Emilie vor ihrem Brauttag Ich bin im Walde mit dem Vater draus Gewesen, diesen Abend, auf dem Pfade, Du kennest ihn, vom vorgen Frühlinge. Es blühten wilde Rosen nebenan, Und von der Felswand überschattet' uns Der Eichenbüsche sonnenhelles Grün; Und oben durch der Buchen Dunkel quillt Das klare flüchtige Gewässer nieder. Wie oft, du Liebe! stand ich dort und sah Ihm nach aus seiner Bäume Dämmerung Hinunter in die Ferne, wo zum Bach Es wird, zum Strome, sehnte mich mit ihm Hinaus – wer weiß, wohin? Das hast du oft Mir vorgeworfen, daß ich immerhin Abwesend bin mit meinem Sinne, hast Mirs oft gesagt, ich habe bei den Menschen Kein friedlich Bleiben nicht, verschwende Die Seele an die Lüfte, lieblos sei Ich öfters bei den Meinen. Gott! ich lieblos? Wohl mag es freudig sein und schön, zu bleiben, Zu ruhn in einer lieben Gegenwart, Wenn eine große Seele, die wir kennen, Vertraulich nahe waltet über uns, Sich um uns schließt, daß wir, die Heimatlosen, Doch wissen, wo wir wohnen. Gute! Treue! Doch hast du recht. Bist du denn nicht mir eigen? Und hab ich ihn, den teuern Vater, nicht, Den Heiligjugendlichen, Vielerfahrnen, Der, wie ein stiller Gott auf dunkler Wolke, Verborgenwirkend über seiner Welt Mit freiem Auge ruht, und wenn er schon Ein Höhers weiß, und ich des Mannes Geist Nur ahnen kann, doch ehrt er liebend mich, Und nennt mich seine Freude, ja! und oft Gibt eine neue Seele mir sein Wort. Dann möcht ich wohl den Segen, den er gab, Mit einem, das ich liebte, gerne teilen, Und bin allein – ach! ehmals war ichs nicht! Mein Eduard! mein Bruder! denkst du sein Und denkst du noch der frommen Abende, Wenn wir im Garten oft zusammensaßen Nach schönem Sommertage, wenn die Luft Um unsre Stille freundlich atmete, Und über uns des Aethers Blumen glänzten; Wenn von den Alten er, den Hohen, uns Erzählte, wie in Freude sie und Freiheit Aufstrebten, seine Meister; tönender Hub dann aus seiner Brust die Stimme sich, Und zürnend war und liebend oft voll Tränen Das Auge meinem Stolzen! ach! den letzten Der Abende, wie nun, da Großes ihm Bevorstand, ruhiger der Jüngling war, Noch mit Gesängen, die wir gerne hörten, Und mit der Zithar uns, die Trauernden, Vergnügt'! Ich seh ihn immer, wie er ging. Nie war er schöner, kühn, die Seele glänzt' Ihm auf der Stirne, dann voll Andacht trat Er vor den alten Vater. Kann ich Glück Von dir empfangen, sprach er, heilger Mann! So wünsche lieber mir das größte, denn Ein anders, und betroffen schien der Vater. Wenns sein soll, wünsch ich dirs, antwortet' er. Ich stand beiseit, und wehemütig sah Der Scheidende mich an und rief mich laut; Mir bebt' es durch die Glieder, und er hielt Mich zärtlich fest, in seinen Armen stärkte Der Starke mir das Herz, und da ich aufsah Nach meinem Lieben, war er fortgeeilt. »Ein edel Volk ist hier auf Korsika;« Schrieb freudig er im letzten Briefe mir, »Wie wenn ein zahmer Hirsch zum Walde kehrt Und seine Brüder trifft, so bin ich hier, Und mir bewegt im Männerkriege sich Die Brust, daß ich von allem Weh genese. Wie lebst du, teure Seele! und der Vater? Hier unter frohem Himmel, wo zu schnell Die Frühlinge nicht altern, und der Herbst Aus lauer Luft dir goldne Früchte streut, Auf dieser guten Insel werden wir Uns wiedersehen; dies ist meine Hoffnung. Ich lobe mir den Feldherrn. Oft im Traum Hab ich ihn fast gesehen, wie er ist, Mein Paoli, noch eh er freundlich mich Empfing und zärtlich vorzog, wie der Vater Den Jüngstgebornen, der es mehr bedarf. Und schämen muß ich vor den andern mich, Den furchtbarstillen, ernsten Jünglingen. Sie dünken traurig dir bei Ruh und Spiel; Unscheinbar sind sie, wie die Nachtigall, Wenn von Gesang sie ruht; am Ehrentag Erkennst du sie. Ein eigen Leben ists! – Wenn mit der Sonne wir, mit heilgem Lied Heraufgehn übern Hügel, und die Fahnen Ins Tal hinab im Morgenwinde wehn, Und drunten auf der Ebne fernher sich, Ein gärend Element, entgegen uns Die Menge regt und treibt, da fühlen wir Frohlockender, wie wir uns herrlich lieben; Denn unter unsern Zelten und auf Wogen Der Schlacht begegnet uns der Gott, der uns Zusammenhält. Wir tun, was sich gebührt, Und führen wohl das edle Werk hinaus. Dann küßt ihr noch den heimatlichen Boden, Den trauernden, und kommt und lebt mit uns, Emilie! – Wie wirds dem alten Vater Gefallen, bei den Lebenden noch Einmal Zum Jüngling aufzuleben und zu ruhn In unentweihter Erde, wenn er stirbt. Denkst du des tröstenden Gesanges noch, Emilie, den seiner teuern Stadt In ihrem Fall der stille Römer sang, Noch hab ich einiges davon im Sinne. Klagt nicht mehr! kommt in neues Land! so sagt' er. Der Ozean, der die Gefild umschweift, Erwartet uns. Wir suchen selige Gefilde, reiche Inseln, wo der Boden Noch ungepflügt die Früchte jährlich gibt, Und unbeschnitten noch der Weinstock blüht, Wo der Olivenzweig nach Wunsche wächst, Und ihren Baum die Feige keimend schmückt, Wo Honig rinnt aus hohler Eich und leicht Gewässer rauscht von Bergeshöhn. – Noch manches Bewundern werden wir, die Glücklichen. – Es sparte für ein frommes Volk Saturnus Sohn Dies Ufer auf, da er die goldne Zeit Mit Erze mischte. – Lebe wohl, du Liebe!« Der Edle fiel des Tags darauf im Treffen Mit seiner Liebsten Einem, ruht mit ihm In Einem Grab. In deinem Schoße ruht Er, schönes Korsika! und deine Wälder Umschatten ihn, und deine Lüfte wehn Am milden Herbsttag freundlich über ihm, Dein Abendlicht vergoldet seinen Hügel. Ach! dorthin möcht ich wohl, doch hälf es nicht. Ich sucht ihn, so wie hier. Ich würde fast Dort weniger, wie hier, mich sein entwöhnen. So wuchs ich auf mit ihm, und weinen muß ich Und lächeln, denk ich, wie mirs ehmals oft Beschwerlich ward, dem Wilden nachzukommen, Wenn nirgend er beim Spiele bleiben wollte. Nun bist du dennoch fort und lässest mich Allein, du Lieber! und ich habe nun Kein Bleiben auch, und meine Augen sehn Das Gegenwärtige nicht mehr, o Gott! Und mit Phantomen peiniget und tröstet Nun meine Seele sich, die einsame. Das weißt du, gutes Mädchen! nicht, wie sehr Ich unvernünftig bin. Ich will dirs all Erzählen. Morgen! Mich besucht doch immer Der süße Schlaf, und wie die Kinder bin ich, Die besser schlummern, wenn sie ausgeweint. Der Vater schwieg im Leide tagelang, Da ers erfuhr; und scheuen mußt ich mich, Mein Weh ihn sehn zu lassen; lieber ging Ich dann hinaus zum Hügel und das Herz Gewöhnte mir zum freien Himmel sich. Ich tadelt oft ein wenig mich darüber, Daß nirgend mehr im Hause mirs gefiel. Vergnügt mit allem war ich ehmals da, Und leicht war alles mir. Nun ängstigt' es Mich oft; noch trieb ich mein Geschäft, doch leblos, Bis in die Seele stumm in meiner Trauer. Es war, wie in der Schattenwelt, im Hause. Der stille Vater und das stumme Kind! Wir wollen fort auf eine Reise, Tochter! Sagt' eines Tags mein Vater, und wir gingen, Und kamen dann zu dir. In diesem Land, An deines Neckars friedlichschönen Ufern, Da dämmert' eine stille Freude mir Zum erstenmale wieder auf. Wie oft Im Abendlichte stand ich auf dem Hügel Mit dir, und sah das grüne Tal hinauf, Wo zwischen Bergen, da die Rebe wächst, An manchem Dorf vorüber, durch die Wiesen Zu uns herab, von luftger Weid umkränzt, Das goldne ruhige Gewässer wallte! Mir bleibt die Stelle lieb, wo ich gelebt. Ihr heiterfreien Ebenen des Mains, Ihr reichen, blühenden! wo nahe bald Der frohe Strom, des stolzen Vaters Liebling, Mit offnem Arm ihn grüßt, den alten Rhein! Auch ihr! Sie sind wie Freunde mir geworden, Und aus der Seele mir vergehen soll Kein frommer Dank, und trag ich Leid im Busen, So soll mir auch die Freude lebend bleiben. Erzählen wollt ich dir, doch hell ist nie Das Auge mir, wenn dessen ich gedenke. Vor seinen kindischen, geliebten Träumen Bebt immer mir das Herz. Wir reisten dann Hinein in andre Gegenden, ins Land Des Varustals, dort bei den dunkeln Schatten Der wilden heilgen Berge lebten wir, Die Sommertage durch, und sprachen gern Von Helden, die daselbst gewohnt, und Göttern. Noch gingen wir des Tages, ehe wir Vom Orte schieden, in den Eichenwald Des herrlichen Gebirgs hinaus, und standen In kühler Luft auf hoher Heide nun. »Hier unten in dem Tale schlafen sie Zusammen,« sprach mein Vater, »lange schon, Die Römer mit den Deutschen, und es haben Die Freigebornen sich, die stolzen, stillen, Im Tode mit den Welteroberern Versöhnt, und Großes ist und Größeres Zusammen in der Erde Schoß gefallen. Wo seid ihr, meine Toten all? Es lebt Der Menschengenius, der Sprache Gott, Der alte Braga noch, und Hertha grünt Noch immer ihren Kindern, und Walhalla Blaut über uns, der heimatliche Himmel; Doch euch, ihr Heldenbilder, find ich nicht.« Ich sah hinab und leise schauerte Mein Herz, und bei den Starken war mein Sinn, Den Guten, die hier unten vormals lebten. Itzt stand ein Jüngling, der, uns ungesehn, Am einsamen Gebüsch beiseit gesessen, Nicht ferne von mir auf. O Vater! mußt Ich rufen, das ist Eduard! – Du bist Nicht klug, mein Kind! erwidert' er und sah Den Jüngling an; es mocht ihn wohl auch treffen, Er faßte schnell mich bei der Hand und zog Mich weiter. Einmal mußt ich noch mich umsehn. Derselbe wars und nicht derselbe! Stolz und groß, Voll Macht war die Gestalt, wie des Verlornen, Und Aug und Stirn und Locke; schärfer blickt' Er nur, und um die seelenvolle Miene War, wie ein Schleier, ihm ein stiller Ernst Gebreitet. Und er sah mich an. Es war, Als sagt' er, gehe nur auch du, so geht Mir alles hin, doch duld ich aus und bleibe. Wir reisten noch desselben Abends ab, Und langsamtraurig fuhr der Wagen weiter Und weiter durchs unwegsame Gebirg. Es wechselten in Nebel und in Regen Die Bäum und des Gebüsches dunkle Bilder Im Walde nebenan. Der Vater schlief, In dumpfem Schmerze träumt ich hin, und kaum Nur eben noch, die lange Zeit zu zählen, War mir die Seele wach. Ein schöner Strom Erweckt' ein wenig mir das Aug; es standen Im breiten Boot die Schiffer am Gestad; Die Pferde traten folgsam in die Fähre, Und ruhig schifften wir. Erheitert war Die Nacht, und auf die Wellen leuchtet' Und Hütten, wo der fromme Landmann schlief, Aus blauer Luft das stille Mondlicht nieder; Und alles dünkte friedlich mir und sorglos, In Schlaf gesungen von des Himmels Sternen. Und ich sollt ohne Ruhe sein von nun an, Verloren ohne Hoffnung mir an Fremdes Die Seele meiner Jugend! Ach! ich fühlt Es itzt, wie es geworden war mit mir. Dem Adler gleich, der in der Wolke fliegt, Erschien und schwand mir aus dem Auge wieder, Und wieder mir des hohen Fremdlings Bild, Daß mir das Herz erbebt' und ich umsonst Mich fassen wollte. Schliefst du gut, mein Kind! Begrüßte nun der gute Vater mich, Und gerne wollt ich auch ein Wort ihm sagen. Die Tränen doch erstickten mir die Stimme, Und in den Strom hinunter mußt ich sehn, Und wußte nicht, wo ich mein Angesicht Verbergen sollte. Glückliche! die du Dies nie erfahren, überhebe mein Dich nicht. Auch du, und wer von allen mag Sein eigen bleiben unter dieser Sonne? Oft meint ich schon, wir leben nur, zu sterben, Uns opfernd hinzugeben für ein anders. O schön zu sterben, edel sich zu opfern, Und nicht so fruchtlos, so vergebens, Liebe! Das mag die Ruhe der Unsterblichen Dem Menschen sein. Bedaure du mich nur! Doch tadeln, Gute, sollst du mir es nicht! Nennst du sie Schatten, jene, die ich liebe? Da ich kein Kind mehr war, da ich ins Leben Erwachte, da aufs neu mein Auge sich Dem Himmel öffnet' und dem Licht, da schlug Mein Herz dem Schönen; und ich fand es nah; Wie soll ichs nennen, nun es nicht mehr ist Für mich? O laßt! Ich kann die Toten lieben, Die Fernen; und die Zeit bezwingt mich nicht. Mein oder nicht! du bist doch schön, ich diene Nicht Eitlem, was der Stunde nur gefällt, Dem Täglichen gehör ich nicht; es ist Ein anders, was ich lieb; unsterblich Ist, was du bist, und du bedarfst nicht meiner, Damit du groß und gut und liebenswürdig Und herrlich seist, du edler Genius! Laßt nur mich stolz in meinem Leide sein, Und zürnen, wenn ich ihn verleugnen soll; Bin ich doch sonst geduldig, und nicht oft Aus meinem Munde kömmt ein Männerwort. Demütigt michs doch schon genug, daß ich, Was ich dir lang verborgen, nun gesagt. Wie dank ich dir, du Liebe, daß du mir Vertrauen abgewonnen, daß ich dir Mein still Geheimnis endlich ausgesprochen. Ich bin nun ruhiger – wie nenn ichs dir? Und an die schönen Tage denk ich, wenn ich oft Hinausging mit dem Bruder, und wir oben Auf unserm Hügel beieinander saßen, Und ich den Lieben bei den Händen hielt, Und mirs gefallen ließ am offnen Feld Und an der Straß, und ins Gewölb hinauf Des grünen Ahorns staunt, an dem wir lagen. Ein Sehnen war in mir, doch war ich still. Es blühten uns der ersten Hoffnung Tage, Die Tage des Erwachens. Holde Dämmerung! So schön ists, wenn die gütige Natur Ins Leben lockt ihr Kind. Es singen nur Den Schlummersang am Abend unsre Mütter. Sie brauchen nie das Morgenlied zu singen. Dies singt die andre Mutter uns, die gute, Die wunderbare, die uns Lebenslust In unsern Busen atmet, uns mit süßen Verheißungen erweckt. Wie ist mir, Liebe! Ich kann an Jugend heute nur, und nur An Jugend denken. Sieh! ein heitrer Tag Ists eben auch. Seit frühem Morgen sitz ich Am lieben Fenster, und es wehn die Lüfte, Die zärtlichen, herein, mir blickt das Licht Durch meine Bäume, die zu nahe mir Gewachsen sind, und mählig mit den Blüten Das ferne Land verhüllen, daß ich mich Bescheiden muß, und hie und da noch kaum Hinaus mich find aus diesem freundlichen Gefängnis; und es fliegen über ihnen Die Schwalben und die Lerchen, und es singen Die Stunde durch genug die Nachtigallen, Und wie sie heißen, all die Lieblinge Der schönen Jahrszeit; eigne Namen möcht Ich ihnen geben, und den Blumen auch, Den stillen, die aus dunklem Beete duften, Zu mir herauf wie junge Sterne glänzend. Und wie es lebt und glücklich ist im Wachstum, Und seiner Reife sich entgegen freut! Es findet jedes seine Stelle doch, Sein Haus, die Speise, die das Herz ihm sättigt, Und jedes segnest du mit eignem Segen, Natur! und gibst dich ihnen zum Geschäft, Und trägst und nährst zu ihrer Blütenfreud Und ihrer Frucht sie fort, du Gütige! Und klagtest du doch öfters, trauernd Herz! Vergaßest mir den Glauben, danktest nicht, Und dachtest nicht, wenn dir dein Tun zu wenig Bedeuten wollt, es sei ein frommes Opfer, Das du, wie andre, vor das Leben bringest, Wohlmeinend, wie der Lerche Lied, das sie Den Lüften singt, den freudegebenden – Nun geh ich noch hinaus und hole Blumen Dem Vater aus dem Feld, und bind ihm sie In Einen Strauß, die drunten in dem Garten, Und die der Bach erzog; ich wills schon richten, Daß ihms gefallen soll. Und dir? dir bring ich Genug des Neuen. Da ists immer anders. Itzt blühn die Weiden; itzt vergolden sich Die Wiesen; itzt beginnt der Buche Grün, Und itzt der Eiche – nun! leb wohl indessen! Ihr Himmlischen! das war er. Kannst du mir Es glauben? – Beste! – wärst du bei mir! – Er! Der Hohe, der Gefürchtete, Geliebte! – Mein bebend Herz, hast du so viel gewollt? Da ging ich so zurück mit meinen Blumen, Sah auf den Pfad, den abendrötlichen, In meiner Stille nieder, und es schlief Mir sanft im Busen das Vergangene, Ein kindlich Hoffen atmete mir auf; Wie wenn uns zwischen süßem Schlaf und Wachen Die Augen halb geöffnet sind, so war Ich Blinde. Sieh! da stand er vor mir, mein Heroë, und ich Arme war, wie tot, Und ihm, dem Brüderlichen, überglänzte Das Angesicht, wie einem Gott, die Freude. »Emilie!« – das war sein frommer Gruß. Ach! alles Sehnen weckte mir und all Das liebe Leiden, so ich eingewiegt, Der goldne Ton des Jünglings wieder auf! Nicht aufsehn durft ich! keine Silbe durft Ich sagen! O, was hätt ich ihm gesagt! Was wein ich denn, du Gute! – laß mich nur! Nun darf ich ja, nun ists so töricht nimmer, Und schön ists, wenn der Schmerz mit seiner Schwester, Der Wonne, sich versöhnt, noch eh er weggeht. O Wiedersehn! das ist noch mehr, du Liebe! Als wenn die Bäume wieder blühn, und Quellen Von neuem fröhlich rauschen – Ja! ich hab Ihn oft gesucht und ernstlich oft es mir Versagt, doch wollt ich sein Gedächtnis ehren. Die Bilder der Gespielen, die mit mir Auf grüner Erd in stummer Kindheit saßen, Sie dämmern ja um meine Seele mir, Und dieser edle Schatte, sollt er nicht? Das Herz im Busen, das unsterbliche, Kann nicht vergessen, sieh! und öfters bringt Ein guter Genius die Liebenden Zusammen, daß ein neuer Tag beginnt, Und ihren Mai die Seele wieder feiert. O wunderbar ist mir! auch er! – daß du Hinunter mußtest, Lieber! ehe dir Das deine ward, und dich die frohe Braut Zum Männerruhme segnete! Doch starbst Du schön, und oft hab ich gehört, es fallen Die Lieblinge des Himmels früh, damit Sie sterblich Glück und Leid und Alter nicht Erfahren. Nimmermehr vergeß ich dich, Und ehren soll er dich. Dein Bild will ich Ihm zeigen, wenn er kömmt; und wenn der Stolze Sich dann verwundert, daß er sich bei mir Gefunden, sag ich ihm, es sei ein andrer, Und den er lieben müsse. O, er wirds! Da schrieb er mir. Ja! teures Herz! er ists, Den ich gesucht. Wie dieser Jüngling mich Demütiget und hebt! Nun! lies es nur! »So bist dus wieder, und ich habe dich Gegrüßt, gefunden, habe dich noch Einmal In deiner frommen Ruh gestört, du Kind Des Himmels! – Nein Emilie! du kanntest Mich ja. Ich kann nicht fragen. Wir sinds, Die Längstverwandten, die der Gott getraut, Und bleiben wird es, wie die Sonne droben. Ich bin voll Freude, schöne Seele! bin Der neuen Melodieen ungewohnt. Es ist ein anders Lied, als jenes, so Dem Jünglinge die Parze lehrend singt, Bis ihm, wie Wohllaut, ihre Weise tönt; Dann gönnt sie ihm, du Friedliche! von dir Den süßern Ton, den liebsten, einzigen Zu hören. Mein? o sieh! du wirst in Lust Die Mühe mir und was mein Herz gebeut, Du wirst es all in heilge Liebe wandeln. Und hab ich mit Unmöglichem gerungen, Und mir die Brust zu Treu und Ruh gehärtet, Du wärmest sie mit frommer Hoffnung mir, Daß sie vertrauter mit dem Siege schlägt. Und wenn das Urbild, das, wie Morgenlicht, Mir aus des Lebens dunkler Wolke stieg, Das himmlische, mir schwindet, seh ich Dich, Und eine schöne Götterbotin, mahnst Du lächelnd mich an meinen Phoebus wieder; Und wenn ich zürne, sänftigest du mich. Dein Schüler bin ich dann, und lausch und lerne. Von deinem Munde nehm ich, Zauberin, Des Überredens süße Gabe mir, Daß sie die Geister freundlich mir bezwingt, Und wenn ich ferne war von dir, und wund Und müd dir wiederkehre, heilst du mich Und singst in Ruhe mich, du holde Muse! Emilie! daß wir uns wiedersahn! Daß wir uns einst gefunden, und du nun Mich nimmer fliehst und nahe bist! Zu gern, Zu gern entwich dein stolzes Bild dem Wandrer, Das zarte, reine, da du ferne warst, Du Heiligschönes! Doch ich sah dich oft, Wenn ich des Tags allein die Pfade ging, Und abends in der fremden Hütte schwieg. O heute! grüße, wenn du willst, den Vater! Ich kenn ihn wohl; auch meinen Namen kennt er; Und seiner Freunde Freund bin ich. Ich wußte nicht, Daß er es war, da wir zuerst einander Begegneten, und lang erfuhr ichs nicht. Bald grüß ich schöner dich. – Armenion.« Er woll ihn morgen sprechen, sagte mir Mein Vater, morgen! und er schien nicht freundlich. Nun sitz ich hier und meine Augen ruhn Und schlummern nicht – ach! schämen muß ich mich, Es dir zu klagen – will ich stille werden, So regt ein Laut mich auf; ich sinn und bitte, Und weiß nicht, was? und sagen möcht ich viel, Doch ist die Seele stumm – o fragen möcht ich Die sorgenfreien Bäume hier, die Strahlen Der Nacht und ihre Schatten, wie es nun Mir endlich werden wird. Zu still ists mir In dieser schönen Nacht, und ihre Lüfte Sind mir nicht hold, wie sonst. Die Törin! Solang er ferne war, so liebt ich ihn; Nun bin ich kalt, und zag und zürne mir Und andern. – Auch die Worte, so ich dir In dieser bösen Stunde schreibe, lieb Ich nicht, und was ich sonst von ihm geschrieben, Unleidlich ist es mir. Was ist es denn? Ich wünsche fast, ich hätt ihn nie gesehn. Mein Friede war doch schöner. Teures Herz! Ich bin betrübt, und anders, denn ichs war, Da ich um den Verlornen trauerte. Ich bin es nimmer, nein! ich bin es nicht. Ich bin nicht gut, und seellos bin ich auch. Mich läßt die Furcht, die häßliche, nicht ruhn. O daß der goldne Tag die Ruhe mir, Mein eigen Leben wiederbrächt! – Ich will Geduldig sein, und wenn der Vater ihn Nicht ehrt, mir ihn versagt, den Teuren, So schweig ich lieber, und es soll mir nicht Zu sehr die Seele kränken; kann ich still Ihn ehren doch, und bleiben, wie ich bin. Nun muß ich lächeln über alles Schlimme, Was ich die vorge Nacht geträumt; und hab Ich dir es gar geschrieben? Anders bin Ich itzt gesinnt. Er kam und mir frohlockte Das Herz, wie er herab die Straße ging, Und mir das Volk den fremden Herrlichen Bestaunt'! und lobend über ihn geheim Die Nachbarn sich besprachen, und er itzt Den Knaben, der an ihm vorüberging, Nach meinem Hause fragt'; ich sahe nicht Hinaus, ich konnt, an meinem Tische sitzend, Ihn ohne Scheue sehn – wie red ich viel? Und da er nun herauf die Treppe kam, Und ich die Tritte hört und seine Türe Mein Vater öffnete, sie draußen sich Stillschweigend grüßten, daß ich nicht Ein Wort vernehmen konnt, ich Unvernünftge, Wie ward mir bange wieder? Und sie blieben Nicht kurze Zeit allein im andern Zimmer, Daß ich es länger nicht erdulden konnt, Und dacht: ich könnte wohl den Vater fragen Um dies und jenes, was ich wissen mußte. Dann hätt ichs wohl gesehn in ihren Augen, Wie mir es werden sollte. Doch ich kam Bis an die Schwelle nur, ging lieber doch In meinen Garten, wo die Pflanzen sonst, In andrer Zeit, die Stunde mir gekürzt. Und fröhlich glänzten, von des Morgens Tau Gesättiget, im frischen Lichte sie Ins Auge mir, wie liebend sich das Kind An die betrübte Mutter drängt, so waren Die Blumen und die Blüten um mich rings, Und schöne Pforten wölbten über mir Die Bäume. Doch ich konnt es itzt nicht achten, Nur ernster ward und schwerer nur, und bänger Das Herz mir Armen immer, und ich sollte Wie eine Dienerin von ferne lauschen, Ob sie vielleicht mich riefen, diese Männer. Ich wollte nun auch nimmer um mich sehn, Und barg in meiner Laube mich und weinte, Und hielt die Hände vor das Auge mir. Da hört ich sanft des Vaters Stimme nah, Und lächelnd traten, da ich noch die Tränen Mir trocknete, die beiden in die Laube: »Hast du dich so geängstiget, mein Kind! Und zürnst du,« sprach der Vater, »daß ich erst Vor mich den edeln Gast behalten wollt? Ihn hast du nun. Er mag die Zürnende Mit mir versöhnen, wenn ich Unrecht tat.« So sprach er; und wir reichten alle drei Die Händ einander, und der Vater sah Mit stiller Freud uns an – »Ein Trefflicher Ist dein geworden, Tochter!« sprach er itzt, »Und dein, o Sohn! dies heiligliebend Weib. Ein freudig Wunder, daß die alten Augen Mir übergehen, seid ihr mir, und blüht, Wie eine seltne Blume, mir, ihr Beiden! Denn nicht gelingt es immerhin den Menschen, Das Ihrige zu finden. Großes Glück Zu tragen und zu opfern gibt der Gott Den Einen, weniger gegeben ist Den Andern; aber hoffend leben sie. Zwei Genien geleiten auf und ab Uns Lebende, die Hoffnung und der Dank. Mit Einsamen und Armen wandelt jene, Die Immerwache; dieser führt aus Wonne Die Glücklichen des Weges freundlich weiter, Vor bösem Schicksal sie bewahrend. Oft, Wenn er entfloh, erhuben sich zu sehr Die Freudigen, und rächend traf sie bald Das ungebetne Weh. Doch gerne teilt Das freie Herz von seinen Freuden aus, Der Sonne gleich, die liebend ihre Strahlen An ihrem Tag aus goldner Fülle gibt; Und um die Guten dämmert oft und glänzt Ein Kreis voll Licht und Lust, so lang sie leben. O Frühling meiner Kinder, blühe nun, Und altre nicht zu bald, und reife schön!« So sprach der gute Vater. Vieles wollt Er wohl noch sagen, denn die Seele war Ihm aufgegangen; aber Worte fehlten ihm. Er gab ihn mir und segnet' uns und ging Hinweg. Ihr Himmelslüfte, die ihr oft Mich tröstend angeweht, nun atmetet Ihr heiligend um unser goldnes Glück! Wie anders wars, wie anders, da mit ihm, Dem Liebenden, dem Freudigen, ich itzt, Ich Freudige, zu unsrer Mutter auf, Zur schönen Sonne sah! nun dämmert' es Im Auge nicht, wie sonst im sehnenden, Nun grüßt ich helle dich, du stolzes Licht! Und lächelnd weiltest du, und kamst und schmücktest Den Lieben mir, und kränztest ihm mit Rosen Die Schläfe, Freundliches! Und meine Bäume, Sie streuten auch ein hold Geschenk herab, Zu meinem Fest, vom Überfluß der Blüten! Da ging ich sonst; ach! zu den Pflanzen flüchtet Ich oft mein Herz, bei ihnen weilt ich oft Und hing an ihnen; dennoch ruht ich nie, Und meine Seele war nicht gegenwärtig. Wie eine Quelle, wenn die jugendliche Dem heimatlichen Berge nun entwich, Die Pfade bebend sucht, und flieht und zögert, Und durch die Wiesen irrt und bleiben möcht, Und sehnend, hoffend immer doch enteilt: So war ich; aber liebend hat der stolze, Der schöne Strom die flüchtige genommen, Und ruhig wall ich nun, wohin der sichre Mich bringen will, hinab am heitern Ufer.