Dingen zwingen Und ein Lob den Philisterlingen bringen. Ich will nicht beehren mit einem Tropfen die Tröpfe Und werf' ihnen lieber den Pfropfen an die Köpfe. Doch will ich heute herauf beschwören Was unter Schillers Denkmal liegt wie im Grabe, Ich will es zu meiner eigenen Schande hören, Wie ich damals die Philister bedichtet habe: »Es leben die Philister, Ihre Gevattern und ihre Geschwister! Die Poetenverachter, Monetenbetrachter, Die Luchser, die Muckser, Die Pfennigfuchser, Die Mucker und Achselzucker, Die Agio- und Taxenkucker, Die Linsenleser Und Zinsenzähler, Die Couponsschneider Und Hungerleider, Die, wo andre vor Freude weinen, Gleich mit dem Regenschirm erscheinen; Und wo die Freude droht einzuschlagen, Den Blitzableiter in der Tasche tragen; Die den Teufel scheuen Und sich wie Teufel freuen; Die nicht mehr mit dem Zopfe prangen Und doch an dem Zopfe hangen; Die Pantoffelgedrückten, Kartoffelentzückten, Wasser-Verprasser, Die sich mit der Schlinge der Mäßigkeit schnüren, Und doch die Klinge der Gefräßigkeit führen; Die in lauter Formen und Normen sich bewegen, In lauter Schmiegen und Biegen sich regen; Die auf dem Stuhle des Schlendrians sitzen, Und in der Schule des Bocksbeutels schwitzen. Es leben die Philister, Ihre Gevattern und ihre Geschwister! Denn – Wenn Die Philister nicht mehr leben, So wird es auch keine Poeten mehr geben!« Nun aber seh' ich, wie die Philister hecken, Wie sie die Lande mit Schauder und Schrecken bedecken Geld und Brot, und Brot und Geld! So schreit die Welt; Das ist die einzige Mannigfaltigkeit In dem langweiligen Liede unsrer Zeit. Brot ist das einzige Universelle Unserer Universitäten – Das reimt sich nicht, ist aber doch wahr, Und wer's nicht glaubt, dem wird's mit der Zeit noch klar Auf Brot gerichtet ist der Knabe Und verfolgt das Brot wie ein Rabe, Brot ist des Jünglings Preisaufgabe, Und der Mann studiert es bis zum Grabe; Und alle jagen, haschen, streben, ringen, Wollen es zum Brote, zum Leben bringen. Und was ist Geld? Ach, leider, ach es gilt – Das ist ein treues Bild Von der Philisterwelt. Wir wollen unsre Schwerter und Schilde rühren Und ein anderes Bild im Schilde führen. Wir wollen Schiller als Reichspanier tragen Und mit Schillern die Philister schlagen. Man sollte eigentlich mit dem Esels-Kinnbacken Wie Simson weiland auf sie hinhacken Immer tapfer, lustig und munter. Aber es sind vornehme Leute drunter, Und die würden es gar übel nehmen, Wenn wir mit so grobem Knübel kämen. Drum wollen wir es stiller treiben Und wollen lieber bei Schiller bleiben. Wir, die wir die Poesie ins Leben trugen, Und uns für Ideen zankten und schlugen, Mit unsrer Begeisterung ausgepfiffen, Wir, von des Lebens Ernst ergriffen, Von seinem Leid und seiner Kläglichkeit, Von Haß und Neid und mancher Unerträglichkeit, Wir wünschen, daß Schiller auf Oberons Hifthorn blase, Daß das Philistervolk wider Willen tobe und rase, Und mit uns singe im lustigsten Triller: Hoch lebe! hoch, hoch Schiller! Hiemit ich scheid: Will mengen baß die Karten, Bin unverzagt, Ich hab's gewagt, Und will des Ends erwarten. Ulrich von Hutten.