Hugo von Hofmannsthal Jedermann Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes Personen Dramatis Personae. Gott der Herr. Erzengel Michael. Tod. Teufel. Jedermann. Jedermanns Mutter. Jedermanns guter Gesell. Der Hausvogt. Der Koch. Ein armer Nachbar. Ein Schuldknecht. Des Schuldknechts Weib. Buhlschaft. Dicker Vetter. Dünner Vetter. Etliche junge Fräulein. Etliche von Jedermanns Tischgesellen. Büttel. Knechte. Spielleute. Buben. Mammon. Werke. Glaube. Mönch. Engel. [Stücktext] [Stücktext] tritt vor und sagt das Spiel an. Jetzt habet allsamt Achtung, Leut! Und hört was wir vorstellen heut! Ist als ein geistlich Spiel bewandt, Vorladung Jedermanns ist es zubenannt. Darin euch wird gewiesen werden, Wie unsere Tag und Werk auf Erden Vergänglich sind und hinfällig gar. Der Hergang ist recht schön und klar, der Stoff ist kostbar von dem Spiel, Dahinter aber liegt noch viel, Das müßt ihr zu Gemüt führen Und aus dem Inhalt die Lehr ausspüren. wird sichtbar auf seinem Thron und spricht. Fürwahr mag länger das nit ertragen, Daß alle Kreatur gegen mich Ihr Herz verhärtet böslich, Daß sie ohn einige Furcht vor mir Schmählicher hinleben als das Getier. Des geistlichen Auges sind sie erblindt, In Sünd ersoffen, das ist was sie sind, Und kennen mich nit für ihren Gott, Ihr Trachten geht auf irdisch Gut allein, Und was darüber, das ist ihr Spott, Und wie ich sie mir anschau zur Stund, So han sie rein vergessen den Bund, Den ich mit ihnen aufgericht hab, Da ich am Holz mein Blut hingab. Auf daß sie sollten das Leben erlangen, Bin ich am Marterholz gehangen. Hab ihnen die Dörn aus dem Fuß getan Und auf meinem Haupt sie getragen als Kron. So viel ich vermocht, hab ich vollbracht, Und nun wird meiner schlecht geacht. Darum will ich in rechter Eil Gerichtstag halten über sie Und Jedermann richten nach seinem Teil. Wo bist du Tod, mein starker Bot? Tritt vor mich hin. Allmächtiger Gott, hier sieh mich stehn, Nach deinem Befehl werd ich botengehn. Geh du zu Jedermann und zeig in meinem Namen ihm an: Er muß eine Pilgerschaft antreten Mit dieser Stund und heutigem Tag, Der er sich nicht entziehen mag. Und heiß ihn mitbringen sein Rechenbuch Und daß er nicht Aufschub, noch Zögerung such. Herr, ich will die ganze Welt abrennen Und sie heimsuchen Groß und Klein, Die Gotts Gesetze nit erkennen Und unter das Vieh gefallen sein. Der sein Herz hat auf irdisch Gut geworfen, Den will ich mit einem Streich treffen, Daß seine Augen brechen Und er nit findet die Himmelspforten, Es sei denn, daß Almosen und Mildtätigkeit Befreundt ihm wären und hilfsbereit. tritt aus seinem Haus hervor, ein Knecht hinter ihm. Spring du um meinen Hausvogt schnell, Muß ihm aufgeben einen Befehl. Der Knecht geht hinein. Mein Haus hat ein gut Ansehn, das ist wahr, Steht stattlich da, vornehm und reich, Kommt in der Stadt kein andres gleich. Hab drin köstlichen Hausrat die Meng, Viele Truhen, viele Spind, Dazu ein großes Hausgesind, Einen schönen Schatz von gutem Geld Und vor den Toren manch Stück Feld, Auch Landsitz, Meierhöf voll Vieh, Von denen ich Zins und Renten zieh, Daß ich mir wahrlich machen mag So heut wie morgen fröhliche Tag. Hausvogt tritt auf. Vogt, bring einen Säckel Geldes straff, Den hab ich vergessen in Gürtel zu tun, Und merk, was ich dir noch anschaff: Für morgen wird ein Frühmahl gericht, Das muß bereit't sein aufs allerbest. Kommen Verwandte und fremde Gäst. Der Tisch muß prächtig sein bestellt, Schick her den Koch, du geh ums Geld. Vogt geht hinein. Koch tritt sogleich auf. Ein köstlich Frühmahl befehl ich an Für morgen. Ja, und soll ich dann Einen jeden Gang bereiten frisch? Daß dich das Fieber rüttel, frisch! Kein Überbleibsel auf meinen Tisch. Es wär von gestern geblieben die Meng Zumindest für zwei kalte Gäng. Du Esels-Koch bist so vermessen, Soll ich eine Bettlermahlzeit essen? Der Koch geht ab. Der Vogt ist herausgekommen mit einem Beutel. nimmt den Beutel. Acht du auf meine Mägd und Knecht, Gefallen mir allermaßen nit recht. Der arme Nachbar wird in der Ferne sichtbar, nähert sich ängstlich. Jedermanns Geselle kommt zugleich raschen Schrittes die Straße hergegangen. zum Hausvogt. Dafür stehst du an der obersten Stell, Daß du auf sie – Da kommt mein Gesell. Hausvogt geht ins Haus. Hätt beinah müssen auf dich warten, Wir wollen jetzt vors Stadttor gehen Und uns dort das Grundstück ansehen, Obs tauglich ist für einen Lustgarten. Hast Fortunati Säckel in der Hand, Dann ist die Sach schon recht bewandt. Ja, bei dir gilts: gewünscht ist schon getan, Du hasts danach, drum steht dirs an. Das ist des reichen Jedermanns Haus. Oh, Herr, dich bitt ich überaus, Wolltest dich hilfreich meiner erbarmen, Mildtätig beistehn einem Armen. zu Jedermann. Ja, wie gesprochen, wir müssen eilen, Dürfen uns gar nit länger verweilen. hebt bittend die Hände. Oh, Jedermann, erbarm dich mein. Kennst du leicht das Gesicht? Ich? Wer solls sein? Oh, Jedermann, zu dir heb ich die Hand, Hab auch einst bessre Tag gekannt. War einst dein Nachbar, Haus bei Haus, Dann hab ich müssen weichen draus. gibt ihm eine Münze aus dem Gürtel. Schon gut! nimmts nicht. Das ist eine Gabe gering. Meinst du? Gottsblut! So reut mich doch das Ding. weist auf den Beutel. Davon mein nachbarlich Bruderteil, So wär ich wieder gesund und heil. Davon? Es ist an dem, ich knie vor dir, Nur diesen Beutel teil mit mir. lacht. Nur? Selbig ist besessen alls! Hältst tausend Bettler auf dem Hals. Was tausend, hunderttausend gleich! Bist allermaßen mächtig reich. Teilst du den Beutel auf gleich und gleich, Dir bleiben die Truhen voll im Haus, Dir fließen Zins und Renten zu. Mann, wer heißt dich, mein Schrank und Truh, Mein Zins und Rent in Mund nehmen? Ich tät mich allerwegen schämen. Laß! – Mann, da bist du in der Irr, Wenn du meinst, ich könnt ohnweilen Den Beutel Geld da mit dir teilen. Das Geld ist gar nit länger mein, Muß heut noch abgeliefert sein Als Kaufschilling für einen Lustgarten. Ich steh dem Verkäufer dafür im Wort, Er will aufs Geld nit länger warten. Wenn dieses Geld für den Garten ist, So brauchts für dich nur einen Wink, Für einen Beutel hast du zehn, Heiß einen andern bringen flink, Den teil mit mir, bist du ein Christ. Der nächste, brächt man ihn herbei, Der Beutel, der wär auch nit frei. Mein Geld muß für mich werken und laufen, Mit Tod und Teufel hart sich raufen, Weit reisen und auf Zins ausliegen, Damit ich soll, was mir zusteht, kriegen. Auch kosten mich meine Häuser gar viel, Pferd halten, Hund und Hausgesind Und was die andern Dinge sind, Die alleweil zu der Sach gehören, Lustgärten, Fischteich, Jagdgeheg, Das braucht mehr Pflege als ein klein Kind, Muß stets daran gebessert sein, Kost' alls viel Geld, muß noch viel Geld hinein. »Ein reicher Mann« ist schnell gesagt, Doch unsereins ist hart geplagt Und allerwegen hergenommen, Das ist dir nicht zu Sinn kommen! Da läufts einher von weit und breit Mit Anspruch und Bedürftigkeit. Tat unsereins nit der Schritte drei Von hier bis an die nächste Wand Ohn eine allzeit offne Hand. Ist alls schon recht, muß nur dafür Ein Fug und ein Gesetz auch walten Und jeglich Teil daran sich halten. Und achten gnau was ihm gebühr: Dawider hast du dich verfehlt, Wär all mein Geld und Gut gezählt Und ausgeteilt auf jeglichen Christ, Der Almosen bedürftig ist, Es käm mein Seel nit mehr auf dich Als dieser Schilling sicherlich, Drum empfang ihn unverweil, Ist dein gebührend richtig Teil. Nachbar nimmt den Schilling und geht. Dem hast dus geben recht mit Fug, Ja, das weiß Gott, viel Geld macht klug. Nun wollen wir gehen, es dustert schon. Schuldknecht kommt, von zwei Bütteln geführt, hinter ihm sein Weib und seine Kinder in Lumpen. Was ist das für einer Mutter Sohn, Den sie da bringen hergeführt, Die Arme kreuzweise aufgeschnürt? Mich dünkt, das geht an ein Schuldturmwerfen, Hätt sich auch mehr in acht nehmen derfen. Jetzt muß er's bei Wasser und Brot bedenken Oder sich an einen Nagel henken. Ja, Mann, du hast halt ein Reimspiel trieben Und Schulden auf Gulden, die reimen gar gut. Hat mancher sein Schuldbuch nit in der Hut Und ist drin vieles in Übel geschrieben. Auf wen geht das? Auf den, der fragt allweil. Bins nit bewußt für meinen Teil, Weiß nit, für wen du mich willst nehmen. In deiner Haut wollt ich mich schämen. Gibst harte Wort mir ohn Gebühr. Dir gehts nit wohl, was kann ich dafür? Für harte Stöß sind sanft meine Wort. Wer stößt dich? Du, an einen harten Ort. Ich kenn dich auch vom Ansehen nit. Ist doch dein Fuß, der auf mich tritt. Das wär mir seltsam, daß ich so tät Und nichts davon in Wissen hätt. Dein Nam steht auf einem Schuldschein, Der bringt mich in diesen Kerker hinein. Bei meinem Patron, was geht's mich an? Bist doch der selbige Jedermann, In dessen Namen und Antrag Beschehn ist wider mich die Klag! Daß ich in einen Turm werd bracht, Geschieht allein durch deine Vollmacht. tritt hinter sich. Ich wasch in Unschuld meine Hand Als einer, der diese Sach nit kennt. Deine Helfers-Helfer und Werkzeug halt, Die tun mir Leibes- und Lebensgewalt. Der Hintermann bist du von der Sach, Das bring dir zeitlich und ewig Schmach. In Grund und Boden sollst dich schämen. Wer hieß dich Geld auf Zinsen nehmen? Nun hast du den gerechten Lohn. Mein Geld weiß nit von dir noch mir Und kennt kein Ansehen der Person. Verstrichne Zeit, verfallner Tag, Gegen die bring deine Klag. Er höhnt und spottet meiner Not! Da seht ihr einen reichen Mann. Sein Herz weiß nichts von Gotts Gebot, Hat tausend Schuldbrief in seinem Schrein Und läßt uns Arme in Not und Pein. Kannst du dich nicht erbarmen hier, Zerreißen ein verflucht Papier, Anstatt daß meinen Kindern da Der Vater wird in Turm geschmissen, Von dem dir nie kein Leid geschah! Hast du kein Ehr und kein Gewissen, Trägst du mit Ruh der Waisen Fluch Und denkst nit an dein eigen Schuldbuch, Das du mußt vor den Richter bringen, Wenns kommt zu den vier letzten Dingen? Weib, du sprichst, was du schlecht verstehst, Es ist aus Bosheit nit gewest, Man hat sich voll und recht bedacht, Eh man die scharfe Klag einbracht. Geld ist wie eine andere War. Da sind Verträg und Rechte klar. Wär schimpflich um die Welt bestellt, Wenns anders herging in der Welt. Geld ist ein Pfennig, den eins leiht Dem Nächsten um Gottes Barmherzigkeit. Geld ist nicht so wie andre War, Ist ein verflucht und zaubrisch Wesen, Wer seine Hand ausreckt darnach, Nimmt an der Seele Schaden und Schmach, Davon er nimmer wird genesen. Des Satans Fangnetz in der Welt Hat keinen andern Namen als Geld. Du lästerst als ein rechter Narr, Weiß nicht, wozu ich hier verharr, Gibst vor, du achtest das Geld gering, Und war dir schier ein göttlich Ding! Nun möchtest ihm sein Ansehen rauben, Bist wie der Fuchs mit sauren Trauben, Doch wer so hinterm Rücken schmäht, Der findt keinen Glauben für seine Red. Aus meinen Leiden hab ich Gewinn, Daß ich vermag in meinem Sinn Des Teufels Fallstrick zu erkennen Und meine Seel vom Geld abtrennen. Geld ist längst abgetrennt von dir, Drum hast dort im Turm Quartier. Nimm die Belehrung von mir an: Das war ein weiser und hoher Mann, Der uns das Geld ersonnen hat An niederen Tauschens und Kramens statt. Dadurch ist unsere ganze Welt In einer höher Ansehen gestellt Und jeder Mensch in seinem Bereich Schier einer kleinen Gottheit gleich, Daß er in seinem Machtbezirk Gar viel hervorbring und bewirk. Gar vieles zieht er sich herbei Und ohn viel Aufsehen und Geschrei, Beherrscht er abertausend Händ, Ist allerwegen ein Regent. Da ist kein Ding zu hoch noch fest, Das sich um Geld nicht kaufen läßt. Du kaufst das Land mitsamt dem Knecht, Ja, von des Kaisers verbrieftem Recht, Das alle Zeit unschätzbar ist Und eingesetzt von Jesu Christ, Davon ist ein gerechtsam Teil Für Geld halt allerwegen feil, Darüber weiß ich keine Gewalt, Vor der muß jeglicher sich neigen Und muß die Reverenz bezeigen Dem, was ich da in Händen halt. Du bist in Teufels Lob nit faul, Wie zu der Predigt geht dein Maul. Gibst da dem Mammonsbeutel Ehr, Als obs das Tabernakel wär. Ich gebe Ehr, wem Ehr gebühr, Und läster nicht wo ich die Macht verspür. indem ihn die Büttel fortschleppen. Was hilft dein Weinen, liebe Frau, Der Mammon hat mich in der Klau. Warum hab ich mich ihm ergeben? Nun ists vorbei mit diesem Leben. Sie führen ihn ab. Kannst du das sehn und stehst wie Stein? Wo bett ich heut die Kinder mein? Geht ihm nach. zum Gesellen. Tu mirs zulieb, geh da hint nach Und sieh im stillen zu der Sach. Der Mann kommt in Turm, da mag nichts frommen, Dem Weib gewährt ich ein Unterkommen, Und was sie nötig hat zum Leben Zusamt den Kindern, das will ich ihr geben. Mein Hausvogt soll mir darnach sehn Und ihr freimachen eine Kammer. Doch will ich Plärrens ledig gehn, Ihre Not nicht wissen, noch Gejammer. Das ist ein erzverdrießlich Sach, Man lebt geruhig vor sich hin, Hat wahrlich Böses nit im Sinn Und wird am allerschönsten Tag Hineingezogen und weiß nit wie In Hader, Bitternis und Klag Und aufgescheucht aus seiner Ruh. Ich frag dich, wie komm ich dazu: Was geht mich an dem Kerl sein Taglauf? Er hats halt angelegt darauf, Nun steckt er drin, schreit ach und weh! Das folgt halt wie aufs A das B. Ein Häusel baun mit fremdem Geld, Wer also haust, um den ists so bestellt. Das ist seit Adams Zeit der Lauf, Ist nit erst kürzlich kommen auf. Zum Schluß aber tät ers in d' Schuh schieben Dem, so er Haufen Geldes schuldig blieben. Des Langmut und Geduld arg viel Hat müssen herhalten zu dem Spiel, Der selbig erbarmungsvolle Mann, Der wär ihm gar ein Teufel dann. Jetzt aber, daß ich es ehrlich sag, Steht mir der Sinn nit mehr darnach, Daß ich einen Lustgarten anschau, Auch wird es duster schon und grau. Tu mir die Lieb, mein guter Gesell, Wenn du das andre besorgt hast schnell, Trag den Kaufschilling da zurecht, Weil die Versäumnis mir Ärger brächt. Der Garten zusamt dem Lusthaus drein Soll alls für meine Freundin sein Auf einen Jahrtag ein Angebind. Bei der ich dich doch heut abend find? Ich bring dir den Kaufbrief gleich dahin, Ausgefertigt nach deinem Sinn. Hab vielen Dank, du guter Gesell, Mich drängts, daß ich dort hinkomm schnell. Ist doch der einzige Ort in der Welt, Wo nichts mir meine Lust vergällt. Ist recht ein paradiesisch Gut, Was ihre Lieb mir bereiten tut. Darum hab ich im Willen dies Ding; Daß ich ein Angebind ihr bring, Darin ich wie in einem Gleichnis und Spiegel Ihr meine Dankbarkeit besiegel. Wie willst das tun, in welcher Weis? Dazu richt ich den Garten mit Fleiß Und stell inmitten ein Lusthaus hin, Das bau ich recht nach meinem Sinn Als einen offenen Altan Mit schönen steinernen Säulen daran, Auch springende Wasser und erzene Bild, Die sollen nicht fehlen zur vollen Zier, Und dann ich die Anlag also führ, Daß unter dem Morgen- und Abendwind Ein Ruch von Blumen mancher Art Daherstreich allezeit gelind Von Lilien, Rosen und Nelken zart. Auch führ ich jederseits Gäng und Bogen Von Buschwerk, alls so dicht gezogen, Daß eines noch zu hellem Mittag Sich Kühl und Frieden finden mag Und einen ungequälten Ort, Der von der Sonne niemals dorrt. Desgleichen an einer verborgenen Stätte Recht wie der Nymphe quillend Bette Laß ich aus kühlem glatten Stein Eine fließende Badstub errichtet sein. Das wird ein köstlich Gärtlein, fürwahr, Und seinesgleichen nit leicht zu finden. Das will ich meiner Liebsten einbinden Und nehm sie dann an beide Händ Und führ sie hinein, damit sie erkennt In diesem Gärtlein köstlich und mild Ihr eigen abgespiegelt Bild. Die allzeit liebreich mich ergetzt, Mit Hitz und Schattenkühl mich letzt Und einem verschlossenen Gärtlein gleich Den Gärtner selig macht und reich. Da seh ich deine Frau Mutter kommen, Wird dir jetzt die Begegnung frommen? Drück mich nit gern vor ihr beiseit, Hab aber wahrlich nit viel Zeit. Geh du, bring mir zurecht die Ding, Indessen ich meinen Gruß darbring. Bin froh, mein Sohn, daß ich dich seh. Geschieht mir so im Herzen weh, Daß über weltlich Geschäftigkeit Dir bleibt für mich geringe Zeit. Die Abendluft ist übler Art Und deine Gesundheit gebrechlich und zart, Kann dich mit Sorgen nur hier sehn. Möchtest nit ins Haus eingehn? Gehst du dann mit und bleibst daheim? Für den Abend kanns nit wohl sein. So darfst dich nit verdrießen lassen, Daß ich dich halt hier auf der Gassen. Ist mir gar sehr um deine Gesund. Vielleicht wir könnten zu anderer Stund – Um meine Gesundheit kein Sorg nit hab, Ich steh mit einem Fuß im Grab. Mir gehts nit um mein zeitlich Teil. Doch dester mehr ums ewig Heil. Verziehst du dein Gesicht, mein Sohn, Wenn ich die Red anheb davon? Und wird die Frag dich recht beschweren, Wenn ich dich mahn, ob deine Seel Zu Gott gekehrt ist, ihrem Herrn? Trittst hinter dich vor Ungeduld Und mehrest lieber Sündenschuld, Als in dich gehen ohne Spott Und recht betrachten deinen Gott? Da doch von heut auf morgen leicht Eine Botschaft dich von ihm erreicht, Du solltest vor seinen Gerichtstuhl gehen Und von deinem ganzen Erdenleben Eine klare Rechnung vor ihm geben. Frau Mutter, spotten ist mir fern, Doch weiß ich, die Pfaffen drohen halt gern. Das ist nun einmal ihr Sach in der Welt, Ist abgesehen auf unser Geld. Damit sies bringen auf ihre Seit, Sie wissens zu fädeln gar gescheit. Doch kränkts mich, wie sie Alten und Kranken In Kopf nichts bringen als finstre Gedanken. Die Finsternis ist wo anders dicht, Doch solche Gedanken sind hell und licht. Wer recht in seinem Leben tut, Den überkommt ein starker Mut Und ihn erfreut des Todes Stund, Darin ihm Seligkeit wird kund. Oh, wem die Stunde des Tods allweg Recht wohl betrachtet am Herzen läg, Um den braucht einer Mutter Herz Nit Sorgen tragen und üblen Schmerz. Wir sind gute Christen und hören Predig, Geben Almosen und sind ledig. Wie aber, wenn beim Posaunenschall Du von deinen Reichtümern all Ihm sollst eine klare Rechnung geben Um ewigen Tod oder ewiges Leben? Mein Sohn, es ist ein arg Ding zu sterben, Doch ärger noch auf ewig verderben. Auf vierzig Jahre bin ich kaum alt, Mich wird eins halt nit mit Gewalt Von meinen irdischen Freuden schrecken. Willst du den Kopf in den Sand stecken Und siehst den Tod nit, Jedermann, Der mag allstund dich treten an? Bin jung im Herzen und wohl gesund Und will mich freuen meine Stund, Es wird die andere Zeit schon kommen, Wo Buß und Einkehr mir wird frommen. Das Leben flieht wie Sand dahin. Doch schwer umkehret sich der Sinn. Frau Mutter, mir ist das Reden leid, Hab schon gesagt, hab heut nit Zeit. Mein lieber Sohn! Bin sonst allzeit Gehorsam gern und dienstbereit. Meine Red ist dir verdrießlich sehr, Das macht mich doppelt kummerschwer. Mein guter Sohn, ich hab ein Ahnen, Ich werd dich nimmer lang ermahnen. Fall dir zur Last noch kurze Zeit, Weil ich von hier mich bald abscheid. Doch du bleibst dann allein dahint Und bist mein unberaten Kind. So sag ich dir halt nur ein Wort, Das dich mit langer Red nit kränk: Sei deines Herrn Gotts eingedenk. Und auch seiner großen Gnadenspend, Der sieben heiligen Sakrament, Davon ein jegliches uns frommt Und unserer Schwäch zu Hilfe kommt, Ein jegliches in besonderer Weis Uns stärket auf dieser Lebensreis. Was soll – Du bist ein stattlicher Mann Und Frauenlieb steht dir wohl an. Und hat denn unser Erlöser nicht, Der weiß, woran es uns gebricht, Und alles auf dieser Erden kennt Und alls zu unserem Segen wendt, Ein Sakrament nit eingesetzt, Wodurch, was also dich ergetzt, Verwandelt wird und kehret sich um Aus Wollust in ein Heiligtum! Willst stets in arger Zucht umtreiben Und fremd die heilige Eh dir bleiben? Frau Mutter, die Red ist mir bekannt. Hat doch dein Herz nit umgewandt. Ist halt noch allweil die Zeit nit da. Und doch der Tod schon gar so nah. Ich sag nit ja, ich sag nit nein. So muß ich allweg in Ängsten sein. Auch morgen ist halt noch ein Tag. Wer weiß, wer den noch sehen mag. Macht euch nit unnütze Beschwerden, Ihr seht mich sicher noch ehlich werden. Mein guter Sohn, für dieses Wort Will ich dich segnen immerfort, Sei viel bedankt, daß mir dein Mund So schönen Vorsatz machet kund. Hab nit von heut noch morgen geredt. Wenn nur dein Wille dagegen nit steht ... Einer Mutter Herz ist wohl gestellt, Wo nur ein gutes Wörtlein hinfällt. Dein Vorsatz ist noch klein und schwach, Zielt doch auf eine heilige Sach, Und daß du so geantwort' hast, Nimmt von der Brust mir schwere Last. Viel gute Nacht, Frau Mutter, nun Ich wünsch, du mögest sänftlich ruhn. So will ich, mein lieber guter Sohn, Und ist mir doch als ob ein Ton Gar schön wie Flöten und Schalmein In deine Worte tön herein! An solchen Zeichen und Gesicht Mirs dieser Tage nit gebricht. Ich nehm sie als eine Vermahnung hin, Daß bald ich eine Sterbende bin. Geht. Nun hör ich auch ein solch Getön, Sollt also seltsam dies zugehn? O, nein, das geschieht natürlicher Weis, Wie wohl ichs noch nit zu deuten weiß. Nun aber gehts nit bloß ins Ohr. Tritt auch den Augen was hervor. – Buhlschaft kommt heran, von Spielleuten und Buben, die Windlichter tragen, begleitet. Das ist ja meine Buhle wert, Nach der mein Herz schon hart begehrt. Hat Spielleut mit eine ganze Schar Und kommt mich abzuholen gar. Wer alls lang auf sich warten läßt Und ist der wertest aller Gäst, Den muß man mit Zimbeln und Windlicht Abholen und führen zu seiner Pflicht. Du schlägst die Lichter mit eigenem Schein, Deine Red ist süßer als Schalmein. Ist alls für mich zu dieser Stund Wie Balsam für die offne Wund. Was mir doch, eh ich zu dir trat, Als ob dir jemand nahe tat Und wär dein helle Stirn und Wangen Von einer Trübnis überhangen. Wie, gelt ich also viel vor dir, Daß du solch Ding erspähst an mir? So bin ich dir wahrhaftig dann Kein ältlich, unbequemer Mann? Mit dieser Red geschieht mir weh, Des ich zu dir mich nit verseh. Steh nit auf grüne Buben an, Du bist mein Buhl und lieber Mann. Fühl mich wahrhaftig herzensjung Und selber bubenhaft genung, Und wenn ich alls kein Bub mehr bin, So zärtlicher ist drum mein Sinn. Ein Bub liebt frech und ohne Art, Ein Mann ist großmütig und zart. Hat milde Händ und steten Sinn, Das zieht zu ihm die Frauen hin. Wenn eins gemahnt wär an den Tod Und hätt Melancholie und Not, Und säh auf deine Lieblichkeit, Dem tät sein trübes Denken leid. Das Wort allein macht mir schon bang, Der Tod ist wie die böse Schlang, Die unter Blumen liegt verdeckt, Darf niemals werden aufgeweckt. Du Süße, schaff ich dir noch Sorgen? Wir lassen sie unter Blumen verborgen Und wissen nirgend nichts von Schlangen, Als zweien, die gar hold umfangen. Wie, wären die mir auch bekannt, Wie werden diese denn genannt? Das sind die lieben Arme dein, In diese sehn ich mich hinein. Sie küßt ihn und setzt ihm einen bunten Blumenkranz auf, den ein Bub darreicht. Ein Teil der Buben läuft hinauf, streuen Blumen und wohlriechende Kräuter. Ein Tisch kommt aus dem Boden empor, reich gedeckt und mit Lichtern. Jedermann und Buhlschaft treten jedes an eine Seite der Treppe, die zum obern Gerüst emporführt. Die Gäste, zehn Junggesellen und zehn Fräulein, kommen hinein von beiden Seiten, tanzend und singend. Ein Freund hat uns beschieden, Er heißet Jedermann, Der Mann ist guter Art, Hat eine Freundin zart, Drum blieb er ungemieden, Und hat er uns beschieden, So treten wir heran. Wohlauf, antreten In fröhlichem Tanz, Schalmeien, Drommeten, Wir sein hier gebeten Zu Fackeln und Glanz Und kommen mit Tanz. Wir waren mit Blicken Nit zaghaft und bang. Nun gehts an ein Drücken. Recht nah und gedrang, Wir wollen uns verstricken Und schlingen den Kranz. So wollen wir vorrücken, Das ehret den Tanz. Ein jeder erwähle Mit liebendem Sinn Und keiner verhehle Seiner Freuden Gewinn. Wir wollen uns umstricken, Das wärmet das Blut, So wollen wir vorrücken Mit fröhlichem Mut. Seid allesamt willkommen sehr, Erweist mir heut die letzte Ehr. Das ist ein sonderlicher Gruß. Potz Maus, mein Vetter Jedermann, Wie grüßt Ihr uns, was ficht Euch an? Was ist dir, was schafft dir Verdruß? Ist unversehens zu Mund so kommen, Ich heiß euch alle recht schön willkommen! Nehmt, wie der Sinn euch steht, die Plätz! Ihr Buben, reicht Handwasser jetzt! Was stehst du da und siehst so fremd? Sie setzen sich. Sie sitzen ja alle im Totenhemd! Was ficht dich an, bist du mir krank? Haha! ein ungereimter Gedank! Ich trink jetzt einen Becher Wein, Der macht das Hirn von Dämpfen rein. Sitz! red zu ihnen ein freundlich Wort! Ihr Leute, seid ihr auch recht am Ort? Ihr sehet mächtig fremd mir aus. Ein Schweigen. Potz Velten, Vetter Jedermann, Wollt Ihr uns wiedrum treiben fort? Das schafft Ihr nicht so leicht, Potz Maus, Dazu ist Euer Koch zu gut, Auch geht der Wein recht warm ins Blut, Freu mich, daß ich hier seßhaft bin. Jawohl ... nur bloß ... mir steht zu Sinn, Wie ihr da seid hereingelaufen, So könnte ich euch alle kaufen Und wiederum verkaufen auch, Daß es mir nit so nahe ging Als eines Fingernagels Bruch. Was soll uns dieser grobe Spruch? Was meint er nur mit diesem Ding? Die Reden sind sonst nit sein Brauch. Geht die Red gleicherweis auf mich? Jedermann sieht sie an. Ist recht eines reichen Manns Red, Gar überfrech und aufgebläht. Dein Blick ist starr und fürchterlich, Für was willst du mich strafen, sprich Dich strafen, Süße, ist mir fern, Lieb dich gleich meinem Augenstern, Hab müssen denken von ungefähr, Wie deine Miene beschaffen wär, Wenn dir auf eins zukäm die Kund, Daß ich müßt sterben zu dieser Stund. Um Christi Willen, was ficht dich an, Mein Buhle traut, mein lieber Mann, Ich bin bei dir, sieh doch auf mich, Dein bin ich heut und ewiglich. Wenn ich dann spräch: Bleibst du bei mir? Willst dort bei mir sein so wie hier? Willst mich geleiten nach der Stätte Und teilen mein eiskaltes Bette? Fielest ohnmächtig mir zu Füßen, So hätte ich meine Frag zu büßen! Wollt ich trotzdem des Wegs dich locken, Tät dir das Blut in Adern stocken, Wäre mir gedoppelt Marterqual Und Gall und Essig allzumal, Wenn ich müßt sehen mit eigenen Augen, Wie deine süßen Schwür nit taugen Und wie du lösest deine Händ Aus meinen Händen gar am End Und deinen Mund von meinem Mund Abtrennest in der letzten Stund. O weh. Er seufzt. Ihr lieben Vettern und Leut, Mein Liebster ist besonders heut, Weiß nit, wes ich mich soll versehn, Könnt ihr mit Rat mir nit beistehn? Jedermann starrt vor sich und tut den Kranz aus dem Haar. Er sitzt nit fröhlich und gepaart Und redt von Dingen aus der Art, Hab nie zuvor ihn so gesehn, Weiß nit, was ihm mag sein beschehen! Potz Velten, Vetter Jedermann, Habt Ihr leicht die Melancholie? Wenn nit, was sonsten ficht euch an? Kenn das, sitzt hinterwärts der Stirn, Ist eine Trockenheit im Hirn, Ist mir von meinem Herrn Vater bekannt, Mit ihm wars öfter so bewandt. Mußt brav eines trinken, mit Vergunst, Daß dir der Wein das Hirn aufdunst. Gehört ein Absud in den Wein Von Nieswurz, Veilchen oder Hanf. Hier, Buben, machet heißt den Wein, Daß er fast glühender aufdampf, Und tut ein Zimmet und Ingwer ein. Sie machen hinten den Wein glühend auf einer Pfanne. Hab sagen hören, es gibt einen Stein, Den trägt die Schwalbe in ihrem Bauch, Den haben die großen Ärzt im Brauch, Heißt Chelidonius. Nein, Calcedon! Hab öfter reden hören davon! Ist mächtig gegen die Melancholie. Ich mein, er müßt mit der Sympathie Kuriert sein. Ist giftiger Hauch Im Spiel hier oder böser Blick. Wär mir mein Liebster also krank, Ich täts probieren ohne Wank. Was tätst probieren? Ist geheim! Darf in gemeinem Mund nit sein, Verliert sonst seine verborgene Kraft. Von wo hast du die Wissenschaft? Habs halt einmal und gebs nit preis. Sags aber ihr ins Ohren leis. Steht auf, flüstert Buhlschaft ins Ohr. Gleichzeitig reden mehrere unten am Tisch das Folgende. Wenn eins halt allzeit lebt zu gut, Das schafft ihm ein verdicktes Blut, Einem armen und beschwerten Mann Käm die Melancholie nit an. Was heißen sie denn die Spielleut nit Anheben mit Blasen und Geigenstreichen, Davor muß immer der Trübsinn weichen. Wir wollen anheben zu singen was, Davon schon öfter einer genas. Darf aber ein züchtig Lied nur sein. Sie singt nit anders als zart und fein. Kennt ihr das Lied, das anhebt so: »In süßen Freuden geht die Zeit«? Davon, so dünkt mich, müßt einer zur Stund, Wenn er es anhört, werden gesund. Nein, lasset doch, sind wir denn Pfaffen? Was soll ein geistlich Lied uns schaffen? Ist nie und nimmer kein Pfaffenlied. Der Türmer singt's, wenn die Sonn aufzieht. Ich weiß ein anderes, singen wir das. Ei was? indem er sie küßt. Ei was, wenns regnet, ist's naß. »Floret silva undique. Um meinen Gesellen ist mir weh.« spottet ihr nach. »Floret silva undique. Um ihren Gesellen ist ihr weh.« »Er ist geritten von hinnen. O weh, wer soll mich minnen!« fällt ein. »Steht auch der Wald voll grünen Schoß, Wohin doch ist mein Traugenoß?« hat indes den Becher Glühwein ausgetrunken und sieht mit fröhlicher Miene umher. Seid fröhlich, Vettern und liebe Gäst, Mir ist nit just recht wohl gewest, Ein Trunk hat mich gemacht gesund, Nun grüß ich erst meine Tafelrund. War mir, als läg was auf der Brust, Nun hab ich doppelt Lebenslust. Bin froh, daß wir beisammen sein, Ist mir ein rechter Freudenwein. Schwillt mir das Herz so übervoll, Weiß gar nit, wie ichs sagen soll. Sind köstlich Ding doch auf der Welt, Ist herrlich gar um uns bestellt. Ja Lieb und Freundschaft, die zwei sind viel wert. Wer die hat, des Herz nit mehr begehrt. Kommt Wein dazu und Saitenspiel, So ist's schon über Maßen viel. Ich hab euch recht lieb, ihr lieben Gäst, Ich bitt euch, nützt die Stund aufs best. Laßt eure Kehl nit untätig sein, Ein Lied geht aus, wo eingeht der Wein. Verschränket eure Stimmen aufs best Und haltet sänftlich die Liebste fest. Genützt sei eine schöne Stund Mit Hand und Aug und Herz und Mund! Ja, laßt Euch nit lang gebeten sein, Und singt uns eins, lieber Vetter mein. Mein dünner Vetter, o weh, o weh! Nun kommt sein Lied vom kalten Schnee. Sie singen lachend. singt. O weh, o weh, Frau Minne, mir ist weh, Frau Minne! Greif her, wie sehr ich brinne, O weh! Ein kalter, kalter Schnee, Er müßt vor Glut zerrinnen, Darin das Herz erstickt! Wollt helfen mir, Frau Minnen, Des wär ich hochbeglückt. Alle singen mit. Man hört darein ein dumpfes Glockenläuten. stößt sein Glas von sich. Was ist das für ein Glockenläuten! Mich dünkt, es kann nichts Guts bedeuten, Der Schall ist laut und todesbang, Schafft mir im Herzen Qual und Drang. Was läuten Glocken zu dieser Zeit? Ist nichts zu hören weit und breit. Hat einer läuten hören Glocken? Was Glocken, was wird von Glocken geredt? Wär eins zu früh zur Morgenmett! Ich bitt euch, laßt das Singen nit stocken. Hat einer von euch was läuten hören? lachend. Nit läuten, meiner Seel, noch schlagen. Laßt euch im Singen doch nit stören. Ich bitt euch, hat alls nichts zu sagen, Jetzt hör ichs nimmer, ist alls schon gut. Kommt alls von einem trägen Blut. Ich laß Euch wärmen ein Becherlein. Viel Dank, guter Vetter, laßt nur sein. Er setzt sich wieder, Buhlschaft schmiegt sich an ihn. Die am untern Ende des Tisches singen »Floret silva undique« und so fort als Kanon. Indes sie singen, kommt Jedermanns guter Gesell und nimmt den leeren Platz am Tische ein. Indem der Gesang leiser wird, hört man viele Stimmen rufen. Jedermann! Jedermann! Jedermann! springt angstvoll auf. Mein Gott, wer ruft da so nach mir? Von wo werd ich gerufen so? Des werd ich im Leben nimmer froh. Ei, Jedermann, ich bin zur Stell. Sieh, Jedermann, doch, dein lieber Gesell. Ihr liebe Freundschaft, sagt mir an, Wer ruft so gräßlich »Jedermann«? Hat müssen grad ins Ohr dir dringen Ein Widerhall von ihrem Singen. Nein, nein! in fürchterlicher Weis Und laut und mächtiglich, nit leis. So: »Jedermann!« und »Jedermann!« Doch anderster als ich es schaffen kann Gar fremd und doch bekannt zugleich. Aus welchem höllischen Bereich Hats müssen also nach mir schreien. Des kann ich mich nimmer getrösten, nein! Jetzt, jetzt! aufs neu, so hört doch an, Wie streng sie rufen »Jedermann«! Man hört das gleiche Rufen wie vordem. Ich hör keinen Laut. Ich hör keinen Schall. Auch nit einen leisen Widerhall. tritt zu Jedermann. Ist Ohrentrug, siehst nit wohl aus, Soll ich geleiten dich nach Haus? Wie ich auf euch die Augen heft, So kommen mir zurück die Kräft. Ich mein, es könnt ein solches Schrein Kein zweites Mal sich hier anheben. Tut mir recht wohl der Lichterschein. Sitz nieder, mein Gesell, hierneben, Und mögen alle lieben Gast Zulangen und sich ergetzen aufs best. Will morgen zu gelegner Zeit Mit einem Arzten Beratung pflegen, Daß solche Zufäll allerwegen Er wohlbedacht mir hält hintan. Mußt mirs versprechen, lieber Mann! Müßt ja vor Angst und Sorg vergehn, Sollt ich dich öftern also sehn. Sie essen alle weiter und sind zärtlich miteinander. hebt sich angstvoll. Nun aber sag um Gott, mein Lieb, Was brennen die Lichter also trüb? Und wer kommt hinter mir heran? Auf Erden schreitet so kein Mann. Der Tod steht da in einiger Entfernung. Alle Gäste auf. Ei Jedermann! ist so fröhlich dein Mut? Hast deinen Schöpfer ganz vergessen? Was fragst um das zu dieser Stund? Bekümmerts dich? wer bist? was solls? Von deines Schöpfers Majestät Bin ich nach dir ausgesandt, Und das in Eil: drum steh ich da. Wie, ausgesandt nach mir? Greift nach seinem Herzen. Dem möchte wohl so sein. Ei ja. Denn ob du ihm gibst wenig Ehr, In der himmlischen Sphär denkt er dein. In welcher Weis, das soll dir gleich gemeldet sein. die Augen gesenkt, tritt hinter sich. Was will mein Gott von mir? Das will ich dich weisen. Abrechnung will er halten mit dir. Unverweilt! Ganz und gar bin ich unbereit Für solch ein Rechnung legen. Müßt ich das tun, da käm ich in Not. Auch kenn ich dich nit, was bist du für ein Bot? Ich bin der Tod, ich scheu keinen Mann, Tret jeglichen an und verschone keinen. Es flüchten viele. Was? keine Frist willst du mir geben, Und überfällst eins ungewarnt Gar mitten drin im besten Leben, Gotts Blut! das ist kein ehrlich Spiel, Damit erwirbst dir Ruhm nit viel, Denn daß ichs nur sag, bin nit bereit, Mein Schuldbuch auch ist nit so weit. Hätt ich für mich so zehn, zwölf Jahr, Ich wollt es in der Ordnung han, Daß keine Furcht mich ginget an. Das wollt ich, so steh Gott mir bei. Drum aus Gotts Gnaden laß mich hier Daß ich das Ding zur Ordnung führ. Hie hilft kein Weinen und kein Beten. Die Reis mußt alsbald antreten. O Gott der Gnaden auf himmlischem Thron, Erbarm dich meiner schweren Not. Wird mir zum Gefährten für diesen Weg Kein anderer als du bestellt? Soll ich aus dieser Erdenwelt Hinaus, und kein Geleite haben? Und war doch hier niemals allein, Mußt allerwegen gesellig sein. Nun ist Geselligkeit am End. Ring nit vergebner Weis die Händ, Schleun dich, jetzt gehst vor Gottes Thron. Dort empfängest deinen Lohn. Wie, hat dich Narren wollen bedünken, Das Erdengut und dies dein Leben Wär dir alles zu Eigen gegeben? So war ich vermeinend, wahrhaftig und ja. Nichts da, war alls dir nur geliehen. Bist du dahin, erbts einen andern, Und über eine Weil schlägt dem seine Stund Und er muß alles hier lassen und wandern. Ich komm halt schnell. Nur einen Tag! Nur diese Nacht bis Sonnaufgehn, Daß ich mit Reu mög in mich gehn Und hören auf des Priesters Lehr Und bessern mich nach deinem Begehr. Dergleichen wird von mir nit erbeten. Wo ich einen Mann tu antreten, Den schlag ich auf sein Herz mit Macht. Wird vorher kein Anzeig beigebracht. O weh! Nun ist wohl Weinens Zeit! Mit Weinen wird nur Zeit vertan. Weh über mich, was heb ich an? Hätt ich ein ledig Stündlein Zeit, Mir zu gewinnen ein Geleit. Daß ich nicht mutterkindallein Vor meinem Richter müßte sein. Meinst du, daß solches dir gewinnst? Ich sag, sie weigern dir den Dienst. Nur nit allein vor das Gericht! Nur Redens und Ratens ein Stündlein Zeit Um Christi Gotts Barmherzigkeit! Meinshalb, ich tret dir aus dem Gesicht, Nur merk, vertu nit diese Frist Und nütz sie klüglich als ein Christ. Geht hinauf, wird unsichtbar. tritt zu seinem Gesellen. Mein guter Gesell, du weißts – Ich weiß. War nit fünf Schritt weit, Jedermann, Wie dich der Tod hat treten an! Und hab euch reden hören alls. Schlägt mir das Herz bis an den Hals! Ein froher Mann und kerngesund, Das warst du bis zu dieser Stund. Nun kommt mich schier das Weinen an, Wenn ich dich anschau, Jedermann. Hab vielen Dank, mein guter Gesell. Was dir noch Not tut, sag du schnell. Du bist mir wahrhaft ein guter Freund. Dich hab ich allzeit treu befunden. Und sollst mich finden zu allen Stunden. Denn glaub du mir, ging deine Reis Geradewegs hinab zur Höll, Hie fändest du den Gefährten zur Stell. Gott steh mir bei, du lieber Mann, Daß ichs um dich verdienen kann. Ist von Verdienen nit die Sprach, Wär mir die allergrößte Schmach, Wollt ichs mit dem Mund mich unterwinden Und sollt man in Taten mich lässig finden. Mein Freund! Sprich frei, tu auf den Mund, Muß alls mir werden offenbart. Ich steh bei dir bis zur letzten Stund Recht nach guter Gesellen Art. Jedermann will den Mund auftun. Dein Jammer geht mir mächtig nah, Soll alles, was aufs Herz dir druckt, Von diesem ganzen Erdenwesen Von mir getreulich sein verwesen. Sag, ist dir von etlichen Leids getan? Sie sollen ihre Strafen han Von meiner Hand mit scharfem Eisen, Und müßt ich darüber ins Gras beißen! Ist nit um dies mir, bei Gotts Blut! Es geht dir um dein Geld und Gut. Das schafft dir große Sorgenlast, Daß keine Leibeserben hast. Nein, Lieber, nein! Braucht nit viel Wort, Bei mir ist dein Vertraun am Ort. Der Kaufbrief da ist wohl verwahrt. Dir ist um deine Freundin zart, Daß deines Reichtums auf sie komm Soviel, als ihr auf immer fromm'. Nein, Lieber, Guter, hör mich an. Spar dir die Reden, Jedermann. Bist ohne viel von mir verstanden. Ach! ganz was anders schafft mir Qual, Viel näheres, mein guter Gesell! Heraus damit, laß hören schnell. Merk, Freundes Mund tröst allemal. Ja du mein Freund! Willst mich nit weisen? Könnt sein, dir blieb sonst nit die Zeit. O weh, das wär mir bitter leid. Sag dein Sach! Frisch, Jedermann! Wo bliebe unsere Freundschaft dann? Wenn ich dir tät mein Herz aufschließen Und du, du kehrtest den Rücken mir Und ließest dich meine Red verdrießen, Des hätte ich wohl zehnfach Gram und Weh! Herr, wie ich zu Euch gesprochen eh, So will ich tun. So dank dir Gott. Mir ist befohlen, mich fortzuheben. Der Weg ist weit und voll Beschwer, Und was dann kommt, noch weit mehr, Denn ich soll eine Rechnung geben Von meinem Reichtum und all meinem Leben Vor meinem Schöpfer und höchsten Richter! Drum also komm mit, mein guter Gesell, Wie dus versprochen hast zur Stell. Ei ja, das ist schon eine Sach. Versprechen und brechen, das wär mir Schmach. Daran nur denken macht mir heiß. O du! Doch sollt ich antreten die Reis, Da heißt es sich beraten und gut. Was? sprachest doch, auf jeglicher Straßen Wolltest nicht lebend noch tot mich verlassen. Und wär es geraden Wegs zur Höll. Richtig, so war meine Red, Hand aufs Herz! Aber die Wahrheit zu vermelden, Ist jetzo nicht Zeit für dergleichen Scherz. Ist fast bereits ernsthaft die Sachlag. Und dann, wenn wir die Reis wollten antreten, Wann kämen wir wiederum hierher? Ei, gib doch Antwort. Nimmermehr. Nimmermehr bis an den Jüngsten Tag. Dann, bei Gotts Tod, bleib ich hintan. Wenn in dem Sinn die Meldung beschah. Dann stehts, daß ich die Reis nit tu. Nit tust? Nein, alsdann bleib ich am Ort. Ich sag dir, wie mir ist zu Sinn, Du weißt, daß ich freimütig bin. Itzt stehts, daß ich die Reis nit tu, Um keiner lebenden Seel fürwahr, Auch nit um meines Herrn Vaters Lieb, Gott schenk ihm ansonsten die ewige Ruh. Um Gott! Hast mir was anders versprochen! Weiß wohl. Und ist recht in Treuen beschehn. Und so du wolltest was anders begehn, Mit Frauen was Gutes in Kumpanei Oder was es sonsten sei, Solltest an deiner Seiten mich sehn, Solange Gott läßt einen hellen Tag sein Und auch des Nachts bei Fackelschein. Das sag ich in Treuen! Schickt sich an zu gehen. O deiner bedarf ich jetzt gar sehr. Jetzt heißt es: Gesell, gedenke mein. Ob wir Genossen waren, ob nit, Hinfort tu ich mit dir keinen Schritt. So bitt ich dich, nimm soviel auf dich Um Christi Gotts Barmherzigkeit, Und gib mir tröstliches Geleit Bis vor die Stadt. reißt sich los. Ich tu dirs nit, Setz einen Fuß nit vor den andern, Nit um ein neues Feierkleid. Ließest du dir ein wenig Zeit, So wollt ich dich nit allein lassen stehn. Nun aber kann ich nit harren bei dir. Über die Schulter zurück. So geb dir Gott eine schleunige Fahrt Dahin recht sänftlich in guter Art. Muß eilends jetzt meines Weges gehn. einen Schritt ihm nach. Wohin, Gesell? Willst mich verlassen ganz und gar? Wohl, wohl. Gott nehm deiner Seelen wahr. Leb wohl, mein Freund, um dich wird mir mein Herz arg schwer, Leb immer wohl, dich seh ich nun auch nimmermehr. Leb wohl auch, Jedermann, leb wohl am End, gib mir die Hand, Ja, Scheiden tut recht weh, das hab ich jetzt erkannt. Er geht. O weh, wohin soll ich nun um Hilf in der Welt. War mein Gesell, solang ich fröhlich war. Nun trägt er wenig Leid um mich ganz unverstellt. Hab eh und immer was reden hören, Das ging mir aber gar nit nah Bis heute, da mir das geschah. Es hieß: Solang einer im Glück ist, Der hat Freunde die Menge, Doch wenn ihm das Glück den Rücken kehrt, Dann verläuft sich das Gedränge. O weh, so siehet das nun aus, Schnürt mir die Kehl vor Angst und Graus. Er wird die Vettern gewahr, die noch beiseite stehen, und sein Gesicht hellt sich auf. Da stehen meine Blutsfreunde ja, Vielliebe Vettern, bleibt mir nah. Ihr seid wahrhaftig recht am Ort, Weiß auf der Welt kein schöner Wort Als dieses: Art läßt nicht von Art, Das wird von euch heut recht gewahrt, Da ihr in dieser schweren Stund Mein Beiständ seid mit Hand und Mund. Geruhig Blut, mein Vetter Jedermann, Nur ruhig Blut, das ist alls, was ich sagen kann. Ihr lasset mich auch nit – Nur ruhig Blut. Ist gar von Lassen nit die Sprach, In Stich Euch lassen, das wär uns Schmach. Euch widerfahr so Liebes wie Leides, Mit Euch zu teilen begehren wir beides. Ja, wie gesagt – – ei freilich ja! Ihr seht, wir stehn Euch treulich nah. O vielen Dank, ihr Blutsfreunde mein. Da wir doch Anverwandte sein! Ihr habt gesehn, es kam ein Bot, Der kam auf hohen Königs Gebot. Ja, – – ich weiß, Vetter Jedermann – – Die Sach ist eben so bewandt, Daß ich in der nichts machen kann. Er hieß einer Fahrt mich unterwinden. Ja, wie gesagt – Von dieser Fahrt – – Nun, wie gesprochen, Art läßt nicht von Art! Von dieser Fahrt, das weiß ich wohl, Werd ich nimmer zurücke finden. Ei nimmer! Ja, wo halt nichts ist, Da hat der Kaiser 's Recht verloren! Mein Vetter, höret Ihr, was ich sprach? Ihr redet nit zu tauben Ohren. Ei, nein, wahrhaftig nit, Gotts Not. Ich werd da nimmer zurücke finden. Habt Ihr auch richtig verstanden den Bot? Ich ihn? Die Red und den Verstand, Habt Ihr das richtig wohl gefaßt? Ob ich –? Das war schon, daß ich sag – Ein recht ungebetner Gast. Hm, Vetter. Ja, ich mein, Gott seis geklagt – So meint Ihr auch wie ich? Ja, wie gesagt, Ja, Gott befohlen, Vetter Jedermann, Da habt Ihr alles, was ich sagen kann. Ihr Vettern, bleibet, hört mich an! Hast du vielleicht noch ein Begehr? Sprich kühnlich, Vetter Jedermann. Ich muß dort eine Rechnung legen Und hab einen Feind, der allerwegen Mir will in meinen Weg treten, O hört mich an! mit großer Stärken. Was denn für Rechnung, sagt doch an. Von all meinen irdischen Werken: Wie ich meine Tag hab hinbracht, Und was ich Arges hab getan Die Jahr all bei Tag und Nacht. Drum seid um Christi willen gebeten Und helft mir meine Sach vertreten. Was, dorthin? Geht es Euch auf das! Nein, Jedermann, da geh ich nit. Kannst mich nit zum Geleiter kriegen! Wollt lieber in einm finstern Gelaß Bei Wasser und Brot zehn Jahre liegen. Oh, daß ich nit geboren wär. Nun werd ich fröhlich nimmermehr, Wenn ihr mich da verlasset dann. Ei Mann! Was denn! Sei du fröhlich, Mann! Nimm dich und fang nit Jammerns an! Nur eins mußt dir gesagt sein lassen: Mich bringst einmal nit in die Gassen. Er geht. zum dünnen Vetter. Mein Vetter, willst nit mit mir gehn? Hab jetzt, Gotts Tod, Krampf in den Zehen. Ist ein arg Übel, Jedermann, Das fällt mich unversehens an. bleibt nochmal stehen und spricht über die Schulter zurück. Uns wirst nit verführen, das laß nur sein. Doch hab ich ein schön gut Kind daheim, Die mächtig gern auf Reisen geht. Wenn die dir zu Gesichte steht, Die geb ich dir in guter Art, Leicht, daß sie mit dir geht auf deine Fahrt. Nein, zeig mir an, wes Sinnes du bist. Ob ich in meiner ärgsten Pein Von dir soll drangegeben sein, Ob du willst mit mir gehn oder dahinten bleiben. Das ist alles was ich wissen muß. Dahinten bleiben und ein'n schönen Gruß. Auf Wiedersehen ein andermal. Sie gehen. Ach Jesus, ist das aller Dinge End, Versprochen haben sie mir gar viel. Vom Halten lassen sie ihre Händ. wendet sich und tritt nochmals an Jedermann heran. Es ist nicht üblich, in solcher Weis Die Leut zu beschicken zu einer Reis, Dergleichen Anmutung ist nit zart Und hat mir keine rechte Art. Hast deiner leibeignen Knecht genug. Die magst dazu aufbieten mit Fug. Aber die lieben Verwandten dein Sollten da zu wert dir sein. Geht. Leibeigene Knecht, was sollen mir die, Wenn ich die mitnähm, das wär ein Ding, Davon ich Hilfe hätt gering. Er sieht sich um. Ist alls zu End das Freudenmahl, Und alle fort aus meinem Saal? Er geht hinauf zu dem Tisch. Etliche, die dort noch saßen und tranken, werden ihn gewahr, springen auf und flüchten. Der Tisch versinkt. Bleibt mir keine andere Hilfe dann, Bin ich denn ein verlorner Mann Und ganz alleinig auf der Welt? Ist es schon so um mich bestellt, Hat mich Der schon dazu gemacht, Ganz nackend und ohn alle Macht, Als läg ich schon in meinem Grab, Wo ich doch mein warm Blut noch hab Und Knecht mir noch gehorsam sein Und Häuser viel und Schätze mein. Auf! schlagt die Feuerglocken drein! Ihr Knecht, nit lungert in dem Haus, Kommt allesamt zu mir heraus. Hausvogt mit etlichen Knechten kommen eilig. Ich muß schnell eine Reise tun Und das zu Fuß und nit zu Wagen, Gesamte Knecht, die sollen mit Und meine große Geldtruhen, Die sollen sie herbeitragen. Die Reis wird wie ein Kriegszug scharf, Daß ich der Schätze sehr bedarf. Die schwere Truhn, die drinnen steht? Ja, eilig, ohne viel Gered. Mehrere Knechte sammeln sich, ihrer acht bringen die schwere Truhe getragen. Hab euch berufen für eine Reis, Daß jeder mir Gehorsam erweis. Die Reis ist seltsam und recht weit Und fordert zuverlässige Leut, Daß sie in aller Still gescheh, Des ich zu euch mich wohl verseh. Die Truhen, die ist marterschwer. Ihr tut, was anbefiehlt der Herr. Nun wollen wir die Reis angehen, Ganz in der Still, heimlicher Weis. Tod tritt in etlicher Entfernung hervor. Dort steht ein Teufel und winkt uns Halt. Nein, ist der Tod grausamer Gstalt, Er kommt auf uns zu mit Gewalt. Knechte lassen die Truhen stehen und fliehen. Hausvogt desgleichen. Du Narr, bald ist die Stund vertan, Nimmst immer noch Vernunft nit an. Weißt nit ein recht Geleit zu suchen, Bald wirst verzweifeln und dir Suchen. Verschwindet. Ach Gott, wie graust mir vor dem Tod, Der Angstschweiß bricht mir aus vor Not Kann der die Seel im Leib uns morden? Was ist denn gählings aus mir worden? Hab immer doch in bösen Stunden Mir irgend einen Trost ausgfunden. War nie verlassen ganz und gar, Nie kein erbärmlich armer Narr. War immer wo doch noch ein Halt Und habs gewendet mit Gewalt. Sind all denn meine Kräft dahin, Und alls verworren schon mein Sinn, Daß mich kaum mehr besinnen kann, Wer bin ich denn: der Jedermann, Der reiche Jedermann allzeit. Das ist mein Hand, das ist mein Kleid, Und was da steht auf diesem Platz, Das ist mein Geld, das ist mein Schatz, Durch den ich jederzeit mit Macht Hab alles spielend vor mich bracht. Nun wird mir wohl, daß ich den seh Recht bei der Hand in meiner Näh. Wenn ich bei dem verharren kann, Geht mich kein Graus und Ängsten an. Weh aber, ich muß ja dorthin, Das kommt mir jählings in den Sinn. Der Bot war da, die Ladung ist beschehn, Nun heißt es auf und dorthin gehn. Wirft sich auf die Truhe. Nit ohne dich, du mußt mit mir, Laß dich um alles nit hinter mir. Du mußt jetzt in ein andres Haus, Drum auf mit dir und schnell heraus. Die Truhe springt auf. richtet sich auf. Groß. Ei Jedermann, was ist mit dir? Du bist ja grausamlich in Eil Und bleich wie Kreiden all die Weil. Wer bist denn du? Kennst vom Gesicht mich nit Und willst mich dorthin zerren mit? Dein Reichtum bin ich halt, dein Geld, Dein eins und alles auf der Welt. sieht ihn an. Dein Antlitz dünkt mir nit so gut, Gib mir nit rechten Freudenmut. Das ist gleichviel, du mußt mitgehen. Was solls, kann alls von hier geschehen, Weißt wohl, was ich in Mächten hab, Sag was dich drückt, dem helf ich ab. Die Sach ist anderster bewandt. Es ist von wo um mich gesandt. Von – schlägt die Augen nieder. Ja, es war ein Bot bei mir. Ist es an dem, du mußt von hier? Ei was, na ja, gehab dich wohl. Ein Bot war da, daß er ihn hol Dorthin, da ist ja schleunig kommen. Hab vordem nichts derart vernommen. Und du gehst mit, es ist an dem. Nit einen Schritt, bin hier bequem. Bist mein, mein Eigentum, mein Sach. Dein Eigen, ha, daß ich nit lach. Willst aufrebellen, du Verflucht! du Ding! stößt ihn weg. Du, trau mir nit, dein Wut acht ich gering, Wird umkehrt wohl beschaffen sein. Ich steh gar groß, du zwergisch klein. Du Kleiner wirst wohl sein der Knecht. Und dünkts dich, anders wärs gewesen, Das war ein Trug und Narrenwesen. Hab dich gehabt zu meim Befehl. Und ich regiert in deiner Seel. Warst mir zu Diensten in Haus und Gassen. Ja, dich am Schnürl tanzen lassen. Warst mein leibeigner Knecht und Sklav. Nein, du mein Hampelmann recht brav. Hab dich allein gedurft anrühren. Und ich alleinig dich nasführen. Du Laff, du ungebrannter Narr, Erznarr du. Jedermann, sieh zu. Ich bleib dahier und wo bleibst du? Was ich in dich hab eingelegt, Darnach hast du dich halt geregt. Das war ein Pracht und ein Ansehen, Ein Hoffart und ein Aufblähen Und ein verflucht wollüstig Rasen, War alls durch mich ihm eingeblasen, Und was ihn itzt noch aufrecht hält, Daß er nit platt an' Boden fällt Und alle Viere von sich reckt, Und hält ihn noch emporgestreckt, Das ist allein sein Geld und Gut. Da hier springt all dein Lebensmut. Hebt eine Handvoll Geld aus der Truhe und läßt es wieder fallen. Fällt aber in die Truhen zurück Und damit ist zu End dein Glück. Bald werden dir die Sinn vergehen Und mich wirst nimmer wiedersehen. War dir geliehen für irdische Täg Und geh nit mit auf deinen Weg, Geh nit, bleib hier, laß dich allein Ganz bloß und nackt in Not und Pein. Ist alls um nichts dein Handausrecken Und hilft kein Knirschen und Zähneblecken, Fährst in die Gruben nackt und bloß, So wie du kamst aus Mutter Schoß. Bückt sich, die Truhe springt zu. Jedermann ohne Sprache, eine lange Stille. wird sichtbar, einer Kranken gleich, auf einem elenden Lager gebettet, richtet sich halb auf und ruft mit schwacher Stimme. Jedermann! Jedermann hört nicht. Jedermann, hörst mich nicht? vor sich. Ist, als wenn eins gerufen hätt, Die Stimme war schwach und doch recht klar, Hilf Gott, daß es nit meine Mutter war. Ist gar ein alt, gebrechlich Weib, Möcht, daß der Anblick erspart ihr bleib. O nur so viel erbarm dich mein, Laß das nit meine Mutter sein! Jedermann! Seis wer da will, hab itzt nit Muß Für irdisch Händel und Verdruß. Hörst mich nit, Jedermann? Ist ein krank Weib, Was kümmerts mich, soll sehen wo sie bleib. Mein Jedermann, ich gehör zu dir, Um deinetwillen lieg ich hier. Wie soll denn das bewendet sein? richtet sich halb auf. Sieh, ich bin all die Werke dein. Ich will kein Spott, ich sterb allweg. Komm doch zu mir den kleinen Weg. Sinkt zurück. Das wird mit Willen nit geschehen, Meine Werke will ich jetzt nit sehen. Ist nit der Anblick, nach dem mich verlangt. Bin schmählich schwach, muß liegen hier, Wär ichs imstand, ich lief zu dir. Braucht nit ein fremd Gebrest dahier, Liegt Angst und Marter gnug auf mir. Mich brauchst, der Weg ist schreckbar weit, Bist annoch ohne ein Geleit. Des Weges muß ich jetzt allein – Nein, ich will mit, denn ich bin dein. Jedermann sieht hin. Auf mir liegt viel Gebrest und Last, Indem du mein gedacht nit hast. Ohn dich könnt ich mich flink bewegen, Lief dir zu Seit auf allen Wegen. geht zu ihr. O Werke mein, mit mir stehts schlecht. Ist mir gar sehr um guten Rat Und daß mir eines Hilfe brächt! richtet sich mühselig an ihren Krücken auf. Jedermann, ich hab wohl vernommen, Du bist entboten zu deinem Erlöser, Vor ein höchst Gericht zu kommen! Willst du nit gehen verloren, Mann, Tritt nit allein die Wanderung an, Das sag ich dir! Willst du mit mir? Ob ich mit dir den Weg will gehn? Fragst du mich das, mein Jedermann? sieht ihr in die Augen. Wie du mich sehnlich siehest an, Ist mir, als hätt in meinem Leben Nit Freund, noch Liebste, nit Weib noch Mann Mir keinen solchen Blick gegeben! O Jedermann, daß du so später Stund Dich kehrest zu meinem Aug' und Mund! Hast ein Gesicht verhärmt und bleich Und dünkt mich doch an Schönheit reich. Mir ist, je mehr ich dich anseh, So mehr wird mir im Herzen weh, Und sänftlich auch, vermischter Weis, Daß ich mich nit zu nehmen weiß. Mir ist, könnt deiner Augen Schein Durch meine Augen dringen ein, Ein großes Heil und Segen dann Geschäh an einem armen Mann. Doch weiß ich, dies ist nun versäumt, Und jetzt ist alls nur wie geträumt! Hättest erkannt in deinem Sinn, Daß ich nit völlig häßlich bin, Wärest bei mir verblieben viel Und fern der Welt und bösem Spiel! Komm näher, meine Stimm ist leis –: Bei Armen wärest eingegangen Recht als ihr Bruder, heiliger Weis, Und göttlich Leid und irdischem Schmerz, Die hättest zu lieben angefangen Und aufgegangen wäre dein Herz. Und ich, wie ich gebrechlich bin, Ich wär, verklärt vor deinem Sinn, Dir worden ein göttliches Gefäß, Ein Kelch der überströmenden Gnaden, Dazu deine Lippen waren geladen. Und dich hab ich mögen erkennen nicht! War so verblendet mein Gesicht! O weh, was sind wir für Wesen dann, Wenn solches uns geschehen kann! Ich war ein Kelch, der vor dir stand, Gefüllt vom Himmel bis an den Rand, Von Irdischem war darin kein Ding, Drum schien ich deinen Augen gering. O könnt ich sie ausreißen beid, Mir wär im Dunklen nit so bang, Als da sie mich zu bittrem Leid Falsch han gerührt mein Leben lang! O weh, nun müssen die Lippen dein Auf ewig ungetränket sein! Hast wollen dich tränken an der Welt, Da ward der Kelch dir weggestellt! Des fühl ich ein wütendes Dürsten schon Durch alle meine Adern rinnen Und Raserei in allen Sinnen! Da hab ich meines Lebens Lohn! Das ist die bitter brennend Reu, Das sind deine ungelittenen Leiden! O könnte dein Herz sie schaffen neu, Wie selig wäre das uns beiden! wirft sich auf den Boden. So wollt ich ganz zernichtet sein, Wie an dem ganzen Wesen mein Nit eine Fiber jetzt nit schreit Vor tiefer Reu und wildem Leid! Zurück! und kann nit! Noch einmal! Und kommt nit wieder! Graus und Qual! Hie wird kein zweites Mal gelebt! Nun weiß die aufgerißne Brust, Als sie es nie zuvor gewußt, Was dieses Wort bedeuten mag: Lieg hin und stirb, hie ist dein Tag! auf ihren Knien. Mag diese Reu, so brennend groß, Mich nit vom Boden winden los, Weh, mag ich nit auf Füßen stehn! Und ihm die Stund zur Seiten gehn! Sie sinkt an den Boden. Bin ich so elend schwach und krank! Für jedes Ding kommt halt der Dank! Werke, um alles! laß mich nit im Stich! Bin sonst verloren sicherlich! Hilf du mir, Rechenschaft zu geben Vor dem, der ist Herr über Tod und Leben Und König in der Ewigkeit, Sonst bin ich verloren für alle Zeit! O Jedermann! Laß mich nit ohne Rat! Ich hab eine Schwester, Glaube genannt, Wenn die wollt sich erbitten lassen, Daß sie mit dir zöge deine Straßen Und trät mit dir vor Gotts Gericht! Ruf die um alls! die Zeit entfliecht! Mag sein, sie kehrt von dir sich ab, Dann mußt du ungetröst ins Grab. Wirst du recht mit ihr reden können, Wird sie dir ihre Hilf vergönnen. Wenn einer keine Zungen hätt, Die Angst und Not macht ihn beredt! Glaube kommt gegangen. War nit von Nöten laut Geschrei, Ich fühl, die Schwester kommt herbei! Lieb Schwester, der Mann ist schwer in Not Willst ihm beistehn bei seinem Tod? Mir fehlt die Kraft, bin allzu schwach, Kann nit vertreten seine Sach. Sinkt hin. zu Jedermann. Hast mich dein Leben lang verlacht Und Gottes Wort für nichts geacht, Geht nun in deiner Todesstund Ein ander Red' aus deinem Mund? Ich glaub – ich glaub – Die Red' ist arm! Oh, daß sich meiner Gott erbarm! Ich glaub die zwölf Artikel mit Fleiß, Die ich von Kindschulzeiten weiß: Was sie vorstellen ganz und gar, Nehm ich für heilig hin und wahr. Das ist des Glaubens ein ärmlich Teil. Baut dir hinüber keine Brück. Weißt du nit besseres unverweil? Ich glaub – an Gottes Langmut, Wenn einer bei Zeiten Büß tut. Aber ich bin in Sünden zu weit, Dahin reicht keine Barmherzigkeit. tut einen Schritt auf ihn zu. Bist ganz in Wollust denn ertrunken, In Lastern völlig gar versunken, Daß dir nit auf die Lippen kommt, Was ewig deiner Seelen frommt? Neigt sich zu ihm. Ich glaub – Glaubst du an Jesu Christ, Der von dem Vater kommen ist, Ein Mensch und unsersgleichen worden, Von einem irdischen Weibe geboren, Und hat in Marterqual sein Leben Um deinetwillen hingegeben, Und ist erstanden von dem Tod, Daß du versöhnest seist mit Gott? Ja! Ich glaub: Solches hat er vollbracht, Des Vaters Zorn zunicht gemacht, Der Menschheit ewig Heil erworben Und ist dafür am Kreuz verstorben. Doch weiß ich, solches kommt zugut Nur dem, der heilig ist und gut: Durch gute Werk und Frommheit eben Erkauft er sich ein ewig Leben. Da sieh, so stehts um meine Werk: Von Sünden hab ich einen Berg So überschwer auf mich geladen, Daß mich Gott gar nit kann begnaden, Als er der Höchstgerechte ist. Bist du ein solcher Zweifelchrist Und weißt nit Gotts Barmherzigkeit? Gott straft erschrecklich! Gott verzeiht! Ohn Maßen! Schlug den Pharao, Schlug Sodom und Gomorra, schlug, Schlug! Nein, gab hin den eignen Sohn In Erdenqual vom Strahlenthron, Daß als ein Mensch er werd geboren Und keiner ginge mehr verloren, Nit einer, nit der letzte, nein, Er finde denn das ewige Leben. »Um der Sünder willen bin ich kommen, Der Gsund bedarf keines Arztes dann«, Die Red ist aus dem Munde kommen, Der keine Lügen reden kann. Glaubst du daran in diesem Leben, So ist dir deine Sund vergeben Und ist gestillet Gottes Zorn. Oh, deine Worte sind gelind, Mir ist, als wär ich neugeboren. Ich glaube: So lang ich atme auf Erden, Mag ich durch Christum gerettet werden. Es ist an dem, nun geh hinein, Von deinen Sünden wasch dich rein. Wo wär ein solcher heiliger Quell, Daß ich zu ihm mich hintrüg schnell? Mönch wird oben sichtbar. Ein guter Helfer wartet dein, Bei ihm wird deine Seele rein. Kehr wieder in einem weißen Gewand, Dann ziehest hin an meiner Hand, Und mitzugehen deine Werk Gewinnen mächtig Kraft und Stärk. auf den Knien. O ewiger Gott! O göttliches Gesicht! O rechter Weg! O himmlisches Licht! Hier schrei ich zu dir in letzter Stund, Ein Klageruf geht aus meinem Mund. O mein Erlöser, den Schöpfer erbitt, Daß er beim Ende mir gnädig sei, Wenn der höllische Feind sich drängt herbei Und der Tod mir grausam die Kehle zuschnürt, Daß er meine Seel dann hinaufführt. Und, Heiland, mach durch deine Fürbitt, Daß ich zu seiner Rechten hintritt, In seine Glorie mit ihm zu gehn. Laß dir dies mein Gebet anstehn, Um willen, daß du am Kreuz bist gestorben Und hast all unsre Seelen erworben. Er liegt im tiefen Gebet auf seinem Angesicht. Die Orgel tönt stärker. Indessen geht unten, im Dunkeln. Jedermanns Mutter querüber, als wie auf dem Weg zur Frühmette, vor ihr ein Knecht, der die Leuchte trägt. Was bleibt Ihr stehen, Frau, zur Stund? Wie ist Euch? seid Ihr nit gesund? Wollt Ihr leicht heim in Euer Bett Statt nächtlings zu der Morgenmett? Sind wir denn so verspät's alsdann Und hebt sich schon die Frühmett an? Ich hör ein also herrlich Klingen, Als täten alle Engel singen! Verspätet sind wir keinerweis, Auch hör ich nichts, nit laut noch leis. Ich hörs und weiß im Herzen mein, Das sind die himmlischen Schalmein. So singen sie vor Gottes Thron: Das geht auf meinen lieben Sohn. Ich spür, zu dieser nächtigen Stund Ist seine Seele worden gesund. Er ist versöhnet Gott dem Herrn, Des sterb ich freudiglich und gern. Erhört ist meine große Bitt, Und weiß, daß ich einmal hintritt Vor Gottes meines Schöpfers Thron Und find dort meinen lieben Sohn. Bald lässest deine Dienerin In deinen Frieden fahren hin. Amen. Wollt Ihr nit kommen, Frau? Die Zeit vergeht, es wird schon grau. Sie gehen vorbei. Jedermann, so sei Gott mit dir, Als wie ich dich nun und hier In deines Erlösers Hand befehl, So sei deine Rechenschaft ohn Fehl. Werke hat ihre Krücken von sich geworfen und tritt zu ihnen. Nun faß dir einen fröhlichen Mut, Nun kommen deine Werke gut, Sind ledig all ihrer Beschwer Und treten starken Schrittes einher. Jedermann, ich bins, deine Freundin, Ich segne dich in meinem Sinn, Du hast mich geschaffen von Schmerzen frei, Nun geh ich mit dir, wohin es auch sei. O, meine Werke, wie ich eure Stimme hör, Muß ich vor Freuden weinen sehr. Nun sollst du weinen und trauern nimmermehr, Nein, freuen dich und fassen einen frohen Mut, Gott sieht dich von seinem Thron recht gut! Dann ich nit Zögerung noch Aufschub such. Ihr Freunde, ich mein, wir gehen selbdritt, Von euch will ich mich scheiden nit. Er geht hinauf und folgt dem Mönche nach. Werke und Glaube verharren betend. kommt angesprungen, schreit und winkt von weitem. Halt, Jedermann! Aufhalten, Jedermann! Aufhalten! He! Hieher, Gesell! Ich komm dich holen, bin zur Stell! He Jedermann, er ist hinein! Muß taub auf beiden Ohren sein! Was geht er denn in dieses Haus? Da hol ihn dieser und jener heraus! Ich warte derweilen an der Tür, Faß ihn, und meines Wegs ihn führ. Kann sein, er läßt mich warten lang, Mag er, ist mir um ihn nit bang. Ist mir verfallen mit Haut und Haar Und sicher, wie lang schon keiner war. Halt da! hat nichts gehört. Muß hier vorbei. Hie nit! Ganz unbedingt, hab dort zu tun. Hie ist kein Weg für deinesgleichen. Ein zänkisch Weib. Ich kann ausweichen. Will rings herum. tritt ihm aufs neu in seinen Weg und sagt. Hie ist kein Weg! Ich hab zu warten dort an der Tür In Amtsgeschäften, damit ich einen, Der dort herauskommt, dann mit mir Eines gewissen Weges führ. Ich führe Zwiesprach nit mit dir. Ich auch nit, geh halt da vorbei. Hie ist kein Weg für dich. hält sich die Ohren zu. Geschrei! Gespiel! Belästigung! tritt ihm aufs neue in den Weg. Kein Weg! Kein Weg! Kein Weg! Ist hier kein Weg? Kein Boden? Nichts worauf mein Fuß Mag stehen, hüpfen, springen! Nein? Hier wird sogleich ein Weg mir sein! Will durch mit Gewalt. hinzutretend. Willst dus mit deinen Fäusten richten Und stören unser fromm Gebet? Sieh, wer zu unsrer Hilf dasteht! Engel treten oben hervor. Sind die Gesellen auch im Spiel Und wissen bessres nit zu schaffen Als hier zu lümmeln und zu gaffen So abends spät wie morgens früh, Wenn andre Leut mit saurer Müh Nachgehen ihren Amtsgeschäften Mit schuldigem Eifer und besten Kräften! Werke und Glaube achten seiner nicht und beten mit gefalteten Händen. setzt sich auf den Boden. Ich frage, sind hier Zweifel im Spiel, Ist hier ein Handel in der Schweb? Nichts davon, nichts, so wahr ich leb. Sitzt einer hier unter euch allen, Der ins Gesicht mir tät bestreiten, Daß dieser Mensch mir ist verfallen! Ein prächtig Schwelger und Weinzecher, Ein Buhl, Verführer und Ehebrecher, Ungläubig als ein finstrer Heide, In Wort und Taten frech vermessen Und seines Gottes so vergessen Wie nicht das Tier auf seiner Weide, Witwen und Waisen Gutsverprasser, Ein Unterdrücker, Neider, Hasser! Er springt auf. Mir fehlen, ihn zu malen, die Wort! Und diesen will man mir verwehren, Daß ich ihm auf die Kappen geh, Ihm jählings das Genick umdreh, Ihm zuschrei: Duck dich, Fleisch, und stirb! Und seine Seel für uns erwirb. Verharrt ihr drauf mit kaltem Blut Und bangt euch nit von meiner Wut Und Zähn gefletscht und Fäust geballt? Und, daß Recht und Gerechtigkeit Gewappnet stehen auf meiner Seit? Auf deiner Seiten steht nit viel, Hast schon verloren in dem Spiel. Gott hat geworfen in die Schal Sein Opfertod und Marterqual Und Jedermannes Schuldigkeit Vorausbezahlt in Ewigkeit. Seit wann? seit wo? wie geht das zu? Geschiehet das in einem Nu? Wenn eins sein Leben brav sich regt Und nur auf uns sein Tun anlegt, Recht weislich, fest und wohlbedacht, Recht Stein auf Stein und Tag auf Nacht, Wird solch ein wohlbeständig Ding In einem Augenzwinkern neu? Schmeißt ihr das um mit einem Wink? Ja, solches wirkt die tiefe Reu, Die hat eine lohende Feuerskraft, Da sie von Grund die Seel umschafft. Ha! Weiberred und Gaukelei! Wasch mir den Pelz und mach ihn nit naß! Ein Wischiwasch! Salbaderei! Zum Speien ich dergleichen haß! Beweis! Gib eine einzige Red, Die vor Gericht zu Recht besteht! Vor dem Gericht, vor das er tritt, Bestehen deine Rechte nit, Die sind auf Schein und Trug gestellt, Auf Hie und Nun und diese Welt, Die ist gefangen in der Zeit Und bleibt in solchen Schranken stocken, Wo aber tönet diese Glocken, Man hört von innen das Sterbeglöcklein. Glaube und Werke fallen auf die Knie. Hat angehoben Ewigkeit. hält sich die Ohren zu. Ich geb es auf, ich kehr mich um, Ich laß ihn, füttert ihn euch aus, Mich ekelts hier, ich geh nach Haus. Glaube und Werke haben sich erhoben. Ein schöner Fall, ganz sonnenklar, Und in der Suppe doch ein Haar! Tret arglos her, vergnügt im Sinn, Und mein, zu melden mich als Erben. Ja, Vetter, ja, da liegen die Scherben! »Hie ist kein Weg, hie ist kein Weg!« Ah! Weiber! Fastensupp und Schläg, Das ist, wie ich sie halten tät! Ein Ausspruch, der zu Recht besteht Vor Türken, Mohren und Chinesen, Ff! Da ist Anspruch und Recht gewesen! Bläst mir ihn weg! »Hie führt kein Weg!« Ich wollt, daß er im Feuer läg. Und kommt in einem weißen Hemd Erzheuchlerisch und ganz verschämt. Die Welt ist dumm, gemein und schlecht, Und geht Gewalt allzeit vor Recht, Ist einer redlich treu und klug, Ihn meistern Arglist und Betrug. Geht ab. Jedermann tritt oben hervor in einem weißen langen Hemd, einen Pilgerstab in der Hand, sein Angesicht ist totenbleich aber verklärt, er geht auf die beiden zu. Fühl ich nit kommen Jedermann? Er ist es, ja, und tritt herbei, Mir ahnte wohl, daß er es sei. Er hat seinem Herrn getan genug. Des fühl ich an meinen Gliedern all, Die Kraft zu einem hohen Flug! Nun gebet mir treulich eure Händ, Ich hab empfangen das Sakrament. Gesegnet sei, der mich das hieß tun Und also guten Rat mir sprach. Nun seid bedankt, daß ihr auf mich Geharret habet sorglich Mit andächtigem Beten. Und nun laß uns die Reis antreten. Leg jeder die Hand an diesen Stab Und folge mir zu meinem Grab. Ich heb vom Stab nit meine Hand, Zuvor die Reis kam an ihr End. Ich steh dir bei, so wie ich eh Stand hielt bei Judas Makkabee! Sie gehen hinauf. Der Tod ist hervorgetreten und geht hinter ihnen einher. Sie stehen beim Grab. schließt die Augen. Nun muß ich ins Grab, das ist schwarz wie die Nacht, Erbarm dich meiner in deiner Allmacht. Ich steh dir nah und seh dich an. Und ich geh mit, mein Jedermann. O Herr und Heiland, steh mir bei. Zu Gott ich um Erbarmen schrei. hilft ihm ins Grab, steigt dann zu ihm hinein. Herr, laß das Ende sanft uns sein, Wir gehen in deine Freuden ein. im Grab, nur Haupt und Schultern sind noch sichtbar. Wie du mich hast zurückgekauft, So wahre jetzt der Seele mein, Daß sie nit mög verloren sein Und daß sie am Jüngsten Tag auffahr Zu dir mit der geretteten Schar. Er sinkt. Nun hat er vollendet das Menschenlos, Tritt vor den Richter nackt und bloß, Und seine Werke allein, Die werden ihm Beistand und Fürsprech sein. Heil ihm, mich dünkt, es ist an dem, Daß ich der Engel Stimmen vernehm, Wie sie in ihren himmlischen Reihen Die arme Seele lassen ein. Engel singen. Ende.