Hugo von Hofmannsthal Ödipus und die Sphinx Tragödie in drei Aufzügen [Motto] Des Herzens Woge schäumte nicht so schön empor und würde Geist, wenn nicht der alte stumme Fels, das Schicksal, ihr entgegenstände. Hölderlin Personen Personen. Ödipus. Phönix, Ermos, Elatos, die Diener aus Korinth. Die Stimmen der Ahnen. Laïos. Der Herold. Der Wagenlenker. Der Eine, Der Andere, Der Dritte, Diener. Die Königin Jokaste. Kreon, ihr Bruder. Die Königin Antiope, des Laïos Mutter. Teiresias. Der Schwertträger des Kreon. Der Magier. Ein Mann aus der Stadt. Ein Kind. Ein Sterbender. Die Boten und Späher in Kreons Dienst. Die Mägde im Palast. Das Volk. 1. Akt Erster Aufzug Der Dreiweg im Lande Phokis. Waldige Gegend im Gebirge. Felsen und Bäume. Platanen, Ahorn. Quer über die Bühne führt eine Straße, von rechts herauf nach links wieder hinab. In der Mitte mundet in diese ein Hohlweg, steil herabführend. Phönix, Ermos, Elatos; andere links hinter Bäumen und Gebüsch. Dort auch ein Wagen und Pferde, unsichtbar. von oben. Er ist im Hohlweg, er ist nah, ihr Männer! Wir wollen uns demütigen. Wir wollen mit Staub der Straße unsre Stirn bestreun. Der Erstling seines Zorns ist fürchterlich, wie Blitz und Donner. Phönix – Zieht ihn nieder. Nicht sein Zorn zermalmt mein altes Herz. Allein ein Etwas, dessen Namen ich nicht weiß. Ihr Götter, wendet ab – nicht von dem meinen, vom Haupte dessen, der hier nahen wird – ihr Götter, wendet ab! Stille. Ödipus kommt den Hohlweg herab, einen Stock in der Hand, bleich, verwildert, wie ein Flüchtiger, als wollte er rechts hinüber. Die drei neigen ihr Haupt zu Boden. Ödipus, ohne sie zu erkennen, wie schlafwandelnd, taumelt vorbei. aufspringend, angstvoll. Sperrt ihm den Weg, werft euch vor seine Füße! Ödipus springt dumpf aufschreiend zurück, deckt sich den Rücken, hebt den schweren Stock. vor ihm niedersinkend. Hebst du den Arm wider dich selber, Herr, und schlägst, was dein ist? Ungetreue Diener, ist dies der Weg von Delphoi gen Korinth? Dies ist ein Weg von Delphoi gen Korinth. Ein krummer Weg! Und welchen hieß ich euch durch eines Knaben, meines Boten, Mund zur Heimkehr wählen? Den, der stracks hinab von Delphoi läuft ans Meer, so wie die Sehne des Bogens. Und warum denn find ich euch auf diesem Kreuzweg? In des Herzens Angst, Herr, suchten wir nach dir und zählten nicht die Berge noch die Täler, achteten die Nacht wie Tag und Sternenlicht wie Sonnenlicht und ließen nicht des Suchens ab bis hier, da wir dich fanden. Schlechte Diener heiß ich, die Unbefohlnes tuen. Ödipus, ich bin der Älteste und muß vor diese hintreten, wenn du zürnst, und muß den Mund auftun und sprechen: Herr, wie du an uns getan, da wir zu Delphoi lagerten, so hast du nie zuvor an uns getan. Uns dünkte, eine fremde Faust zu fühlen am Zügel und von ungewohnter Hand das Joch auf uns gelegt. Denn stets warst du mehr mit der Seele als mit Zaum und Stachel der Lenker unsres Tuns – doch von Stund an, da wir in dieser heilgen Stadt herbergten, wo das Orakel thront, da wurde hart dein Mund, und deine Rede flackerte wie Feur im Wind, und zu gehorchen wurde da schwer, das vordem leicht gewesen war Am neunten Tage kamst du nicht mehr heim zur Herberge. Wir harrten dein zur Nacht vergeblich, und das Bette, das wir dir bereiteten, blieb leer. Mein Bote kam. neigt sich. Er kam. Und da er sprach: Aus meinem Mund spricht Ödipus, mein Herr und euer Herr, neigten wir uns. Allein aus seinem Mund kam eine Rede, die für unser Herz zu schwer war und zu dunkel. Die wir dein Gefolge sind, wir sollten uns von dir abtrennen, und die deine Treuen sind, allein hinabziehn gen Korinth. Da sprachen wir unter uns: Dies ist zu fremd, wir wollen nicht glauben, daß dies seine Rede war. Der Knabe trug in seiner Hand den Ring und war bekräftigt. neigt sich. Darum fragten wir: Was soll uns dieser königliche Ring, den unser Herr noch nie vom Finger zog? Da sprach er: Traget ihn hinab und wahrt ihn gut, bis ihr vor Polybos, den König, gelangt seid; diesem gebt den Ring und sprecht: den schickt dir Ödipus, dein Sohn, er grüßt dich und grüßt die Mutter, unsre Königin, und grüßt Korinth, die Stadt – denn dich, o König, und deine Königin und deine Stadt, die drei, die Vater ihm und Mutter ihm und Heimat hießen, sieht sein Aug nicht mehr. Nicht wieder kehrt dir Ödipus, dein Sohn, des sei der Ring dir Zeichen. Treu und gut sprach das mein Bote. schmerzvoll. Nein! So heiß denn ich, ich, Ödipus, ich, eur Herr, dich Phönix, dich Elatos, dich Ermos, und was noch an anderm Dienstvolk bei den Pferden dort und bei dem Wagen lagert, aufzustehn vom Boden hurtig und die Pferde flink zu schirren vor den Wagen, und hinab den Weg, der wie der Pfeil vom Bogen stracks von hier fliegt nach Korinth! Und wär kein andrer Weg, als den der Gießbach ausgefressen hat, hinab, dann durch des Baches Bett und käme nicht Mann noch Pferd mit heilen Gliedern an – gleichviel! Wer hieß euch lungern Tag und Nacht in fremdem Land? wer hieß auf euren Herrn euch pirschen wie auf Wild und mir den Wind zu Abend abgewinnen und im Hohlweg mich stellen? Seis! nun sucht euch euren Weg! Und wahret mir den Ring und wahret mir im Hirn die Botschaft. Herr! Leg Hand an. Alter! Da Phönix ihn am Kleide faßt. Dort, alter Mann! Gebieter! Dort! Nein, hier! stößt ihn fort. Gehorche, alter Diener! Herr, so schlag mir den alten Kopf an diesem Stein in Stücke! Denn sieh, wenn du mir auflädst ohne Zucken, was mir das Herz abdrückt, und mir den Mund zubindest, daß ich gegen dich mit Stöhnen dir nicht die Luft soll ekel machen, also bin ich vor dir nichts anders als ein Tier. bewegt die Lippen fast lautlos. Ich muß. kniend. Wer dieses an mir tun kann, daß er mich alten Mann hinunterschickt zum alten Mann, den Knecht zu seinem König, mit solcher Botschaft, die Tod gibt und Tod zum Lohn nimmt, der darf mir als Botenlohn auch einen Mantel nicht verweigern, und ich heische einen steinernen von dir. Faß einen schweren Stein mit deiner Rechten und einen mit der Linken, stein'ge mich und häufe Steine rings um mich, dann hab ich mein Grab um meinen Leib und brauche keinen, ders in Korinth mir gräbt. fast lautlos. Ich muß. aufstehend. O Kind – Kind – du weißt nicht, was alt sein heißt. Bewegung der Abwehr. Mein Vater ist rüstig, viele Jahre sind vor ihm. Ja, wenn die Götter gut sind, wie ein Baum steht er und ist gewaltig. Willst du, Kind, den Sturmwind spielen, der erbarmungslos ihm in die Krone greift? Erbarmungslos – so greifts in uns. Laß deine Jugend, Herr, nicht grausam sein, und wenn, so sei es gegen die Feinde und nicht gegen uns, die Deinigen. Wär nicht dein Herz so jung, du hättests nie ersinnen können, über deinen Mund wärs nie gekommen: denn wie kann das Herz des Vaters und der Mutter dies ertragen und nicht darüber bersten? Phönix! Phönix! So schrieest du, wie du ein Knabe warst, oft aus dem Schlaf. Da weckte ich dich schnell – dann wars ein Traum. Nun kannst du mich nicht wecken, denn nun träumt alles mit. Daß ihr mich alle erkannt habt! Alle rieft ihr meinen Namen ... So hab ich mein Gesicht von damals? Herr, drei Tage bist du fort von uns. angstvoll. Drei Tage? drei Tage, Phönix? Mein Geliebter, drei! sieht ihn fremd an. Im Grund, wer bist du, daß du so vertraulich mir redest? Ich zu dir? wer ich dir bin? Es ist mir nicht geläufig – Ewige Götter! es ist ihm nicht geläufig, wer ich bin! zögernd. Doch wohl – Doch wohl? Wer hat dich denn zuerst gehoben auf den Wagen? dich gelehrt an deine Füße die Sandalen schnüren? dein Haar gekämmt? wer hat denn dein Gewand Abend für Abend an den hohen Nagel gehängt, und an der Kammertür den Riegel dann vorgeschoben, und den kennst du nicht? Die Götter impfen sonderbaren Saft ins Blut: vor dem besteht nicht dieses Kinderzeug: ich bin, der gestern war. Verstehst du mich? Hart. Geh. Such du dir den Knaben, den du liebtest. Er steht vor mir. Halt deinen Atem ein. Mich widert die korinthsche Luft aus deinem Mund. Doch wenn dir Dienen Lust ist, geh und bring mir zu trinken. Phönix geht links hin. – Ödipus steht wie in wachem Traum. kommt mit der Trinkschale. sieht links hin. In verändertem Ton. Ah! was haben sie mir dort, dort! mit dem einen Pferde – an dem Wasser. Der Schimmel geht ja lahm. nickt. Nyssia, die Stute. will jäh hin. Nyssia, mein schöner Schimmel! Erstarrt sogleich. Schlägt dem Phönix zornig das Trinkgefäß aus der Hand. Freust du dich? Was kümmert mich der Gaul! Seht ihr, wie ihr nach Hause kommt. Mein Weg ist anderswo. Wendet sich zu gehen. Wo ist dein Weg? Was kümmerts dich. Ich geh ihn allein. Geht nach rechts. ihm nach. Ich laß dich nicht! Ei, fort! Stößt ihn. in seinem Weg. Dies Haar ist deines Vaters Haar, hier diese Hände hebt deine Mutter zu dir auf. Wirst du jetzt nach mir stoßen? Frei den Weg! Hier geht das Kind, das seinen Vater tritt und Steine wirft nach der Mutter Herzen. Weicht ihm aus, ihr Tiere dieses Waldes, auf, verkriecht euch, die ihr in Höhlen wohnt, in Klüften horstet, sonst werdet ihr zu Stein. Ödipus geht weiter, ungerührt, langsam, gebundenen Schrittes. Schon ist er rechts zwischen den Stämmen. Phönix, ins Herz getroffen, kehrt sich, starr, betender Haltung im Gehen. wendet sich, wie aus schwerem Traum heraus. O Phönix! links; wendet sich, steht bebend. mit schwer arbeitender Brust, auf ihn zu, qualvoll. Hilf mir, Phönix! Er taumelt. Phönix fängt ihn auf, küßt ihm Hände und Brust, legt ihn sanft hin. Ödipus richtet sich halb auf. kauert dicht bei ihm. Nun bist dus wieder! Nicht suchen den, der war. Versteh mich doch. Versteh doch, was mein Mund sich krümmt zu sagen. Dann geh und laß mich. Faß mich nur! Geredet – durch seine Priesterin, geredet hat der Gott mit mir! Von der ungeheuren Anstrengung des Geständnisses erschöpft. Mich dürstet. Bring mir Wasser. will fort um Wasser. Besinnt sich. Und bis ich wiederkomme, bist du fort. Ich geh nicht weg. Ich halte dich. matt. Mich dürstet. Ich steh nicht auf. Ich rede immerfort mit dir. nimmt die Schale, geht, mißtrauisch umblickend. sich anstrengend. Ich rede ja mit dir. Hier bin ich. kommt zurück, hält ihm die Schale hin. greift gierig nach der Schale, trinkt. Nie wieder trink ich Wein. Schwarz war der Wein und schwer wie Blut. Da tranken er und ich ein jeder seinen Tod. Sprichst du von Lykos? Das war der Anfang. Mit meinen Händen schlug ich ihn. Sie fielen wie Hämmer nieder, alle waren blutig von seinem Blut, dann trugen sie ihn weg. Warum nahm es den Weg durch seinen Mund! Der Knabe war nicht schlimm – es wollte kommen: im Wein verbarg es sich, da glitt es in den Knaben und kräuselte ihm widerlich die Lippen .... Wie nur? Du fragst? heftig. Mir ists entfallen. Herr! faßt ihn. Ich will, daß du mirs wiederholst. Verschon mich! Er redete zuerst herum, und niemand im Dunst des Weines gab viel acht. Um was herum? Ich will es hören. Daß so mancher nicht wisse, was für Blut in seinen Adern – Du zürnst mir? Weiter! Herr, du wirst mir zürnen? Ich bitte dich. Mir ists entfallen. Weiter! Er hob sich übern Tisch und sah mit Fleiß nach einer andern Seite. Richtig! – Und ... Und sagte, daß man manchmal Findelkindern auch auf den Stufen eines Thrones könne begegnen. Und da schlug ich schon auf ihn? Nein; doch du grubst die Nägel deiner Finger so in den Tisch, daß man es hörte. Alle verstummten, seine stieren Augen waren auf dich geheftet, und er schrie: Du selber, Ödipus, sag mir, bist du denn der Sohn des Polybos? steht jäh auf. Das Wort erschlug ihn schon? Das bloße Wort? Den ganz lebendgen Lykos? Du kannst dich ja nicht sehen, wenn der Zorn dich schüttelt, daß du schwarz wirst wie der Tod, dann weiß wie Schaum. Ich hab dich so gesehn, mich schauderts in mein Mark. läßt sich auf einen Stein hin. Das war der Anfang. Von da an ging es schnell. Ich wusch das Blut von mir und nahm ein anderes Gewand und ging hinein – es war nicht Morgen noch, da ich sie weckte. Wie sie leise schlafen, die Eltern! Kaum, daß ich dem Bette nah war, so hoben sie sich auf, der Vater, der erkannte mich nicht gleich, die Mutter aber, die Mutter – Schaudernd. Nie mehr werde ich sie sehn! – Dem Vater schwoll die Ader an der Stirn vor Zorn, die Mutter hatte gleich die Augen voll Wasser und, in ihrem Ehebette halb aufgerichtet, schworen sie mirs zu, daß ich ihr Sohn bin. Und dann sprachen sie zugleich, die beiden, auf mich ein und tauschten blitzschnelle angst- und liebevolle Blicke, und König Polybos, mein Vater, dessen Leib ich nie berührt, der schlang zum erstenmal im Leben seine beiden Arme fest um meinen Hals und drückte meinen Kopf an seine Brust, und übers Bette hin ergriff die Mutter meine Hand. Da warst du noch nicht erlöst, Unseliger? Da ging ich hinaus und fand nicht Ruhe, und ich dachte an dies, wenn ich auf meinem Wagen fuhr, an dies, indes ich jagte, und an dies, indes ich aß und trank. So warst du krank? Ich war nicht krank. Allein in mir war etwas, das wollte sich nicht geben, bis ich nicht gekommen wäre auf den Grund des Dinges. So mußte ich dorthin, wo aus dem Schoß der Erde Wahrheit bricht in Feuerströmen und aus dem Mund der Priestrin sich ergießt. So fuhr ich gegen Delphoi. Ihn schauderts. Weh, was haben die getan an diesem Kinde, diese Priester! Wie klein ist alles das, wie klein! Als stünd ich auf einem hohen Berg und säh es tief dort drunten seine Straße ziehn wie Kinderspielzeug. Was für ein kleines Leben lebst du, Phönix! Geliebter, welche Antwort gab der Gott auf deine Frage, Ödipus? Die Götter antworten weise, wo wir töricht fragen. Die Frage, die aus unsrem Munde geht, verschmähen sie, und was im tiefsten Grund des Wesens schläft und noch zu Fragen nicht erwachte, dem mit ungeheurem Mund antworten sie zuvor. Was war ich für ein Knabe, daß ich hinging und vor mir her mit halb bekümmertem, halb frechem Herzen meine Frage wie eine Fahne trug! Da faßte mich der Gott am Haar und riß mich übern Abgrund zu sich. angstvoll. Sag, was sie dir getan im Heiligtum! Oh, sie sind weise! So wie einen König hielten sie mich, und wie ein Kind. Sie gaben mir ein Gemach, in das von obenher der Schein der Sterne schlug, als wärens Flammen. Hoch ragt der heilige Berg und nah den Sternen. So nah den Göttern ist nicht gut zu wohnen. Nicht gut zu wohnen? Wo die Gipfel rings der Berge blühn im Licht und Nacht und Tag auf heiligem Nacken tragen, wo aus Säulen lebendiger Zedern göttlich der Palast in goldnem Rauch sich hebt, wo in dem Hain einander Abend, Nacht und Tag umschlingen, wo sich der Seele in der Opfernacht die schwere funkelnde Milchstraße nieder wie eine Wünschelrute biegt, und sie die Seele dir, der eignen Kraft erschrocken, hinuntertauchen in sich selber will und spürt, hier ist kein Grund: dem Weltmeer ist ein Grund gesetzt – ihr nicht – Die Priester, Knabe, was sprachen sie zu dir? Zu mir? Der Gott sprach durch das Weib, in dem er wohnt, zu mir. Sie weihten dich? Sie wußten meine Frage, und weil ich nach dem Quell zu fragen kam des Bluts in mir, so weihten sie mein Blut, auf daß es sich dem Gott entgegenhübe aus eigner Kraft – Wie weihten sie dein Blut? zum Leben oder für den Tod? Was kümmern den Knecht die Bräuche! Da war Nacht und Tag mir abgetan und weggewischt die Grenze von Schlaf und Wachen, und bald auch die andre, die zwischen Tod und Leben. Ödipus! Im Tage mitten wurd ich wach aus einem Traum nach dem andern Traum und hatte immer vergessen, und mein Innres wurde immer erneuert. Immer andre waren da um mich, und ihre herrlichen Gestalten, in Flammen ging die eine in die andre hin. Ahnst du? Mit meinen Vätern hauste meine schlaflose Seele. Wie, der Toten, die du nie gesehen hast, entsannst du dich? Nein – sie entsannen sich des Enkels und durchzogen mich, und es war mehr als Lust und mehr als maßlose Begier, es war die Lust und Qual von Riesen – Könige und Götter, weißt dus nun! Der Strom des Bluts, das war die schwere, dunkle Flut, in der die Seele taucht und findet keinen Grund. Das war in mir. Nein, das war ich! Ich war ein wilder König, der erbarmungslos ein Weib umschlingt in einer Stadt, die brennt, und war auch der Verbrennende im Turm – ich war der Priester, der das Messer schwingt, und ich zugleich war auch das Opfertier. Und ich verging nicht! Ich brach nicht in Stücke! Der Blutstrom riß sich auf in seinem Bette mit mir auf seinem Haupt und hub mich auf zum Gott. Dann fiel er wiederum zurück – da lieg ich nun. Wie sprach der Gott zu dir? So sprach der Gott zu mir: ich lag und hatte die Augen zu und Dunkel war, und rings im Dunkel regte sich Lebendiges, die Priester warens, um mein Lager standen sie schweigend, und im Dunkel stieg ein Duft von fremden Kräutern auf, und ich sank tiefer in mich – Du träumtest, Kind! Frag nichts! Ich träumte den Lebenstraum. Wie ein gepeitschtes Wasser jagte mein Leben in mir hin, – auf einmal erschlugen meine Hände einen Mann: und trunken war mein Herz von Lust des Zornes. Ich wollte sein Gesicht sehn, doch ein Tuch verhüllte das, und weiter riß mich schon der Traum und riß mich in ein Bette, wo ich lag bei einem Weib, in deren Armen mir war, als wäre ich ein Gott. In meiner Wollust hob ich mich, ihr Gesicht, die meinen Leib umrankte, wachzuküssen – Phönix! Phönix! Da lag ein Tuch auf dem Gesicht, und stöhnend von der Erinnrung an den toten Mann, die jäh hereinschoß, krampfte sich mein Herz und weckte mich. Da war ich ganz allein. Mein Herz war groß in mir und schlug. Da, in der Mauer tat eine niegesehne Tür sich auf, und unten kroch ein Licht herein, und dann kams auf mich zu, gerade auf mein Lager, und leise glitt ein schleppendes Gewand am Boden hin – so wie die Mutter kam es, wenn sie ans Bett des Kindes tritt, so wie die Braut zum Bräutigam, so trugen leise die Füße es heran. Bei unsern Göttern – wer? Fragst du noch? Das Weib. Die Priesterin? Nenn keinen Namen! Weib und Mann kann sich in eins verschränken: aus dem Weibe glühte der Gott, aus den verzerrten Zügen schaute der Gott, die Zunge bäumte sich im Mund und lallte, doch es redete der Gott! Zu dir – zu dir – So nah der Mund dem Mund wie dein Gesicht dem meinen. Wie das Lallen der Zunge in mein aufgerißnes Herz hineinschnitt! Sag es! sag es! eh dein Blut aufs neu erstarrt. Du stirbst mir in den Armen! Ich leb und trag es! Und nun kommts heraus: so sprach der Gott aus dem verzerrten Mund des glühnden Weibes: des Erschlagens Lust hast du gebüßt am Vater, an der Mutter Umarmens Lust gebüßt, so ists geträumt, und so wird es geschehen. Fürchterlich! Allein es war die Antwort nicht der Frage! Wie, wahnsinniger Mensch? Du mußtest nun die Frage tun. Ich lag und sie glitt fort, ins Dunkle. Weh! da mußtest du ihr nach! Ihr nach? Auf meiner Brust lag ja ein Berg, ein Berg auf jedem Glied! Ihr nach? Unseliger! Sie gab die Antwort nicht auf deine Frage! O blöder Phönix, sie tat mehr als das! Weh, welch ein Mensch du bist! Was war noch offen? was war noch einer Frage wert? wo war die Welt! Vom Lallen dieser Zung hinunter geschlungen! Was nach diesem Wort blieb denn noch übrig als wir drei: der Vater, die Mutter und das Kind, mit zuckenden, mit ewgen Ketten des Geschicks geschmiedet Leib an Leib. Zweideutig war das Wort! Für eines Knechtes Seele, nicht für die meinige. Nicht zweimal redet der Gott. Den er sich wählt, von dem wird er begriffen. Schau nicht so voll dumpfer Angst, sonst schweig ich, und dein Aug sieht mich nicht wieder. Soll ich noch fragen, wie ein Weib beschwätzen das Ungeheure? Sollt ich noch nicht wissen am Grausens-abgrund, der in mir sich auftat, am namenlosen Weh, von welchem Vater und welcher Mutter da die Rede war? Das gräßliche Wort, du schlangst es hinab? deine Seele warf es nicht aus? Graunvoller! Liebster! es sitzt in dir? Es fraß sich hinab ins Mark meines Lebens. Da fand es Nahrung – nichts als Nahrung. Du bist rein, du bist gut, nichts davon ist in deinem Blut – nichts in deinem Sinn. Ich kenne dein Atmen bei Tag und Nacht, ich weiß dein Gesicht, wenn es einschläft und wenn es erwacht. Siehst du nicht, daß ich ruhig bin und dir ins Gesicht sehen kann? Was weißt du von mir? Was wußte ich selber davon, bis die Stunde kam, die mich aus meinem Kindertraum nahm? Ich will dir jetzt etwas sagen: du sollst es anhören und schweigen. Kind, sag es mir. Du nennst mich Kind, doch ich denke, ich bin ein Mann. Ein Mann! und ein königlicher! Wer würde es zu leugnen wagen? Hör es still an, ich will dirs jetzt sagen: ich habe noch kein Weib berührt. Wie soll ich das verstehn? Hast du nie eine begehrt? Die Qual, die sie Sehnsucht nennen, kenn ich wohl. Wie sanft erscheint mir jetzt dies Brennen, denk ich zurück. Wie klein dies alles: Kinderleid, Kinderglück. Ach, wenn ich mit meinen Jagdgefährten schlief in ihren Häusern, meinst du, ich hörte nicht in der stillen Nacht einen Kammerriegel zurückziehn, und es war kein Seufzen aus junger Brust unter den Nachtgeräuschen? Meinst du, mein eigenes Herzklopfen konnte mich täuschen, daß ich nicht fühlte, wo etwas glühte im Dunkeln und sich mir hingeben wollte – aber es war, als läge ein Schwert auf der Schwelle. Dann kam der Morgen, dann war alles wieder vorbei. Du Kind, was dich hielt, war Scham und Scheu in deinem jungen Blut. O nein: es ist ein Schwert dazwischen gelegen. Und weißt du, warum? Meiner Mutter wegen. Was redest du da; Du bist trunken von einem Leid, das grausam ein Gott dir angetan. Deine Seele weiß nichts von dem, was aus deinem Munde geht. Nicht so, wie du meinst. Ich rede zu dir von meinem Geschick. Wenn du mich nicht verstehst, muß ich gleich schweigen. Ich wollte dir zeigen, wie alles sich verknüpft: damit mich doch einer begreift, wenn ich nicht mehr da bin. Sieh, ich konnte den Blick der Unberührten nicht ertragen, seit ich Mann genug war, ihn ganz zu verstehn. Ich fühlte, sie konnten dem Tiefsten in meinem Verlangen nicht genügen. Wie? die Jungen? Eine wie die andre rings im Land. Keine. Ich hätte in ihren Armen nicht liegen können ohne eine geheime tiefe Scham. Wie soll ich dir das mit Worten sagen? Wo ein Blick mich nicht bände bis in alle Seelentiefen, wo nicht die Welt mir schwände, wo nicht Ehrfurcht und Schauder mich ganz auflöste – wie könnte ich mich da geben? und eine nehmen und nicht mich geben, dies tun, und es wäre nicht ein Wirbel, der mein ganzes Wesen in sich reißt – dies Unsagbare tun frech, kalt und dreist, an eine Brust mich drücken, wühlen in Haaren und lauernd frech in mir mich bewahren – wie ein abenteuerndes Tier eine nehmen und eine nehmen – müßt ich mich da nicht vor dem Anhauch des Meeres zu Tode schämen? vor dem Schatten, dem Licht, vor den Sternen, dem Wind, vor der nackten Nähe lebendiger Götter, deren Augen überall sind? So hielt ich meinen Blick im Zaum vor ihrem Leib und ihrem Haar, weil keine eine Königin war ... Verstehst du nun, warum ich sagte: um meiner Mutter willen? sieht ihn an. An meiner Mutter hatte ich gesehen, wie Königinnen gehen. Wenn ich auf meinem Wagen gefahren kam und sah sie gehn mit ihren Fraun zu heiligen Festen, hinab zum Fluß, darin in flutenden Palästen die Götter wohnen, unsre Ahnen – und sie trug ihren Leib wundervoll schreitend wie ein heiliges Gefäß, da stieg ich vom Wagen und kniete nieder, zur Erde gebeugt, grüßte ich sie. Und ich wußte: Kinder zeug ich einst mit einer, die mit heiligen Händen im dämmernden Hain darf Bräuche üben, die allen Wesen verboten sind, nur ihr nicht: denn zu ihr reden aus dunkelnden Wipfeln im Abendwind Götter, die ihre Väter sind. Kinder zeug ich in einer solchen heiligem Schoß oder ich sterbe kinderlos. Du guter Knabe, du reines Kind, was fürchtest du, wenn so königlich deine Gedanken sind? Das Gottes Wort! Begreifst du denn nicht? Ist deine Seele so dumpf? Schaudert dich noch nicht? Kein Hauch des Bösen ist in dir. Was quälst du dich? Bis du gefeit gegen die Mächte? Weißt du, was für Mitternächte über uns noch hereinbrechen, wo wir einander vorübertaumeln und erkennen einander nicht! Wie in den Tod starrst du in mein Gesicht, denn es hat eine Schlacht angehoben aus einem Gastmahl, bei dem wir saßen, und nun rinnt das verwandte Blut in den Straßen und die Frauen töten sich auf den Dächern, um nicht zu sehen, wie sie sich würgen, der Vater den Sohn, der Bruder den Bruder, in dem Saal, in den Gemächern. Das sind gräßliche Nachtgesichte! Das alles ist in meinem Blut. Waren nicht Rasende unter meinen Ahnen? Ließen sie nicht Ströme Bluts vergießen? Verschmachteten nicht ganze Völker in ihren Verließen? Trieben sie nicht Unzucht mit Göttern und Dämonen? Und wenn ihre Begierden schwollen wie Segel unter dem reißenden Sturm, konnten da sie ihr eigenes Blut verschonen? Und wer hat dies Rasen für immer an Ketten gelegt? Wer hat zu diesen Dingen gesagt: Ihr seid dahin und kommt nie wieder? Das sind uralte grausige Lieder. Wer sie hört in seinem Blut, dem bringen sie ferne Dinge nah – was längst geschah, kann wieder geschehn – wer weiß durch wen? Du mußt fort! Bereit ist der Wagen, er trägt dich nach Haus! Siehst du die Eltern, zergeht dein Wahn, zergeht das Grausen, so wie ein böser Nebel zerfließt. So wird es geschehen, sprach der Gott, den Weg zeigte er nicht. Ich spür den Weg. Durch mein Wesen hindurch bahnt sichs den Weg wie durch fließendes Wasser. Komm nur zu dir! Hätt ich dich daheim in deinem Bette! Lieber tot in der Bergschlucht und Geier über mir! Sohn meines Königs! Ich dachte, meinen Vater zu bitten um einen Turm, um ein Lager von Stroh und um schwere Ketten – aber wie könnte das uns retten? Ich läg in ihrer Näh wie ein Dämon auf der Lauer, und eines Tags wie fahler Schnee zerschmölze des Turmes Mauer, oder es flöge ein Pfeil herein und ich würf ihn durchs Fenster zurück, und er flöge meinem Vater ins Genick. Da kämen sie zu Hauf und brächen mein Gefängnis auf, und ich sollte der Mutter die Botschaft bringen, und meine Arme fingen an, sie zu umschlingen, meine Lippen auf ihr zu weiden. Das sind wüste Träume! Wach doch auf – wie mußt du leiden! Nichts davon ist in deinen Gedanken, deine Seele schaudert davor zurück! Das sind keine Schranken; es waltet durch uns hindurch wie durch leeren Raum. Freilich, es klingt wie ein böser Traum! Auch ist meine Mutter ja keine junge Frau mehr ... Meinst du, daß dies etwas wär, um sich daran zu klammern? Aber wenn ich die Priesterin denke, ein Weib und doch kein Weib, und das furchtbare Wohnen des Gottes in ihrem Leib – dann ist kein Ding auf der Welt, das mein Herz nicht für möglich hielte. Fort die Hand, die mich hält! Laß mich los, verloren ist, wer zaudert! Was willst du tun? Ein einziges Opfer ist, das mir frommt: es wird dargebracht ohne Aussetzen, es wird genährt mit allen meinen Schätzen, unaufhörlich fließt es hin, wie die Zeit von den Sternen rinnt. Was für ein Opfer, Kind? Mein Leben. Aber nicht mein Blut darf ich hergeben, davor warnt mich ein inneres Grausen: ich muß bleiben, aber ich darf nirgend hausen, unstet, mit tiefster Einsamkeit umhangen, ein Gefährte den stummen Tieren – dann brauch ich mein Selbst nicht zu verlieren an das Unsagbare, an den lebendigen Tod. Wie kannst du einsam sein? Das kann ich oder einer von den Knechten: unser Gesicht kann werden wie der Tiere Gesicht, wir können eins werden mit einem Stein, unsere Haare wie Flechten und Moos, unsere Hände können werden wie Klauen, wir können, behangen mit Niedrigkeit, uns in der weiten Welt verlieren und schweifen mit den Tieren. Aber du, der du ein König bist, wo du des Weges fährst, erdröhnt die Erde, sie drängen sich um deine Pferde, alle wissen sie deinen Namen, und deine Väter, wohin du ziehest, wandeln neben dir, und aus den Flüssen heben die Götter, deine Verwandten, Haupt und Hände, – steigst du zu Schiffe, rauschen die Wellen und drängen sich üppig, dein Schiff zu tragen. Du kannst nicht schweifen auf ödem Meer, dein Segel bläht ein Wind und läuft als Herold vor dir her, Sterne funkeln dir vertraulich wie dein Haus, und die Länder heben die Brüste dir entgegen – nicht Wildnis ist, wo du ziehst auf unbetretnen Wegen, und der Strand, wo du landest, nicht öde: weil du ein König bist! Recht sagst du das: dies alles werf ich hin! Wär es weniger, wie käm es mir in den Sinn, daß es könnte das andere aufwiegen? So aber wird es vielleicht genügen. Vergebliches Opfer, wem zur Freude? Deine Eltern versteint das Leid! Ein grausames Opfer ist es wohl. Wo ist ein König, der so opfert? Phönix! Nie hab ich dich vor mir stehen sehn, wie du jetzt stehst vor meinem Blick. Und dort – die andern – wie sie dort um den Wagen geschart sind! Ich kann tief lesen in ihren Mienen. O Gott, solche hatte ich, mir zu dienen! Mit angstvollen Herzen starren sie her, ihre Hände sind von den Taten schwer, die sie mit mir tun wollten und die nun ungetan in den Abgrund rollten. Siehst du die Pferde? Sie scharren den Grund und heben die Nüstern und wittern nach mir. Wie ihre Augen sprechen, als wollte die dumpfe Seele daraus hervorbrechen. Es sind keine gewöhnlichen Pferde. Sie hätten mich wiehernd in Schlachten gerissen und mitgekämpft und funkelnd nach meinen Feinden gebissen – sie wären mit mir durch fremde Flüsse geschwommen – aber nun ist es anders gekommen. Sie sollen den Pferden in die Zügel greifen und sie den Berg hinab schleifen, wenn sie zu ihrem Herren drängen, wenn ihre dumpfen Seelen an dem so hängen, der nicht mit ihnen fahren darf. Nun aber fort, nun ist es genug! Das letzte Wort für den Herrn und die Herrin, wenn sie mich fragen um ihr Kind! Sie sollen sich keine Botschaft von mir erwarten, nicht von den Fischern am Strand und nicht von den Pilgern, die kommen über Land. Was nicht sein kann, sollen sie nicht begehren und nicht mit einem Vielleicht die Luft beschweren. Mein Haus sollen sie versperren und ausleeren meine Truhen, meine Hunde sollen sie forttun, damit sie in der Nacht nicht nach mir heulen. Ich hab mir einen Stock geschnitten, der bleibt bei mir, sonst niemand, kein Mensch und kein Tier. Ich werde kein Bett haben zu Nacht und, wenn es dunkel wird, kein Licht: davon rede dem Vater und der Mutter nicht. So allein ist nicht einmal ein Baum, nicht einmal ein Stein, denn die Steine liegen doch einer beim andern, immer liegen sie an gleicher Stelle, so heimlich ist ihnen, so ruhevoll sind ihre Mienen, als wäre jeder die Schwelle zu einem Vaterhaus. Und die Bäume – hat jeder seine Gefährten, sie klimmen zusammen nach oben, ich fühle, wie sie ihr Leben loben und mit den lebendigen Kronen selig sind, daß sie hier wohnen seit unzähligen Tagen, die Wurzeln tief in den Felsen schlagen, sie breiten die zackigen Äste – ja, das sind unaufhörliche Feste! Aber wer schlingt seine Zweige in meine, wer ruht neben mir wie der Stein beim Steine? weint. Sag meiner Mutter, und meinem Vater sag: einmal im Tag zu dieser Stunde, wenn die Erde sich ängstlich regt, weil die Nacht das schwere Dunkel auf sie legt, da sollen sie sich erinnern, daß ich noch in der Welt bin, da werd ich irgendwo niederknien und, wenn die Hände des Nachtwinds im Walde wühlen wie Menschenatem schwer und beklommen, da wird ihr Gesicht zu mir kommen. Und manchmal, wenn auch nicht jeden Tag, da werden sie spüren ein Etwas im nächtigen Wind, das wird sich regen und leise bewegen an dem Fenster, wo sie schlafen: da sollen sie wissen, das ist ihr Kind. Denn mein Beten wird mehr sein als ein Denken, mein Lebensatem wird hier bleiben und das Nest behüten, meinen Leib, aber meine Seele wird sich über das Nest emporschwingen und über die Wälder und die Flüsse hindringen wie ein glänzender Gott, wie ein seliger Schwan – Ein Windstoß. Es kommt ein Sturm, – fort mit dem Wagen, fort mit den Knechten! Sie sollen nicht jagen, daß mir die Pferde nicht stürzen. Sieh du nach dem Rechten! Leb wohl – lebt wohl! Er schreitet aufwärts ins Gestein. Sie werden fragen, was du tatest, als ich dich ließ. Sag ihnen, der Wind ist mein Gefährte, und das Dunkel ist mein Haus. Mit solcher Botschaft tret ich nicht vor sie! Bist du, die Worte zu setzen, so blöde? Sag ihnen, dem Sohn ist so wohl in der Öde, du sahst ihn niederknien im wüsten Gestein wie andere in einem heiligen Hain oder im seligen Lichten, und sein Gebet verrichten. Nun geh! Herr, laß deine Diener bleiben so lange, bis du gebetet hast! Fort! eure Näh ist mir zu Last! Sohn meines Königs! Ein Ende! ein Ende! Noch einen Blick! Willst du mich peinigen? Seid ihr fort, dann bin ich frei, dann betet mein Herz für mich und die Meinigen. Tiefes Dunkel, starke Windstöße. Phönix links ab, schmerzlich zurückschauend. Ödipus, oben, wo der Hohlweg einschneidet, legt seinen Stab weg, kniet nieder. Die Diener, unten aus dem Gebüsch hervortretend, strecken die Arme nach ihm. Dann gehen sie. Der Wagen rollt ab. aus dem Sturm. Die wir tote Könige sind, wir thronen im Wind – die wir gewaltig waren, uns schleift der Sturm an den Haaren, und dieser ist unser Sohn. das Haupt zur Erde geneigt, die Hände ausgebreitet. Erde, du mußt nun allein meine Mutter sein. Die stillen Wolken, die lauten Winde sind meine Geschwister. Ich hab alles fortgegeben, nur daß ich dein Kind bin, das ist mein Leben. Unser Ringen und Raffen hat ihn erschaffen. Herz und Gestalt, Begierden und Qualen – er muß uns bezahlen, daß wir mit Gaben beladen ihn haben. Er ist ein König und muß es leiden, und wär ein nackter Stein sein Thron: er ist unsres Blutes Sohn. Es redet nicht, es gibt keinen Schein, doch irgendwie dringt es in mich hinein, daß ich Vater und Mutter und Glanz und Welt und alles, was das Herz erhellt, nicht ganz vergeblich hingegeben habe. Ich fühl es um mich weben: ich werde noch leben. Stärkerer Sturm. von rechts heraufkommend. Böser Sturm, tückisches Dunkel, kaum seh ich den Weg vor den Füßen! Mußt du, fremdes Land, so häßlich den Herrn mir grüßen? Steil die Straße – da liegt ein Stein, dort sperrt ein Baumstamm, den Weg. Ödipus hebt betend die Hände. ihm näher. Ein Mensch! Fort aus dem Wege! auf! Den Weg gib frei! kannst du nicht hören? aufschauend wie aus dem Traum. Häßlicher Ton! Zorngeschrei! Wenn einer betet, sollst du ihn nicht aufstören – Wenn seine Seele nicht mehr zu ihm zurückkehrt dann ist er schwer zu heilen. Hörst du nicht den Wagen rollen, Nachtvogel du? Du sollst dich trollen! Einsamkeit, bleib bei mir! Aus dem Wege du! Was räkelst du dich auf der Erde? Bist du ein Hund, greif ich den Stein! an der Böschung, sich aufrichtend. Häßliche Gebärde! widerlicher Mund! Fort aus dem Weg – zum letztenmal! mit Widerwillen. Du Tier, nicht so laut! Willst du, daß ich den Stock brauch? bückt sich. Einen Stock hab ich auch! Ich geh – nur warte – steh, bis ich dort bin! Komm mir nicht so nah! Vorwärts da! Vorwärts oder – Nicht nach mir schlagen! Nicht? Du Tier, da nimm! Der Herold fällt dumpf hin. Still ist jetzt alles. Bist du tot? Es blitzt. Nirgends rot – ganz weiß wie der Stein – mein Stock – meine Hand? Der Wagen nahe, hat gehalten. Laïos, der Wagenlenker, die Diener von rechts. tastend. Hier ist der Weg. Ein Blitz. Hier liegt der Herold – erschlagen! Ödipus hat den Stock fallenlassen, steht links, auf den Toten schauend. Wütender Sturm. Herr, es sind Räuber – zurück auf den Wagen! in der Hand den Stachelstock. Mein Herold! erkennt die Stimme, wälzt sich hin. Mein Herr! bei dir sterben! Nicht sterben! Um Wasser! Ein Quell ist dort. Gebieter, ihrer sind mehr als wir: sie lauern im Dunkel. Ich bin allein. Ein starker Blitz. Ah! faßt mir den Mörder! leise. Stricke vom Wagen, ihn zu binden! Einer weg. Was wollt ihr tun? Ihr wißt nicht, wie es geschah. Er schlug nach mir, er trat mir zu nah! Strauchdieb, still! Mit deinem Atem schändest du noch dem Toten die Ruh! Wenn er zu dir gehört, so drück ihm doch die Augen zu. bückt sich zu dem Toten. Zu mir hast du gehört; die Jahre zählen wir nicht mehr – nicht wahr? Laß mich dein Diener sein anstatt des Toten – ich bin jung! Laïos, flüsternd zu den Dienern, die alle hinter ihm geschart sind. Einer geht Ödipus in den Rücken. Ich will mich erniedrigen bei Tag und Nacht – ich schlafe vor deinem Bett auf der Erde – ich betreue dir die Pferde – nimm mich mit! Du sollst mitgenommen werden, aber gebunden an Händen und Füßen – so kommst du mit. Was wollen die? Deckt sich den Rücken an einem Baum. Zugleich! – zu dritt! Einer hebt hinter Ödipus' Rücken, wie es blitzt, die Schlinge. ergreift blitzschnell den Stock vom Boden. Ich? gebunden? Was willst du mir tun? Das sollst du erfahren: dein Blut ist zu jung zur Sühne für dieses Blut, das alt und schwer war, dein Haar ist kein Preis für dieses angegraute Haar, und schick ich dich hier neben diesem schlafen, so hieße das zu milde strafen. So milde straf ich nicht. Wohin willst du mich bringen? Ich will dein freches Gesicht leiden sehen, aber im Tageslicht. Deine Stimme soll dir versagen, wenn sie dich Gebundnen mit Geißeln schlagen, hinrichten laß ich dich auf einer Richtstätte, wo Menschen sind: Greis und Mann, Weib und Kind. Sie sollen im Kreise stehn und es vollstrecken sehn – die Sonne soll hören dein Schrein. Mit was für Mörderhänden greifst du in die Welt hinein? Wer bist du denn? Ein alter Mann, der einen alten Mann hat müssen sterben sehn wie einen Hund unter deinen Händen. Aber du sollst zahlen! Ich will dich hinunterschicken, behangen mit Qualen, und bei den Toten wird er dir begegnen und wird sich weiden und mich dafür segnen. Deine Stimme ist Haß und Qual. Du hast nie ein Kind gehabt, du bist von den Unfruchtbaren, dein trauriges Weib, mit Staub in den Haaren, ist Tag und Nacht vor den Göttern gelegen – in dein Haus kommt kein Segen! Laß mich vorbei, laß mich fort! Er will entspringen! Wenn du wüßtest, wer ich bin, du hättest Mitleid mit mir. Mein Leben ist bittrer als sein Tod. Was weißt du in deinem alten Herzen von meiner gräßlichen Not? Willst du noch prahlen? – Faßt ihn doch, schleppt ihn her! Ich will ihm zu trinken geben aus meinem Herzen den bittern Saft! Ich trink ihn seit Jahren, ich habe genug – er soll ihn trinken in einem Zug! Schnell, ihr drei! Ich will fort! Knechte! vor sich. Kein Weg als dort! Hier steh ich! Er hebt den Stachelstock. Du Dämon, gib Raum! Schlägt nach ihm. stürzend. Fahre mein Fluch in dein Herz! läuft rechts ab. Dort hinab! Ihn fangen, ihn töten, ihm nach! Stürzen ihm nach, ringen. – Sturm. aus der Luft. Mich reißt es aus der Luft herab, mich wirft es aus meinem Königsgrab, Uralte Wut fällt mich Toten an – Ai! unser Blut rinnt aus dem toten Mann! hat von rückwärts den oberen Abhang erklettert, eilt hinüber, fliehend. Ah! Ein Dämon ist über uns – er tötet uns alle! Flieht. von rechts unten zurückkommend, Stille. Er steht. Wie gräßlich mir das Wasser half, wie mit hundert Armen! Schaudernd. Sie faßten mich noch und ertranken schon. Hier muß er liegen. Ich weiß ja doch, es ist ein fremder, alter Mann, warum fällt dieser greuliche Wahnsinn mich an, zu glauben, daß es mein Vater ist? Ich muß hinkriechen und ihn berühren! Ein Mondstrahl bohrt sich durchs Gewölk. Es fällt ein Schein auf sein totes Gesicht! Nur den Mut, nur die Kraft, hinzusehn, denn er ist es ja nicht! Er schleppt sich hin. Fremd! fremd! bleich, fremd und bös! Nicht bös – nur fremd – eiskalt und bleich und fremd. Gut sind die Götter – gut! Leicht ist mein Herz! Hebt die Hände zum Mond. Bedankt, du Schwanenflügel, aus der Nacht hervorgebrochen, mich zu trösten! Leicht die Hände heb ich! Leicht wiegt die getane Tat! Was war dies alles? Warum ist mir dies geschehn? Geschick, betastest du mich nur? Warum ist mir nun wohl? Soll ich dir Taten tun? Und darf der unbehauste Ödipus von nun in seinen Taten wohnen – ja? Fahles Dämmern rechts unten. Der Tag blüht auf. Die Welt blüht auf. Mein Herz blüht auf! Kein Blut auf meinem Stab, kein Blut auf mir! Nacht, nimm dir deinen Toten! Der Mond verschwindet, Ahnen des Tages, Rauschen in den Zweigen. Seht den Jungen, dem wir zugesungen: er fliegt wie gejagt dorthin, wo es tagt, – er setzt sich auf des Alten Thron – er ist unsres Blutes Sohn! Der Vorhang. 2. Akt Zweiter Aufzug Vorhalle in Kreons Haus. Zur Rechten über einer Stufe liegt der Knabe Schwertträger fest eingeschlafen. Türhüter, Wärter der Hunde stehen beisammen. regt sich im Schlafe. Mein Herr und König, ich will dich sehn in deiner ersten Schlacht. Wer redet? Der Knabe. Träumt der laut wie ein Jagdhund? Dabei schläft er so fest wie ein Toter. Hörst du denn nicht, mein König! Hör doch rufen! Ein ganzes Volk, das ruft: Kreon und Theben! Mit wem redet er? Mit dem Herrn vermutlich. Laß ihn und heb dich. Er nennt ihn König. Kümmerts dich! Wird unser Herr König sein in Theben? Daß ers werden will, weiß ich schon. Es läuft genug Gered darüber herum. Redest du mit deinen Hunden auch so viel? Die wedeln vor Freude, wenn ich nur den Mund auftue. Ich nicht, wie du siehst. Gestern ists zum Schlagen gekommen zwischen unseren Leuten und den Leuten der Königin. Weißt dus nicht, oder tust du nur so, als ob dus nicht wüßtest? sieht ihn bös an. Wie du einem von meinen bösen Thessalischen mit gespaltener Nase ähnlich siehst. Du bist der Rechte, um die Tür zu hüten. Sie sagen, wenn sie zehnmal ein Weib ist, so ist sie Königin und darf die Krone und das Königsschwert behalten. Und die Unseren schreien: Für Kreon die Krone! Sind das Sachen! Vieh! im Schlafe. Ich will auf deinem Wagen stehn, mein König, und dir die Pfeile reichen. Ich will schwelgen, wenn du den Tod ausstreust mit Königshänden. Hör den, der ist schon mitten drin. Ich sage, mach, daß du fortkommst. Warum tut er das? Warum ists ihm so um die Kron? Ist er nicht der reichste Herr im Land und der Bruder der Königin? Hat er nicht einen Hundezwinger wie kein König in Griechenland? Ich verstehs nicht, was ihn treibt, ich ließ' es, wenn ich er wäre. Er ließ' es auch, wenn er du wäre. kommt gelaufen. Sie bringen den Magier! Halb geführt und halb getragen! Er hat die Augen zu, sie bringen ihn. Der Magier Anagyrotidas, von zweien geführt. Ein verstörtes, bleiches Gesicht, die Augen mit schweren Lidern geschlossen. Kreon tritt aus dem Haus hervor, fürstlich gekleidet. zum Magier. Du stehst vor Kreon, Mensch. Du bist der Magier? mit geschlossenen Augen. Sein Leib, mit Schwerterhieben blutend aus dem Mutterschoß der Nacht herausgehaun, steht hier. Fluch über deine Knechte, die ihn vor dich schleppten. Meine Knechte taten, was ich befahl. Sie packten dich im Schlaf? Fluch dem, der es befahl. Die Nacht war gut. Die Nacht war ohnegleichen. Auf dem Leib des Opfertieres lag ich, zuckend mit dem Zuckenden. Aus seiner Kehle troff das Blut. Ich mischte meinen Hauch damit, da fuhr die Seele mir aus meinem Leib und schwang sich auf dem Tier hinab zur Herrin Hekate. Weh, die Gelenke schmerzen! Laß sie schmerzen. Ich leg dir Turmalin und Amethyst herum! Den göttlich Nackten rissen sie in kalte Finsternis empor. In Purpur und Byssos will ich dir die Glieder wickeln. Verflucht ihr Atem, den ich spüren mußte. Wolken von Ambra über dich und Duft von Myrrhen Tag und Nacht, wenn du mir hilfst! schlägt die Augen auf. Was ists, das du begehrst? Muß ich dem Magier viel reden? Mach mir meine Seele stark, Anagyrotidas, dann fordre, was du willst. Du bist in einen großen Kampf verstrickt um einen hohen Preis. Du sagst es. Tag und Nacht hörst du nicht auf zu ringen. Du hast mich aus dem Grab gescharrt, darin ich lebend lag, du kannst nicht länger warten: denn eine Kraft ist dir entgegen, stärker als deine Kraft. Du hast es wiederum getroffen. Aber nicht im Lichte wird der Kampf gekämpft: ein Etwas aus dem Dunkel wirkt seinen Zauber gegen dich. So scheints. Von nah Verwandten etwa geht es aus. Magier, du bist sehr klug. Für meine Augen ist ein Menschenleib ein aufgeschlagnes Buch, und jede Seele trägt die Miene ihres Schicksals vor meinem Blick. So kannst du meinen Feind mir sagen? Groß ist seine Kraft. Das seh ich. Drum flackert dein Gesicht, wie dessen, der gemartert wird. Er saugt an deiner Seele. Er stiehlt dich von dir selber. Wo du bist, dort bist du nicht. Der Tag, den du betrittst, ist doch nicht völlig Tag, die Nacht nicht völlig Nacht und gleicht von fern nur frühren Nächt und Tagen, stets schweifst du, wie auf einem fremden Stern, und Fremdes schweift durch dich, die Krongewalt der Seele der eigenen, ist dir entwendet, und der Welt Gebirg und Meer und Täler sind die Kissen nur, die deine Seele qualvoll durcheinander wirft, um sich zu wälzen aus dem wüsten Fiebertraum. Oh, du bist groß, der meine Krankheit kennt und hat mich nie gesehen! Magier, befreie mir die Seele, und ich lasse dich auf einem weißen Roß mit goldnen Zäumen nach Hause führen! Der Feind, der mit dir ringt, hat eine mächtige Seele. Ich nenn ihn dir, Anagyrotidas! dann aber hilf mir: es ist meine Schwester. Versöhne mir die Schwester, daß sie mir die Seele freigibt und mich König werden läßt! Sie hat mich einst geliebt, nun haßt sie mich, die Schwester, hörst du mich? Sie ist der Dämon, der mir die Seele aus dem Leibe saugt: denn ich hab fürchterlich an ihr getan, so tut sie fürchterlich an mir und zahlt. In ihrer Hochzeitsnacht, verstehst du mich, am Abend, da sich König Laïos vermählte mit Jokaste, sandten mich, den Knaben, der ich war, die hohen Priester mit einer Botschaft. Willst die Botschaft wissen? So fahr auch dieses hin! Dies war die Botschaft: »Nimm, Laïos, dich in acht, eh du das Bett besteigst, und wahre dich, denn wenn dir je der Schoß der leuchtenden Jokaste einen Sohn gebiert, so stirbst du auch von dieses Sohnes Hand. Nun wähle!« Fürchterliche Botschaft, Magier, im Mund des Kindes! Magier, es war die Hochzeitsnacht des Königs. War die Nacht, da er dem jungfräulichen Weibe nahte. Schwebt da nicht die Herrin Hekate ganz nah der Erde, wenn solch ein Königskind gezeugt soll werden? Verflucht die Priester, die dem Kind das taten. Aus Kindesmund den giftgen Tod hinein zu träufeln in die Lebenssaat! Da gings wie mit der giftgen Salbe, die Medea zur Hochzeit der Kreusa sandte: die zerfraß das Salbengefäß. Zerfraß das Gift des Kindes Seele? Ja, du fassest mich, so hilf mir, Magier! Ich seh durch wüsten Nebel Die Nacktheit deines Herzens glühn, gieß aus die Seele, wie das schwarze Opferblut! Durchdringen dich mit meines innersten Geschicks unnennbarstem Gefühl, das will ich, du großer Magier! Verlaß mich nicht, denn heut entscheidet sich mein Schicksal, Magier. Von dem Tag an zerfraß mein Herz und Hirn dies Wissen: Du bist König, bis dahin bist du das ungeborne Schattenbild von einem König! Mensch, von Stund an waren des Lebens Möglichkeiten abgelebt im voraus. Welche Taten sollt ich tuen? Sie waren alle unfruchtbar, sie rissen die Krone nicht von Laïos' Kopf herab. Da ließ ich meine Hände von den Taten. Ich wanderte, mich widerte das Land, ich ging zu Meer, da war das Meer erschöpft. Des Weibes Lust zu voraus abgeweidet, als hätt ich jede nackt in meinem Traum gehabt und wiederum von mir getan. Ein jedes Ding der Welt, ja auch der Mord, hörst du mich, Magier, auch der Mord so schal, als hätte ichs gekostet und dann wieder von mir gespieen. Magier, die Götter verglühten mir wie alte Fackeln! Ausgesogen war das Weltall, hörst du mich? Das hat Jokaste mir getan, ihr Blick hat mich gefeit gegen das Leben: weil ich ihr das Ungeborene erwürgte, hat sie mir so gezahlt, entmannt mein Wollen, in ungeborene kraftlose Träume mich gejagt. Ich hab zu viel geträumt. Beschneide mir die Träume, Magier, mit einem Messer: denn nun ist Laïos tot, nun müssen meine Kräfte schwellen zum Reißen, Mensch, nun muß ich greifen können nach Kron und Schwert, die Träume muß ich abtun: ein König träumt nicht, eines Königs Träume gehen aus ihm hervor und werden Taten und thronen in der Welt. Nun muß ich blühn, sonst faule ich! Dies ist mein Schicksalsmorgen, Zauberer, wenn du dran stürbest, reiß mir aus der Nacht ein Ding hervor, dran ich mich klammern kann, ein Ding, und wär es eine Qual, nur so viel als dem, der spielt, das Blinken des noch nicht geworfnen Würfels ist, daraus der Abgrund ihm grinst und auch der Himmel lächelt! Magier, nur einen solchen Lebensblick aus der versteinten Welt, den zaubre mir hervor, dann bin ich König, Magier, dann fordre die Welt von mir! Wo geht dein Auge hin, sieh mich nicht an, als ob du mich nicht kenntest. Die Kraft über Jokaste! Soll ich Kräuter anzünden? Willst du einen Becher trinken, drin Perlen aufgelöst sind? willst du baden, und wärs in Menschenblut? Womit bezwing ich die Schwester? Opfre, Kreon, opfre, Kreon! Was opfre ich? Die ganzen Herden, Magier? Das Haus? Befiel, es geht in Flammen auf, die Edelsteine, die Gewänder, alles? O Kreon, was du nicht gekauft hast, Kreon, ganz unbefleckt von deiner Seele Gier und dennoch dir gehörig, dieses opfre geschwinde. hinzuspringend. Solch ein Ding ist nicht auf Erden, Zauberer, du lügst. Kreon ist solch ein reicher Fürst, die Welt hat nicht, was Kreon nicht sich kaufen könnte; hat er nicht mich gekauft, den schönen Zwerg, mich, den Äthiopien geboren hat? Die Welt ist feil für Kreon. Kreon opfert kein ungekauftes Ding. Leckst du die Lippen und eiferst Hohn auf mich? Die Peitsche her! läuft fort. zum Magier zurück. Was greifen deine Arme in die Luft? Mein Dämon faßt mich an. Verflucht die Hände, die mir den heilgen Schlaf zerrissen, Fluch der Gier in meinem Herzen, daß ich kam. Und stürbest du, ich will die Antwort haben! Was muß ich opfern? Kreon, sei verflucht, aus meines Todes Schweiß heraus verflucht, für dein und meine Gier. Auch wenn ich jetzt nicht sterbe, sei verflucht, daß ich den Tod vorkosten muß. Die Antwort. Ich sterbe. packt ihn. Wie bezwing ich mein Geschick? stürzt zu Boden. Ihr Diener! Diener kommen. Schafft dies fort. Er ist nicht tot. So lag er auch, als wir ihn holten: auf den Knien bat uns sein Bruder, ihn zu schonen, bis die Seele ihm von selbst zurückgekehrt. Du hattest uns befohlen: diesen Morgen! so schleppten wir ihn her. Zwei tragen den Magier weg. Ins Haus, mir aus den Augen. Die Welt ist übertüncht. Ich hab das Glück, daß unter meinen Augen ihre Risse aufklaffen und mir scheußliche Geburten entgegenspringen. Mußt ich noch die Leiche an meine Brust mir legen? Wie lang schlief ich heut morgen? Herr, du schliefest nicht, du warst zu Wagen in der Stadt. Vergeß ich das, du Tier? Wie lang ich nach dem Bade schlief? Nur kaum geruhet hast du nach dem Bad, die Augen kaum zugetan. kehrt ihm den Rücken. Der Diener geht, sich neigend. Die Augen kaum. Und dennoch so maßlos widerlich geträumt. Mich alt geträumt, mit einer wüsten Schwere in den Gliedern, und noch nicht König, immer noch nicht König in Theben! Was? So etwas wie ein Diener des neuen Mannes, der dann König war. Ich glaube, als sein Bote stand ich vor ihm und wurde ausgescholten. Brächt ich nur den Ton aus meinem Ohr, mit dem ich ihm entgegnete, ein ekler Ton, ich glaub ich habe sein Gewand mit meinen Händen demütig angerührt. Verfluchter Traum! Und wie ich das Gesicht des fremden Menschen in mir nicht wiederfinde. Wenn ich glaub, da ists, dann nimmts von Laïos Züge an, ist eine Art von jüngrer Laïos, ist ein Laïos, der wiederkam! Wer bin ich wenn ich voll Stoff zu solchen Träumen bin? O bodenloser Abgrund, wenn das Zeugende des tief geheimen Denkens mir zu innerst mit solcher Unkraft mir vergiftet ist und in so fahlen Träumen seinen Atem ausläßt, daß mir vor Ekel übel wird. schnell aufstehend. Herr, was befiehlst du mir? Schlaf fort, das junge Blut braucht seinen Schlaf. Heut nicht. Ich schlief auch nicht. Du schliefst nicht? Nein, doch Herr, ich lehnte hier: dein Schritt ist wie des Panthers, und ich habe dich gehört den Gang herüber aus dem Bade. Schlief ich im Stehen? Ei, war niemand hier? Kein Mensch. Ach! Herr, du seufzest? vor sich. Eine Nacht voll solchen Schlafs. Wie sollt ich schlafen können nach einer solchen Nacht! Herr, du bist bleich nach einer solchen Nacht! Was weißt du, Knabe, von meinen Nächten? War ich nicht mit dir? O was für eine Nacht, Herr! Einen König hat sie gemacht und hats gewußt und funkelnd und blinkend sich gebrüstet, daß sies wußte. Und wo du tratest in die Häuser, Herr, da schlug das Dunkel vor wie eine Mähne, und aus dem Dunkel hob sich Wind und rauschte und deckte das Geheimnis zu. Die Sterne wollten aus ihrer Fassung brechen, um herab zu stürzen in dein Diadem. Ich lag bei deinem Wagen vor den Häusern, fliegend in Fieber. Knabe, wenn ich König bin, so laß ich deinen Namen in das Gold des Weinpokales graben, draus ich trinke zu Abend. Und ich horchte in das Raunen und Rauschen in der Luft, die königlich dein Schicksal wob, und wenn ein dumpfer Laut hervordrang aus den Häusern, wußte ich, nun fallen Männer, fürstliche, vor dir zur Erde, ihrem König sich zu weihn. Mit dieser Nacht hast du vorausbezahlt den Pfeil, der mich in deiner ersten Schlacht ins Herz mag treffen, Herr, und wenn er kommt, sink ich von deinem Wagen in den Tod und lache, wie der Schwimmer, der vom Kahn sich gleiten läßt ins Wasser, weil er satt ist die Lust des Fahrens. Könnt ich seine Worte für einen Morgentrunk in meine Seel mir trinken. Ah, durchlöchert ist der Becher, nichts kommt in mich. Herr, ich hör einen laufen, ein Bote, Herr. Hierher, hierher! vor sich. Was kann da werden? Hat ein Sieger je an seinem Königsmorgen so geträumt? hereinstürzend. Wer weist mich zu dem Fürsten? Wo im Hause find ich den Kreon, der heut König wird? hervortretend. Was bringst du ihm? fällt vor ihm nieder. Ein ungeheures Glück. Die Worte sind zu arm, du großer Fürst. Vom flachen Land komm ich hereingeflogen: es sammeln sich die Hirten deiner Herden, die Knechte sich im Wein- und Ackerland und sie ergreifen Winzermesser und sie binden Sicheln an die Hirtenstäbe: es sind Sendboten durchgeritten überall. Sendboten? Weiß auf schaumbedeckten Pferden. Geschickt von mir? Von dir? Von Göttern scheints gespornt und ausgespieen von der Erde! Es heißt, durch eines deiner Dörfer hat man die Dioskuren selbst jagen sehn und rufen hören: Waffnet euch, ihr Männer, für Kreon! Waffnet euch und zieht hinein, ihm helfen! schnell auftretend. Botenlohn, mein großer Fürst, ich bin Agathokles, der Tagesläufer, und bring die Krone dir von Theben, Kreon, im Mund getragen. Laß sie fallen, Freund. Die Stadt ist auf, das Schifferviertel brennt, und wie mit Nackten und mit Schreienden der Fluß und Strand sich füllen, von den Brücken da schreits herab: Laßt eure Häuser brennen, ihr Schiffer, Kreon wird euch Häuser geben! Auf, die ihr keine Häuser habt, zu Kreon, der König sein soll! Und wie wirkt das Wort? Wie's wirkt? So, daß sich aus dem Löwentor Zehntausend wälzen, ehe eine Stunde vergeht, um dort vor jener Königsburg für dich zu pochen, Herr! auftretend. Was immer diese melden, König Kreon, heiß sie zur Seite stehn und warten, ich allein bin wert, gehört zu werden. Bursche, du grüßest vorschnell. Nein, ich grüße richtig, denn aus der heilgen Straße komm ich keuchend: da wälzt sich dir ein unerhörter Zug, ein unabsehbarer von Priestern, Kreon, und dieses singen sie: Seht euren König, ihr heiligen Thebaner, der die Sphinx vertreiben wird aus ihrer Kluft zu Harma, und Kreon ist sein Name. O mein König, ich fühle wie die Züge sich begegnen! In meiner Brust, geliebter Herr, begegnen, einander sich die drei, wie Flüsse dröhnend! Verfärbst du dich? Vor Ekel über dich schmeichelnde Kröte, lügnerische. Ich dir lügen? Wie soll dies geschehn können jemals, daß diese glatten Künste, diese erbärmlich mühsam ausgesonnenen, Gewalt bekommen, wirkliche, das Volk empor zu reißen zu der Königsburg, auf daß sie mich zu ihrem König machen, mich, dessen Herz sie minder kennen als die Klüfte des Kythäronbergs da drüben? zu den Boten. Ich bitt euch, geht, der Herr, ihr seht, ist unwohl. Im Hause seid so gütig, Freunde, wartet. Man ruft euch wieder. Herr, bei meinem Kopf, ich hab dir wahr geredet. Geht nur, geht, wer zweifelt! in der Tür noch zu Kreon. Wie ich sagte, Herr, die Deinen unzählbar wimmeln aus dem flachen Land gewaffnet. Auch die Dirnen? Wie, mein Fürst? Ich meine, ob die Dioskuren auch Kuhdirnen sich bewaffnen hießen, mir die Krone zu ergattern? Geht, man ruft euch. Drängt sie ins Haus. Was starrst du so auf mich? Da du ja weißt, daß ich dies alles ausgesonnen habe, da du ja weißt, aus welchem Stoff dies alles gebildet ist! Wie kannst du jubeln, Schlange, wenn du vernimmst, daß nun die Sonne das soll sehen, was der bodenlose Abgrund heraufschickt, der die fahlen Träume mir gebiert! Dies alles ist die Kreatur meines Verlangens: Knabe, wo war Kraft in dem Verlangen? Verflucht, was da erbärmlich sich hinaufschleppt: ich wills erwürgen, eh die Sonne es bescheint. Mich graust, ich will nicht vor den Spiegel treten, in dem ich ganz mich sehen muß! Mein König! Ja, wirst du fahl, wird alles fahl, worauf mein Auge fällt? Muß ich mit jedem Blick die Leichen sehn in übertünchten Gräbern? Tritt ab! Herr, fürchterlich versuchst du mich, Doch du versehrst mir meine Seele nicht. Hör ich dich reden, daß das Blut mir friert, so denk ich: träumend mußt du nieder, wie das Niedrige empor sich träumt, und säh ich dich tun mit den Händen eine Tat des Grausens, säh ich dich in Schmach und Leiden dich wälzen, dann noch schriee es in mir: so müssen Könige ihr Diadem aufwiegen, und würfe mich vor deine Füße hin. Wie klug du lügst. Veracht mich nur, was hab ich vor dir getan! Ah, schminkst du dich mit Tränen? Man kann sich auch mit Taten schminken, also warum mit Tränen nicht? Sag mir, womit hab ich denn dich gekauft? Ists mit dem Glanz des Königsschwertes, das du vor mir her willst tragen? Mit dem Platz an meiner Seite in meinem Wagen? Füllen die die Seele dir bis an den Rand? Du hast mich nicht gekauft, es sei denn damit, daß du Kreon bist und ein geborner König. Sieh, das kann ich beweisen, Herr, mit einer Schrift, die mir auf meiner Brust geschrieben ist. Die Narbe hier überm Herzen Ja! Die ist aus einer Nacht, da lagen wir auf unsren Knien in Theben, und in das Dunkel sangen zu den Göttern die Priester. Trug der Nachtwind dirs herauf? Denn alles dieses war um deinetwillen. Wars die Nacht, da ich die Sphinx bestehn ging? Die Nacht. Mit einem Mal erloschen alle Lichter, und alles Singen wurde still, und alle beteten für dich, mir aber schien mein Beten zu gering, denn es bestand nur aus Gedanken, zwar aus glühenden, doch haftet auch Gedanken noch von der Nichtigkeit der Worte an. So griff ich nach dem kleinen Messer, das ich im Gürtel trug, und ließ mein Blut hinfließen für dich. Und ich, bevor der Morgen graute, bin ich zurückgekehrt, unfruchtbar war mein Gang und dein Geopfertes vergeblich. Ekelt dich nicht? Die Götter wolltens nicht in jener Nacht. Sie gaben dir ein Zeichen: sie ließen deines Fackelträgers Fuß ausgleiten und er stürzte in den Abgrund, so mußtest du zurück. Doch, siehe, ich, ich wußte nicht, daß ich im Leben noch die Augen würde auftun, und ich wußte nicht, daß dein Schwertträger lag, wo nur die Geier ihn fänden! Midas bin ich, Midas, Midas, dem was er anrührt scheußlich sich verwandelt! Ich hab auch dich gekauft, schwachsinn'ger Knabe, es waren nicht die Götter, die den Mann, der mir die Fackel trug, in Abgrund stürzten. Auf einem solchen Wege strauchelt keiner von ungefähr. In seinem Rücken steckt mein Dolch. Sag nein! sag, daß du mich nur prüfst! Wenn du ihn haßtest, warum dein Schwert ihn tragen lassen? Knabe, ich weiß nicht, ob ich ihn gehaßt hab oder geliebt. Doch wie er damals vor mir herging, so fühlte ich, daß er in seinem Herzen nicht glaubte, daß ich siegen würde, hörst du? Ich fühlte es an seinem Schritt, ich konnte es seinem Rücken ansehn, – da erstach ich ihn. Der Knabe verhüllt sich das Gesicht. Wenn er als Fackelträger vor mir herging und mich im Innern preisgab, war er da nicht ein Verräter? Der Knabe zittert. Schweigst du mir? Du meinst, entscheiden darüber könnte einer nur, der wüßte, ob er im Herzen ein Verräter war an mir – vielleicht in seinem Herzen litt er an seinem Zweifel. Sieh, ich sage dir, wer so ist, dem ist besser, nicht zu leben. Einfache Seelen sollen leben, Knabe. Nun, Knabe, willst du noch Kreons Schwertträger sein? auf der Erde. Laß mich. über ihn gebeugt. Hab ich dich Furcht gelehrt, und gingest immer wie einer, den vom Rücken nichts bedroht, Beneidenswerter!... Eine Stille. Also doch gekauft, gekauft ums Leben dessen, der vor dir mein Schwert trug... Eine Stille. Und mir ist, als hätte etwas mir die Hand geführt bei dem lautlosen Stoß: vielleicht war das dein Dämon, Knabe. Knabe, hast du nicht ein begehrlich Spiel gespielt, die Nacht mit deinem Blut? Geht weg zur Tür. sich aufrichtend. Weh, bleib ich nun bei dir, so denkt dein Herz, du habest mich gekauft mit deines Schwertes Glanz und mit dem Platz auf deinem Wagen. an der Tür. Hörst du, wie die uralten Totenlieder um Laïos aus allen Mauern dringen? Die Königin ist stark, verlaß mich, Knabe, wer klug ist, läßt ein Schiff, das sinken soll. steht auf, gebrochen. Dein Blick ist traurig, Herr, wie ich ihn nie gesehen habe. Über einen Abgrund von Qualen kommt er mir herüber. Herr, wie wenig kenne ich dein Herz! ich fühle, du kannst hier sein und anderswo. Mein König, wo bist du? Immer wo ich nicht sein will, einfache Seele du. Was gäb ich drum, bei dir zu sein, den ich erkauft mir hab, und bin, ich glaub, bei dem, der tot ist, der im Abgrund dort verwest. Herr, deine Seele ist krank, mein König. Und doch könnt ich dich mehr lieben, als ich jemals ihn geliebt. Allein ich glaub, er gab mir größre Kraft, wenn er bei mir war. Wär er jetzt bei mir, mir ist, ich stünde nicht von meiner Unkraft geschüttelt hier, mir ist, wär er bei mir, ich läg und schliefe jetzt und aus dem Schlaf mich wecken kämen sie und legten mir die Krone auf mein Bett. Mein Herr und König, in deiner ersten Schlacht will ich auf deinem Wagen stehn, mit offnem Hals und unbedecktem Haupt und mich für dich dem ersten Pfeil hingeben. Ist das die Luft, in der ich siegen kann? Wie sie die unheimlichen Totenlieder mir herüberjagt zum Hohn! Die Lieder sind um Laïos, der König war vor dir. Ganz recht, warum zog Laïos hinaus und ließ die Lanzenträger hinter sich? Wem hält das Weib die Burg? Für wen bewahrt sie Stirnreif und Schwert? Das Volk von Theben pocht ans Tor für dich. Verdammter Widerhall kraftloser Wünsche. Nirgends aus der Luft schwingt sich ein Helfer mir und wär es nur ein Fächeln, nur ein Hauch. Wie ausgesogen das Weltall. Zog er nicht hinaus wie einer, der Platz zu machen geht? Für wen? Ich muß sie fragen. Will fort. In einer Stunde, Kreon, bist du König, dann frag. Jetzt muß ichs wissen, blöder Knabe, jetzt oder nie. Sie thront und ist ein Dämon voll Kraft und höhnt mich mit den Totenliedern, sie hält mein nacktes Schicksal in den Händen. In deinen Händen ist dein Schicksal, Kreon. Schweig mir! Warum zog Laïos in den Tod? Es gibt keinen Gedanken auf der Welt, als diesen. Weil Laïos in seinen Tod hinauszog, um dessentwillen kannst du König sein, eh diese Sonne sinkt. Blödsichtger Knabe, eben weil dies auf meinem Weg so lächelt, darum atmet es mein Verderben! Stürzt hinaus. Kreon! Kreon! Er hört mich nicht – Ich bin ihm nichts. Das Weltall stockt rings um ihn. Er glaubt an keinen Menschen. Kein Weg zu ihm. Ein Weg ist immer: einer – vor dem mich schaudert, dieser ist der meine, der einzige, – sonst bin ich nichts, verworfen, ein Scherben. Zieht ein Messer. Kreon, du sollst den Dämon haben, der sich dir herniederschwingt aus leerer Luft und Kraft in deine Seele fächelt, o mein König! ... Man kann sich auch mit Taten schminken. Gräßlich, daß mir das einfällt. Fort, das ist ein Wirbel, der mich nicht packen darf. Ich muß mich haben. Jetzt darf ich schnell mich geben. Geht ins Haus. kommt eilig. Kreon! Kreon! kommt. Die Schiffervorstadt brennt, zehntausend schreien nach einem König. Wo ist Kreon? Kreon! Ins Haus, dies hat nicht Zeit! in der Tür. Hier liegt ein Mensch. bei ihm. Sein Knabe? Schläft der hier? Ich bin voll Blut. Der Knab ist tot! Er ist noch warm, doch jetzt ist nicht die Stunde, dies zu melden. kommt eilig. Kreon! Verhangenes Gemach im Palast. Halbdunkel. Links führen Stufen zu einer türlosen Öffnung in ein anderes, höher gelegenes Gemach. Jokaste tritt herein. Im gleichen Augenblick tritt oben auf der Schwelle des Nebengemachs Antiope hervor. Ihr greises Gesicht ist blutlos weiß; ihr dunkles Gewand verfließt in der Dämmerung des Raumes. Sie stützt sich auf einen Stab. Im Augenblick, da Jokaste hereintritt, hört man sehr stark den Gesang der Totenklägerinnen im Hause. Dann dämpft er sich sogleich, als wären Türen zugefallen. Schläfst du, Mutter? von oben, wo sie bleibt. Meine Augen schlafen, aber mein Herz ist wach. Was singen die? Die Totenlieder, Mutter, um Laïos, deinen Sohn. Und du klagst nicht? Du liegst nicht an der Erde? Dein Gewand ist nicht zerrissen? Meine Frauen haben die Brüste sich zerschlagen. Hörst du nicht, wie das Gewölbe schallt von ihren Klagen? Sie wälzen für mich ihren traurigen Leib auf der Erde, in mir ist alles auf Tod und Trauer gestellt – was brauch ich die Zeichen? Was frommt mir die Gebärde? böse. So große Kräfte sind in deinem Blut, du Königin, die große Priesterin – wer ergründet deinen königlichen Sinn! was brauchst du die Toten zu ehren! Was willst du, Mutter, von mir? Wehe denen, die unfruchtbar sind! Mutter, du hast zu lange gelebt – so warst du fruchtbar und bist es nicht mehr, deine gesegneten Hände sind heute wieder leer, kinderlos ist wieder dein Schoß. Und der Wind gehet um dich herum so wie um mich. Wehe über dich, daß es so ist! Dein Wort kehrt sich wider dich, indem es aus deinem Munde geht. Mutter, was willst du von mir? Laïos, meinen Sohn, will ich von dir! Gib mir ihn wieder! Mutter, er war mein Mann. Wer hilft mir? Ich stand aufrecht, als sie aus Königsschlachten meinen Mann und meine Brüder brachten. So wie Laïos starb, dürfen Könige nicht sterben: vor der Zeit bleichte sein Haar, mit Netzen umstellte ihn, daß ich es sah, ein langsames Verderben. Gib mir ihn wieder! Mutter, komm zu dir! Ich bin seine Frau. Wer die Unfruchtbare zu sich nimmt, auf den blicken die Götter ergrimmt. Er schläft mit ihr, er teilt mit ihr sein Brot, – so ißt er sich den langsamen Tod. Er atmet den Fluch in sein eigenes Blut, er wird des Lebens nimmer froh – wehe! Mutter, von wem redest du so? Du warst seine Frau? So höre mich an, die ich auch eine Königin bin. Ich weiß die Gesetze und die Gebräuche und ihren Sinn. Königen sind ihre Frauen gegeben, damit das, was königlich war an ihnen, an ihren Seelen und ihren Mienen, ihre Königsgedanken und Königsgebärden, unter den Völkern weiterlebe: wo ist das Ebenbild, geprägt in deinem Schoß, darin ich königlich und groß meinen Sohn wiedersehe? Bring ihn doch, daß ich mich freue seiner Nähe! Mutter, laß uns jede in ihre Kammer gehn und um die Toten weinen. Aber es sind nicht alle Dinge auf Erden so wie sie scheinen. schweigt haßvoll, wendet sich aufgestützt halb ab. die Hände zu ihr hebend. O Mutter meines Königs und Erlauchte, wie glich mein Gatte dir an Stirn und Aug. Ich neige mich vor dir, die du ihn mir geboren hast. Warum zog Laïos, mein Sohn, hinaus? Ich weiß, du kannst nicht lügen, so sag es mir. Ertrug er nicht das Haus, das ohne Kinder war, und widerte dein unfruchtbares Bette seinem Herzen, daß er hinzog mit wenig Knechten, so wie einer, der den Tod nicht meiden will? Wer meidet seinen Tod? Nach Delphoi zog dein Sohn zum Gott – Im Herzen welche Bitte, die, ehe sie ans Licht kam, ungesprochen, ermordet ist mit ihm zugleich? Du fragst? Die Sphinx! Erträgt ein König das? Du teilst sein Bett; du sagst, das war der Grund? Seitdem der Dämon sich zum Nest gewählt die Höhle dort und singend Männer würgte, kam Nacht für Nacht kein Schlaf in unsre Augen, wir saßen aufrecht da und lauerten, und gräßlich wars zu hören – gräßlicher die Stille. Unsre Blicke mieden sich und unsre Lippen blieben zu – allein wir dachten nur das Eine. Warum zog der König nie hinaus und brachte Opfer und übte heilge Bräuche vor der Höhle, darin sie haust? Dies ist – vielleicht geschehn – vielleicht hat Laïos ein sehr großes Opfer gebracht in einer finstern Opfernacht. An welchem Ort? Die Götter selber wählen den Ort. Allein der Dämon lebt und mordet! So war dies Opfer nicht genug. So scheints. Für sich. Ich sag mirs selbst – nun sagt sies auch. Leb wohl. Leb wohl? Du bleibst ja hier. Und ich – auch ich – Meinst du, ich stürbe schnell dem Sohne nach, und sagst mir Lebewohl? Allein ich lebe. Und wenn mich dies nicht in die Grube warf, so steh ich fest: uralte Götter nähren mein altes Blut, die Nacht und andere, zu denen ihr zu wenig betet. Ich bedarf nicht Schlafes. Meine Augen sehen die Nacht, auch wenn es tagt, so wie wer tief genug in einen alten Brunnen stieg, die Sterne auch am hellen Mittag schaut. Ich lebe halb im Leben, halb im Tod. Die ich geboren habe, sind dahin. Der erste war ein schönes Kind: ihn zog ein glitzernd helles unschuldsvolles Wasser, ein liebliches hinab, – da war er tot. Der zweite war ein kühner, wilder Knabe: er legte Feur an seiner Feinde Stadt, und Feur verbrannte seinen Leib. Der dritte – Sinnt nach. der dritte war dein Mann, er fuhr die Straße durch fremdes Berggeklüft in Nacht und Wind und kam nicht mehr zurück. Ich aber lebe. Was ich dahingab an den offnen Tag, ist mir zur Nacht geheim zurückgekommen. Mir ist, ich überlebe auch noch dich. vor sich. Das kann leicht sein. Obwohl du dastehst funkelnd von innen und bezeichnet bist mit Zeichen des Lebens – so wie Laïos für mein Aug die Todeszeichen trug. – Doch was mich hält, ist gleich geheimnisvoll wie das, was lebt in dem Rubin, dem einzigen, der mitten im königlichen Stirnreif stizt und nachts viel stärker als am Tage glüht, und stoß ich einmal die Nahrung und den Trunk zurück, so leb ich dann vielleicht noch Jahr und Tag, im Dunkel kauernd, von den matten Blitzen des Königsschwerts, das dort am Nagel hängt. Von diesem Stab löst meine Hände nicht der Tod: es muß ein Gott und ein Geschick des Weges kommen und mir aus den Händen ihn winden. Ja, du redest zu den Göttern wie zu verwandtem Blut. Du ringst mit ihnen wie eine Riesenfackel mit dem Sturm. Für sich. Ich brenne mit so schwacher Flamme, käme ein Kind, das irgendwo im Schatten steht, es könnte sie ausatmen. Mutter – Mutter – wie gleichen deine Hände, wenn sie so den Stab umklammern, Laïos' Händen! Mutter – er war fürwahr dein Sohn. Mit solchen Händen hielt er das Königsschwert, mit solchen faßt' er das Diadem – umschlang er meinen Leib – – Vor sich, halb unbewußt. mit solchen Händen griff er nach dem Kinde – – Weh, Mutter, hörst du mich? Ich höre dich – du sprachst von Laïos, meinem Kind. Ich sprach von Laïos und einem Kind! Du hast ihm kein Kind geboren. Weh den Unfruchtbaren! Sie tragen einen Fluch! Dich schaudert nicht, wenn du bedenkst, was du geboren hast? Ich trug von einem König Könige! Fort mit der Kinderlosen, aus dem Bette! Mich würde schaudern bis ins Mark, zu denken, daß ich die Mutter eines Menschen bin. Weh, Mutter von Dämonen! Schuld und Qual aufhäufend maßlos! Wo sind Grenzen? Wie entsühnst du dich? Wie legst du an die Kette das rasende Begehren? Wann erlischt der Brand, der springt und springt und was er anfällt, verzehren will! So fleh doch um ein Ende! Was einer leiden kann, ist ohne Maß! So segne doch die Götter, daß sie gnädig mit ihren Füßen ausgetreten haben das Feuer rings um dich, das fressende aus deinem Leib, und dich mir gleich gemacht. Nun atmet reine Luft um dich herum, und stirbst du nun, so kommst du ganz zur Ruh. Wohl dir und mir! Fluch über deine Zunge! Auf, meine Söhne! Auf, du aus dem Wasser – du aus dem Feuer – du aus frischem Grab! Auf! Her zu mir! Und treibt das Weib hinaus! Sie höhnt mich, daß ich fruchtbar war, und prahlt, die nichts geboren hat. Ich hab geboren. böse. Beinahe hättest du. Allein den Atem ihm mitzugeben, das hast du vergessen. So kam es tot zur Welt und tauschte nur ein Grab mit einem Grab. finster. Es hat gelebt. Das stolze Kind! Wie viele Augenblicke? Denn Stunden warens nicht. Es hat gelebt, solang, als diese Hände da zu leben ihm gönnen wollten. Diese? Oder die des Sohnes. Denn es sind die gleichen. Was für Reden sind das? – Dunkle jedenfalls. Die Tat war mehr als dunkel. Sie hat Nacht für immer ausgeschüttet über mich und über ihn. Ich höre, wenn du willst, oder ich lasse dich und gehe fort. Für Rätselreden ist mein Kopf zu alt. Stammutter alles dieses Unheils du, so hast du nicht zur Grube fahren dürfen, bevor auch dieses Letzte, Tiefverborgne noch, wo es lag und über ihm, gewälzt, die Qual von Jahren, unaufhaltsam sich ans Freie windet und hinüberkriecht in deinen Leib, wie, wenn es Abend wird, die Schlangen zu der alten Höhle kehren. Denn ohne daß ich mich bezwingen kann, tritt es aus mir hervor – als stiege unten in meine Seele unaufhaltsam, lautlos wie dunkles Wasser schon der Tod und jagte ans Freie, was da wohnt. Ich steh und höre. Aus meinem Schoß das Kind, das schöne Kind, mit Augen tief und strahlend, mit dem Hauch des Lebens rings um seinen Leib – das starke, lebendige Kind – mit seinen beiden Händen hat Laïos es erwürgt! Sie ist von Sinnen! Jokaste, komm zu dir! Ich bin bei mir. Erwürgt mit eignen Händen oder fort getragen und dem Knecht gegeben, der es töten mußte. Ist nicht dies wie jenes? Weh mir! Wie er es griff, das sehen noch die Augen da – dann wurde Dunkel – Dunkel! Und als ich zu mir kam, da stand er da an meinem Bette, Laïos, – da wars vorbei. schweigt. Hörst du mich, Mutter? Tot war mein lebendiges Kind! schweigt. Bist du von Stein? Nach einer Stille. Warum hat Laïos, mein Sohn, der König, das Kind aus deinem Schoß mit eigner Hand hinrichten müssen? War es nicht sein Blut, er hätte dich gerichtet mit dem Kinde. Ich kann nicht sehn im Finstern. Rede du. Willst du es bis zur Neige trinken? Du bist stark. Als ich vermählt mit Laïos war, des Tages ward mein Leib gesegnet – oder vielmehr verflucht – mit einem Kind. Da sandte der König diese Botschaft an die Priester: sie sollten kommen und die Bräuche üben und weihn in meinem Leib das Ungeborne. Sie kamen nicht. Sie sandten eine Botschaft zurück, und nicht durch einen Herold – nein! Kreon, dem Kinde, meinem Bruder, legten die Gräßlichen in seinen Mund, zu melden, was gräßlich war: Der König hüte sich und stehe an dem Bette seiner Frau, gewappnet und mit einem nackten Schwert, wie vor der Höhle, draus sein schlimmster Feind hervorzubrechen lauert. Ists ein Knabe, den ihm die Königin gebiert, und wird der Knabe Mann, erschlägt er seinen Vater und setzt sich auf den Thron. Du standest nah, als Kreon, der ein Kind war, deinem Mann die Botschaft brachte? Nein. Ich war so selig in dem, was mich erwartete, ich lebte und wusch mich in den heiligen Gewässern, und daß der König bleich und finster wurde, ich sah es kaum. Bis einmal, eine Nacht, da trat er an mein Bette, und sein Atem ging wie der Atem eines fremden Mannes, daß ich erschreckt ihn rief bei seinem Namen: da sagte er es mir. Was dann? Ich betete, daß es ein Mädchen würde. Tag und Nacht rang ich in mir mit dem, was dunkel ist, mit dem, was keinen Namen hat. Es waren die Qualen alle ganz vergeblich. Einsam im Berggeklüfte steht ein Turm – dort bracht ich ans Licht, was nicht im Lichte bleiben durfte. Du sagst, zu töten gab ers einem Knecht? Mitwisser war der Knecht. Er durfte schwerlich am Leben bleiben. Was geschah mit ihm? Das weiß ich nicht. Doch hätte ich gehört, er habe diesem einen andern nachgeschickt, der stärker war, ihn zu erwürgen und irgendwo geheim ihn zu verscharren, ich glaubte es. Wer dieses Eine tat, tut vieles und schreckt nicht zurück vor Blut. Recht war und klug und so, wie sichs geziemt für einen König, war, was Laïos tat. Auch mit dem Schicksal ringt ein König noch Brust gegen Brust. Nein! nein! nein! Ihr – ihr wohl. Ihr tuts! Mit fürchterlichen Händen greift ihr in die Welt. Allein was frommt es denn? Nützt denn das blutge Opfer? Haben wir – wir zwei, er, der mein Herr und König war, und ich, ein halbes Kind, und alle beide vom Blut der Götter, haben wir nicht da dem Leben so geopfert, wie niemals zuvor geopfert wurde? – Und dafür hat uns das Leben angeschaut, als wäre es über unsrer Tat erstarrt und müßte mit Blicken, unter denen unser Mark gefror, uns zahlen, daß wir ihm zu wild gedient. Oh, hätte Laïos mich gehört und mich und sich dem Tod geweiht, anstatt des Kindes – oh, ich hätt ihm geben können, was nun vergraben blieb! – die Sterne hätten in uns gebebt, die dunklen heilgen Flüsse in uns hineingerauscht, wir wären ganz allein gewesen auf der stummen Welt – allein! – wie hätte ich mich geben können! Wie eine Göttin einem Gott! – Er aber, er war dein Sohn und rang mit seinem Leben und rang und rang, ich sah ihn bleicher werden und finstrer, sah ihn leiden – litt ich denn nicht auch? Ich weiß es kaum. Ich zog mich so – so aus dem Leben, wie man seinen Leib aus einem Bade zieht, kaum daß der Fuß noch drinnen ist – ich war ganz abgelöst, und in mir dacht es nicht: dies muß ich leiden, nein: solche Leiden gibt es in der Welt, so leiden Königinnen, dachte ich, als säng es einer, und ich hörte zu. Dies ist ein Zeichen, daß die Götter dich umgeben haben wie mit einer Wolke und aufgespart für was noch kommen soll. Jokaste, wie ich nie dich sah, so seh ich dich nun. Nun kommt nichts mehr. Nein, Mutter, sie betrügen nicht, die Götter! Nun ists doch das Kind, das seinem Vater hat den Tod gegeben. Freilich nicht mit eigner Hand, das arme Kind – es wohnt ja nicht im Licht. Doch einen Herold hats zuerst geschickt, der nistete sich ein, von wo sein Singen zum Vater und zur Mutter drang, sooft sie schlafengehen wollten. Redest du dies von der Sphinx? Ich rede von der Sphinx. Die Mutter kennt die Boten, die das Kind heraufschickt aus der finstern Weit da drunten. Es waren Räuber, die den König schlugen, und nicht die Sphinx. Doch wars die Sphinx, die trieb ihn hin, dort in das fremde Berggeklüft, und dort sprang sein Geschick ihn an. Der Räuber war nur der mißgestalte niedre Sklav für einen, der im Dunkel stand. So schlug das Kind den Vater. Doch sein Bote wartet noch immer dort. Ihm fehlt noch immer etwas zu seiner Botschaft, die er melden soll dort drunten. Wie sie alle Zeichen deutet – wie richtig und wie falsch! Hörst du mich, Mutter? Wo bist du? Wie das Dämmernde erglüht von ihrem Blut! wie stark die Lebensflamme sich hebt! Was sagst du, Mutter? Wie du strahlst! wie du den Gott herbeiziehst! Welchen Gott? Wen siehst du, Mutter, aus dem Dunkel treten? Den Gott, der sich mit dir vermählen soll und Laïos, dem Toten, einen Erben erwecken soll aus deinem Schoß. Schweig, Mutter! Du stehst nicht dort, wo Menschen atmen dürfen – ich höre nicht auf dich. Ich fühl ihn nahn, aus einem Walde windet er sich los. Trägt ihn ein Adlerfittig? Jagt ein dunkles Gewölk mit ihm daher? Ich hör ein Rauschen – ist das sein Mantel? Mutter, was dich schüttelt wie Sturm die Flamme, ist mein naher Tod. Dein Leben ists, dein kommendes, es haucht herüber grenzenlos, wie feuchter Atem von stürzendem Gewässer auf mein altes Gebein! Des Todes Zeichen sind um mich – meinst du, ich fühl es nicht? Mein Leben starrt nicht mehr versteinert auf mich her, ich sehe die Dinge alle so, als hätte ich sie liebgehabt und müßte um sie weinen: mir ist, als wäre hinter ihnen allen mein totes Kind versteckt. Die Ungebornen verbergen sich im Busch und Strauch, sie winken aus Luft und Wasser. Laïos, mein Mann, wo bist du denn? Ich kann dich ja nicht finden – nicht hier in meiner Brust und nicht im Haus! Ich kann den Klang von deiner Stimme nicht mehr finden! Geh mir nicht so schnell voraus – so warte doch auf mich! – Hilf mir doch, Mutter! Ich kann seit dreien Tagen meinen Mann nicht denken, wie ein fahler fremder Schatten sinkt er zurück, so tief hinab, er läßt mich so ganz allein! Den Toten laß die Toten, Du Selige, die du lebendig bist! Sieh, die Geräte leuchten, und das Haus kann seine Lust nicht halten, und die Luft ist voll davon. Nein, nein, so grüßt der Tod. Bald kommt ein Zeichen. So wie nie im Leben, so fühl ich meinen Leib: nicht schwer noch leicht – ich fühl ihn so, als wär ich selbst die Luft, die ihn umfließt und von ihm Abschied nimmt. steigt die Stufen herab. Vergib dem Mund, der dich unfruchtbar nannte, er hat gefrevelt. Sieh, die Hände machen es gut und weihen dich. Leib meiner Tochter, gesegnet sei! Rührt Jokaste an, weihend, umschreitet sie feierlich. Was tust du, Mutter? – Mutter – Ich bin des toten Laïos Weib! Für wen segnest du mich? Für den, der kommen wird. Der Tod – der Tod! Du Blut vom Blut der Götter, ich habe dich geweiht für Laïos' Bette, nun weih ich dich für ihn, dem Platz zu machen Laïos hat sterben müssen. Auf die Tür! Ihr Totenlieder, hüllt mich ein! schreitend und weihend. Die Götter vergessen nicht ihr Blut, sie senden einen: er schwingt sich aus der Luft, er tritt aus Flammen hervor, das Wasser gibt ihn her, er kommt – sein ist das Schwert, sein ist der Stirnreif, sein ist König Laïos' Bette. Schweig und steh! Mächtiges, dumpfes Getöse außen. Ich hör ein Brausen. Schwillt der Fluß herauf, der alte heilige, über diesen Berg und spült dies Haus hinweg und mich mit ihm? Dann segne ich den Fluß: er ist mein Ahn und kommt mich holen. Sie stehen beide horchend. Das Totenlied ist plötzlich abgebrochen. Das Getöse schwillt an. Nun werden alle Träume wahr: das ist das Ende. Was für Träume? Wenn ich lag und schlief nur halb, da kamen sie gezogen, die Tritte schlürften – viele waren sie – mit nackten Händen schlugen sie die Mauer. Wer kam? wer schlug ans Haus? Die Mütter. Mütter? Die, deren Kinder tot und unbegraben da drüben liegen. Bei der Sphinx? nickt. Die Toten laß tot sein. Doch die Mütter – zu der Mutter – die Mütter ziehen alles hinter sich, das Blut ist stark, die Welt hängt an den Müttern. Dumpfe Schläge ans Tor. Was haben wir zu schaffen mit dem Volk? Der Tod kam über sie aus meinem Leib! Aus deinem Leib? angstvoll. Die Sphinx – ich weiß es, Mutter, ich weiß es – Laïos hat es auch gewußt – er zog hinaus – doch an dem einen Opfer war nicht genug. Schläge. Ich will hinaus! hinausrufend. Verrammelt das Tor mit Steinen! Nein, ich will hinaus! Wer wirft sich einem Wildbach in den Weg? Ihn bändigt eine Mauer, nicht ein Mensch. Sie wollen mich! Wer sind sie, daß sie dürfen die Hände recken und dein Blut begehren? Du bist die Königin. Sie fordern mich! Ihr Schreien ist wie Wasser, wenn es brüllt. Ich will zu ihnen gehn! Stärkere Schläge. Die Mägde schreien auf, draußen. Schreit zu den Göttern. So hat es kommen müssen. Mit dem Blitz in Fäusten fährt ein Gott in Flammen nieder und mit der einen Hand umschlingt er dich und mit der andern schleudert er den Tod. Bacchos, wir schreien zu dir auf, wir sind von deinem goldnen Blut! Jokaste, her! Herab dies Kleid! Wer hüllt den Leib in Jammer, wenn sich ein Gott mit dir vermählen kommt? Ja, Mutter, einem Gott vermähl ich mich nun bald. Her mit dem Kleid, her mit der Binde der Opferpriesterin! Sie geht hinauf, bleibt oben stehen, ruft zurück. Wer hieß die Totenlieder schweigen? Hier im Haus ist noch das Fest des Todes nicht am Ende! Vor dem Palast. Das Volk drängt gegen das Tor. Kreon steht im heiligen Hain halb verborgen. Auf das Tor! Heraus das Schwert! Heraus die Krone! Kreon ist König! Öffnet dem König! Öffnet das Haus! Kreon! Kreon! Auf das Tor! Seid wie der Blitz, Söhne der Stadt! Auf das Tor! Für Kreon! Für Kreon! Sie drängen stärker. Sie kommen von drinnen. Sie heben die Riegel. Hinauf! Hinein! Kreon! Kreon! Lanzen und Schwerter! Sie brechen hervor! Weichen zurück, alle schreien auf. Das Tor öffnet sich langsam, heraus tritt Jokaste, hinter ihr Antiope. Das Totenlied erschallt im Augenblick sehr stark, dann gedämpft. leise. Die Königinnen! Was willst du, Volk, was schnaubst du so und heulst vor diesem Königshaus. Gib Antwort, Volk. Ich will nicht länger ohne König sein. Die Erde gibt das Schwert, die Götter geben das Königsblut. Ich will das Königsschwert aufblitzen sehn in eines Königs Hand. Laïos ist tot. So gib das Schwert dem Kreon. Kreon sei König: ein geweihter König soll zwischen mir sein und der Sphinx. Ich will nicht nackt sein und bloß und ohne einen Schutz, wenn von dem Berg ins platte Land der Dämon herniederhängt gleich einer Totenwolke. Kreon soll König sein! Den willst du haben, den Schattenmann, den Unhold ohne Kraft? Schmach über dich! Dein eigner Wunsch bespeit dich so wie ein mißgebornes krankes Kind. Nicht böse Worte gib, gib einen König! Um dessen willen steh ich hier. Aus diesem Leib? Er ist zu alt. Die Junge, die bei dir steht, frag doch die, warum sie keinen König mehr gebiert. Schweig, Volk! Mich rührt nichts Sterbliches mehr an. Dann her die Krone, her das Schwert, und Kreon ist König, den die Götter wollen! Den? Ja, Weib, die Priester haben mirs gesagt. Die Priester! Was sind Priester, daß sie mir von Göttern reden! Hockt ihr an der Erde und atmet Dämpfe, bis die Glieder zucken; wenn Vögel krächzen, lallt die Botschaft nach, doch redet nicht zu einer Königin von Göttern, denn wir sind zu Tisch und Bett Genossen derer, die zu euch nicht reden als aus der Sturmflut oder aus dem Blitz. Habt ihr ein Lied von Tantalos gehört, von Niobe? Sie redet Zauberworte, Weh uns, die Frau ist stark! Wie Hunde seid ihr niedrig und voll Furcht. Kriecht hin, wo eure Häuser stehn, macht das Land voll Kinder, daß sie über Meer so wimmeln wie auf festem Grund, es wird nichts anderes von euch begehrt. Was schmähst du mich? Du bist ein Weib, und ich will einen König. Den willst du, der sich dort ins Dunkel drückt? Hat er sich eine Königsprophezeiung gekauft? Denn feil ist alles wie der Mord. Dich schmäht sie so wie mich, hörst du sie, Volk? Ich höre, was sie spricht, sie spricht von Mord. Von wessen Mord? Wahnsinnig ist das Weib: ich hätte Laïos ermordet, schreit sie. Ermordet nicht, du warst ja immer hier, nicht dort im Wald. Allein, vielleicht, wer weiß? gekauft, die ihn erwürgten. Weib, du lügst. Bei wem ist Wahrheit? Ich will einen König mit reinen Händen. Auf, rechtfertige dich, auf, Kreon! Kreon! auf dem flachen Dach über dem Tor. Dort! Dort! Er tritt aus dem Wald heraus. Ihn führt ein Kind, er kommt, er kommt! Teiresias! Teiresias! Teiresias! – Was meinem Aug verborgen, Der Seher siehts. Er kommt! er tritt zu mir: so bin ich ja schon halb erlöst! er reißt die Binde mir vom Aug, daß ich nicht länger dastehe wie der Opferstier: er sagt mir, wer dich von deinem Thron des Grausens treibt, du Sphinx! er zeigt mir deutlich wie im Spiegel den Retter, der mir kommen soll! er sagt mir, welch einen König mir die Götter wählen! Ich grüße dich, du heiliger, du Seher Teiresias! Teiresias von rechts hereingeführt von dem Kinde. Das Volk weicht in Ehrfurcht zurück. Wo steh ich? Wohin du wolltest geführt sein. Ich weiß nicht, wer die sind. Ein großes Haus ist hier. Das Haus des Laïos. Laïos ist tot. Auf der Schwelle stehen zwei Königinnen. Um mich sind viele. Alle sind wir hier, die Kinder der Stadt. Wir grüßen dich, Teiresias. Die Königinnen grüßen dich. schweigt. Er hört sie nicht, er achtet nicht der Rede. Er ist in einem Schlaf und schläft doch nicht. Er hat nichts gegessen, nicht getrunken seit dem letzten Mond, Er sitzt vor der Höhle und sieht, was nicht da ist. Vögel nisten auf seinem Haupt, die Schlange schlaff in seinem Schoß: er achtet es nicht. Heute stand er auf und sagt: führ mich hinunter, da führte ich ihn. Er wies mir den Weg. Heilig ist sein Schlaf. Er schaut ins Innere der Welt. Teiresias, hier steht ein unschuldig Verklagter, hilf mir, großer Seher, hilf! Teiresias, hier steht die Königsmutter und klagt um einen König. Hilf mir, Seher! Teiresias, hier steh ich, das Lebendige von Theben! aus den Mauern meiner Stadt bin ich hervorgelaufen in der Angst des Herzens, und ich schreie meine Not zu dir: die Sphinx, die Sphinx ist über mir! Hilf mir, Teiresias! Hier schreit ein großes Leiden auf zum Himmel. Er wendet sich, er hat den Schrei gehört. Dort rief es um dich. Nein hier, nicht dort. Gegen die Richtung deutend, wo Jokaste steht. Da steht die Königin. Zu tief der Schlaf. Zu weit vom Schläfer die äußere Tür, an der sie rufen. Ists einer? Sinds viele? »Königin«! Einst hatt es Sinn. Nun ists ohne Wesen. Er spricht zu sich selber. So helft mir doch, wenn ihr mich braucht! Eure Angst zog mich her, so helft mir doch herauf aus der Tiefe. Bringt das Gewand des Toten! Mutter, was willst du von ihm? Das Gewand wird gebracht. Antiope geht mit denen, die das Gewand tragen, an den Rand der Plattform vor. Ehrwürdiger Seher, wer erschlug den Mann, der dies am Leibe trug? wendet sich ab. Was halten sie den Duft von Blut vor mir? Vergießen sie nur Blut und Blut, erschlägt der Sohn den Vater, erwürgen sie das Leben, wie es frisch aus ihrem Leib hervorgekrochen kommt! Ah, Mutter, laß mich fort! Sie können nicht mit ihrem Blut in ihrem Leibe hausen: es wühlt in ihnen, ihre Adern schwellen wie Schlangen um den Leib, sie sind sich nicht genug gewaltig, ihre Hände sind nicht stark genug zu wühlen in der Welt, ihr Mund kann nicht in alle Früchte beißen, noch sterbend buhlt ihr Aug umher und wird nicht satt: so zeugen sie die Kinder, zeugen neu begierige Lippen, neue wilde Hände und neue Glieder, die umklammern können, aus ihrem Blut heraus, bis daß sich Blut und Blut in dunklem Wald begegnet, Haß und Haß die Augen schief verschränkt und Glied in Glied sich krampft. Nun kündet er den Mord. O heiliges Blut! Sie wissen nicht, was für ein Strom du bist, sie tauchen nie in deine Lebenstiefen, wo Weh und Wahn erstorben sind, wo Liebe und Haß nicht wohnen, Hunger nicht und Durst, nicht Alter und nicht Tod. Wir warten, Seher, daß du den Mörder uns enthüllst. Nein! Nein! Die Toten sind dahin! Wir wollen leben. Ein ungeheures Grausen liegt auf uns: die Sphinx! die Sphinx! Du sollst nicht zittern, Kind. Es ist das Leid der Menschen, das von außen mit dumpfem Anhauch meinen Leib erschüttert: In meinem Blute innen blüht die Welt, und Sterne gehen auf und nieder. Steh, bald führst du mich nach Haus. Den Mörder will ich! Den Retter zeig uns! Zeig uns einen König, hilf unserer Not! mit dem Gewand. Wer schlug den Laïos! Steht er etwa nahe? Hier nahe uns? weicht zurück. Der tote König liegt, die Knechte liegen tot mit offnen Augen. Die Pferde schnauben, auf dem Wagen funkeln die goldenen Geschenke für den Gott. Den Mörder! und die andern, die Gesellen! Wer steht im Dunkel hinter ihnen? Schweig, der Seher achtet deiner nicht. seinem Gesichte hingegeben. Der Knabe ist königlich. jubelnd. Er sieht mit seiner Seele den, der uns retten wird! Wer ist der Knabe? Auch Knaben können morden. Schweig und horch. Zeig uns den Retter! Laß den Mörder nicht aus deinem Aug. Nun tritt er aus dem Wald, die Sonne ist auf ihm. Und Blut? Er sieht den, der uns retten kommt. Sieht er den Gott? Ein Halbgott ists, die Sonne blitzt auf ihn. Er sieht ihn immer. Kommt er näher? Weh, wenn er nicht weiß von uns! Wenn er die Stadt nicht kennt, die auf ihn wartet. Laß den Knaben nicht aus dem Aug. Erbarme dich, wo ist er, wo ist der Retter hin? Teiresias achtet ihrer nicht, sein blindes Auge starrt in die Ferne. Er stößt uns wieder zurück in Nacht und Tod, wir werfen dir zu Füßen unsre Kinder! Welchen Weg kommt unser Retter? wirft die Arme in die Luft, von der Größe seines Gesichtes überwältigt. Ah, was sich da gebiert! Der Qualen-abgrund, die Höhle weltengroß getürmt aus Jammer! Du letzte Nacht, du Höhle! Ah! Und jenseits ist neuer Tag und eine andre Welt, darunter ist noch eine Welt verborgen, sie mündet in die Leidenshöhle, unten im Schlund des Grausens bricht ihr Glanz hervor, aus Qualen ohne Maß erhebt ein Halbgott sich! Schweig, Zunge, neig dich, Leib! Er geht auf Jokaste zu und wirft sich vor ihr nieder. Um deinetwillen bin ich gekommen. Weihst du mich? Nein, Mutter, du bist es, die mich weiht. Der Seher liegt vor der Frau, nicht vor der alten, die junge ehrt er wie eine Göttin! Fort, Knabe, nach Haus. Zur Höhle? Zur Höhle. wirft sich ihm entgegen. Wir lassen dich nicht! Den Retter! Welche Straße kommt er? Wann? durch sie hinschreitend. Nun schreitet er durchs Tor! Nun ist er in der Stadt. Fort, Knabe, fort mit uns! Weh, wenn er uns vorüberwandert! Wenn er uns nicht hört! Wie schreien wir, daß er uns hören muß? Seher, wie rufen wir ihn? Das fragt die Mutter. Er geht. Die Mutter? Wen meint er? Jokaste meint er. Jokaste! Mutter! Um ihretwillen kommt der Gott. Mit ihr vermählt er sich. Wer spricht von einem Gott? Um deinetwillen kommt er, dem die Krone gehört. von rückwärts. Ansteckend Gift des Wahnsinns! Wer soll kommen? Wollt ihr einem fremden Räuber nachwerfen Kron und Reich? Und wärs ein Räuber, wenn er uns rettet, ists ein Gott, und er soll König sein. Jokaste, ruf ihn her. Gewaltig. Jokaste, ruf ihn her. Wie kann ich rufen, den ich nicht kenne? Schwör du bei der Luft, beim Feuer, bei der Erde, daß der Stirnreif sein ist, und sein das Schwert. Das schwöre ich. Und du! Was noch? Die Königin gehört dem Retter, schwör, du wirst sein Weib. Des fremden Mannes Weib? Und wärs ein Räuber, wärs ein verlaufener Knecht, wär es ein Mörder, schwör, daß du ihm gehörst, wenn er uns rettet. Weib, schwör! Geliebte, schwör! Ich schwor in mir. Ihr Bette ist noch warm von Laïos' Leib. Schwör laut! Ich schwöre, wenn ein fremder Mann euch von der Sphinx erlöst, so wird das Haus ihm offenstehn, offen seiner Hand das Schwert, der Stirnreif und des Laïos Bette – und mich dann findet er in dem Gemach. So wahren Königinnen ihre Treu! vor sich. Daß er mich lebend findet, schwor ich nicht. Nun schreit es aus in die vier Winde. Nahe war er im Spiegel, den der Seher schaut, er atmet eine Luft mit uns, so wird ein Ruf ihn treffen. Mutter, komm ins Haus. Die Königinnen treten in den Palast. Das Tor schließt sich hinter ihnen. nach vorne kommend. Was willst du, Volk, noch hier? Was soll der Wahnsinn? Wir warten auf den Retter. Laß uns, Kreon. Wir wissen nichts von dir. Der Seher hat nicht dich gezeigt; geh fort. O Volk! Das Wasser ist stetiger als du. Wer einen Haufen Kot vom Boden aufnimmt, hält in seiner Hand doch etwas, wer dich hält, der hält ja nichts. Geil bist du auf das Neue wie ein Widder! Mit einem Wort, aus seinem alten Maul hervorgesprungen, macht ein Gaukler dich da hüpfen oder dorthin! Wer dich hätte, und schlüg dich nicht mit Skorpionen, Schmach und Schande über den! Werd ich dein König, dir tret ich auf den Nacken! Er verschwindet zur Rechten. aus der Stadt, von rückwärts auftretend. Ein Held ist unter uns! Er kam herein, sein Gang ist eines Königs Gang, er trägt in seiner Hand den Stab, er kommt weit her! Ein Held! Nach welchen Zeichen? Läuft ein Einhorn mit ihm? Steht über seinem Haupt ein Funkelstern? In seiner Augen Höhl sind Sterne, Kraft des Einhorns ist ihm selber um die Lenden gegürtet! Wo ein Haus in Flammen stand, dort sprang er hin, trat mit gewaltigem Fuß die Tür ein, riß aus brennendem Gebälk Lebendige hervor und achtete die eigene Tat für nichts: vor seine Füße fällt ihm die halbe Stadt: er stößt sie weg, er kommt heraufgestiegen, hier herauf, ihr heiligen Thebaner. von rückwärts. Seht den Helden. von rückwärts heraufsteigend. murmelnd. Den Helden seht. Du Volk aus dieser Stadt, was schnaubst du hier vor dem verschlossenen Tor und bäumst dich wie ein reiterloses Roß? Wo ist dein König, daß er dir den Zaum nicht auflegt? Tot ist unser König, Fremdling. Und warum brennen Häuser in der Stadt? Und warum starren eure Felder wüst, was heult das Volk und jammert? Weißt du nicht, daß du in Theben bist? So kommst du denn herunter aus der Luft? So bist du Perseus? Bist du denn Perseus? Eine Straße kam ich vom Berg herab und habe keinen Namen. Kommst du vom Gebirge her? Und hast die Flüchtigen nicht lagern sehn, und war die Luft nicht voll mit Wehgeschrei? Ich achte nicht die Stimmen, die in der Luft sind. Also bist du nicht der Retter, der uns kommt? Wovor ein Retter? So bist du der Erlöser nicht, so willst du nicht unser König sein? Wer bist du denn? Volk, rede nicht verwirrt; in welcher Not schreist du zum Himmel? Denn du dauerst mich, Volk, weil du keinen König hast. Die Sphinx, er weiß nichts von der Sphinx. Was soll das Wort? Das Wort ist Qual und Tod. Dort drüben wohnts. Es horstet im Geklüft so wie ein Geier und äugt herab, wo Theben liegt, und Theben gleicht dem gefallnen Vieh und zuckt vor Angst, und seine Flanken fliegen, und die Augen sind blutig. Ging denn keiner hin und schlug das Wesen? Die Frauen schreien wehklagend auf. Vor der Höhle ist ein Abgrund, da liegen unsre Toten. Weh! vor sich. Ihr guten Götter! Welch eine Tat, ihr Seligen! Baut ihr dem Heimatlosen solche Taten auf, so funkelnde Paläste, drin zu hausen für eine Nacht und wiederum für eine, wohin sein Fuß ihn trägt? So habt ihr mich mit eurem Fluch gesegnet? Denn ich fühls, von grausigen Gliedern, von Polypenarmen umschlungen sterb ich heute nicht: ich darfs vollbringen und dann weiterziehen. Perseus, verlaß uns nicht! Auf, zeigt mir diesen Weg. Wo haust der Dämon? Aber laßt mich dann allein hinaufgehn und fragt nicht nach mir. Bist du nicht Herakles, bist du nicht Orpheus, du junger Gott? Den Weg. Die Königin, er soll sie sehn, bevor er hingeht! Sehen, wen sehn? Die Königin, du junger Gott. Jokaste! Auf das Tor! tritt allein hervor. Was ruft ihr mich? Den Retter sieh, den Retter da, den Jungen! unwillkürlich. Laïos! Was sagt die Frau? Nein, nein, ein Traum. von ihrem Anblick wie vom Blitz getroffen. Wer ist die Frau? fast gleichzeitig. Wer ist der Jüngling? jauchzend. Perseus! Orpheus! Herakles! wie entgeistert. Wer ist die Frau? Die Königin. Was will die Königin? Dein ist sie, dein, du Gott, wenn du der Sieger bist! Er glaubt uns nicht. Zu Jokaste. Du hasts geschworen: künde dus. Du darfst nicht! Es ist dein Tod! Um deiner Mutter willen tus nicht. Um meiner Mutter willen, Frau? O, wohl will ich es tun. Den Helden seht, den Helden! Flehe zu den Göttern, Frau, so wird er dein Gemahl. vor sich. Die Königin. Sie hat geschworen! ungeheuer. Ja? Sich bändigend. Ich bin von Sinnen: der König ist ihr Gatte. Mein Gemahl ist tot. Und ich, ihr Götter, steht mir bei, daß ich jetzt nicht vergehe. Willst du mich noch etwas fragen, Jüngling? Ich – mich nimmst du zum Mann? Ich bin nur wie das Diadem und wie das Schwert: wer diese Stadt erlöst, der greift nach uns. Nicht fortgehn, nicht, noch nicht! Der König, der dein Gatte war, gewann er, der Tote, Kinder sich aus diesem Leib? Ich will sie schützen und Verweser sein für sie. Die Rechtgeborenen sind heilig. Es sind indessen die Mägde hinter Jokaste herausgetreten. Die Totenklagen sind verstummt. mit schwacher Stimme. Ein Kind war da und war gleich nicht mehr da. von rückwärts. Wie sich der Landstreicher gebärdet! Wie er schon den König spielt! königlich. Wenn einer ist, der von dem frühern König Gold und Gut und Vieh und Land empfing, der fürchte nichts, ich fordre nichts zurück. Du bist ein König! Du warst von je ein König! zerreißt sein Gewand. Gaukler, sei verflucht! Verschwindet zwischen den Bäumen. Es ist Dämmerung hereingebrochen. Ich möchte opfern und ich habe nichts zu opfern, eh ich geh. zu ihren Mägden sich umwendend, mit einem maßlos veränderten Ton. Sie sollen opfern, was lebt ihm Haus. Die Tiere, die mir lieb sind, sollen sie töten schnell. Die Pferde alle töten, die heilgen Vögel sollen sie mit Pfeilen schießen und alle meine Hunde, auch die Hündin, die, seit sie lebt, vor meiner Kammer schlief, die auch. Schnell, schnell, nichts braucht am Leben bleiben, wenn dieser sterben geht. Sie jagt mit der Wucht ihrer Befehle alle Mägde ins Haus und steht nun ganz allein da. Hab ich denn gar nichts? Bin ich so arm? Doch da, der Wanderstecken, ich muß ja ohne Waffen zu dem Dämon: dort ist ein Opferfeuer, nehmt den Stab und bringt ihn dar. Mehrere nehmen den Stab und tragen ihn in den heiligen Hain. Getöse im Palast. Jokaste, die sich nicht umwendet, saugt mit dem Blick Ödipus in sich, der jetzt auf der Stufe zum heiligen Hain steht, plötzlich vom Widerschein starker Flammen übergossen. drängt gegen den heilgen Hain. Die Flamme, seht die Flamme! Wie sich die Götter freun an seinem Opfer! Der Stock liegt vor dem Altar, wie die Flamme zum Himmel schlägt. aus der Tür des Palastes hervorstürzend. Die Königin Antiope! Was ist mit ihm? Sie rührt sich nicht, sie sitzt und hat den Stab aus ihren Händen fallen lassen. Wir fürchten uns, wir glauben, sie ist tot. Hörst du uns, Königin? Jokaste schweigt und starrt auf Ödipus. Nun betet alle mit mir um Sieg. indem sie in die Luft greift, dann mit beiden Händen gegen ihr Herz fährt und jäh zusammensinkt. Ich habe nie gelebt! Die Mägde fangen sie in den Armen auf. Die Königin fällt hin! Sie ist nicht tot. Indes tragen die Mägde die Königin hinein, das Tor schließt sich. Kein Licht mehr als der Widerschein der großen Flamme aus dem Hain. Ich weiß, sie ist nicht tot. In meinen Adern halt ich die Welt: es stürzt kein Stern, es taumelt kein Vogel von der Nestbrut, ohne mich. Und alle meine Toten liegen gut: der Vater und die Mutter gut daheim, die ich nie wiedersehe, gut der Mann am stillen Kreuzweg, gut das wundervolle Weib im totengleichen Schlaf. Um meinetwillen ist alles dies geschehn, damit die Kräfte der Schlafenden in mir aufsteigen sollen, wie Wasser in dem Springquell. Auf! Nun weist mir den steilen Weg. Wo nicht, so wird vom Berg die riesige Zypresse sich herab mir neigen, daß ich ihren Wipfel küsse und meine Glieder ihr verschlinge; auf wird sie mich reißen zu der Höhle hin: dort lauerts, unter meiner Hand zu sterben! Denn meine Hand ist schwer wie eine Welt, beflügelt ist mein Blut und meine Seele steigt wie ein Springquell. Er wendet sich zum Gehn. ihm nachdrängend. Perseus bist du! Perseus! Vorhang. 3. Akt Dritter Aufzug Steiles Geklüft. Spärliche Bäume, ins Gestein gewurzelt. Rechts steigts auf, links fällts in den Abgrund: da mündet zwischen Felsen ein eingehauener Pfad. Von unten Schein einer Fackel. Kreon kommt heraufgeklommen, vermummt in einen dunklen Mantel. Er trägt eine Fackel, leuchtet Ödipus voraus. Wir sind am Ziel. heroben. Wo ists? Von hier mußt du allein hinauf. Hier windet sich der Pfad zur Höhle. Stöhnen aus der Dunkelheit. Kreon hebt die Fackel. Ists der Dämon? Tritt zurück. Laß mich zu ihm. Du irrst. Er sendet dir den Kämmrer, dich zu grüßen. Aus dem Gestein schleppt sich ein Mann hervor. Halbnackt, den Tod im Gesicht. Er gleicht kaum mehr einem Menschen, aber man sieht keine Wunde an ihm. Mensch, wer bist du? Was willst du? Mensch, ich seh dich nicht. Ich bin vor Qualen blind geworden. Schlag mich nieder mit einem Stein! Erwürg mich! Hab Erbarmen, erwürg mich! Wirf mich in den Abgrund, Mensch. Ödipus und Kreon stehen dicht beisammen. Er schaudert mich. Geh deinen Weg, die Nacht ist kurz. Wer ist der Mensch? mit triumphierendem Hohn. Dein Vorgänger. Hinauf! Seid ihr nicht Menschen? Gebt mir doch den Tod! Die anderen sind alle tot, die Seligen! Auf ihnen sitzen Geier, – warum kann ich nicht sterben? Über lauter Leichen bin ich herabgeklettert, und ich lebe noch. Ist Nacht? ist Tag? ist Sturm? ist grausenhafte Nacht für immer? Hat die Mörderin das Dach der Welt hereingerissen und liegt Nacht auf allem? Redet! oder seid ihr nichts? Ist nichts mehr in der eingestürzten Welt als meine Qual! O warum hast du mich geboren, meine Mutter! Mensch, ich helfe dir zum Tode. Komm. Ich bin vom Weib geboren, wie du. Ich kann nicht hören, wie du winselst um deinen Tod. Umschlinge mich. Ich werf dich hinab. Nimm dich in acht, er reißt dich mit. Mich nicht. an Ödipus aufgerichtet. Gesegnet sei die Brust, an der ich liege. Bist gelegen! Wirft ihn schnell hinab. Ein dumpfer Sturz. Weh, was ist ein Mensch! Wer über diesem brütet, stirbt. Hinauf! Mir ist, als drängen Taten, tausendfach, unzählbar, mit den Sternen aus der Nacht! Er steigt empor. Noch eines. Mann aus Theben, hörst du mich? unter ihm. Was willst du, Abenteurer? bleibt stehen, oberhalb, etwas seitlich oder rückwärts. Laßt mich nicht so liegen, wie da drunten den. Verbrennt die Leiche, wenn ihr mich findet. Mensch, ich bin ein Königssohn! Hörst du mich noch? Bleib in der Nähe. Schnell ist dies entschieden – leb ich aber dann: Mensch, siehst du über uns den Baum, der riesig auf öder Klippe horstet? Mensch, bin ich der Sieger, dann brauch ich deine Fackel, daß sie mir aus dem ein Feuerzeichen macht: dann hebt sich die Königin aus ihrem Schlafe auf, dann bringen sie die Krone und das Schwert, dann lohn ich dir den Weg, du Mann aus Theben! Wahr mir die Fackel gut! Das will ich tun. Er stößt die Fackel gegen den Fels, daß sie verlischt. höher gestiegen, nicht mehr sichtbar. Was machst du, Mensch? Dein Geier ist so gierig, du Königssohn, er schlägt mir mit den Schwingen das Licht aus. oben, nicht mehr sichtbar. Weh, da nimm den Lohn! Ein schwerer Stein fällt, ohne Kreon zu treffen. Mein Lohn wird mir, wenn ich dich schreien hör im Tod. Laß mich nicht lange warten, Abenteurer! Ich spür schon Morgenluft. Nun zeigst du mir, du alter Jäger in der Finsternis, du Schicksal, wie du deine Netze stellst. Der geht hinauf und meint, er hats dir abgekauft, sein freches Blut zu Markt getragen, sein gieriges, und dir damit die Krone von Theben abgehandelt, und davon ist er betrunken, legt die Sterbenden an seine Brust und meint, er ist ein Gott, der Tod und Leben gibt, und läßt sich noch den Hauch des Todes um die Locken triefen, wie ein geweihtes Öl – und ich steh hier, von keinem Öl betrieft, vom kalten Tau der Nacht gefeuchtet, einsam, starr und groß, und markte nicht mit dir, denn ich bin Kreon, der weiß von dir und, wie der Leib den Leib, dein Walten spürt im Dunkeln: zeig mir jetzt, daß du noch immer um eins tiefer gräbst! Ich ruf ja nicht den Ahn, der unten tost, daß er aus seinem Bett sich schäumend hebt und mir den Abenteurer niederreißt: ich spreche nicht zum Berg: du alter Thron des Kadmos, knirsche doch den Dieb hinab in deine letzte Kluft – zu dir nur red ich, Schicksal, zu dir: du hast nicht für den Knaben, den Straßenwandrer, nein du hast für mich die Nacht da aufgebaut, die rings in Klüften den Tod trägt und den Tod auf nacktem Gipfel in sterngekröntem Duft. Der heiße Knabe, ich weiß es, großes Schicksal, gilt für nichts in diesem Spiel – der Knab und seine Taten! War Kreon nicht ein königlicher Knabe? und hast du nicht sein Herz ihm in der Brust in eines Greisen Herz verkehrt und von den Händen die Taten abgesengt mit glüher Luft, daß sie wie Zunder an die Erde fielen, die unvollbrachten! Dir ist nichts für Taten feil, die ganze Seele willst du, Taten lässest du fallen und verfaulen auf der Erde und höhnest, die mit Taten um dich buhlen! So hab ich ganz umsonst mein junges Blut hingeben müssen, weh! vor der Stimme nach rechts hin zurückweichend. Was, spinnen sich von überall die Fäden her, die mich erwürgen sollen? Ich will nicht hören was im Nachtwind redet, ich will den Todesschrei des Menschen hören, sonst nichts auf dieser Welt! Er tastet sich nach rechts hinüber, im Gestein klimmend. Die Szene verwandelt sich sogleich. Eine andere Stelle des Berges. Offene Plattform, nach allen Seiten abstürzend, nur links Geröll und Geklüft. Kein Baum, kein Strauch, Dunkel. Am Himmel einzelne funkelnde Sterne. Nur die großen Formen sind dem Auge wahrnehmbar. Von links, das Geröll überkletternd, kommt Kreon herüber, nach oben horchend, getrieben von verzehrender Ungeduld. Er steht. Den Todesschrei des Fremden will ich hören und König sein in Theben! Stille. Höhnt ihr mich, ihr Götter? Ich bin stark, ich bin jetzt wie das Tier, wenn es im letzten Winkel seiner Höhle standhält! Drängt mich nicht aus der Welt hinaus! Stille. Nein? alles still? oh, ihr wollt nicht, ihr verbündet euch mit einem Dieb? verflucht die Opfernächte, in denen ich die Blüte meines Leibes euch weihte! Fluch dem Wasser, das mich wusch, verflucht die Schauder meiner jungen Seele! Er streckt verzweifelt betend die Hände aus. Dich ruf ich, Mörderin, dich, große Sphinx, hier krümm ich mich vor dir, so wie noch keiner je vor dir lag, auf nacktem Lebensgipfel: wirf mir den Schrei herab, du Ewige, den Schrei des Fremden! daß dir meine Seele wie ein Brandopfer steigt! Von oben, von seitwärts, aus unbestimmbarer Nähe ertönt ein gräßlicher Todesschrei. Kreon trinkt zuerst den Schrei mit Wollust in sich, dann – im grauenvollen Anschwellen des Schreies – entsetzt. So schreit kein Sterblicher! Vernichtung! das war nicht des Fremden Schrei! Ödipus kommt von links den steilen Felspfad herabgetaumelt. Kreon birgt sich links vorne im tiefsten Dunkel eines Riesenblocks. verstörten Gesichtes, seiner selbst nicht mächtig, sich an Steinen haltend, bald zu Boden taumelnd. Es nannte mich beim Namen! »Ödipus«, sprach es zu mir! »sei, Ödipus, gegrüßt, der du die tiefen Träume träumst«! Gekannt! Auch hier gekannt! Die Welt hat keine Schluft, die nicht voll meiner Flüche ist. Ich kann mich nirgends bergen. Hier dies fremde Theben ist eine Höhle, die mich kennt. Von Grausen geschüttelt. Der Dämon, der grauenhafte Dämon hat mit mir Gemeinschaft! mit dem Todesatem lüftet es den verschloßnen Deckel meiner Brust. Er weiß von meinen Träumen – ah, es gibt nur einen, den Traum von Delphoi, weh, den Traum vom Vater und von der Mutter und dem Kind! Er kauert auf der Erde. Warum zerbrach ich nicht in Stücke, als das Weib in Delphoi an mein Bette trat? Wozu noch dieser letzten Tage wüster Traum? Die Welt zerbricht. Mein Aug ist krampfverdreht. Ich hasse, die mich geboren haben. Eltern! Eltern! wohl euch, daß ihrs nicht wißt. Sein irr schweifender Blick sieht die Sterne. Ihr Götter, Götter! Sitzt ihr auf goldenem Gestühl da droben und weidet euch, daß der im Netz nun liegt, den ihr mit Hunden hetzt von Tag zu Nacht! Finster, groß. Die ganze Welt ist euer Netz, das Leben ist euer Netz, und unsre Taten machen uns nackt vor euren schlummerlosen Augen, die auf uns schauen durch das Netz: – da lieg ich und wollte Taten tun und habe nichts getan als mich verraten an den Tod! Nun macht ein Ende! Habt ihr keinen Blitz? bin ich den Fels nicht wert, der niederrollt und mich zermalmt – da unten schäumt ein Fluß: herauf mit ihm! Habt ihr so säumige Diener? Ganz still, ihr Gräßlichen, wenn Ödipus um seinen Tod zu euch die Hände hebt? Ich soll es selber tun? der Priester sein und auch zugleich das Opfertier? Mir graut. Mir graut vor euch, ihr Götter, ich will euch nicht länger in die Augen schauen, werft die Finsternis auf mich, werft mir den Tod übers Gesicht wie einen Mantel, Götter! Die Arme ausreckend. Ich will nichts als den Tod! springt aus dem Dunkel vor, mit gezücktem Dolch. Der kann dir werden! wirft sich zurück, faßt den Kreon. Hat das Dunkel Arme? ringt, den Arm mit dem Dolch zum Stoß frei zu bekommen. In Theben ja, und Dolche auch! im Ringen. Her mit dem Dolch. Ich brauch ihn selber. Hat die Oberhand, drückt Kreon an den Boden. Doch zuvor stirbst du. Das Opfer, das ich bringen will, verträgt nicht, daß einer nahe steht. Er hebt den Dolch zum Stoß. Hinab und melde mich drunten an. Du weißt nicht, Abenteurer, wen du erschlägst! hebt abermals den Dolch. Die Welt ist ausgelöscht, kein Ding braucht einen Namen! unter ihm liegend. Mensch, ich bin der Bruder der Königin. starrt ihn von oben an. Was redet aus der Nacht? Wer bist du, der mit mir sich auf der Schwelle des ewigen Todes wälzt? Ich bin der Bruder der Königin, du Königssohn. ohne ihn loszulassen. Der Bruder des wundervollen Weibes, das zu Tod erstarrte, als sie mein Gesicht erblickte? Er zieht ihn aus dem tiefsten Dunkel nach vorne, dort wo der Sternenschein eine schwache Dämmerung erzeugt. Er sieht ihm ins Gesicht. Und bist du nicht der Führer auch, der durch die Nacht mit mir hinaufstieg? Hast du nicht die Fackel gelöscht? im voraus mich dem Tod geweiht? Er läßt ihn ganz los. Kreon ist schnell wieder aufgerichtet. einen Schritt zurücktretend. Der Bruder! ungeheuer kettet ihr die Sterblichen, ihr Götter, aneinander mit Nacht und Tod und Wollust, ungeheuer! Er hält dem Kreon den Dolch hin. Da nimm das Opfermesser! Töte mich, dir kommt es zu! vor ihm zurückweichend, ohne den Dolch zu nehmen. Wer bist du, un- geheurer Fremdling, der so finstre Spiele spielt mit sein und meinem Leben? Der Verfluchte von Vaters Samen her! Da nimm das Messer und opfre! Drängt ihm wieder den Dolch auf, wieder weicht Kreon zurück. Schnell! das fremde fluchbeladne Tier hat deiner Schwester Bett besteigen wollen. Stark. Mensch, reinige die Königin! die Hände zurücknehmend, starke Gebärde des Schweigens. Du bist der Sieger! Du hast nicht geschrien, es war der Dämon, der im Tode schrie! Du bist der Sieger! Nein, ich bin verflucht daheim und in der Fremde. unfähig ihn zu begreifen. Mensch, trägst du den Tod im Leib? was stehst du aufrecht, wälze dich vor meinen Füßen hin! Laß mich die Hände in deine Wunden legen! schnell! Mein Leib ist heil und starrt von Kräften, unverwüsteten. Ich habe meine Tat nicht tuen können: das Wesen floh vor mir! Was marterst du mich noch, verlarvter Gott, wenn du der Sieger bist? in jagender Hast. Der Sieger! auf mir liegt das Chaos und zernagt mich. Mensch, wie Rätsel unbegreiflich, was hat die Sphinx an dir getan? in fliehender Hast. Vor seiner Höhle auf stand das Weib und neigte sich zur Erde vor mir, und als ich nahe kam, so trat es demütig hinter sich und bog sich nieder bis an die Erde, als wär ich der Gast, auf den sie hundert Jahre wartete. Und dann nach rückwärts taumelnd, ohne Laut, da hob es sein Gesicht und sah mich an, da sah ich das Gesicht, da traten mir die Augen aus den Höhlen, von den Knochen, wie Zunder fühlte ich mein Fleisch sich lösen vor Graun und Angst: mein Herz schlug wie im Tod, die ganze Brust schlug mir, da gab es von den fahlen gräßlichen Lippen seinen Gruß in meine schlagende Brust hinein: »Da bist du ja«, das Wort legt' es in mich hinein, »auf den ich gewartet habe, heil dir, Ödipus! Heil, der die tiefen Träume träumt« – und da zerschnitten meine Brust, wirft sichs nach rückwärts, den Blick auf mir, den schon verendenden, mit einer grauenhaften Zärtlichkeit durchtränkten, rücklings in den Abgrund, den das Aug nicht mißt, den steinernen, und schreit im Todessturz den namenlosesten, furchtbarsten Schrei, in dem sich ein Triumph mit einem Todeskampf vermählt, und stürzt vor meinem Fuß hinab und schlägt tief unten dumpf auf. Versteinerst du? Den du im Finstern hast schlachten wollen, opfre mich im Licht! Hält ihm den Dolch hin. von einem geheimen Grauen überwältigt. Ich hebe meine Hand nicht wider sich! Du bist ein Gott und Sohn von Göttern! dringend. Töte mich! Ich bin der Sohn des Königs von Korinth und habe einen Traum geträumt, der aufsteht und mich erwürgt, wenn ich auch die Gebirge der halben Welt, ihn zuzudecken, wälze! Du bist der Sieger, Ödipus, du bist der Sieger, König bist du jetzt in Theben! Bereit, vor ihm zu fliehen, angstvoll vor seiner Unbegreiflichkeit, halb zur Flucht gewandt. noch dringender. So töte mich! Spürst du denn nicht, wie ich behängt mit Flüchen bin, gefleckt mit Unheil wie eines Panthers Haut! Das Messer nimm und opfre mich, solang ich selbst mich feßle: denn ich will leben, ich will König sein, ich will die Königin auf diesem Thron aus nacktem Stein zu meinem Weibe machen! Ich bin ein König und ein Ungeheuer in einem Leib, erwürge beide schnell: Kein Gott trennt eins vom andern, töte mich! Ich könnte wähnen, daß ich diese Nacht die Tat getan hab, die vom zuckenden Gefild des Himmels sich mit seliger Hand die Lebensblume reißt! ich könnte wähnen, daß ich der größte aller Menschen bin, der auserwählte Sohn des Glücks. Da nimm! schnell! töte mich! Er läßt sich vor Kreon nieder in der Haltung dessen, der sich opfert. trunken von der unbegreiflichen Wendung des Schicksals, schwingt den Dolch über den, der wie das gebundene Opfertier vor ihm kauert. Ihr Götter, seid bedankt! Wie er zustoßen will, lähmt ein Etwas von innen heraus seinen Arm. Ich kann ja nicht! Er hebt nochmals den Dolch, mit dem Schicksal ringend. Was macht ihn jetzt noch stärker? Er ist nichts. Mein Traum ists, der ihn stärker macht. Mein Traum setzt mir den Fuß auf meinen Nacken! Er wirft, von Grausen gepackt, den Dolch weg, daß er klirrend fällt. In diesem Augenblick fällt ein Blitz. Sogleich entzündet sich, unsichtbar, der Baum auf der Felsklippe, und es fällt starkes Licht von oben links herein. vom Blitz geblendet, schreit auf. Ah! Er flüchtet, sich mit dem Mantel das Gesicht verhüllend, von Ödipus weg. Ödipus springt auf. fünf Schritte von ihm, voll Angst vor ihm. Du bist ein Gott! verschone mich! wie aus tiefem Traume erwachend. Das Licht der Götter! Was willst du mir? gebeugt, jeden Augenblick bereit, ihn anzubeten. Du bist ein Gott! es schwebte der ungeheure Blitz aus blauer Nacht hernieder wie ein goldner Adler hinter dir! in Staunen verloren. Das Licht! Der tausendjährige Baum, der droben auf kahler Klippe horstet, steht in Flammen! Du bist ein Gott! ich küsse das Gestein vor deinem Fuß. Die Götter zünden dir mit eigner Hand die Hochzeitsfackel an. wie oben. Mit ihrer eignen Hand! Die Adler kreisen als deine Feuerboten um den Berg! Mein König, laß mich dein Gewand anrühren Er wirft sich vor ihm nieder. und heb mich auf! reckt beide Arme in die Luft. O meine Eltern, Phönix! Korinth! herab mit euch! ... Steh auf und sag mir den Namen! Kreon bin ich. Du? wer fragt nach dir! Ich frag nach einem Namen auf der Welt: den Namen nenne mir! Jokaste heißt die Königin. Der Baum ist abgebrannt. Fahles Dämmerlicht geht bald in den ersten grünlichen Schimmer des Morgens über. den Namen in sich saugend. Wie seicht sind Träume: nie hab ich den Klang geträumt. Von unten, aus großer Ferne dumpfrollende Pauken. Allmählich näher. Allmählich auch leise, wie man es von der Spitze eines hohen Berges aus dem Tal heraufklingen hört, ein feierliches Singen. Auch dieses allmählich nahend, immer aber tief unten, weit, fern heraufdringend. Doch seit ich ihn gehört hab, ist es mir als ob dumpf donnernd der Puls der Welt, das ruhelose Meer sich hüb und senkte, lustvermählt dem Schwellen und Sinken meiner Adern. Ödipus, das sind die heiligen Pauken, die du hörst, geschlagen dir zu Ehren! Wird der Berg lebendig? Das ist Theben, das sich hebt wie eine Sturmflut, seinen König sich herabzuholen von der Klippe. läuft nach rückwärts an den Rand des Felsens, winkt Kreon zu sich. Sie spähen beide hinab. Dort, der ungeheure Zug? Das Volk, die Priester, die Heiligtümer! Dort, das dumpfe Blitzen aus eignem Licht, von keinem Strahl des Tags getroffen! Mensch, was blitzt so aus der Nacht? Das ist das Königsschwert. Das ist das Schwert des Kadmos. in ungeheuerer Erregung, erträgt es nicht, rückwärts zu stehen und zu warten. Er stürmt nach vorne, Kreon mit sich schleifend. Bleib bei mir und sei mein Bruder! Den Sturm, der durch mich geht, kann keine Seele ertragen, ohne einen Bruder! Wieder zurück, mit Kreon, an den Felsenrand. Dort, das auf dem Wagen, den sechs Pferde ziehn, das, eingehüllt in dunkle Schleier, Kreon, ist das ein Götterbild? Das ist Jokaste! vom Rande weg nach vorne sich jäh werfend. Gehüllt in dunklen Glanz, so wie ein Stern in eine Wolke! es sind Schleier: meine ah! meine Hände heben euch – dann schlägt die Flamme in die Flamme! Trunken, eilt er wieder zurück an den Rand, beugt sich über, ruft hinab, königlich ungeduldig. Schneller, schneller! Dann tritt er wieder zurück vom Rand. hat noch hinabgespäht, springt jetzt zu Ödipus. Sie haben dich gesehn! sie grüßen dich wie einen Gott, sie recken heilige Zweige zu dir empor! Ha, siehst du den Rubin im königlichen Reif? Er hat das Blut getrunken von Giganten. Ödipus! er wird auf deiner Stirne glühn! Plötzlich überwältigt ihn das Gefühl des eigenen Schicksals, und jäh wirft er sich auf den Boden, schlägt die Hände ins Gestein, voll Wut und Schmerz. in seiner Trunkenheit dessen, was in Kreon vorgeht, nicht achtend, reißt ihn stürmisch empor, an sich. Du Fürst, mein Bruder Kreon, wie du vor mir stehst! wie schön du bist! was wirst du bleich und dunkel wie das Olivenlaub im Wind! Kreon, wir wollen leben wie ein Geschlecht von Seligen! Dies Theben soll blühn wie eine Feuerblume! Kadmos, dein Blut soll blühn in einer Brut von Adlern, aus Feur geboren! indessen wieder an den Rand gebeugt. Ödipus, sie steigt vom Wagen! vorne stehend, jubelnd, indes Kreon fern von ihm steht, dort am Felsenrand. Kreon, herrsch ich hundert Jahr zu Theben, das vergeß ich nicht, daß du der Bote warst, der dies mir zurief! am Felsenrand. König, sie kommt allein herauf. Kreon tritt links zurück. Ödipus steht vorne, starrend in Erwartung. Jokaste steigt herauf, eine Krone auf dem Kopf. Das Volk, unsichtbar, ist dem Gipfel nahe gekommen. Die Unruhe einer Menge, die still sein will, wogt dann und wann herauf. Was suchst du, Kreon, wo eine Königin zu einem König kommt? Tritt hinter dich. tritt noch weiter zurück. erblickt Ödipus. Sie steht noch rückwärts, nah dem Rande. Sie ruft, über die Schulter, gebietend zurück. Zurück auch ihr und trete keiner nah. Sie geht auf Ödipus zu, bleibt zehn Schritte vor ihm stehen. Du bist ein Gott. Nur Götter schaffen um, was sie berühren. Ich bin dein Geschöpf: in einen Schlaf hast du mich wie in Feuer hinabgeworfen und mir drin erneut die Seele und die Glieder. Sprich: soll dein Geschöpf hinknieen zwischen deine Hände? schweigt. Ich habe nie mit einem Gott geredet: sag selber mir, wie ich dich grüßen soll. Ich bin ein Mensch wie du, Jokaste! Selig, die dich getragen hat. Sag mir den Namen der Mutter, die dich trug! Ich will sie ehren wie keine Göttin. Nichts von meiner Mutter! Dies alles hängt nicht mehr an mir. Ich hab mich mit Schwerteshieben losgelöst. Der Ödipus, der vor dir steht, ist seiner Taten Kind und diese Nacht geboren. Kommst du mir nicht näher, Königin? tritt heran. Drei Schritte vor ihm bleibt sie stehen. Sie hebt die Hände gegen ihn wie gegen ein Götterbild. Ist dies dein Herz, das deine Hand so glänzen macht? läßt die Hände sinken. leiser, vorgeneigt. Um dich, die mir kein Traum gezeigt, hab ich die Jungfraun verschmäht in meiner Jugend Land. leise, zart, alle Gewalt der geheimsten Sehnsucht in ihren Augen. O Knabe, bist dus, um den ich sterben wollte, wenns mich hinunterzog zu meinem Kind? Kein Traum hat mir es zeigen wollen – wars, damit dein Dastehn, dein Lebendiges, in mich mit solchem Strahl hat stechen sollen? Du hast sterben wollen, du, Jokaste? Ich. Nicht einmal, hundertmal. Mein Leben war nur mehr ein Schatten. Bin ich denn Jokaste, hab ich nicht ihren Leib geborgt und bin ein Gast von drunten aus der finstern Welt und will das Blut aus deiner Brust? O Knabe, nimm dich in acht vor mir. Mit deiner Stimme bewegst du in der Schlucht die Nacht und wirfst auf alle Gipfel Licht. Mach deinen Blick von meinen Händen los. Die Adern waren dem selbstgeführten Messer allzunah. Das Blut in ihnen, das du schimmern siehst, muß finster sein für alle Zeit. Was will das traurige Weib beim jungen Knaben. Laß mich. Er nimmt ihre Hand, läßt sie gleich wieder. Mir ist, als wüßt ich Dinge, deren Namen das Blut gefrieren machen. Doch, Jokaste, ich hab sie nur gelernt, in deinen Armen sie zu vergessen. kreuzt ihre Arme über der Brust. Jeder Mutterschaft hab ich geflucht, gepriesen hab ich laut den kinderlosen Schoß. Jokaste, ich hab mit gebäumter Seele in den Tod verflucht mein Leben. alle Finsternis hinweglächelnd. Weh, wie wir einander im Schlimmen gleichen. Wie wir sind und nicht sind! Jokaste! Wie dies alles schnaubt und zuckt und vor dem Feuer weicht, das aus der Tiefe des seligen Blutes bricht. Er will sie an sich ziehen. Oh, wie mir wird, wie schwach und leicht – Sie hält sich an den Fels. Ich müßt in deinen Armen des Todes sein! dicht bei ihr, ohne sie zu umfassen. Um dieses Todes willen, durch den du dich getragen hast, Jokaste, muß ich dich lieben, wie kein Mann auf Erden sein jungfräuliches Weib. Um deinen Gürtel, in düstrem Feuer glänzend, sitzen die Geheimnisse des Todes: aber ich – ich sage dir: so wahr der nackte Stein, der meine Gruft hat werden sollen, nun zum Thron sich baut für mich und dich – und weiß um nichts und ist behängt mit Glanz und heiliger Vergessenheit – so wahr als dies, was dort von Klippe springt zu Klippe, geflügelt, rasend, sich herüberschwingt – dem plötzlichen Glanze zugewandt, ehrfürchtig schaudernd. Das heilige Licht! So wahr als dies der Bote der ungeheuren Götter ist, so wahr sind du und ich nur Rauch, daraus sich funkelnd gebären will ein Neues, Heiliges, Lebendiges! hauchend, von der Erinnerung überflogen. Ich habe einem Manne gehört. reißt sie an sich. Vorbei! Vergessend leben wir! Jokaste! sinkt über seinen Arm wie eine geknickte Blume. Ah, was ist es, das wir tun? Die blinde Tat der Götter. Heil dem König! Dem unbekannten König Heil! vortretend. Heil König Ödipus! leicht sich entwindend, mit trunkenem Blick. Der Mensch dort weiß den Namen, den du hast – und ich – ich häng an dir und weiß ihn nicht. Sie lacht ein kurzes unbeschreiblich leichtes, flüchtiges Lachen. Du – ich – nicht blind! – was sagst du – nein, nicht blind! sehend wir beide! du kein Gott und ich, du Knabe, keine Göttin! Knabe, Knabe, arm sind sie gegen uns, die Götter, die nicht sterben können, arm! Doch du – und ich: dein Dastehn, da auf diesem heiligen Berg, dein Blut, das dich getrieben hat, dein Leid, das dich gejagt hat – meine Tag und Nächte, mein Blut, das leben nicht noch sterben konnte: und heute, dieses Heute, du und ich! Die Tage, die nun kommen, Tage, Tage, das Namenlose, das noch kommt und doch schon da ist, Tag und Nächte, Nächt und Tage, das Dunkel, das wir wissen, und doch lachen wir – und du mich weihend, ich dich weihend, dein Gesicht bei mir und mein Gesicht bei dir! Wo sind die Götter, wo ist denn der Tod, mit dem sie immer unser Herz zerdrücken? er war doch immerfort um mich, er war vor meinem Aug, in meinem Haar, er hing ja an mir so wie ein Rauch, wo ist er hin? er ist in meinen Leib hineingesunken, wie eine namenlose Lust, ein ungeheueres Versprechen: o mein König, o du: wir sind mehr als die Götter, wir, Priester und Opfer sind wir, unsere Hände heiligen alles, wir sind ganz allein die Welt! Sie hängt an seiner Brust. Jokaste, stirb mir nie! schwach. Trag mich hinab; ich glaub, es steht ein Haus, darin zu ruhen. Meine Königin! Das Volk unsichtbar, schreit den gleichen Ruf gewaltig herauf, donnernd wie eine brandende Woge. indem sie beide schon zum Hinabsteigen gewandt sind, er sie führend, fast tragend, löst sie sich von ihm, hält nun seine Hand in ihrer Hand. Ja Volk! Du schreist nach deinem König. Dieser ists, an dem ich hange. mächtig. König Ödipus! Kreon springt vor, wirft den Mantel ab, breitet ihn Ödipus und Jokaste vor die Füße. Er selbst, im purpurnen Gewand, fürstlich, fällt vor ihnen nieder, wie sie an ihm vorbeischreiten, hinabzusteigen. Vorhang.