Brief An Richard Dehmel Dichter, nicht vergessen hab ich deiner, Während du die schönen Wege gingest, Goldene Lebensfrüchte Aus dunklem Laub zu pflücken Und schauernde Gedanken Aus Nymphenhänden. Oft gedacht ich deiner, Aber ein Mal vor allen: Da war mystischer Vollmond Mir über der Stirn, Ein leuchtendes Ding, ein Land Hoch im leeren Raum. Ich schaut ihn an Und wuchs empor Und kam ihm näher Und meint', er käm zu mir, – Wie einer über des gleitenden Schiffes Bord gebeugt Auf leerem blauem schweigendem Meer Einer Insel entgegenstarrt Und meint, sie schwebt ihm entgegen, Die leuchtende, mit Blumenfüßen –: So wuchs ich auf, Dem Mond entgegen riesengroß, Vergessend meiner Füße Und der dunklen Erde unter mir. Ein solcher muß ich da geworden sein Wie der Genius der Zeit, Der Gebieter der Dinge, Steinäugig, gewappnet, Kolossalisch hinschreitend Über die Reiche ... Wenn seine Sohlen im Flußbett wandeln, Reichen der Pinien von Kreideklippen Des steilen Ufers emporgereckte Schwarze Wipfel nicht auf, Lange nicht, An die mattsilberne Fratze der Gorgo, Die ihm die Stirne des Knies umbindet, Nur unten die Schienen der schreitenden Beine Spiegeln beim Blitzschein Der schwarzen Pinien sturmschaukelnde Wipfel. So schreit ich manchmal, Kanäle, Gärten, Einöde, Hügel Zwischen den Schritten, Hin über die Welt, Darin nichts Fremdes ist In solchen Stunden ...: All Gegenwart, All Sinn, all wie im Traum. Da saßest auch du Irgendwo In meiner Welt Über Bogen und korinthischem Gebälk Einer römischen Ruine In einem Vogelnest, Einem Nest aus wilden Rosen und Schlingkraut, Um dich die leere Luft, Allein, ein Hirtengott, ein Pan, Und leuchtend unter dir die Lebensflur. Und jetzt bist du daheim, nicht mehr ein Gott, »Im Schattenland, ein Schattenmann, Der grauen Heimat öde Schollen tretend –« Was ist das für ein Wort? Wer redet solch ein Wort Und ist ein Dichter? Das Wort der Klage ist ein leeres Wort! Hast du nicht deiner Sinne dumpfe Flur, Darüber hin des Lebens Göttin dich, Die wilde, jagt Mit großen schwarzen Hunden, Leben, Traum und Tod, Drei großen schwarzen Hunden? Hast du nicht Gabe, Die Wesen zu schauen, Nicht kalt von außen, Nein, aus dem Innern Der Wesen zu schauen Durch dumpfe Larven Ins Weltgetriebe, So wie der trunkene Faun aus der Maske, Der grellbemalten Kürbismaske, Unheimlich schaut durch Augenlöcher.