An Hiller Du lebtest, Freund! – Wer nicht die köstliche Reliquie des Paradieses, nicht Der Liebe goldne königliche Frucht, Wie du, auf seinem Lebenswege brach, Wem nie im Kreise freier Jünglinge In süßem Ernst der Freundschaft trunkne Zähre Hinab ins Blut der heilgen Rebe rann, Wer nicht, wie du, aus dem begeisternden, Dem ewigvollen Becher der Natur Sich Mut und Kraft, und Lieb und Freude trank, Der lebte nie, und wenn sich ein Jahrhundert, Wie eine Last, auf seiner Schulter häuft. – Du lebtest, Freund! es blüht nur wenigen Des Lebens Morgen, wie er dir geblüht; Du fandest Herzen, dir an Einfalt, dir An edlem Stolze gleich; es sproßten dir Viel schöne Blüten der Geselligkeit; Auch adelte die innigere Lust, Die Tochter weiser Einsamkeit, dein Herz; Für jeden Reiz der Hügel und der Tale, Für jede Grazien des Frühlings ward Ein offnes unumwölktes Auge dir. Dich, Glücklicher, umfing die Riesentochter Der schaffenden Natur, Helvetia; Wo frei und stark der alte, stolze Rhein Vom Fels hinunter donnert, standest du Und jubeltest ins herrliche Getümmel. Wo Fels und Wald ein holdes zauberisches Arkadien umschließt, wo himmelhoch Gebirg, Des tausendjährgen Scheitel ewger Schnee, Wie Silberhaar des Greisen Stirne, kränzt, Umschwebt von Wetterwolken und von Adlern, Sich unabsehbar in die Ferne dehnt, Wo Tells und Walthers heiliges Gebein Der unentweihten freundlichen Natur Im Schoße schläft, und manches Helden Staub, Vom leisen Abendwind emporgeweht, Des Sennen sorgenfreies Dach umwallt, Dort fühltest du, was groß und göttlich ist, Von seligen Entwürfen glühte dir, Von tausend goldnen Träumen deine Brust; Und als du nun vom lieben heilgen Lande Der Einfalt und der freien Künste schiedst, Da wölkte freilich sich die Stirne dir, Doch schuf dir bald mit ihrem Zauberstabe Manch selig Stündchen die Erinnerung. Wohl ernster schlägt sie nun, die Scheidestunde; Denn ach! sie mahnt, die unerbittliche, Daß unser Liebstes welkt, daß ewge Jugend Nur drüben im Elysium gedeiht; Sie wirft uns auseinander, Herzensfreund! Wie Mast und Segel vom zerrißnen Schiffe Im wilden Ozean der Sturm zerstreut. Vielleicht indes uns andre nah und ferne Der unerforschten Pepromene Wink Durch Steppen oder Paradiese führt, Fliegst du der jungen seligeren Welt Auf deiner Philadelphier Gestaden Voll frohen Muts im fernen Meere zu; Vielleicht, daß auch ein süßes Zauberband Ans abgelebte feste Land dich fesselt! Denn traun! ein Rätsel ist des Menschen Herz! Oft flammt der Wunsch, unendlich fortzuwandern, Unwiderstehlich herrlich in uns auf; Oft deucht uns auch im engbeschränkten Kreise Ein Freund, ein Hüttchen, und ein liebes Weib Zu aller Wünsche Sättigung genug. – Doch werfe, wie sie will, die Scheidestunde Die Herzen, die sich lieben, auseinander! Es scheuet ja der Freundschaft heilger Fels Die träge Zeit, und auch die Ferne nicht. Wir kennen uns, du Teurer! – Lebe wohl!