Friedrich Hölderlin Der Tod des Empedokles Ein Trauerspiel in fünf Akten [Frankfurter Plan] Entstanden 1797, Erstdruck in: Sämmtliche Werke, Stuttgart und Tübingen 1846. [Frankfurter Plan] Erster Akt Empedokles, durch sein Gemüt und seine Philosophie schon längst zu Kulturhaß gestimmt, zu Verachtung alles sehr bestimmten Geschäfts, alles nach verschiedenen Gegenständen gerichteten Interesses, ein Todfeind aller einseitigen Existenz, und deswegen auch in wirklich schönen Verhältnissen unbefriedigt, unstät, leidend, bloß weil sie besondere Verhältnisse sind und, nur im großen Akkord mit allem Lebendigen empfunden, ganz ihn erfüllen, bloß weil er nicht mit allgegenwärtigem Herzen innig, wie ein Gott, und frei und ausgebreitet, wie ein Gott, in ihnen leben und lieben kann, bloß weil er, sobald sein Herz und sein Gedanke das Vorhandene umfaßt, ans Gesetz der Sukzession gebunden ist – Empedokles nimmt ein besonderes Aergernis an einem Feste der Agrigentiner, wird darüber von seinem Weibe, die von dem Einfluß dieses viel gehofft, und gutmütig ihn überredet hatte, daran Teil zu nehmen, etwas empfindlich und sarkastisch getadelt, und nimmt von jenem Aergernis und diesem häuslichen Zwist Veranlassung, seinem geheimen Hange zu folgen, aus der Stadt und seinem Hause zu gehen, und sich in eine einsame Gegend des Aetna zu begeben. Erster Auftritt Einige Schüler des Empedokles mit einigen vom Volk. Jene wollen diese bewegen, auch in Empedokles Schule zu treten. Einer der Schüler des Empedokles, sein Liebling, kommt dazu 1 , verweist ihnen die Proselytenmacherei, und heißt sie weggehn, weil der Meister um diese Zeit allein in seinem Garten seiner Andacht pflege. Zweiter Auftritt Monolog des Empedokles. Gebet an die Natur. Dritter Auftritt Empedokles mit Weib und Kindern 2 Zärtliche Klagen des Weibs über Empedokles Mißmut. Herzliche Entschuldigungen des Empedokles. Bitte des Weibs, bei dem großen Feste mit zu sein, und da vielleicht sich zu erheitern. Vierter Auftritt Fest der Agrigentiner. 3 Aergernis des Empedokles. Fünfter Auftritt Häuslicher Zwist. Abschied des Empedokles, 4 ohne zu sagen, was seine Absicht ist, wohin er geht. Zweiter Akt Empedokles wird von seinen Schülern auf dem Aetna besucht, zuerst von seinem Liebling, der ihn wirklich bewegt und fast aus seiner Herzenseinsamkeit zurückzieht, dann auch von den übrigen, die ihn von neuem mit Entrüstung gegen menschliche Dürftigkeit erfüllen, so daß er sie alle feierlich verabschiedet, und am Ende auch noch seinem Liebling ratet, ihn zu verlassen. Erster Auftritt Empedokles auf dem Aetna Monolog. Entschiednere Devotion des Empedokles gegen die Natur. Zweiter Auftritt Empedokles und der Liebling Dritter Auftritt Empedokles und seine Schüler Vierter Auftritt Empedokles und der Liebling Dritter Akt Empedokles wird auf dem Aetna von seinem Weib und seinen Kindern besucht. Ihren zärtlichen Bitten setzt das Weib die Nachricht hinzu, daß an demselben Tage die Agrigentiner ihm eine Statue errichten. Ehre und Liebe, die einzigen Bande, die ihn ans Wirkliche knüpfen, bringen ihn zurück. Seine Schüler kommen voll Freude in sein Haus. Der Liebling stürzt ihm an den Hals. Er siehet seine Statue errichtet. Dankt öffentlich dem Volke, das ihm Beifall zuruft. Vierter Akt Seine Neider erfahren von einigen seiner Schüler die harten Reden, die er auf dem Aetna vor diesen gegen das Volk ausgestoßen, benützen es, um das Volk gegen ihn aufzuhetzen, das auch wirklich seine Statue umwirft und ihn aus der Stadt jagt. Nun reift sein Entschluß, der längst schon in ihm dämmerte, durch freiwilligen Tod sich mit der unendlichen Natur zu vereinen. Er nimmt in diesem Vorsatz den zweiten tieferen schmerzlicheren Abschied von Weib und Kindern und geht wieder auf den Aetna. Seinem jungen Freunde weicht er aus, weil er diesem zutraut, daß er sich nicht werde täuschen lassen, mit den Tröstungen, mit denen er sein Weib besänftigt, und daß dieser sein eigentlich Vorhaben ahnden möchte. Fünfter Akt Empedokles bereitet sich zu seinem Tode vor. Die zufälligen Veranlassungen zu seinem Entschlusse fallen nun ganz für ihn weg und er betrachtet ihn als eine Notwendigkeit, die aus seinem innersten Wesen folge. In den kleinen Szenen, die er noch hie und da mit den Bewohnern der Gegend hat, findet er überall Bestätigung seiner Denkart, seines Entschlusses. Sein Liebling kömmt noch, hat das Wahre geahndet, wird aber von dem Geist und von den großen Bewegungen in dem Gemüte seines Meisters so sehr überwältigt, daß er dem Befehle desselben blindlings gehorcht und geht. Bald drauf stürzt sich Empedokles in den lodernden Aetna. Sein Liebling, der unruhig und bekümmert in dieser Gegend umherirrt, findet bald drauf die eisernen Schuhe des Meisters, die der Feuerauswurf aus dem Abgrund geschleudert hatte, erkennt sie, zeigt sie der Familie des Empedokles, seinen Anhängern im Volke, und versammelt sich mit diesen an dem Vulkan, um Leid zu tragen, und den Tod des großen Mannes zu feiern. Fußnoten 1 Geht! ruft er den andern zu, indem er hereintritt. 2 Eines der Kleinen ruft vom Hause herunter: Vater! Vater! hörst du denn nicht! Drauf kömmt die Mutter herab, ihn zum Frühstück zu holen, und entspinnt sich das Gespräch. 3 Ein Kaufmann, ein Arzt, ein Priester, ein Feldherr, ein junger Herr, ein altes Weib. 4 Er sagt, daß er sein Weib und seine Kinder mit sich nehme, daß er sie am Herzen trage, nur, meint er, können sie nicht ihn behalten. Der Horizont sei ihm nur zu enge, meint er, er müsse fort, um höher sich zu stellen, um aus der Ferne sie mit allem, was da lebe, anzublicken, anzulächeln. [Erste Fassung] Entstanden 1797/99, Erstdruck 1846 (vermischt mit der 2. Fassung) in: Sämmtliche Werke, Stuttgart und Tübingen 1846, als 1. Fassung in: Hölderlins gesammelte Dichtungen, hg. v. B. Litzmann, Stuttgart 1896. 1. Akt 1. Auftritt Erste Auftritt Panthea. Delia. Dies ist sein Garten! Dort im geheimen Dunkel, wo die Quelle springt, dort stand er jüngst, als ich vorüberging – du hast ihn nie gesehn? O Panthea! Bin ich doch erst seit gestern mit dem Vater in Sicilien. Doch ehmals, da ich noch ein Kind war, sah ich ihn auf einem Kämpfer – wagen bei den Spielen in Olympia. Sie sprachen damals viel von ihm, und immer ist sein Name mir geblieben. Du mußt ihn jetzt sehn! jetzt! Man sagt, die Pflanzen merkten auf ihn, wo er wandre, und die Wasser unter der Erde strebten herauf da, wo sein Stab den Boden berühre! Das all mag wahr sein! und wenn er bei Gewittern in den Himmel blicke, teile die Wolke sich und hervorschimmre der heitere Tag. – Doch was sagts? du mußt ihn selbst sehn! einen Augenblick! und dann hinweg! ich meid ihn selbst – ein furchtbar allverwandelnd Wesen ist in ihm. – – Wie lebt er mit andern? Ich begreife nichts von diesem Manne, Hat er wie wir auch seine leeren Tage, Wo man sich alt und unbedeutend dünkt? Und gibt es auch ein menschlich Leid für ihn? Ach! da ich ihn zum letztenmale dort Im Schatten seiner Bäume sah, da hatt er wohl Sein eigen tiefes Leid – der Göttliche. Mit wunderbarem Sehnen, traurigforschend Wie wenn er viel verloren, blickt' er bald Zur Erd hinab, bald durch die Dämmerung Des Hains hinauf, als wär ins ferne Blau Das Leben ihm entflogen, und die Demut Des königlichen Angesichts ergriff Mein ringend Herz – auch du mußt untergehn, Du schöner Stern! und lange währets nicht mehr. Das ahnte mir – Hast du mit ihm auch schon Gesprochen, Panthea? O daß du daran mich erinnerst! Es ist nicht lange, daß ich todeskrank daniederlag. Schon dämmerte der klare Tag vor mir und um die Sonne wankte, wie ein seellos Schattenbild, die Welt. Da rief mein Vater, wenn er schon ein arger Feind des hohen Mannes ist, am hoff- nunglosen Tage den Vertrauten der Natur, und als der Herrliche den Heiltrank mir gereicht, da schmolz in zaubrischer Versöhnung mir mein kämpfend Leben ineinander, und wie zurückgekehrt in süße sinnenfreie Kindheit schlief ich wachend viele Tage fort, Und kaum bedurft ich eines Othemzugs – wie nun in frischer Lust mein Wesen sich zum erstenmale wieder der langentbehrten Welt entfaltete, mein Auge sich in jugendlicher Neugier dem Tag er- schloß, da stand er, Empedokles! o wie göttlich und wie gegenwärtig mir! am Lächeln seiner Augen blühte mir das Leben wieder auf! ach wie ein Morgenwölkchen floß mein Herz dem hohen süßen Licht entgegen und ich war der zarte Widerschein von ihm. O Panthea! Der Ton aus seiner Brust! in jede Silbe klangen alle Melodien! und der Geist in seinem Wort! – zu seinen Füßen möcht ich sitzen, stundenlang, als seine Schülerin, sein Kind, in seinen Aether schaun, und zu ihm auf frohlocken, bis in seines Himmels Höhe sich mein Sinn verirrte. Was würd er sagen, Liebe, wenn ers wüßte! Er weiß es nicht. Der Unbedürftge wandelt In seiner eignen Welt; in leiser Götterruhe geht Er unter seinen Blumen, und es scheun Die Lüfte sich, den Glücklichen zu stören, Und aus sich selber wächst In steigendem Vergnügen die Begeisterung Ihm auf, bis aus der Nacht des schöpfrischen Entzückens, wie ein Funke, der Gedanke springt, Und heiter sich die Geister künftger Taten In seiner Seele drängen, und die Welt, Der Menschen gärend Leben und die größre Natur um ihn erscheint – hier fühlt er, wie ein Gott In seinen Elementen sich, und seine Lust Ist himmlischer Gesang, dann tritt er auch Heraus ins Volk, an Tagen, wo die Menge Sich überbraust und eines Mächtigern Der unentschlossene Tumult bedarf, Da herrscht er dann, der herrliche Pilot Und hilft hinaus und wenn sie dann erst recht Genug ihn sehn, des immerfremden Manns sich Gewöhnen möchten, ehe sie's gewahren, Ist er hinweg, – ihn zieht in seine Schatten Die stille Pflanzenwelt, wo er sich schöner findet, Und ihr geheimnisvolles Leben, das vor ihm In seinen Kräften allen gegenwärtig ist. O Sprecherin! wie weißt du denn das alles? Ich sinn ihm nach – wie viel ist über ihn Mir noch zu sinnen? ach! und hab ich ihn Gefaßt; was ists? Er selbst zu sein, das ist Das Leben und wir andern sind der Traum davon. – Sein Freund Pausanias hat auch von ihm Schon manches mir erzählt – der Jüngling sieht Ihn Tag vor Tag, und Jovis Adler ist wohl Nicht stolzer, denn Pausanias – ich glaub es! Ich kann nicht tadeln, Liebe, was du sagst, Doch trauert meine Seele wunderbar Darüber und ich möchte sein, wie du, Und möcht es wieder nicht. Seid ihr denn all Auf dieser Insel so? Wir haben auch An großen Männern unsre Lust, und Einer Ist itzt die Sonne der Athenerinnen, Sophokles! dem von allen Sterblichen Zuerst der Jungfraun herrlichste Natur Erschien und sich zu reinem Angedenken In seine Seele gab – jede wünscht sich, ein Gedanke. Des Herrlichen zu sein, und möchte gern Die immerschöne Jugend, eh sie welkt, Hinüber in des Dichters Seele retten Und frägt und sinnet, welche von den Jungfraun Der Stadt die zärtlichernste Heroide sei, Die er Antigonä genannt; und helle wirds Um unsre Stirne, wenn der Götterfreund Am heitern Festtag ins Theater tritt, Doch kummerlos ist unser Wohlgefallen, Und nie verliert das liebe Herz sich so In schmerzlich fortgerißner Huldigung – Du opferst dich – ich glaub es wohl, er ist Zu übergroß, um ruhig dich zu lassen, Den unbegrenzten liebst du unbegrenzt, Was hilft es ihm? dir selbst, dir ahndete Sein Untergang, du gutes Kind und du Sollst untergehn mit ihm? O mache mich Nicht stolz, und fürchte wie für ihn, für mich nicht! Ich bin nicht er, und wenn er untergeht, So kann sein Untergang der meinige Nicht sein, denn groß ist auch der Tod der Großen Was diesem Manne widerfährt. Das, glaube mir, das widerfährt nur ihm, Und hätt er gegen alle Götter sich Versündiget und ihren Zorn auf sich Geladen, und ich wollte sündigen, Wie er, um gleiches Los mit ihm zu leiden, So wärs, wie wenn ein Fremder in den Streit Der Liebenden sich mischt, – was willst du? sprächen Die Götter nur, du Törin kannst uns nicht Beleidigen, wie er. Du bist vielleicht Ihm gleicher als du denkst, wie fändst du sonst An ihm ein Wohlgefallen? Liebes Herz! Ich weiß es selber nicht, warum ich ihm Gehöre – sähst du ihn! – Ich dacht, er käme Vielleicht heraus, du hättest dann im Weggehn ihn Gesehn – es war ein Wunsch! nicht wahr? ich sollte Der Wünsche mich entwöhnen, denn es scheint, Als liebten unser ungeduldiges Gebet die Götter nicht, sie haben recht! Ich will auch nimmer – aber hoffen muß Ich doch, ihr guten Götter, und ich weiß Nicht anderes, denn ihn – Ich bäte gleich den Übrigen, von euch Nur Sonnenlicht und Regen, könnt ich nur! O ewiges Geheimnis, was wir sind Und suchen, können wir nicht finden; was Wir finden, sind wir nicht – wie viel ist wohl Die Stunde, Delia? Dort kommt dein Vater. Ich weiß nicht, bleiben oder gehen wir – Wie sagtest du? mein Vater? komm! hinweg! 2. Auftritt Zweiter Auftritt Kritias. Hermokrates. Archon Priester. Wer geht dort? Meine Tochter, wie mir dünkt, Und Delia, des Gastfreunds Tochter, der In meinem Hause gestern eingekehrt ist. Ists Zufall? oder suchen sie ihn auch Und glauben, wie das Volk, er sei entschwunden? Die wunderbare Sage kam bis itzt wohl nicht Vor meiner Tochter Ohren. Doch sie hängt An ihm wie alle: wär er nur hinweg In Wälder oder Wüsten, übers Meer Hinüber oder in die Erd hinab – wohin Ihn treiben mag der unbeschränkte Sinn. Mit nichten! Denn sie müßten noch ihn sehn, Damit der wilde Wahn von ihnen weicht. Wo ist er wohl? Nicht fern von hier. Da sitzt Er seelenlos im Dunkel. Denn es haben Die Götter seine Kraft von ihm genommen, Seit jenem Tage, da der trunkne Mann Vor allem Volk sich einen Gott genannt. Das Volk ist trunken, wie er selber ist. Sie hören kein Gesetz, und keine Not Und keinen Richter; die Gebräuche sind Von unverständlichem Gebrause gleich Den friedlichen Gestaden überschwemmt. Ein wildes Fest sind alle Tage worden, Ein Fest für alle Feste und der Götter Bescheidne Feiertage haben sich In eins verloren, allverdunkelnd hüllt Der Zauberer den Himmel und die Erd Ins Ungewitter, das er uns gemacht, Und siehet zu und freut sich seines Geists In seiner stillen Halle. Mächtig war Die Seele dieses Mannes unter euch. Ich sage dir: sie wissen nichts denn ihn Und wünschen alles nur von ihm zu haben, Er soll ihr Gott, er soll ihr König sein. Ich selber stand in tiefer Scham vor ihm, Da er vom Tode mir mein Kind gerettet. Wofür erkennst du ihn, Hermokrates? Es haben ihn die Götter sehr geliebt. Doch nicht ist er der Erste, den sie drauf Hinab in sinnenlose Nacht verstoßen, Vom Gipfel ihres gütigen Vertrauns, Weil er des Unterschieds zu sehr vergaß Im übergroßen Glück, und sich allein Nur fühlte; so erging es ihm, er ist Mit grenzenloser Oede nun gestraft – Doch ist die letzte Stunde noch für ihn Nicht da; denn noch erträgt der Langverwöhnte Die Schmach in seiner Seele nicht, sorg ich Und sein entschlafner Geist entzündet Nun neu an seiner Rache sich Und, halberwacht, ein fürchterlicher Träumer spricht Er gleich den alten Übermütigen, Die mit dem Schilfrohr Asien durchwandern, Durch sein Wort sein die Götter einst geworden. Dann steht die weite lebensreiche Welt Wie sein verlornes Eigentum vor ihm, Und ungeheure Wünsche regen sich In seiner Brust und wo sie hin sich wirft, Die Flamme, macht sie eine freie Bahn. Gesetz und Kunst und Sitt und heilge Sage Und was vor ihm in guter Zeit gereift Das stört er auf und Lust und Frieden kann Er nimmer dulden bei den Lebenden. Er wird der Friedliche nun nimmer sein. Wie alles sich verlor, so nimmt Er Alles wieder, und den Wilden hält Kein Sterblicher in seinem Toben auf. O Greis! du siehest namenlose Dinge. Dein Wort ist wahr und wenn es sich erfüllt, Dann wehe dir, Sicilien, so schön Du bist mit deinen Hainen, deinen Tempeln. Der Spruch der Götter trifft ihn, eh sein Werk Beginnt. Versammle nur das Volk, damit ich Das Angesicht des Mannes ihnen zeige, Von dem sie sagen, daß er aufgeflohn Zum Aether sei. Sie sollen Zeugen sein Des Fluches, den ich ihm verkündige, Und ihn verstoßen in die öde Wildnis, Damit er nimmerwiederkehrend dort Die böse Stunde büße, da er sich Zum Gott gemacht. Doch wenn des schwachen Volks Der Kühne sich bemeistert, fürchtest du Für mich und dich und deine Götter nicht? Das Wort des Priesters bricht den kühnen Sinn. Und werden sie den Langgeliebten dann, Wenn schmählich er vom heilgen Fluche leidet, Aus seinen Gärten, wo er gerne lebt, Und aus der heimatlichen Stadt vertreiben? Wer darf den Sterblichen im Lande dulden, Den so der wohlverdiente Fluch gezeichnet? Doch wenn du wie ein Lästerer erscheinst Vor denen, die als einen Gott ihn achten? Der Taumel wird sich ändern, wenn sie erst Mit Augen wieder sehen den sie jetzt schon Entschwunden in die Götterhöhe wähnen! Sie haben schon zum Bessern sich gewandt. Denn trauernd irrten gestern sie hinaus Und gingen hier umher und sprachen viel Von ihm, da ich desselben Weges kam. Drauf sagt ich ihnen, daß ich heute sie Zu ihm geleiten wollt; indessen soll In seinem Hause jeder ruhig weilen. Und darum bat ich dich, mit mir heraus Zu kommen, daß wir sähen, ob sie mir Gehorcht. Du findest keinen hier. Nun komm. Hermokrates! Was ists? Dort seh ich ihn Wahrhaftig. Laß uns gehen, Kritias! Daß er in seine Rede nicht uns zieht. 3. Auftritt Dritter Auftritt In meine Stille kamst du leise wandelnd, Fandst drunten in der Grotte Dunkel mich aus, Du Freundlicher! du kamst nicht unverhofft Und fernher, oben über der Erde, vernahm Ich wohl dein Wiederkehren, schöner Tag Und meine Vertrauten euch, ihr schnellgeschäftgen Kräfte der Höh! und nahe seid ihr Mir wieder, seid, wie sonst, ihr Glücklichen, Ihr irrelosen Bäume meines Hains! Ihr wuchst indessen fort und täglich tränkte Des Himmels Quelle die Bescheidenen Mit Licht und Lebensfunken säte Befruchtend auf die Blühenden der Aether. – O innige Natur! ich habe dich Vor Augen, kennest du den Freund noch Den Hochgeliebten, kennest du mich nimmer? Den Priester, der lebendigen Gesang, Wie frohvergoßnes Opferblut, dir brachte? O bei den heilgen Brunnen, wo sich still Die Wasser sammeln, und die Dürstenden Am heißen Tage sich verjüngen! in mir, In mir, ihr Quellen des Lebens, strömtet ihr einst Aus Tiefen der Welt zusammen und es kamen Die Dürstenden zu mir – vertrocknet bin Ich nun, und nimmer freun die Sterblichen Sich meiner – bin ich ganz allein? und ist Es Nacht hier oben auch am Tage? weh! Der höhers, denn ein sterblich Auge, sah, Der Blindgeschlagne tastet nun umher – Wo seid ihr, meine Götter? weh ihr laßt Wie einen Bettler mich und diese Brust Die liebend euch geahndet, stießt ihr mir Hinab und schloßt in schmählichenge Bande Die Freigeborne, die aus sich allein Und keines andern ist? Und dulden sollt ichs Wie die Schwächlinge, die im scheuen Tartarus Geschmiedet sind ans alte Tagewerk? Ich habe mich erkannt; ich will es! Luft will ich Mir schaffen, ha! und tagen solls! hinweg! Bei meinem Stolz! ich werde nicht den Staub Von diesem Pfade küssen, wo ich einst In einem schönen Traume ging – es ist vorbei! Ich war geliebt, geliebt von euch, ihr Götter, Ich erfuhr euch, ich kannt euch, ich wirkte mit euch, wie ihr Die Seele mir bewegt, so kannt ich euch, So lebtet ihr in mir – o nein! es war Kein Traum, an diesem Herzen fühlt ich dich Du stiller Aether! wenn der Sterblichen Irrsal Mir an die Seele ging und heilend du Die liebeswunde Brust umatmetest Du Allversöhner! und dieses Auge sah Dein göttlich Wirken, allentfaltend Licht! Und euch, ihr andern Ewigmächtigen – O Schattenbild! Es ist vorbei Und du, verbirg dirs nicht! du hast Es selbst verschuldet, armer Tantalus, Das Heiligtum hast du geschändet, hast Mit frechem Stolz den schönen Bund entzweit, Elender! als die Genien der Welt Voll Liebe sich in dir vergaßen, dachtst du An dich und wähntest karger Tor, an dich Die Gütigen verkauft, daß sie dir, Die Himmlischen, wie blöde Knechte dienten! Ist nirgends ein Rächer Und muß ich denn allein den Hohn und Fluch In meine Seele rufen? Und es reißt Die delphische Krone mir kein Beßrer Denn ich vom Haupt, und nimmt die Locken hinweg, Wie es dem kahlen Seher gebührt – 4. Auftritt Vierter Auftritt Empedokles. Pausanias. O all Ihr himmlischen Mächte, was ist das? Hinweg! Wer hat dich hergesandt? willst du das Werk Verrichten an mir? Ich will dir alles sagen, Wenn dus nicht weißt; dann richte was du tust Danach – Pausanias! o suche nicht Den Mann, an dem dein Herz gehangen, denn Er ist nicht mehr, und gehe, guter Jüngling! Dein Angesicht entzündet mir den Sinn, Und sei es Segen oder Fluch, von dir Ist beedes mir zu viel. Doch wie du willst! Was ist geschehn? Ich habe lange dein Geharrt und dankte, da ich von ferne Dich sah, dem Tageslicht, da find ich so Du hoher Mann! ach! wie die Eiche, die Zeus erschlug, Vom Haupte bis zur Sohle dich zerschmettert. Warst du allein? Die Worte hört ich nicht, Doch schallt mir noch der fremde Todeston. Es war des Mannes Stimme, der sich mehr, Denn Sterbliche, gerühmt, weil ihn zu viel Beglückt die gütige Natur. Wie du Vertraut zu sein mit allen Göttlichen Der Welt, ist nie zu viel. So sagt ich auch, Du Guter, da der heilge Zauber noch Aus meinem Geiste nicht gewichen war, Und da sie mich den Innigliebenden Noch liebten, sie die Genien der Welt. O himmlisch Licht! – es hatten michs Die Menschen nicht gelehrt – schon lange, da Mein sehnend Herz die Allebendige Nicht finden konnte, da wandt ich mich zu dir, Hing, wie die Pflanze dir mich anvertrauend, In frommer Lust dir lange blindlings nach, Denn schwer erkennt der Sterbliche die Reinen, Doch als der Geist mir blühte, wie du selber blühst, Da kannt ich dich, da rief ich es: du lebst, Und wie du heiter wandelst um die Sterblichen, Und himmlischjugendlich den holden Schein Von dir auf jedes eigen überstrahlst, Daß alle deines Geistes Farbe tragen, So ward auch mir das Leben zum Gedicht. Denn deine Seele war in mir, und offen gab Mein Herz wie du der ernsten Erde sich, Der Leidenden, und oft in heilger Nacht Gelobt ichs ihr, bis in den Tod Die Schicksalvolle furchtlos treu zu lieben Und ihrer Rätsel keines zu verschmähn. Da rauscht' es anders denn zuvor im Hain, Und zärtlich tönten ihrer Berge Quellen. All deine Freuden, Erde! nicht wie du Sie lächelnd reichst den Schwächern, herrlich, wie sie sind, Und warm und wahr aus Müh und Liebe reifen, – Sie alle gabst du mir und wenn ich oft Auf ferner Bergeshöhe saß und staunend Des Lebens heilig Irrsal übersann, Zu tief von deinen Wandlungen bewegt, Und eignes Schicksal ahndend, Dann atmete der Aether, so wie dir, Mir heilend um die liebeswunde Brust, Und zauberisch in seine Tiefe lösten Sich meine Rätsel auf – Du Glücklicher! Ich wars! o könnt ichs sagen, wie es war, Es nennen – das Wandeln und Wirken deiner Geniuskräfte, Der Herrlichen, deren Genoß ich war, o Natur! Könnt ichs noch Einmal vor die Seele rufen, Daß mir die stumme todesöde Brust Von deinen Tönen allen widerklänge! Bin ich es noch? o Leben! und rauschten sie mir, All deine geflügelten Melodien und hört Ich deinen alten Einklang, große Natur? Ach! ich der allverlassene, lebt ich nicht Mit dieser heilgen Erd und diesem Licht Und dir, von dem die Seele nimmer läßt, O Vater Aether! und allen Lebenden In einigem gegenwärtigem Olymp? – Nun wein ich, wie ein Ausgestoßener, Und nirgend mag ich bleiben, ach und du Bist auch von mir genommen, – sage nichts! Die Liebe stirbt, sobald die Götter fliehn, Das weißt du wohl, verlaß mich nun, ich bin Es nimmer und ich hab an dir nichts mehr. Du bist es noch, so wahr du es gewesen. Und laß michs sagen, unbegreiflich ist Es mir, wie du dich selber so vernichtest. Ich glaub es wohl, es schlummert deine Seele Dir auch, zu Zeiten, wenn sie sich genug Der Welt geöffnet, wie die Erde, die Du liebst, sich oft in tiefe Ruhe schließt. Doch nennest du sie tot, die Ruhende? Wie du mit lieber Mühe Trost ersinnst! Du spottest wohl des Unerfahrenen Und denkest, weil ich deines Glücks, wie du, Nicht inne ward, so sag ich, da du leidest, Nur ungereimte Dinge dir? sah ich nicht dich In deinen Taten, da der wilde Staat von dir Gestalt und Sinn gewann, in seiner Macht Erfuhr ich deinen Geist, und seine Welt, wenn oft Ein Wort von dir im heilgen Augenblick Das Leben vieler Jahre mir erschuf, Daß eine neue schöne Zeit von da Dem Jünglinge begann; wie zahmen Hirschen, Wenn ferne rauscht der Wald und sie der Heimat denken, So schlug mir oft das Herz, wenn du vom Glück Der alten Urwelt sprachst, und zeichnetest Du nicht der Zukunft große Linien Vor mir, so wie des Künstlers sichrer Blick Ein fehlend Glied zum ganzen Bilde reiht; Liegt nicht vor dir der Menschen Schicksal offen? Und kennst du nicht die Kräfte der Natur, Daß du vertraulich, wie kein Sterblicher, Sie, wie du willst, in stiller Herrschaft lenkst? Genug! du weißt es nicht, wie jedes Wort, So du gesprochen, mir ein Stachel ist. So mußt du denn im Unmut alles hassen? O ehre, was du nicht verstehst! Warum Verbirgst du mirs, und machst dein Leiden mir Zum Rätsel? glaube! schmerzlicher ist nichts. Und nichts ist schmerzlicher, Pausanias! Denn Leiden zu enträtseln. Siehest du denn nicht? Ach! lieber wäre mirs, du wüßtest nicht Von mir und aller meiner Trauer. Nein! Ich sollt es nicht aussprechen, heilge Natur! Jungfräuliche, die dem rohen Sinn entflieht! Verachtet hab ich dich und mich allein Zum Herrn gesetzt, ein übermütiger Barbar? an eurer Einfalt hielt ich euch, Ihr reinen immerjugendlichen Mächte! Die mich mit Freud erzogen, mich mit Wonne genährt, Und weil ihr immergleich mir wiederkehrtet, Ihr Guten, ehrt ich eure Seele nicht! Ich kannt es ja, ich hatt es ausgelernt, Das Leben der Natur, wie sollt es mir Noch heilig sein, wie einst! Die Götter waren Mir dienstbar nun geworden, ich allein War Gott, und sprachs im frechen Stolz heraus. O glaub es mir, ich wäre lieber nicht Geboren! Was? um eines Wortes willen? Wie kannst so du verzagen, kühner Mann! Um eines Wortes willen? ja. Und mögen Die Götter mich zernichten, wie sie mich Geliebt. So sprechen andre nicht, wie du. Die andern! wie vermöchten sie's? Ja wohl, Du wunderbarer Mann! So innig liebt' Und sah kein anderer die ewge Welt Und ihre Genien und Kräfte nie, Wie du, und darum sprachst das kühne Wort Auch du allein, und darum fühlst du auch So sehr, wie du mit Einer stolzen Silbe Vom Herzen aller Götter dich gerissen, Und opferst liebend ihnen dich dahin, O Empedokles! – Siehe! was ist das? Hermokrates, der Priester, und mit ihm Ein Haufe Volks! und Kritias, der Archon. Was suchen sie bei mir? Sie haben lang Geforschet, wo du wärst. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Empedokles. Pausanias. Hermokrates. Kritias. Agrigentiner. Hier ist der Mann, von dem ihr sagt, er sei Lebendig zum Olymp empor gegangen. Und traurig sieht er, gleich den Sterblichen. Ihr armen Spötter! ists erfreulich euch, Wenn einer leidet, der euch groß geschienen? Und achtet ihr, wie leichterworbnen Raub, Den Starken, wenn er schwach geworden ist? Euch reizt die Frucht, die reif zur Erde fällt, Doch glaubt es mir, nicht alles reift für euch. Was hat er da gesagt? Ich bitt euch, geht, Besorgt was euer ist, und menget euch Ins meinige nicht ein – Doch hat ein Wort Der Priester dir dabei zu sagen? Weh! Ihr reinen Götter! ihr lebendigen! Muß dieser Heuchler meine Trauer mir Vergiften? geh! ich schonte ja dich oft, So ist es billig, daß du meiner schonst. Du weißt es ja, ich hab es dir bedeutet, Ich kenne dich und deine schlimme Zunft. Und lange wars ein Rätsel mir, wie euch In ihrem Runde duldet die Natur. Ach! als ich noch ein Knabe war, da mied Euch Allverderber schon mein frommes Herz, Das unbestechbar innigliebend hing An Sonn und Aether und den Boten allen Der großen ferngeahndeten Natur. Denn wohl hab ichs gefühlt, in meiner Furcht, Daß ihr des Herzens freie Götterliebe Bereden möchtet zu gemeinem Dienst, Und daß ichs treiben sollte, so wie ihr. Hinweg! ich kann vor mir den Mann nicht sehn Der Heiliges wie ein Gewerbe treibt. Sein Angesicht ist falsch und kalt und tot, Wie seine Götter sind. Was stehet ihr Betroffen? gehet nun! Nicht eher bis Der heilge Fluch die Stirne dir gezeichnet, Schamloser Lästerer! Sei ruhig, Freund! Ich hab es dir gesagt, es würde wohl Der Unmut ihn ergreifen. – Mich verschmäht Der Mann, das hörtet ihr, ihr Bürger Von Agrigent! und harte Worte mag Ich nicht mit ihm in wildem Zanke wechseln. Es ziemt dem Greise nicht. Ihr möget nur Ihn selber fragen, wer er sei? O laßt! Ihr seht es ja, es frommet keinem nichts, Ein blutend Herz zu reizen. Gönnet mirs, Den Pfad, worauf ich wandle, still zu gehn, Den heilgen stillen Todespfad hinfort. Ihr spannt das Opfertier vom Pfluge los Und nimmer triffts der Stachel seines Treibers. So schonet meiner auch; entwürdiget Mein Leiden mir mit böser Rede nicht, Denn heilig ists; und laßt die Brust mir frei Von eurer Not; ihr Schmerz gehört den Göttern. Was ist es denn, Hermokrates, warum Der Mann die wunderlichen Worte spricht? Er heißt uns gehn, als scheut' er sich vor uns. Was dünket euch? der Sinn ist ihm verfinstert, Weil er zum Gott sich selbst vor euch gemacht. Doch weil ihr nimmer meiner Rede glaubt, So fragt nur ihn darum. Er soll es sagen. Wir glauben dir es wohl. Ihr glaubt es wohl? Ihr Unverschämten? – Euer Jupiter Gefällt euch heute nicht; er siehet trüb; Der Abgott ist euch unbequem geworden Und darum glaubt ihrs wohl? Da stehet er Und trauert und verschweigt den Geist, wonach In heldenarmer Zeit die Jünglinge Sich sehnen werden, wenn er nimmer ist, Und ihr, ihr kriecht und zischet um ihn her, Ihr dürft es? und ihr seid so sinnengrob, Daß euch das Auge dieses Manns nicht warnt? Und weil er sanft ist, wagen sich an ihn Die Feigen – heilige Natur! wie duldest Du auch in deinem Runde dies Gewürm? – Nun sehet ihr mich an, und wisset nicht, Was zu beginnen ist mit mir; ihr müßt Den Priester fragen, ihn, der alles weiß. O hört, wie euch und mich ins Angesicht Der freche Knabe schilt? Wie sollt er nicht? Er darf es, da sein Meister alles darf. Wer sich das Volk gewonnen, redet, was Er will; das weiß ich wohl und strebe nicht Aus eignem Sinn entgegen, weil es noch Die Götter dulden. Vieles dulden sie Und schweigen, bis ans Äußerste gerät Der wilde Mut. Dann aber muß der Frevler Rücklings hinab ins bodenlose Dunkel. Ihr Bürger! ich mag nichts mit diesen Zween Ins künftige zu schaffen haben. Sagt, Wie kam es denn, daß dieser uns betört? Sie müssen fort, der Jünger und der Meister. So ist es Zeit! – Euch fleh ich an, ihr Furchtbarn! Ihr Rachegötter! – Wolken lenket Zevs Und Wasserwogen zähmt Posidaon, Doch euch, ihr Leisewandelnden, euch ist Zur Herrschaft das Verborgene gegeben Und wo ein Eigenmächtiger der Wieg Entsprossen ist, da seid ihr auch, und geht Indes er üppig auf zum Frevel wächst, Stillsinnend fort mit ihm, hinunterhorchend In seine Brust, wo euch den Götterfeind Die unbesorgt geschwätzige verrät – Auch den, ihr kanntet ihn, den heimlichen Verführer, der die Sinne nahm dem Volk Und mit dem Vaterlandsgesetze spielt', Und sie, die alten Götter Agrigents Und ihre Priester niemals achtete, Und nicht verborgen war vor euch, ihr Furchtbarn! Solang er schwieg, der ungeheure Sinn; Er hats vollbracht. Verruchter! wähntest du, Sie müßtens nachfrohlocken, da du jüngst Vor ihnen einen Gott dich selbst genannt? Dann hättest du geherrscht in Agrigent, Ein einziger allmächtiger Tyrann Und dein gewesen wäre, dein allein Das gute Volk und dieses schöne Land. Sie schwiegen nur; erschrocken standen sie; Und du erblaßtest, und es lähmte dich Der böse Gram in deiner dunkeln Halle, Wo du hinab dem Tageslicht entflohst. Und kömmst du nun, und gießest über mich Den Unmut aus, und lästerst unsre Götter? Nun ist es klar! er muß gerichtet werden. Ich hab es euch gesagt; ich traute nie Dem Träumer. O ihr Rasenden! Und sprichst Du noch und ahndest nicht, du hast mit uns Nichts mehr gemein, ein Fremdling bist du worden, Und unerkannt bei allen Lebenden. Die Quelle, die uns tränkt, gebührt dir nicht Und nicht die Feuerflamme, die uns frommt, Und was den Sterblichen das Herz erfreut, Das nehmen die heilgen Rachegötter von dir. Für dich ist nicht das heitre Licht hier oben, Nicht dieser Erde Grün und ihre Frucht, Und ihren Segen gibt die Luft dir nicht, Wenn deine Brust nach Kühlung seufzt und dürstet. Es ist umsonst, du kehrest nicht zurück Zu dem, was unser ist; denn du gehörst Den Rächenden, den heilgen Todesgöttern. Und wehe dem, von nun an, wer ein Wort Von dir in seine Seele freundlich nimmt, Wer dich begrüßt, und seine Hand dir beut, Wer einen Trunk am Mittag dir gewährt Und wer an seinem Tische dich erduldet, Dir, wenn du nachts an seine Türe kömmst, Den Schlummer unter seinem Dache schenkt, Und wenn du stirbst, die Grabesflamme dir Bereitet, wehe dem, wie dir! – hinaus! Es dulden die Vaterlandsgötter länger nicht, Wo ihre Tempel sind, den Allverächter. Hinaus, damit sein Fluch uns nicht beflecke! O komm! du gehest nicht allein. Es ehrt Noch Einer dich, wenns schon verboten ist, Du Lieber! und du weißt, des Freundes Segen Ist kräftiger denn dieses Priesters Fluch. O komm in fernes Land! wir finden dort Das Licht des Himmels auch, und bitten will ich, Daß freundlich dirs in deiner Seele scheine. Im heiter stolzen Griechenlande drüben Da grünen Hügel auch, und Schatten gönnt Der Ahorn dir, und milde Lüfte kühlen Den Wanderern die Brust; und wenn du müd Vom heißen Tag an fernem Pfade sitzest, Mit diesen Händen schöpf ich dann den Trunk Aus frischer Quelle dir und sammle Speisen, Und Zweige wölb ich über deinem Haupt, Und Moos und Blätter breit ich dir zum Lager, Und wenn du schlummerst, so bewach ich dich; Und muß es sein, bereit ich dir auch wohl Die Grabesflamme, die sie dir verwehren; Die Schändlichen! Oh! treues Herz! – Für mich Ihr Bürger! bitt ich nichts; es sei geschehn! Ich bitt euch nur um dieses Jünglings willen. O wendet nicht das Angesicht von mir! Bin ich es nicht, um den ihr liebend sonst Euch sammeltet? ihr selber reichtet da Mir auch die Hände nicht, unziemlich dünkt' Es euch, zum Freund euch wild heranzudrängen. Doch schicktet ihr die Knaben, daß sie mir Die Hände reichten, diese Friedlichen, Und auf den Schultern brachtet ihr die Kleinern Und hubt mit euern Armen sie empor – Bin ich es nicht? und kennt ihr nicht den Mann, Dem ihr gesagt, ihr könntet, wenn ers wollte, Von Land zu Land mit ihm, als Bettler gehn, Und, wenn es möglich wäre, folgtet ihr Ihm auch hinunter in den Tartarus? Ihr Kinder! alles wolltet ihr mir schenken Und zwangt mich töricht oft, von euch zu nehmen, Was euch das Leben heitert' und erhielt, Dann gab ich euchs vom Meinigen zurück Und mehr, denn Eures, achtetet ihr dies. Nun geh ich fort von euch; versagt mir nicht Die Eine Bitte: schonet dieses Jünglings! Er tat euch nichts zu Leid; er liebt mich nur, Wie ihr mich auch geliebt, und saget selbst, Ob er nicht edel ist und schön! und wohl Bedürft ihr künftig seiner, glaubt es mir! Oft sagt ich euchs: es würde nacht und kalt Auf Erden und in Not verzehrte sich Die Seele, sendeten zu Zeiten nicht Die guten Götter solche Jünglinge, Der Menschen welkend Leben zu erfrischen. Und heilig halten, sagt ich, solltet ihr Die heitern Genien – o schonet sein Und rufet nicht das Weh! versprecht es mir! Hinweg! wir hören nichts von allem, was Du sagst. Dem Knaben muß geschehn, wie ers Gewollt. Er mag den frechen Mutwill büßen. Er geht mit dir, und dein Fluch ist der seine. Du schweigest, Kritias! verbirg es nicht, Dich trifft es auch; du kanntest ihn, nicht wahr, Die Sünde löschten Ströme nicht von Blut Der Tier'? Ich bitte, sag es ihnen, Lieber! Sie sind, wie trunken, sprich ein ruhig Wort, Damit der Sinn den Armen wiederkehre! Noch schilt er uns? Gedenke deines Fluchs Und rede nicht und geh! wir möchten sonst An dich die Hände legen. Wohl gesagt, Ihr Bürger! So! – und möchtet ihr an mich Die Hände legen? was? gelüstet es Bei meinem Leben schon die hungernden Harpyen? und könnt ihrs nicht erwarten, bis Der Geist entflohn ist, mir die Leiche zu schänden? Heran! Zerfleischt und teilet die Beut und es segne Der Priester euch den Genuß, und seine Vertrauten, Die Rachegötter lad er zum Mahl! – Dir bangt Heilloser! kennst du mich? und soll ich dir Den bösen Scherz verderben, den du treibst? Bei deinem grauen Haare, Mann! du solltest Zu Erde werden, denn du bist sogar Zum Knecht der Furien zu schlecht. O sieh! So schändlich stehst du da, und durftest doch An mir zum Meister werden? freilich ists Ein ärmlich Werk, ein blutend Wild zu jagen! Ich trauerte, das wußte der, da wuchs Der Mut dem Feigen; da erhascht er mich Und hetzt des Pöbels Zähne mir aufs Herz. O wer, wer heilt den Geschändeten nun, wer nimmt Ihn auf, der heimatlos der Fremden Häuser Mit den Narben seiner Schmach umirrt, die Götter Des Hains fleht, ihn zu bergen – komme, Sohn! Sie haben wehe mir getan, doch hätt Ichs wohl vergessen, aber dich? – ha geht Nun immerhin zu Grund, ihr Namenlosen! Sterbt langsamen Tods, und euch geleite Des Priesters Rabengesang! und weil sich Wölfe Versammeln da, wo Leichname sind, so finde sich Dann einer auch für euch; der sättige Von eurem Blute sich, der reinige Sicilien von euch; es stehe dürr Das Land, wo sonst die Purpurtraube gern Dem bessern Volke wuchs und goldne Frucht Im dunkeln Hain, und edles Korn, und fragen Wird einst der Fremde, wenn er auf den Schutt Von euern Tempeln tritt, ob da die Stadt Gestanden? gehet nun! Ihr findet mich In einer Stunde nimmer. – Indem sie abgehn. Kritias! Dir möcht ich wohl ein Wort noch sagen. nachdem Kritias zurück ist. Laß Indessen mich zum alten Vater gehn Und Abschied nehmen. O warum? was tat Der Jüngling euch, ihr Götter! gehe denn, Du Armer! Draußen wart ich, auf dem Wege Nach Syrakus; dann wandern wir zusammen. Pausanias geht auf der andern Seite ab. 6. Auftritt Sechster Auftritt Empedokles. Kritias. Was ists? Auch du verfolgest mich? Was soll Mir das? Ich weiß es wohl! Du möchtest gern Mich hassen, dennoch hassest du mich nicht: Du fürchtest nur; du hattest nichts zu fürchten. Es ist vorbei. Was willst du noch? Du hättst Es selber nie gedacht, der Priester zog In seinen Willen dich, du klage dich Nicht an; o hättst du nur ein treues Wort Für ihn gesprochen, doch du scheuetest Das Volk. Sonst hattest du mir nichts Zu sagen? überflüssiges Geschwätz Hast du von je geliebt. O rede sanft, Ich habe deine Tochter dir gerettet. Das hast du wohl. Du sträubst und schämest dich, Mit dem zu reden, dem das Vaterland geflucht; Ich will es gerne glauben. Denke dir, Es rede nun mein Schatte, der geehrt Vom heitern Friedenslande wieder kehre – Ich wäre nicht gekommen, da du riefst, Wenn nicht das Volk zu wissen wünschte, was Du noch zu sagen hättest. Was ich dir Zu sagen habe, geht das Volk nichts an. Was ist es dann? Du mußt hinweg aus diesem Land; ich sag Es dir um deiner Tochter willen. Denk an dich Und sorge nicht für anders! Kennest du Sie nicht? Und ist dirs unbewußt, wie viel Es besser ist, daß eine Stadt voll Toren Versinkt, denn Ein Vortreffliches? Was kann Ihr fehlen? Kennest du sie nicht? Und tastest, wie ein Blinder an, was dir Die Götter gaben? und es leuchtet dir In deinem Haus umsonst das holde Licht? Ich sag es dir: bei diesem Volke findet Das fromme Leben seine Ruhe nicht Und einsam bleibt es dir, so schön es ist Und stirbt dir freudenlos, denn nie begibt Die zärtlichernste Göttertochter sich Barbaren an das Herz zu nehmen, glaub Es mir! Es reden wahr die Scheidenden. Und wundere des Rats dich nicht! Was soll Ich nun dir sagen? Gehe hin mit ihr In heilges Land, nach Elis oder Delos Wo jene wohnen, die sie liebend sucht, Wo stillvereint, die Bilder der Heroen Im Lorbeerwalde stehn. Dort wird sie ruhn, Dort bei den schweigenden Idolen wird Der schöne Sinn, der zartgenügsame Sich stillen, bei den edeln Schatten wird Das Leid entschlummern, das geheim sie hegt In frommer Brust. Wenn dann am heitern Festtag Sich Hellas schöne Jugend dort versammelt, Und um sie her die Fremdlinge sich grüßen Und hoffnungsfrohes Leben überall Wie goldenes Gewölk das stille Herz Umglänzt, dann weckt dies Morgenrot Zur Lust wohl auch die fromme Träumerin, Und von den Besten einen, die Gesang Und Kranz in edlem Kampf gewannen, wählt Sie sich, daß er den Schatten sie entführe, Zu denen sie zu frühe sich gesellt. Gefällt dir das, so folge mir – Hast du der goldnen Worte noch so viel In deinem Elend übrig? Spotte nicht! Die Scheidenden verjüngen alle sich Noch Einmal gern. Der Sterbeblick ists nur Des Lichts, das freudig einst in seiner Kraft Geleuchtet unter euch. Es lösche freundlich, Und hab ich euch geflucht, so mag dein Kind Den Segen haben, wenn ich segnen kann. O laß, und mache mich zum Knaben nicht. Versprich es mir und tue, was ich riet, Und geh aus diesem Land. Verweigerst dus, So mag die Einsame den Adler bitten, Daß er hinweg von diesen Knechten sie Zum Aether rette! Bessers weiß ich nicht. O sage, haben wir nicht recht an dir Getan? Wie fragst du nun? Ich hab es dir Vergeben. Aber folgst du mir? Ich kann So schnell nicht wählen. Wähle gut, Sie soll nicht bleiben, wo sie untergeht. Und sag es ihr, sie soll des Mannes denken, Den einst die Götter liebten. Willst du das? Wie bittest du? Ich will es tun. Und geh Du deines Weges nun, du Armer! Geht ab. 7. Auftritt Siebenter Auftritt Ja! Ich gehe meines Weges, Kritias, Und weiß, wohin? Und schämen muß ich mich Daß ich gezögert bis zum Äußersten. Was mußt ich auch so lange warten, Bis Glück und Geist und Jugend wich, und nichts Wie Torheit überblieb und Elend. Wie oft, wie oft hat dichs gemahnt! Da wär Es schön gewesen. Aber nun ists not! O stille! gute Götter! immer eilt Den Sterblichen das ungeduldge Wort Voraus und läßt die Stunde des Gelingens Nicht unbetastet reifen. Manches ist Vorbei; und leichter wird es schon. Es hängt An allem fest der alte Tor! und da Er einst gedankenlos, ein stiller Knab Auf seiner grünen Erde spielte, war Er freier, denn er ist; o scheiden! – selbst Die Hütte, die mich hegte, lassen sie Mir nicht – auch dies noch? Götter! 8. Auftritt Achter Auftritt Empedokles. Drei Sklaven des Empedokles. Gehst du, Herr? Ich gehe freilich, guter Und hole mir das Reisgerät, soviel Ich selber tragen kann, und bring es noch Mir auf die Straße dort hinaus – es ist Dein letzter Dienst! O Götter! Immer seid Ihr gern um mich gewesen, denn ihr wart's Gewohnt, von lieber Jugend her, wo wir Zusammen auf in diesem Hause wuchsen, Das meinem Vater war und mir, und fremd Ist meiner Brust das herrischkalte Wort. Ihr habt der Knechtschaft Schicksal nie gefühlt. Ich glaub es euch, ihr folgtet gerne mir Wohin ich muß. Doch kann ich es nicht dulden, Daß euch der Fluch des Priesters ängstige. Ihr wißt ihn wohl? Die Welt ist aufgetan Für euch und mich, ihr Kinder, und es sucht Nun jeder sich sein eigen Glück – O nein! Wir lassen nicht von dir. Wir könnens nicht. Was weiß der Priester, wie du lieb uns bist. Verbiet ers andern! uns verbeut ers nicht. Gehören wir zu dir, so laß uns auch Bei dir! Ists doch von gestern nicht, daß wir Mit dir zusammen sind, du sagst es selber. O Götter! bin ich kinderlos und leb Allein mit diesen drein, und dennoch häng Ich hingebannt an dieser Ruhestätte, Gleich Schlafenden, und ringe, wie im Traum, Hinweg? Es kann nicht anders sein, ihr Guten! O sagt mir nun nichts mehr, ich bitt euch das, Und laßt uns tun, als wären wir es nimmer. Ich will es ihm nicht gönnen, daß der Mann Mir alles noch verfluche, was mich liebt – Ihr gehet nicht mit mir; ich sag es euch. Hinein und nimmt das Beste, was ihr findet, Und zaudert nicht und flieht; es möchten sonst Die neuen Herrn des Hauses euch erhaschen, Und eines Feigen Knechte würdet ihr. Mit harter Rede schickest du uns weg? Ich tu es dir und mir, ihr Freigelaßnen! Ergreift mit Mannes Kraft das Leben, laßt Die Götter euch mit Ehre trösten; ihr Beginnt nun erst. Es gehen Menschen auf Und nieder. Weilet nun nicht länger! Tut, Was ich gesagt. Herr meines Herzens! leb Und geh nicht unter! Sage, werden wir Dich nimmer sehn? O fraget nicht, es ist Umsonst. Mit Macht gebietend. im Abgehn. Ach! wie ein Bettler soll er nun das Land Durchirren und des Lebens nirgend sicher sein? siehet ihnen schweigend nach. Lebt wohl! ich hab Euch schnöd hinweggeschickt, lebt wohl ihr Treuen. Und du, mein väterliches Haus, wo ich erwuchs Und blüht'! – ihr lieben Bäume! vom Freudengesang Des Götterfreunds geheiligt, ruhige Vertraute meiner Ruh! o sterbt und gebt Den Lüften zurück das Leben, denn es scherzt Das rohe Volk in eurem Schatten nun Und wo ich selig ging, da spotten sie meiner. Weh! ausgestoßen, ihr Götter? und ahmte Was ihr mir tut, ihr Himmlischen, der Priester Der Unberufene, seellos nach? ihr ließt Mich einsam, mich, der euch geschmäht, ihr Lieben! Und dieser wirft zur Heimat mich hinaus Und der Fluch hallt, den ich selber mir gesprochen, Mir ärmlich aus des Pöbels Munde wider? Ach der einst innig mit euch, ihr Seligen, Gelebt, und sein die Welt genannt aus Freude, Hat nun nicht, wo er seinen Schlummer find' Und in sich selber kann er auch nicht ruhn. Wohin nun, ihr Pfade der Sterblichen? viel Sind euer, wo ist der meine, der kürzeste? wo? Der schnellste? denn zu zögern ist Schmach. Ha! meine Götter! im Stadium lenkt ich den Wagen Einst unbekümmert auf rauchendem Rad, so will Ich bald zu euch zurück, ist gleich die Eile gefährlich. Geht ab. 9. Auftritt Neunter Auftritt Panthea. Delia. Stille, liebes Kind! Und halt den Jammer! daß uns niemand höre. Ich will hinein ins Haus. Vielleicht er ist Noch drinnen und du siehst noch Einmal ihn. Nur bleibe still indessen – kann ich wohl Hinein? O tu es, liebe Delia. Ich bet indes um Ruhe, daß mir nicht Das Herz vergeht, wenn ich den hohen Mann In dieser bittern Schicksalsstunde sehe. O Panthea! allein, nach einigem Stillschweigen. Ich kann nicht – ach es wär Auch Sünde, da gelassener zu sein! Verflucht? ich faß es nicht, und wirst auch wohl Die Sinne mir zerreißen, schwarzes Rätsel! Wie wird er sein? Pause. Erschrocken zu Delia, die wieder zurückkömmt. Wie ists? Ach! alles tot Und öde? Fort? Ich fürcht es. Offen sind Die Türen; aber niemand ist zu sehn. Ich rief, da hört ich nur den Widerhall Im Hause; länger bleiben mocht ich nicht – Ach! stumm und blaß ist sie und siehet fremd Mich an, die Arme. Kennest du mich nimmer? Ich will es mit dir dulden, liebes Herz! Nun! komme nur! Wohin? Wohin? ach! das, Das weiß ich freilich nicht, ihr guten Götter! Weh! Keine Hoffnung! Und du leuchtest mir Umsonst, o goldnes Licht dort oben? fort Ist er – wie soll die Einsame denn wissen, Warum ihr noch die Augen helle sind. Es ist nicht möglich, nein! zu frech Ist diese Tat, zu ungeheuer, und ihr habt Es doch getan. Und leben muß ich noch Und stille sein bei diesen? weh! und weinen Nur weinen kann ich über alles das! O weine nur! du liebe, besser ists Denn schweigen oder reden. Delia! Da ging er sonst! und dieser Garten war Um seiner willen mir so wert. Ach oft, Wenn mir das Leben nicht genügt', und ich, Die Ungesellige, betrübt mit andern Um unsre Hügel irrte, sah ich her Nach dieser Bäume Gipfeln, dachte, dort Ist Einer doch! – Und meine Seele richtet' An ihm sich auf. Ich lebte gern mit ihm In meinem Sinn, und wußte seine Stunden. Vertraulicher gesellte da zu ihm Sich mein Gedank, und teilte mit dem Lieben Das kindliche Geschäft – ach! grausam haben sie's Zerschlagen, auf die Straße mirs geworfen Mein Heldenbild, ich hätt es nie gedacht. Ach! hundertjährgen Frühling wünscht ich oft Ich Törige für ihn und seine Gärten! O konntet ihr die zarte Freude nicht Ihr lassen, gute Götter! Sagst du das? Wie eine neue Sonne kam er uns Und strahlt' und zog das ungereifte Leben An goldnen Seilen freundlich zu sich auf Und lange hatt auf ihn Sicilien Gewartet. Niemals herrscht' auf dieser Insel Ein Sterblicher wie er, sie fühltens wohl, Er lebe mit den Genien der Welt Im Bunde. Seelenvoller! und du nahmst Sie all ans Herz, weh! mußt du nun dafür Geschändet fort von Land zu Lande ziehn Das Gift im Busen, das sie mitgegeben? Das habt ihr ihm getan! o laßt nicht mich Ihr weisen Richter! ungestraft entkommen. Ich ehr ihn ja und wenn ihr es nicht wißt, So will ich es ins Angesicht euch sagen, Dann stoßt mich auch zu eurer Stadt hinaus. Und hat er ihm geflucht, der Rasende Mein Vater, ha! so fluch er nun auch mir. Ihr Blumen Des Himmels! schöne Sterne, werdet ihr Denn auch verblühn? und wird es Nacht alsdenn In deiner Seele werden, Vater Aether! Wenn deine Jünglinge, die Glänzenden Erloschen sind vor dir? Ich weiß, es muß, Was göttlich ist, hinab. Zur Seherin Bin ich geworden über seinem Fall, Und wo mir noch ein schöner Genius Begegnet, nenn er Mensch sich oder Gott, Ich weiß die Stunde, die ihm nicht gefällt – O Panthea! mich schröckt es, wenn du so Dich deiner Klagen überhebst. Ist er Denn auch, wie du, daß er den stolzen Geist Am Schmerze nährt, und heftger wird im Leiden? Ich mags nicht glauben, denn ich fürchte das. Was müßt er auch beschließen? Ängstigest Du mich? Was hab ich denn gesagt? Ich will Auch nimmer – ja gedultig will ich sein, Ihr Götter! will vergebens nun nicht mehr Erstreben, was ihr ferne mir gerückt, Und was ihr geben mögt, das will ich nehmen. Du Heiliger! und find ich nirgends dich, So kann ich mich auch freuen, daß du da Gewesen. Ruhig will ich sein, es möcht Aus wildem Sinne mir das edle Bild Entfliehn, und daß mir nur der Tageslärm Den brüderlichen Schatten nicht verscheuche, Der, wo ich leise wandle, mich geleitet. Du liebe Träumerin! er lebt ja noch. Er lebt? ja wohl! er lebt! er geht Im weiten Felde Nacht und Tag. Sein Dach Sind Wetterwolken und der Boden ist Sein Lager. Winde krausen ihm das Haar Und Regen träuft mit seinen Tränen ihm Vom Angesicht, und seine Kleider trocknet Am heißen Mittag ihm die Sonne wieder, Wenn er im schattenlosen Sande geht. Gewohnte Pfade sucht er nicht; im Fels Bei denen, die von Beute sich ernähren, Die fremd, wie er, und allverdächtig sind, Da kehrt er ein, die wissen nichts vom Fluch, Die reichen ihm von ihrer rohen Speise, Daß er zur Wanderung die Glieder stärkt. So lebt er! weh! und das ist nicht gewiß! Ja! es ist schröcklich, Panthea. Ists schröcklich? Du arme Trösterin, vielleicht, es währt Nicht lange mehr, so kommen sie, und sagen Einander sichs, wenn es die Rede gibt, Daß er erschlagen auf dem Wege liege. Es dulden's wohl die Götter, haben sie Doch auch geschwiegen, da man ihn mit Schmach Ins Elend fort aus seiner Heimat warf. O du! – wie wirst du enden? müde ringst Du schon am Boden fort, du stolzer Adler! Und zeichnest deinen Pfad mit Blut, und es Erhascht der feigen Jäger einer dich, Zerschlägt am Felsen dir dein sterbend Haupt Und Jovis Liebling nanntet ihr ihn doch? Ach lieber schöner Geist! nur so nicht! Nur solche Worte nicht! Wenn du es wüßtest, Wie mich die Sorg um dich ergreift! Ich will Auf meinen Knien dich bitten, wenn es hilft. Besänftige dich nur. Wir wollen fort. Es kann noch viel sich ändern, Panthea. Vielleicht bereut es bald das Volk. Du weißt Es ja, wie sie ihn liebten. Komm! ich wend An deinen Vater mich und helfen sollst Du mir. Wir können ihn vielleicht gewinnen. O wir, wir sollten das, ihr Götter! 2. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Empedokles. Pausanias. Wie ists mit dir? O das ist gut, Daß du ein Wort doch redest, lieber – Denkst du es auch? hier oben waltet wohl Der Fluch nicht mehr und unser Land ist ferne. Auf diesen Höhen atmet leichter sichs, Und auf zum Tage darf das Auge doch Nun wieder blicken und die Sorge wehrt Den Schlaf uns nicht, es reichen auch vielleicht Gewohnte Kost uns Menschenhände wieder. Du brauchst der Pflege, lieber! und es nimmt Der heilge Berg, der väterliche wohl In seine Ruh die umgetriebnen Gäste. Willst du, so bleiben wir auf eine Zeit In dieser Hütte – darf ich rufen, ob Sie uns vielleicht den Aufenthalt vergönnen? Versuch es nur! sie kommen schon heraus. 2. Auftritt Zweiter Auftritt Die vorigen. Ein Bauer. Was wollt ihr? Dort hinunter geht Die Straße. Gönn uns Aufenthalt bei dir Und scheue nicht das Aussehn, guter Mann. Denn schwer ist unser Weg und öfters scheint Der Leidende verdächtig – mögen dirs Die Götter sagen, welcher Art wir sind. Es stand wohl besser einst mit euch denn itzt; Ich will es gerne glauben. Doch es liegt Die Stadt nicht fern; ihr solltet doch daselbst Auch einen Gastfreund haben. Besser wärs, Zu dem zu kommen, denn zu Fremden. Ach! Es schämte leicht der Gastfreund unser sich, Wenn wir zu ihm in unsrem Unglück kämen. Und gibt uns doch der Fremde nicht umsonst Das Wenige, warum wir ihn gebeten. Wo kommt ihr her? Was nützt es, das zu wissen? Wir geben Gold und du bewirtest uns. Wohl öffnet manche Türe sich dem Golde, Nur nicht die meine. Was ist das? so reich Uns Brot und Wein und fodre was du willst. Das findet ihr an andrem Orte besser. O das ist hart! Doch gibst du mir vielleicht Ein wenig Leinen, daß ichs diesem Mann Um seine Füße winde, blutend sind Vom Felsenpfade sie – o siehe nur Ihn an! der gute Geist Siciliens ists Und mehr denn eure Fürsten! und er steht Vor deiner Türe kummerbleich und bettelt Um deiner Hütte Schatten und um Brot Und du versagst es ihm? und todesmüd Und dürstend lässest du ihn draußen stehn An diesem Tage, wo das harte Wild Zur Höhle sich vorm Sonnenbrande flüchtet? Ich kenn euch. Wehe! das ist der Verfluchte Von Agrigent. Es ahndete mir gleich. Hinweg! Beim Donnerer! nicht hinweg! – er soll Für dich mir bürgen, lieber Heiliger! Indes ich geh und Nahrung suche. Ruh An diesem Baum – und höre du! wenn ihm Ein Leid geschieht, es sei von wem es wolle, So komm ich über Nacht, und brenne dir, Eh du es denkst, dein strohern Haus zusammen! Erwäge das! 3. Auftritt Dritter Auftritt Empedokles. Pausanias. Sei ohne Sorge, Sohn! Wie sprichst du so? ist doch dein Leben mir Der lieben Sorge wert! und dieser denkt, Es wäre nichts am Manne zu verderben, Dem solch ein Wort gesprochen ward wie uns, Und leicht gelüstet sie's, und wär es nur Um seines Mantels wegen, ihn zu töten, Denn ungereimt ists ihnen, daß er noch Gleich Lebenden umhergeht; weißt du das Denn nicht? O ja, ich weiß es. Lächelnd sagst Du das? o Empedokles! Treues Herz! Ich habe wehe dir getan. Ich wollt Es nicht. Ach! ungeduldig bin ich nur. Sei ruhig meinetwegen, lieber! bald Ist dies vorüber. Sagst du das? Du wirst Es sehn. Wie ist dir? soll ich nun ins Feld Nach Speise gehn, wenn du es nicht bedarfst, So bleib ich lieber, oder besser ists, Wir gehn und suchen einen Ort zuvor Für uns im Berge. Siehe! nahe blinkt Ein Wasserquell; der ist auch unser. Nimm Dein Trinkgefäß, die hohle Kürbis, daß der Trank Die Seele mir erfrische. an der Quelle. Klar und kühl Und rege sproßts aus dunkler Erde, Vater! Erst trinke du. Dann schöpf und bring es mir. indem er ihm es reicht. Die Götter segnen dirs. Ich trink es euch! Ihr alten Freundlichen! ihr meine Götter! Und meiner Wiederkehr, Natur. Schon ist Es anders. O ihr Gütigen! und eh Ich komme, seid ihr da? und blühen soll Es, eh es reift! – sei ruhig Sohn! und höre, Wir sprechen vom Geschehenen nicht mehr. Du bist verwandelt und dein Auge glänzt Wie eines Siegenden. Ich faß es nicht. Wir wollen noch, wie Jünglinge, den Tag Zusammensein, und vieles reden. Findet Doch leicht ein heimatlicher Schatte sich, Wo unbesorgt die treuen Langvertrauten Beisammen sind in liebendem Gespräch – Mein Liebling! haben wir, wie gute Knaben An Einer Traub, am schönen Augenblick Das liebe Herz so oft gesättiget Und mußtest du bis hier mich her geleiten, Daß unsrer Feierstunden keine sich, Auch diese nicht, uns ungeteilt verlöre? Wohl kauftest du um schwere Mühe sie, Doch geben mirs auch nicht umsonst die Götter. O sage mir es ganz, daß ich wie du Mich freue. Siehest du denn nicht? Es kehrt Die schöne Zeit von meinem Leben heute Noch einmal wieder und das Größre steht Bevor; hinauf, o Sohn, zum Gipfel Des alten heilgen Aetna wollen wir. Denn gegenwärtger sind die Götter auf den Höhn. Da will ich heute noch mit diesen Augen Die Ströme sehn und Inseln und das Meer. Da segne zögernd über goldenen Gewässern mich das Sonnenlicht beim Scheiden, Das herrlich jugendliche, das ich einst Zuerst geliebt. Dann glänzt um uns und schweigt Das ewige Gestirn, indes herauf Der Erde Glut aus Bergestiefen quillt Und zärtlich rührt der Allbewegende, Der Geist, der Aether uns an, o dann! Du schröckst Mich nur; denn unbegreiflich bist du mir. Du siehest heiter aus und redest herrlich, Doch lieber wär es mir, du trauertest. Ach! brennt dir doch die Schmach im Busen, die Du littst, und achtest selber dich für nichts, So viel du bist. O Götter läßt auch der Zuletzt die Ruh mir nicht und regt den Sinn Mir auf mit roher Rede, willst du das, So geh. Bei Tod und Leben! nicht ist dies Die Stunde mehr, viel Worte noch davon Zu machen, was ich leid und was ich bin. Besorgt ist das; ich will es nimmer wissen. Hinweg! es sind die Schmerzen nicht, die lächelnd, Die fromm genährt, an traurigfroher Brust Wie Kinder liegen – Natterbisse sinds Und nicht der erste bin ich, dem die Götter Solch giftge Rächer auf das Herz gesandt. Ich habs verdient? ich kann dirs wohl verzeihn, Der du zur Unzeit mich gemahnt; es ist Der Priester dir vor Augen und es gellt Im Ohre dir des Pöbels Hohngeschrei, Die brüderliche Nänie, die uns Zur lieben Stadt hinausgeleitete. Ha! mir – bei allen Göttern die mich sehn – Sie hättens nicht getan, wär ich Der Alte noch gewesen. Was? o schändlich Verriet ein Tag von meinen Tagen mich An diese Feigen – still! hinunter solls, Begraben soll es werden tief so tief, Wie noch kein Sterbliches begraben ist. Ach! häßlich stört ich ihm das heitre Herz Das herrliche, und bänger denn zuvor Ist jetzt die Sorge. Laß die Klage nun Und störe mich nicht weiter; mit der Zeit Ist alles gut, mit Sterblichen und Göttern Bin ich ja bald versöhnt, ich bin es schon. Ists möglich? – heilt der furchtbar trübe Sinn Und wähnst du dich nicht mehr allein und arm, Du hoher Mann, und dünkt der Menschen Tun Unschuldig wie des Herdes Flamme dir, So sprachst du sonst, ists wieder wahr geworden? O sieh! dann segn' ich ihn, den klaren Quell, An dem das neue Leben dir begann, Und fröhlich wandern morgen wir hinab Ans Meer, das uns an sichres Ufer bringt. Was achten wir der Reise Not und Mühn! Ist heiter doch der Geist und seiner Götter! O Kind! – Pausanias, hast du dies vergessen? Umsonst wird nichts den Sterblichen gewährt. Und Eines hilft. – O heldenmütger Jüngling! Erblasse nicht! sieh, was mein altes Glück Das unersinnbare, mir wiedergibt, Mit Götterjugend mir, dem Welkenden, Die Wange rötet, kann nicht übel sein. Geh, Sohn ñ —! ich möchte meinen Sinn Und meine Lust nicht gerne ganz verraten. Für dich ists nicht – so mache dirs nicht eigen, Und lasse mirs, ich lasse deines dir. Was ists? Ein Haufe Volks! Dort kommen sie Herauf. Erkennst du sie? Ich traue nicht Den Augen. Was? soll ich zum Rasenden Noch werden – was? in sinnenlosem Weh Und Grimm hinab, wohin ich friedlich wollte? Agrigentiner sinds! Unmöglich! Träum Ich denn? mein edler Gegner ists, der Priester, Und sein Gefolge – pfui! so heillos ist In dem ich Wunden sammelte, der Kampf, Und würdigere Kräfte gab es nicht Zum Streite gegen mich? o schröcklich ists Zu hadern mit Verächtlichen, und noch? In dieser heilgen Stunde noch! wo schon Zum Tone sich der allverzeihenden Natur die Seele vorbereitend stimmt! Da fällt die Rotte mich noch einmal an, Und mischt ihr wütend sinnenlos Geschrei In meinen Schwanensang. Heran! es sei! Ich will es euch verleiden! schont ich doch Von je zu viel des schlechten Volks und nahm An Kindesstatt der falschen Bettler gnug. Habt ihr es mir noch immer nicht vergeben, Daß ich euch wohlgetan? Ich will es nun Auch nicht. O kommt, Elende! muß es sein, So kann ich auch im Zorne zu den Göttern. Wie wird das endigen? 4. Auftritt Vierter Auftritt Die Vorigen. Hermokrates. Kritias. Volk. Befürchte nichts! Und laß der Männer Stimme dich nicht schröcken, Die dich vertrieben. Sie verzeihen dir. Ihr Unverschämten! anders wißt ihr nicht? Was wollt ihr auch? ihr kennt mich ja! ihr habt Mich ja gezeichnet, aber hadert Das lebenslose Volk, damit sichs fühl'? Und haben sie hinausgeschmäht den Mann, Den sie gefürchtet, suchen sie ihn wieder, Den Sinn an seinem Schmerze zu erfrischen? O tut die Augen auf, und seht, wie klein Ihr seid, daß euch das Weh die närrische Verruchte Zunge lähme; könnt ihr nicht Erröten? o ihr Armen! schamlos läßt Den schlechten Mann mitleidig die Natur, Daß ihn der Größre nicht zu Tode schröcke. Wie könnt er sonst vor Größerem bestehn? Was du verbrochen büßtest du; genug Vom Elend ist dein Angesicht gezeichnet, Genes' und kehre nun zurück; dich nimmt Das gute Volk in seine Heimat wieder. Wahrhaftig! großes Glück verkündet mir Der fromme Friedensbote; Tag für Tag Den schauerlichen Tanz mit anzusehn, Wo ihr euch jagt und äfft, wo ruhelos Und irr und bang, wie unbegrabne Schatten Ihr umeinander rennt, ein ärmliches Gemeng in eurer Not, ihr Gottverlaßnen, Und eure lächerlichen Bettlerkünste, Die nah zu haben, ist der Ehre wert. Ha! wüßt ich bessers nicht, ich lebte lieber Sprachlos und fremde mit des Berges Wild In Regen und in Sonnenbrand, und teilte Die Nahrung mit dem Tier, als daß ich noch In euer blindes Elend wiederkehrte. So dankst du uns? O sprich es einmal noch Und siehe, wenn du kannst, zu diesem Licht, Dem Allesschauenden, empor! doch warum bliebst Du auch nicht fern, und kamst mir frech vors Aug, Und nötigest das letzte Wort mir ab, Damit es dich zum Acheron geleite, Weißt du, was du getan? was tat ich dir? Es warnte dich, und lange fesselte Die Furcht die Hände dir, und lange grämt' In seinen Banden sich dein Grimm; ihn hielt Mein Geist gefangen, konntest du nicht ruhn, Und peinigte dich so mein Leben; freilich mehr Wie Durst und Hunger quält das Edlere Den Feigen; konntest du nicht ruhn? und mußtest Dich an mich wagen, Ungestalt, und wähntest, Ich würde dir, wenn du mit deiner Schmach Das Angesicht mir übertünchtest, gleich? Das war ein alberner Gedanke, Mann! Und könntest du dein eigen Gift im Tranke Mir reichen, dennoch paarte sich mit dir Mein lieber Geist nicht und er schüttete Mit diesem Blut das du entweiht dich aus. Es ist umsonst; wir gehn verschiednen Weg. Stirb du gemeinen Tod, wie sichs gebührt, Am seelenlosen Knechtsgefühl, mir ist Ein ander Los beschieden, andern Pfad Weissagtet einst, da ich geboren ward, Ihr Götter mir, die gegenwärtig waren – Was wundert sich der allerfahrne Mann? Dein Werk ist aus und deine Ränke reichen An meine Freude nicht. Begreifest du das doch! Den Rasenden begreif ich freilich nicht. Genug ists nun, Hermokrates! du reizest Zum Zorne nur den Schwerbeleidigten. Was nimmt ihr auch den kalten Priester mit, Ihr Toren, wenn um Gutes euch zu tun ist? Und wählt zum Versöhner Den Gottverlaßnen, der nicht lieben kann, Zu Zwist und Tod ist der und seinesgleichen Ins Leben ausgesäet, zum Frieden nicht! Jetzt seht ihrs ein, o hättet ihrs vor Jahren! Es wäre manches nicht in Agrigent Geschehen. Viel hast du getan, Hermokrates, So lang du lebst, hast manche liebe Lust Den Sterblichen hinweg geängstiget, Hast manches Heldenkind in seiner Wieg Erstickt, und gleich der Blumenwiese fiel Und starb die jugendkräftige Natur Vor deiner Sense. Manches sah ich selbst Und manches hört ich. Soll ein Volk vergehn, So schicken nur die Furien einen Mann, Der täuschend überall der Missetat Die lebensreichen Menschen überführe. Zuletzt, der Kunst erfahren, machte sich An einen Mann der heiligschlaue Würger Und herzempörend glückt es ihm, damit Das Göttergleichste durch Gemeinstes falle. Mein Empedokles! – gehe du des Wegs Den du erwählt. Ich kanns nicht hindern, sengt Es gleich das Blut in meinen Adern weg. Doch diesen, der das Leben dir geschändet, Den Allverderber such ich auf, wenn ich Verlassen bin von dir, ich such ihn, flöh Er zum Altar, es hilft ihm nichts, mit mir Muß er, mit mir, ich weiß sein eigen Element. Zum toten Sumpfe schlepp ich ihn – und wenn Er flehend wimmert, so erbarmt ich mich Des grauen Haars, wie er der andern sich Erbarmt; hinab! Zu Hermokrates. hörst du? Ich halte Wort. Es braucht des Wartens nicht, Pausanias! Ihr Bürger! Regst du noch die Zunge? du, Du hast uns schlecht gemacht; hast allen Sinn Uns weggeschwatzt; hast uns des Halbgotts Liebe Gestohlen, du! er ists nicht mehr. Er kennt Uns nicht; ach! ehmals sah mit sanften Augen Auf uns der königliche Mann; nun kehrt Sein Blick das Herz mir um. Weh! waren wir Doch gleich den Alten zu Saturnus Zeit, Da freundlich unter uns der Hohe lebt', Und jeder hatt in seinem Hause Freude Und alles war genug. Was ludst du denn Den Fluch auf uns, den unvergeßlichen, Den er gesprochen, ach! er mußte wohl, Und sagen werden unsre Söhne, wenn Sie groß geworden sind, ihr habt den Mann Den uns die Götter sandten, uns gemordet. Er weint! – o größer noch und lieber, Denn vormals, dünkt er mir. Und sträubst Du noch dich gegen ihn, und stehest da, Als sähst du nicht, und brechen dir vor ihm Die Kniee nicht? Zu Boden, Mensch! Und spielst Du noch den Götzen, was? und möchtest gern So fort es treiben? nieder mußt du mir! Und auf den Nacken setz ich dir den Fuß, Bis du mir sagst, du habest endlich dich Bis an den Tartarus hinabgelogen. Weißt du, was du getan? dir wär es besser, Du hättest Tempelraub begangen, ha! Wir beteten ihn an, und billig wars; Wir wären götterfrei mit ihm geworden, Da wandelt unverhofft, wie eine Pest, Dein böser Geist uns an und uns verging Das Herz und Wort, und alle Freude, die Er uns geschenkt, in widerwärtgem Taumel. Ha Schande! Schande! wie die Rasenden Frohlockten wir, da du zum Tode schmähtest Den hochgeliebten Mann. Unheilbar ists Und stürbst du siebenmal, du könntest doch, Was du an ihm und uns getan, nicht ändern. Die Sonne neigt zum Untergange sich, Und weiter muß ich diese Nacht, ihr Kinder. Laßt ab von ihm! es ist zu lange schon, Daß wir gestritten. Was geschehen ist Vergehet all und künftig lassen wir In Ruh einander. Gilt denn alles gleich? O lieb uns wieder! Komm und leb In Agrigent; es hats ein Römer Gesagt, durch ihren Numa wären sie So groß geworden. Komme, Göttlicher! Sei unser Numa. Lange dachten wirs, Du solltest König sein. O sei es! seis! Ich grüße dich zuerst, und alle wollens. Dies ist die Zeit der Könige nicht mehr. erschrocken. Wer bist du, Mann? So lehnt man Kronen ab, Ihr Bürger. Unbegreiflich ist das Wort, So du gesprochen, Empedokles. Hegt Im Neste denn die Jungen immerdar Der Adler? Für die Blinden sorgt er wohl, Und unter seinen Flügeln schlummern süß Die Ungefiederten ihr dämmernd Leben. Doch haben sie das Sonnenlicht erblickt, Und sind die Schwingen ihnen reif geworden, So wirft er aus der Wiege sie, damit Sie eignen Flug beginnen. Schämet euch, Daß ihr noch einen König wollt; ihr seid Zu alt; zu eurer Väter Zeiten wärs Ein anderes gewesen. Euch ist nicht Zu helfen, wenn ihr selber euch nicht helft. Vergib! bei allen Himmlischen! du bist Ein großer Mann, Verratener! Es war Ein böser Tag, der uns geschieden, Archon. Vergib und komm mit uns! Dir scheinet doch Die heimatliche Sonne freundlicher Denn anderswo, und willst du schon die Macht, Die dir gebührte, nicht, so haben wir Der Ehrengaben manche noch für dich, Für Kränze grünes Laub und schöne Namen, Und für die Säule nimmeralternd Erz. O komm! es sollen unsre Jünglinge, Die Reinen, die dich nie beleidiget, Dir dienen – wohnst du nahe nur, so ists Genug, und dulden müssen wirs, wo du Uns meidst, und einsam bleibst in deinen Gärten, Bis du vergessen hast, was dir geschehn. O Einmal noch! du heimatliches Licht, Das mich erzog, ihr Gärten meiner Jugend Und meines Glücks, noch soll ich eurer denken, Ihr Tage meiner Ehre, wo ich rein Und ungekränkt mit diesem Volke war. Wir sind versöhnt, ihr Guten! – laßt mich nur, Viel besser ists, ihr seht das Angesicht Das ihr geschmäht nicht mehr, so denkt ihr lieber Des Manns, den ihr geliebt, und irre wird Dann euch der ungetrübte Sinn nicht mehr. In ewger Jugend lebt mit euch mein Bild Und schöner tönen, wenn ich ferne bin, Die Freudensänge, so ihr mir versprochen. O laßt uns scheiden, ehe Torheit uns Und Alter scheidet, sind wir doch gewarnt, Und Eines bleiben, die zu rechter Zeit Aus eigner Kraft die Trennungsstunde wählten. So ratlos lässest du uns stehn? Ihr botet Mir eine Kron, ihr Männer! nimmt von mir Dafür mein Heiligtum. Ich spart es lang. In heitern Nächten oft, wenn über mir Die schöne Welt sich öffnet', und die heilge Luft Mit ihren Sternen allen als ein Geist Voll freudiger Gedanken mich umfing, Da wurd es oft lebendiger in mir; Mit Tagesanbruch dacht ich euch das Wort, Das ernste langverhaltene, zu sagen. Und freudig ungeduldig rief ich schon Vom Orient die goldne Morgenwolke Zum neuen Fest, an dem mein einsam Lied Mit euch zum Freudenchore würd, herauf. Doch immer schloß mein Herz sich wieder, hofft' Auf seine Zeit, und reifen sollte mirs. Heut ist mein Herbsttag und es fällt die Frucht Von selbst. O hätt er früher nur gesprochen, Vielleicht, dies alles wär ihm nicht geschehn. Nicht ratlos stehen laß ich euch, Ihr Lieben! aber fürchtet nichts! Es scheun Die Erdenkinder meist das Neu und Fremde, Daheim in sich zu bleiben strebet nur Der Pflanze Leben und das frohe Tier. Beschränkt im Eigentume sorgen sie, Wie sie bestehn, und weiter reicht ihr Sinn Im Leben nicht. Doch müssen sie zuletzt, Die Ängstigen, heraus, und sterbend kehrt Ins Element ein jedes, daß es da Zu neuer Jugend, wie im Bade, sich Erfrische. Menschen ist die große Lust Gegeben, daß sie selber sich verjüngen. Und aus dem reinigenden Tode, den Sie selber sich zu rechter Zeit gewählt, Erstehn, wie aus dem Styx Achill, die Völker. O gebt euch der Natur, eh sie euch nimmt! – Ihr dürstet längst nach Ungewöhnlichem, Und wie aus krankem Körper sehnt der Geist Von Agrigent sich aus dem alten Gleise. So wagts! was ihr geerbt, was ihr erworben, Was euch der Väter Mund erzählt, gelehrt, Gesetz und Brauch, der alten Götter Namen, Vergeßt es kühn, und hebt, wie Neugeborne, Die Augen auf zur göttlichen Natur, Wenn dann der Geist sich an des Himmels Licht Entzündet, süßer Lebensothem euch Den Busen, wie zum erstenmale tränkt, Und goldner Früchte voll die Wälder rauschen Und Quellen aus dem Fels, wenn euch das Leben Der Welt ergreift, ihr Friedensgeist, und euchs Wie heilger Wiegensang die Seele stillet, Dann aus der Wonne schöner Dämmerung Der Erde Grün von neuem euch erglänzt Und Berg und Meer und Wolken und Gestirn, Die edeln Kräfte, Heldenbrüdern gleich, Vor euer Auge kommen, daß die Brust Wie Waffenträgern euch nach Taten klopft, Und eigner schöner Welt, dann reicht die Hände Euch wieder, gebt das Wort und teilt das Gut, O dann ihr Lieben teilet Tat und Ruhm Wie treue Dioskuren; jeder sei, Wie alle, – wie auf schlanken Säulen, ruh Auf richtgen Ordnungen das neue Leben Und euern Bund befestge das Gesetz. Dann o ihr Genien der wandelnden Natur! dann ladet euch, ihr heitern, Die ihr aus Tiefen und aus Höhn die Freude nimmt Und sie wie Müh und Glück und Sonnenschein und Regen Den engbeschränkten Sterblichen ans Herz Aus ferner fremder Welt herbei bringt, Das freie Volk zu seinen Festen ein, Gastfreundlich! fromm! denn liebend gibt Der Sterbliche vom Besten, schließt und engt Den Busen ihm die Knechtschaft nicht – O Vater! Von Herzen nennt man, Erde, dann dich wieder Und wie die Blum aus deinem Dunkel sproßt, Blüht Wangenrot der Dankenden für dich Aus lebensreicher Brust und selig Lächeln. Und Beschenkt mit Liebeskränzen rauschet dann Der Quell hinab, wächst unter Segnungen Zum Strom und mit dem Echo bebender Gestade Tönt deiner wert, o Vater Ocean, Der Lobgesang aus freier Wonne wider. Es fühlt sich neu in himmlischer Verwandtschaft O Sonnengott! der Menschengenius Mit dir, und dein wie sein, ist was er bildet. Aus Lust und Mut und Lebensfülle gehn Die Taten leicht, wie deine Strahlen, ihm, Und schönes stirbt in traurigstummer Brust Nicht mehr. Oft schläft, wie edles Samenkorn, Das Herz der Sterblichen in toter Schale, Bis ihre Zeit gekommen ist; es atmet Der Aether liebend immerdar um sie, und mit den Adlern trinkt Ihr Auge Morgenlicht, doch Segen gibt Es nicht den Träumenden und kärglich nährt Vom Nektar, den die Götter der Natur Alltäglich reichen, sich ihr schlummernd Wesen. Bis sie des engen Treibens müde sind, Und sich die Brust in ihrer kalten Fremde, Wie Niobe, gefangen, und der Geist Sich kräftiger denn alle Sage fühlt, Und seines Ursprungs eingedenk das Leben, Lebendge Schöne, sucht, und gerne sich Entfaltet' an der Gegenwart des Reinen, Dann glänzt ein neuer Tag herauf, ach! anders Denn sonst, die Natur und staunend Unglaubig, wie nach hoffnungsloser Zeit Beim heilgen Wiedersehn Geliebtes hängt Am totgeglaubten Lieben, hängt das Herz An Sie sinds! Die langentbehrten, die lebendigen, Die guten Götter, mit des Lebens Stern hinab! Lebt wohl! Es war das Wort des Sterblichen, Der diese Stunde liebend zwischen euch Und seinen Göttern zögert, die ihn riefen. Am Scheidetage weissagt unser Geist, Und wahres reden, die nicht wiederkehren. Wohin? o beim lebendigen Olymp, Den du mir alten Manne noch zuletzt, Mir Blinden aufgeschlossen, scheide nicht, Nur wenn du nahe bist, gedeiht im Volk Und dringt in Zweig' und Frucht die neue Seele. Es sprechen, wenn ich ferne bin, statt meiner Des Himmels Blumen, blühendes Gestirn Und die der Erde tausendfach entkeimen, Die göttlichgegenwärtige Natur Bedarf der Rede nicht; und nimmer läßt Sie einsam euch, wo Einmal sie genaht, Denn unauslöschlich ist der Augenblick Von ihr; und siegend wirkt durch alle Zeiten Beseligend hinab sein himmlisch Feuer. Wenn dann die glücklichen Saturnustage Die neuen männlichern gekommen sind, Dann denkt vergangner Zeit, dann leb erwärmt Am Genius der Väter Sage wieder! Zum Feste komme, wie vom Frühlingslicht Emporgesungen, die vergessene Heroenwelt vom Schattenreich herauf, Und mit der goldnen Trauerwolke lagre Erinnrung sich, ihr Freudigen! um euch. – Und du? und du? ach nennen will ichs nicht Vor diesen Glücklichen Daß sie nicht ahnden, was geschehen wird, Nein! — ñ — du kannst es nicht. O Wünsche! Kinder seid ihr, und doch wollt Ihr wissen, was begreiflich ist und recht, Du irrest! sprecht, ihr Törigen! zur Macht Die mächtger ist, denn ihr, doch hilft es nicht Und wie die Sterne geht unaufgehalten Das Leben im Vollendungsgange weiter. Kennt ihr der Götter Stimme nicht? noch eh Als ich der Eltern Sprache lauschend lernt, Im ersten Othemzug, im ersten Blick Vernahm ich jene schon und immer hab Ich höher sie, denn Menschenwort geachtet. Hinauf! sie riefen mich und jedes Lüftchen Regt mächtiger die bange Sehnsucht auf, Und wollt ich hier noch länger weilen, wärs, Wie wenn der Jüngling unbeholfen sich Am Spiele seiner Kinderjahre letzte. Ha! seellos, wie die Knechte, wandelt ich In Nacht und Schmach vor euch und meinen Göttern. Gelebt hab ich; wie aus der Bäume Wipfel Die Blüte regnet und die goldne Frucht Und Blum und Korn aus dunklem Boden quillt, So kam aus Müh und Not die Freude mir, Und freundlich stiegen Himmelskräfte nieder, Es sammeln in der Tiefe sich, Natur, Die Quellen deiner Höhn und deine Freuden, Sie kamen all in meiner Brust zu ruhn, Sie waren Eine Wonne, wenn ich dann Das schöne Leben übersann, da bat Ich herzlich oft um Eines nur die Götter: Sobald ich einst mein heilig Glück nicht mehr In Jugendstärke taumellos ertrüg Und wie des Himmels alten Lieblingen Zur Torheit mir des Geistes Fülle würde, Dann mich zu mahnen, dann nur schnell ins Herz Ein unerwartet Schicksal mir zu senden, Zum Zeichen, daß die Zeit der Läuterung Gekommen sei, damit bei guter Stund Ich fort zu neuer Jugend noch mich rettet Und unter Menschen nicht der Götterfreund Zum Spiel und Spott und Aergernisse würde. Sie haben mirs gehalten; mächtig warnt' Es mich; zwar Einmal nur, doch ists genug. Und so ichs nicht verstände, wär ich gleich Gemeinem Rosse, das den Sporn nicht ehrt, Und noch der nötigenden Geißel wartet. Drum fordert nicht die Wiederkehr des Manns Der euch geliebt, doch wie ein Fremder war Mit euch und nur für kurze Zeit geboren, O fodert nicht, daß er an Sterbliche Sein Heilges noch und seine Seele wage! Ward doch ein schöner Abschied uns gewährt, Und konnt ich noch mein liebstes euch zuletzt Mein Herz hinweg aus meinem Herzen geben. Drum vollends nicht! was sollt ich noch bei euch? Wir brauchen deines Rats. Fragt diesen Jüngling! schämet des euch nicht. Aus frischem Geiste kommt das Weiseste, Wenn ihr um Großes ihn im Ernste fraget. Aus junger Quelle nahm die Priesterin Die alte Pythia die Göttersprüche. Und Jünglinge sind selber eure Götter. – Mein Liebling! gerne weich ich, lebe du Nach mir, ich war die Morgenwolke nur, Geschäftslos und vergänglich! und es schlief, Indes ich einsam blühte, noch die Welt, Doch du, du bist zum klaren Tag geboren. O! schweigen muß ich! Überrede dich Nicht, bester Mann! und uns mit dir. Mir selbst Ists vor dem Auge dunkel und ich kann Nicht sehn, was du beginnst, und kann nicht sagen, bleibe! Verschieb es einen Tag. Der Augenblick Faßt wunderbar uns oft; so gehen wir Die Flüchtgen mit dem Flüchtigen dahin. Oft dünkt das Wohlgefallen einer Stund Uns lange vorbedacht, und doch ists nur Die Stunde, die uns blendet, daß wir sie Nur sehen in Vergangenem. Vergib! Ich will den Geist des Mächtigern nicht schmähn, Nicht diesen Tag; ich seh es wohl, ich muß Dich lassen, kann nur zusehn, wenn es schon Mich in der Seele kümmert, – Nein! o nein! – Er gehet zu den Fremden nicht, nicht übers Meer, Nach Hellas Ufern oder nach Aegyptos, Zu seinen Brüdern, die ihn lange nicht Gesehn, den hohen Weisen, – bittet ihn, O bittet, daß er bleib'! es ahndet mir, Und Schauer gehn von diesem stillen Mann, Dem Heiligfurchtbaren, mir durch das Leben, Und heller wirds in mir und finstrer auch Denn in der vorgen Zeit – wohl trägst und siehst Ein eigen großes Schicksal du in dir, Und trägst es gern, und was du denkst ist herrlich. Doch denke derer, die dich lieben auch Der Reinen, und der andern, die gefehlt, Der Reuigen. Du Gütiger, du hast Uns viel gegeben, was ists ohne dich? O möchtest du uns nicht dich selber auch Noch eine Weile gönnen, Gütiger! O lieber Undank! gab ich doch genug Wovon ihr leben möget. Ihr dürft leben So lang ihr Othem habt: ich nicht. Es muß Bei Zeiten weg, durch wen der Geist geredet. Es offenbart die göttliche Natur Sich göttlich oft durch Menschen, so erkennt Das vielversuchende Geschlecht sie wieder. Doch hat der Sterbliche, dem sie das Herz Mit ihrer Wonne füllte, sie verkündet, O laßt sie dann zerbrechen das Gefäß, Damit es nicht zu andrem Brauche dien', Und Göttliches zum Menschenwerke werde. Laßt diese Glücklichen doch sterben, laßt Eh sie in Eigenmacht und Tand und Schmach Vergehn, die Freien sich bei guter Zeit Den Göttern liebend opfern. Mein ist dies. Und wohlbewußt ist mir mein Los und längst Am jugendlichen Tage hab ich mirs Geweissagt; ehret mirs! und wenn ihr morgen Mich nimmer findet, sprecht: veralten sollt Er nicht und Tage zählen, dienen nicht Der Sorg und Krankheit, ungesehen ging Er weg und keines Menschen Hand begrub ihn, Und keines Auge weiß von seiner Asche, Denn anders ziemt es nicht für ihn, vor dem In todesfroher Stund am heilgen Tage Das Göttliche den Schleier abgeworfen – Den Licht und Erde liebten, dem der Geist, Der Geist der Welt den eignen Geist erweckte, In dem sie sind, zu dem ich sterbend kehre. Weh! unerbittlich ist er, und es schämt Das Herz sich selbst ein Wort noch ihm zu sagen. Komm reiche mir die Hände, Kritias! Und ihr ihr all. – Du bleibest Liebster noch, Bei mir, du immertreuer guter Jüngling! Beim Freunde, bis zum Abend – trauert nicht! Denn heilig ist mein End und schon – o Luft, Luft, die den Neugeborenen umfängt, Wenn droben er die neuen Pfade wandelt, Dich ahnd ich, wie der Schiffer, wenn er nah Dem Blütenwald der Mutterinsel kömmt, Schon atmet liebender die Brust ihm auf Und sein gealtert Angesicht verklärt Erinnerung der ersten Wonne wieder! Und o, Vergessenheit! Versöhnerin! – Voll Segens ist die Seele mir, ihr Lieben! Geht nur und grüßt die heimatliche Stadt Und ihr Gefild'! am schönen Tage, wenn Den Göttern der Natur ein Fest zu bringen, Vom Tagewerk das Auge zu befrein, Ihr einst heraus zum heilgen Haine geht, Und wie mit freundlichen Gesängen euchs Empfängt, antwortet aus den heitern Höhn, Dann wehet wohl ein Ton von mir im Liede, Des Freundes Wort, verhüllt ins Liebeschor Der schönen Welt, vernimmt ihr liebend wieder, Und herrlicher ists so. Was ich gesagt, Dieweil ich hie noch weile, wenig ists, Doch nimmts der Strahl vielleicht des Lichtes zu Der stillen Quelle, die euch segnen möchte, Durch dämmernde Gewölke mit hinab. Und ihr gedenket meiner! Heiliger! Du hast mich überwunden, heilger Mann! Ich will es ehren, was mit dir geschieht, Und einen Namen will ich ihm nicht geben. O mußt es sein? es ist so eilend all Geworden. Da du noch in Agrigent Stillherrschend lebtest, achteten wirs nicht, Nun bist du uns genommen, eh wirs denken. Es kommt und geht die Freude, doch gehört Sie Sterblichen nicht eigen, und der Geist Eilt ungefragt auf seinem Pfade weiter. Ach! können wir denn sagen, daß du da Gewesen? 5. Auftritt Fünfter Auftritt Empedokles. Pausanias. Es ist geschehen, schicke nun auch mich Hinweg! Dir wird es leicht! O nicht! Ich weiß es wohl, ich sollte so nicht reden Zum heilgen Fremdlinge, doch will ich nicht Das Herz im Busen bändigen. Du hasts Verwöhnt, du hast es selber dir erzogen – Und meinesgleichen dünkte mir noch, da Ein roher Knab ich war, der Herrliche, Wenn er mit Wohlgefallen sich zu mir Im freundlichen Gespräche neigt', und mir Wie längstbekannt des Mannes Worte waren, Das ist vorbei! vorbei! O Empedokles! Noch nenn ich dich mit Namen, halte noch Bei seiner treuen Hand den Fliehenden, Und sieh! mir ist, noch immer ist es mir, Als könntst du mich nicht lassen, Liebender! Geist meiner glücklichen Jugend, hast du mich Umsonst umfangen, hab ich dir umsonst Entfaltet dieses Herz in Siegeslust Und großen Hoffnungen? Ich kenne dich Nicht mehr. Es ist ein Traum. Ich glaub es nicht. Verstandest du es nicht? Mein Herz versteh ich, Das treu und stolz für deines zürnt und schlägt. So gönn ihm seine Ehre doch, dem meinen. Ist Ehre nur im Tod? Du hasts gehört, Und deine Seele zeugt es mir, für mich Gibts andre nicht. Ach! ists denn wahr? Wofür Erkennst du mich? innig. O Sohn Uraniens! Wie kannst du fragen? mit Liebe. Dennoch soll ich Knechten gleich Den Tag der Unehr überleben? Nein! Bei deinem Zaubergeiste, Mann, ich will nicht Will nicht dich schmähn, geböt es auch die Not Der Liebe mir, du Lieber! stirb denn nur Und zeuge so von dir. Wenns sein muß. Hab Ichs doch gewußt, daß du nicht ohne Freude Mich gehen ließest, Heldenmütiger! Wo ist denn nun das Leid? umwallt das Haupt Dir doch ein Morgenrot und Einmal schenkt Dein Auge noch mir seine kräftgen Strahlen. Und ich, ich küsse dir Verheißungen Auf deine Lippen: mächtig wirst du sein, Wirst leuchten, jugendliche Flamme, wirst, Was sterblich ist, in Seel und Flamme wandeln, Daß es mit dir zum heilgen Aether steigt. Ja! Liebster! nicht umsonst hab ich mit dir Gelebt, und unter mildem Himmel ist Viel einzig Freudiges vom ersten goldnen Gelungnen Augenblick uns aufgegangen, Und oft wird dessen dich mein stiller Hain Und meine Halle mahnen, wenn du dort Vorüberkömmst, des Frühlings, und der Geist Der zwischen mir und dir gewesen dich Umwaltet, dank ihm dann, und dank ihm itzt! O Sohn! Sohn meiner Seele! Vater! danken Will ich, wenn wieder erst das Bitterste Von mir genommen ist. Doch, lieber, schön Ist auch der Dank, solange noch die Freude, Die Scheidende, verzieht bei Scheidenden. O muß sie denn dahin? ich faß es nicht, Und du? was hülf es dir Bin ich durch Sterbliche doch nicht bezwungen, Und geh in meiner Kraft, furchtlos hinab Den selbsterkornen Pfad; mein Glück ist dies, Mein Vorrecht ists. O laß und sprich nicht so Das Schröckliche mir aus! Noch atmest du, Und hörest Freundeswort, und rege quillt Das teure Lebensblut vom Herzen dir, Du stehst und blickst und hell ist rings die Welt Und klar ist dir dein Auge vor den Göttern. Der Himmel ruht auf freier Stirne dir, Und, freudig aller Menschen, überglänzt, Du Herrlicher! dein Genius die Erd, Und alles soll vergehn! Vergehn? ist doch Das Bleiben, gleich dem Strome den der Frost Gefesselt. Töricht Wesen! schläft und hält Der heilge Lebensgeist denn irgendwo, Daß du ihn binden möchtest, du den Reinen? Es ängstiget der Immerfreudige Dir niemals in Gefängnissen sich ab, Und zaudert hoffnungslos auf seiner Stelle, Frägst du, wohin? Die Wonnen einer Welt Muß er durchwandern, und er endet nicht. – O Jupiter Befreier! – gehe nun hinein, Bereit ein Mahl, daß ich des Halmes Frucht Noch Einmal koste, und der Rebe Kraft, Und dankesfroh mein Abschied sei; und wir Den Musen auch, den holden, die mich liebten, Den Lobgesang noch singen – tu es, Sohn! Mich meistert wunderbar dein Wort, ich muß Dir weichen, muß gehorchen, wills, und will Es nicht. Geht ab. 6. Auftritt Sechster Auftritt allein. Ha! Jupiter Befreier! näher tritt Und näher meine Stund und vom Geklüfte Kömmt schon der traute Bote meiner Nacht Der Abendwind zu mir, der Liebesbote. Es wird! gereift ists! o nun schlage, Herz, Und rege deine Wellen, ist der Geist Doch über dir wie leuchtendes Gestirn, Indes des Himmels heimatlos Gewölk Das immer flüchtige vorüber wandelt. Wie ist mir? staunen muß ich noch, als fing' Ich erst zu leben an, denn all ists anders, Und jetzt erst bin ich, bin – und darum wars, Daß in der frommen Ruhe dich so oft, Du Müßiger, ein Sehnen überfiel? O darum ward das Leben dir so leicht, Daß du des Überwinders Freuden all In Einer vollen Tat am Ende fändest? Ich komme. Sterben? nur ins Dunkel ists Ein Schritt, und sehen möchtst du doch, mein Auge! Du hast mir ausgedient, dienstfertiges! Es muß die Nacht itzt eine Weile mir Das Haupt umschatten. Aber freudig quillt Aus mutger Brust die Flamme. Schauderndes Verlangen! Was? am Tod entzündet mir Das Leben sich zuletzt? und reichest du Den Schreckensbecher, mir, den gärenden, Natur! damit dein Sänger noch aus ihm Die letzte der Begeisterungen trinke! Zufrieden bin ichs, suche nun nichts mehr Denn meine Opferstätte. Wohl ist mir. O Iris Bogen über stürzenden Gewässern, wenn die Wog in Silberwolken Auffliegt, wie du bist, so ist meine Freude. 7. Auftritt Siebenter Auftritt Panthea. Delia. Sie sagten mir: es denken anders Götter Denn Sterbliche. Was Ernst den Einen dünk, Es dünke Scherz den andern. Götterernst Sei Geist und Tugend, aber Spiel vor ihnen sei Die lange Zeit der vielgeschäftgen Menschen. Und mehr wie Götter, denn, wie Sterbliche, Scheint euer Freund zu denken. Nein! Mich wundert nicht, Daß er sich fort zu seinen Göttern sehnt. Was gaben ihm die Sterblichen? hat ihm Sein töricht Volk genährt den hohen Sinn, Ihr unbedeutend Leben, hat ihm dies Das Herz verwöhnt Nimm ihn, du gabst ihm alles, gabst Ihn uns, o nimm ihn nur hinweg, Natur! Vergänglicher sind deine Lieblinge, Das weiß ich wohl, sie werden groß Und sagen könnens andre nicht, wie sie's Geworden, ach! und so entschwinden sie, Die Glücklichen, auch wieder! Sieh! mir dünkt es Doch glücklicher, bei Menschen froh zu weilen. Verzeih es mir der Unbegreifliche. Und ist die Welt doch hier so schön. Ja schön Ist sie, und schöner itzt denn je. Es darf Nicht unbeschenkt von ihr ein Kühner gehn. Sieht er noch auf zu dir, o himmlisch Licht? Und siehest du ihn, den ich nun vielleicht Nicht wiedersehe? Delia! so blicken Sich Heldenbrüder inniger ins Aug, Eh sie vom Mahl zur Schlummerstunde scheiden, Und sehn sie nicht des Morgens sich aufs neu? O Worte! freilich schaudert mir, wie dir, Das Herz, du gutes Kind! und gerne möcht Ichs anders, doch ich schäme dessen mich. Tut Er es doch! ists so nicht heilig? Wer ist der fremde Jüngling, der herab Vom Berge kömmt! Pausanias. Ach müssen Wir so uns wiederfinden, Vaterloser? 8. Auftritt Achter Auftritt Pausanias. Panthea. Delia. Ist Empedokles hier? o Panthea, Du ehrest ihn, du kömmst herauf, du kömmst Noch einmal ihn den ernsten Wanderer Auf seinem dunkeln Pfad zu sehn! Wo ist er? Ich weiß es nicht. Er sandte mich hinweg, Und da ich , sah ich ihn nicht wieder. Ich rief ihn im Gebürge, doch ich fand Ihn nicht. Er kehrt gewiß. Versprach Er freundlich doch, bis in die Nacht zu weilen. O käm er nur! Die liebste Stunde flieht Geschwinder, denn die Pfeile sind, vorüber. Noch Einmal soll ich freudig sein mit ihm, Und du auch wirst es, Panthea! und sie, Die edle Fremdlingin, die ihn nur Einmal, Nur, wie ein herrlich Traumbild sieht. Euch schreckt Sein Ende, das vor aller Augen ist, Doch keiner nennen mag; ich glaub es wohl, Doch werdet ihrs vergessen, sehet ihr In seiner Blüte den Lebendigen. Denn wunderbar vor diesem Manne schwindet Was traurig Sterblichen und furchtbar dünkt. Und vor dem selgen Aug ist alles licht. Wie liebst du ihn? und dennoch batest du Umsonst, du hast ihn wohl genug gebeten, Den Ernsten, daß er bleib, und länger noch Bei Menschen wohne. Konnt ich viel? Er greift in meine Seele, wenn er mir Antwortet, was sein Will ist. O das ists! Daß er nur Freude gibt, wenn er versagt, Und tiefer nur das Herz ihm widerklingt, Und einig ist mit ihm, je mehr auf Seinem Der Nieergründete besteht. Es ist Nicht eitel Überredung, glaub es mir, Wenn er des Lebens sich bemächtiget, Oft, wenn er stille war in seiner Welt, Der Stolzgenügsame, dann sah ich ihn In dunkler Ahnung, voll und rege war Die Seele mir, doch konnt ich sie nicht fühlen. Mich ängstigte die Gegenwart des Reinen, Des Unberührbaren; doch wenn das Wort Entscheidend ihm von seinen Lippen kam, Dann wars, als tönt' ein Freudenhimmel wider In ihm und mir und ohne Widerred Ergriff es mich, doch fühlt ich nur mich freier. Ach! könnt er irren, um so tiefer nur Erkennt ich ihn, den Unerschöpflichwahren, Und wenn er stirbt, so flammt aus seiner Asche Mir heller nur der Genius empor. Ha! große Seele! dich erhebt der Tod Des Großen, mich zerreißt er nur. Was soll Es mirs gedenken, hat der Sterbliche Der Welt sich aufgetan, der kindlich fremde, Und kaum erwarmt, und frohvertraut geworden, Bald stößt ihn dann ein kaltes Schicksal wieder, Den Kaumgeborenen, zurück, Und ungestört in seiner Freude bleiben Darf auch das Liebste nicht, ach! und die besten, Sie treten auf der Todesgötter Seit, Auch sie, und gehn dahin, mit Lust, und machen Es uns zur Schmach, bei Sterblichen zu bleiben. O bei den Seligen! verdamme nicht Den Herrlichen, dem seine Ehre so Zum Unglück ward Der sterben muß, weil er zu schön gelebt, Weil ihn zu sehr die Götter alle liebten. Denn wird ein anderer, denn er, geschmäht, So ists zu tilgen, aber er, wenn ihm Was kann der Göttersohn? lich trifft es den Unendlichen. Ach niemals ward ein edler Angesicht Empörender beleidiget! ich mußt Es sehn. [Zweite Fassung] Entstanden 1799, Erstdruck 1846 (vermischt mit der 1. Fassung) in: Sämmtliche Werke, Stuttgart und Tübingen 1846, als 2. Fassung in: Hölderlins Werke, hg. v. W. Böhm, Jena 1905. Personen Personen. Empedokles. Pausanias. Panthea. Delia. Hermokrates. Mekades. Amphares, Agrigentiner. Demokles, Agrigentiner. Hylas, Agrigentiner. 1. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Chor der Agrigentiner in der ferne. Mekades. Hermokrates. Hörst du das trunkne Volk? Sie suchen ihn. Der Geist des Manns Ist mächtig unter ihnen. Ich weiß, wie dürres Gras Entzünden sich die Menschen. Daß Einer so die Menge bewegt, mir ists, Als wie wenn Jovis Blitz den Wald Ergreift, und furchtbarer. Drum binden wir den Menschen auch Das Band ums Auge, daß sie nicht Zu kräftig sich am Lichte nähren. Nicht gegenwärtig werden Darf Göttliches vor ihnen. Es darf ihr Herz Lebendiges nicht finden. Kennst du die Alten nicht, Die Lieblinge des Himmels man nennt? Sie nährten die Brust An Kräften der Welt Und den Hellaufblickenden war Unsterbliches nahe, Drum beugten die Stolzen Das Haupt auch nicht Und vor den Gewaltigen konnt Ein Anderes nicht bestehn, Es ward verwandelt vor ihnen. Und er? Das hat zu mächtig ihn Gemacht, daß er vertraut Mit Göttern worden ist. Es tönt sein Wort dem Volk, Als käm es vom Olymp; Sie dankens ihm, Daß er vom Himmel raubt Die Lebensflamm und sie Verrät den Sterblichen. Sie wissen nichts, denn ihn, Er soll ihr Gott, Er soll ihr König sein. Sie sagen, es hab Apoll Die Stadt gebaut den Trojern, Doch besser sei, es helf Ein hoher Mann durchs Leben. Noch sprechen sie viel Unverständiges Von ihm und achten kein Gesetz Und keine Not und keine Sitte. Ein Irrgestirn ist unser Volk Geworden und ich fürcht, Es deute dieses Zeichen Zukünftges noch, das er Im stillen Sinne brütet. Sei ruhig, Mekades! Er wird nicht. Bist du denn mächtiger? Der sie versteht, Ist stärker, denn die Starken. Und wohlbekannt ist dieser Seltne mir. Zu glücklich wuchs er auf; Ihm ist von Anbeginn Der eigne Sinn verwöhnt, daß ihn Geringes irrt; er wird es büßen, Daß er zu sehr geliebt die Sterblichen. Mir ahndet selbst, Es wird mit ihm nicht lange dauern, Doch ist es lang genug, So er erst fällt, wenn ihms gelungen ist. Und schon ist er gefallen. Was sagst du? Siehst du denn nicht? es haben Den hohen Geist die Geistesarmen Geirrt, die Blinden den Verführer. Die Seele warf er vor das Volk, verriet Der Götter Gunst gutmütig den Gemeinen, Doch rächend äffte leeren Widerhalls Genug denn auch aus toter Brust den Toren. Und eine Zeit ertrug ers, grämte sich Geduldig, wußte nicht, Wo es gebrach; indessen wuchs Die Trunkenheit dem Volke; schaudernd Vernahmen sie's, wenn ihm vom eignen Wort Der Busen bebt', und sprachen: So hören wir nicht die Götter! Und Namen, so ich dir nicht nenne, gaben Die Knechte dann dem stolzen Trauernden. Und endlich nimmt der Durstige das Gift, Der Arme, der mit seinem Sinne nicht Zu bleiben weiß und Ähnliches nicht findet, Er tröstet mit der rasenden Anbetung sich, verblindet, wird, wie sie, Die seelenlosen Aberglaubigen; Die Kraft ist ihm entwichen, Er geht in einer Nacht, und weiß sich nicht Herauszuhelfen und wir helfen ihm. Des bist du so gewiß? Ich kenn ihn. Ein übermütiges Gerede fällt Mir bei, das er gemacht, da er zuletzt Auf der Agora war. Ich weiß es nicht, Was ihm das Volk zuvor gesagt; ich kam Nur eben, stand von fern – Ihr ehret mich, Antwortet' er, und tuet recht daran; Denn stumm ist die Natur, Es leben Sonn und Luft und Erd und ihre Kinder Fremd umeinander, Die Einsamen, als gehörten sie sich nicht. Wohl wandeln immerkräftig Im Göttergeiste die freien Unsterblichen Mächte der Welt Rings um der andern Vergänglich Leben, Doch wilde Pflanzen Auf wilden Grund Sind in den Schoß der Götter Die Sterblichen alle gesäet Die Kärglichgenährten und tot Erschiene der Boden, wenn Einer nicht Des wartete, lebenerweckend, Und mein ist das Feld. Mir tauschen Die Kraft und Seele zu Einem, Die Sterblichen und die Götter. Und wärmer umfangen die ewigen Mächte Das strebende Herz und kräftger gedeihn Vom Geiste der Freien die fühlenden Menschen, Und wach ists! Denn ich Geselle das Fremde, Das Unbekannte nennet mein Wort, Und die Liebe der Lebenden trag Ich auf und nieder; was Einem gebricht, Ich bring es vom andern, und binde Beseelend, und wandle Verjüngend die zögernde Welt Und gleiche keinem und Allen. So sprach der Übermütige. Das ist noch wenig. Aergers schläft in ihm. Ich kenn ihn, kenne sie, die überglücklichen Verwöhnten Söhne des Himmels, Die anders nicht, denn ihre Seele, fühlen. Stört einmal sie der Augenblick heraus – Und leichtzerstörbar sind die Zärtlichen – Dann stillet nichts sie wieder, brennend Treibt eine Wunde sie, unheilbar gärt Die Brust. Auch er! so still er scheint, So glüht ihm doch, seit ihm das Volk mißfällt, Im Busen die tyrannische Begierde, Er oder wir! Und Schaden ist es nicht, So wir ihn opfern. Untergehen muß Er doch! O reiz ihn nicht! schaff ihr nicht Raum und laß Sie sich ersticken, die verschloßne Flamme! Laß ihn! gib ihm nicht Anstoß! findet den Zu frecher Tat der Übermütge nicht, Und kann er nur im Worte sündigen, So stirbt er, als ein Tor, und schadet uns Nicht viel. Ein kräftger Gegner macht ihn furchtbar. Sieh nur, dann erst, dann fühlt er seine Macht. Du fürchtest ihn und alles, armer Mann! Ich mag die Reue nur mir gerne sparen, Mag gerne schonen, was zu schonen ist. Das braucht der Priester nicht, der alles weiß, Der Heilge der sich alles heiliget. Begreife mich, Unmündiger! eh du Mich lästerst. Fallen muß der Mann; ich sag Es dir und glaube mir, wär er zu schonen, Ich würd es mehr, wie du. Denn näher ist Er mir, wie dir. Doch lerne dies: Verderblicher denn Schwert und Feuer ist Der Menschengeist, der götterähnliche, Wenn er nicht schweigen kann, und sein Geheimnis Unaufgedeckt bewahren. Bleibt er still In seiner Tiefe ruhn, und gibt, was not ist, Wohltätig ist er dann, ein fressend Feuer, Wenn er aus seiner Fessel bricht. Hinweg mit ihm, der seine Seele bloß Und ihre Götter gibt, verwegen Aussprechen will Unauszusprechendes Und sein gefährlich Gut, als wär es Wasser, Verschüttet und vergeudet, schlimmer ists Wie Mord, und du, du redest für diesen? Bescheide dich! Sein Schicksal ists. Er hat Es sich gemacht und leben soll, Wie er, und vergehn wie er, in Weh und Torheit jeder, Der Göttliches verrät, und allverkehrend Verborgenherrschendes In Menschenhände liefert! Er muß hinab! So teuer büßen muß er, der sein Bestes Aus voller Seele Sterblichen vertraut? Er mag es, doch es bleibt die Nemesis nicht aus, Mag große Worte sagen, mag Entwürdigen das keuschverschwiegne Leben, Ans Tageslicht das Gold der Tiefe ziehn. Er mag es brauchen, was zum Brauche nicht Den Sterblichen gegeben ist, ihn wirds Zuerst zu Grunde richten – hat es ihm Den Sinn nicht schon verwirrt, ist ihm Bei seinem Volke denn die volle Seele, Die Zärtliche, wie ist sie nun verwildert? Wie ist denn nun ein Eigenmächtiger Geworden dieser Allmitteilende? Der gütge Mann! wie ist er so verwandelt Zum Frechen, der wie seiner Hände Spiel Die Götter und die Menschen achtet. Du redest schröcklich, Priester, und es dünkt Dein dunkel Wort mir wahr. Es sei! Du hast zum Werke mich. Nur weiß ich nicht, Wo er zu fassen ist. Es sei der Mann So groß er will, zu richten ist nicht schwer. Doch mächtig sein des Übermächtigen, Der, wie ein Zauberer, die Menge leitet, Es dünkt ein anders mir, Hermokrates. Gebrechlich ist sein Zauber, Kind, und leichter, Denn nötig ist, hat er es uns bereitet. Es wandte zur gelegnen Stunde sich Sein Unmut um, der stolze stillempörte Sinn Befeindet itzt sich selber, hätt er auch Die Macht, er achtets nicht, er trauert nur, Und siehet seinen Fall, er sucht Rückkehrend das verlorne Leben, Den Gott, den er aus sich Hinweggeschwätzt. Versammle mir das Volk; ich klag ihn an, Ruf über ihn den Fluch, erschrecken sollen sie Vor ihrem Abgott, sollen ihn Hinaus verstoßen in die Wildnis Und nimmer wiederkehrend soll er dort Mirs büßen, daß er mehr, wie sich gebührt, Verkündiget den Sterblichen. Doch wes beschuldigest du ihn? Die Worte, so du mir genannt, Sie sind genug. Mit dieser schwachen Klage Willst du das Volk ihm von der Seele ziehn? Zu rechter Zeit hat jede Klage Kraft Und nicht gering ist diese. Und klagtest du des Mords ihn an vor ihnen, Es wirkte nichts. Dies eben ists! die offenbare Tat Vergeben sie, die Aberglaubigen, Unsichtbar Aergernis für sie Unheimlich muß es sein! ins Auge muß es Sie treffen, das bewegt die Blöden. Es hängt ihr Herz an ihm, das bändigest, Das lenkst du nicht so leicht! Sie lieben ihn! Sie lieben ihn? ja wohl! solang er blüht' Und glänzt' Naschen sie. Wollen sie mit ihm, nun er Verdüstert ist, verödet? Da ist nichts Was nützen könnt, und ihre lange Zeit Verkürzen, abgeerntet ist das Feld. Verlassen liegts, und nach Gefallen gehn Der Sturm und unsre Pfade drüber hin. Empör ihn nur! empör ihn! siehe zu! Ich hoffe, Mekades! er ist geduldig. So wird sie der geduldige gewinnen! Nichts weniger! Du achtest nichts, wirst dich Und mich und ihn und alles verderben. Das Träumen und das Schäumen Der Sterblichen, ich acht es wahrlich nicht! Sie möchten Götter sein, und huldigen Wie Göttern sich, und eine Weile dauerts! Sorgst du, es möchte sie der Leidende Gewinnen, der Geduldige? Empören wird er gegen sich die Toren, An seinem Leide werden sie den teuern Betrug erkennen, werden unbarmherzig Ihms danken, daß der Angebetete Doch auch ein Schwacher ist, und ihm Geschiehet recht, warum bemengt er sich Mit ihnen, Ich wollt, ich wär aus dieser Sache, Priester! Vertraue mir und scheue nicht, was not ist. Dort kömmt er. Suche nur dich selbst, Du irrer Geist! indes verlierst du alles. Laß ihn! hinweg! 2. Auftritt Zweiter Auftritt allein. In meine Stille kamst du leise wandelnd, Fandst drinnen in der Halle Dunkel mich aus, Du Freundlicher! du kamst nicht unverhofft Und fernher, wirkend über der Erde vernahm Ich wohl dein Wiederkehren, schöner Tag Und meine Vertrauten euch, ihr schnellgeschäftgen Kräfte der Höh! – und nahe seid auch ihr Mir wieder, seid wie sonst ihr Glücklichen Ihr irrelosen Bäume meines Hains! Ihr ruhetet und wuchst und täglich tränkte Des Himmels Quelle die Bescheidenen Mit Licht und Lebensfunken säte Befruchtend auf die Blühenden der Aether. – O innige Natur! ich habe dich Vor Augen, kennest du den Freund noch, Den Hochgeliebten, kennest du mich nimmer? Den Priester, der lebendigen Gesang, Wie frohvergoßnes Opferblut, dir brachte? O bei den heilgen Brunnen, Wo Wasser aus Adern der Erde Sich sammeln und Am heißen Tag Die Dürstenden erquicken! in mir, In mir, ihr Quellen des Lebens, strömtet Aus Tiefen der Welt ihr einst Zusammen und es kamen Die Dürstenden zu mir – wie ists denn nun? Vertrauert? bin ich ganz allein? Und ist es Nacht hier außen auch am Tage? Der höhers, denn ein sterblich Auge, sah Der Blindgeschlagene tastet nun umher – Wo seid ihr, meine Götter? Weh! laßt ihr nun Wie einen Bettler mich Und diese Brust Die liebend euch geahndet, Was stoßt ihr sie hinab Und schließt sie mir in schmählichenge Bande Die Freigeborene, die aus sich Und keines andern ist? und wandeln soll Er nun so fort, der Langverwöhnte, Der selig oft mit allen Lebenden Ihr Leben, ach, in heiligschöner Zeit Sie, wie das Herz gefühlt von einer Welt, Und ihren königlichen Götterkräften, Verdammt in seiner Seele soll er so Da hingehn, ausgestoßen? freundlos er, Der Götterfreund? an seinem Nichts Und seiner Nacht sich weiden immerdar Unduldbares duldend gleich den Schwächlingen, die Ans Tagewerk im scheuen Tartarus Geschmiedet sind. Was daherab Gekommen? um nichts? ha! Eines, Eins mußtet ihr mir lassen! Tor! bist du Derselbe doch und träumst, als wärest du Ein Schwacher. Einmal noch! noch Einmal Soll mirs lebendig werden, und ich wills! Fluch oder Segen! täusche nun die Kraft Demütiger! dir nimmer aus dem Busen! Weit will ichs um mich machen, tagen solls Von eigner Flamme mir! Du sollst Zufrieden werden, armer Geist, Gefangener! sollst frei und groß und reich In eigner Welt dich fühlen – Und wieder einsam, weh! und wieder einsam? Weh! einsam! einsam! einsam! Und nimmer find ich Euch, meine Götter, Und nimmer kehr ich Zu deinem Leben, Natur! Dein Geächteter! – weh! hab ich doch auch Dein nicht geachtet, dein Mich überhoben, hast du Umfangend doch mit den warmen Fittigen einst Du Zärtliche! mich vom Schlafe gerettet? Den Törigen ihn, den Nahrungsscheuen, Mitleidig schmeichelnd zu deinem Nektar Gelockt, damit er trank und wuchs Und blüht', und mächtig geworden und trunken, Dir ins Angesicht höhnt' – o Geist, Geist, der mich groß genährt, du hast Dir deinen Herrn, hast, alter Saturn, Dir einen neuen Jupiter Gezogen, einen schwächern nur und frechern. Denn schmähen kann die böse Zunge dich nur, Ist nirgend ein Rächer, und muß ich denn allein Den Hohn und Fluch in meine Seele sagen? Muß einsam sein auch so? 3. Auftritt Dritter Auftritt Pausanias. Empedokles. Ich fühle nur des Tages Neige, Freund! Und dunkel will es werden mir und kalt! Es gehet rückwärts, lieber! nicht zur Ruh, Wie wenn der beutefrohe Vogel sich Das Haupt verhüllt zu frischer erwachendem Zufriednem Schlummer, anders ists mit mir! Erspare mir die Klage! laß es mir! Sehr fremde bist du mir geworden, Mein Empedokles! kennest du mich nicht? Und kenn ich nimmer dich, du Herrlicher? – Du konntst dich so verwandeln, konntest so Zum Rätsel werden, edel Angesicht, Und so zur Erde beugen darf der Gram Die Lieblinge des Himmels? bist du denn Es nicht? und sieh! wie danken dir es all, Und so in goldner Freude mächtig war Kein anderer, wie du, in seinem Volke. Sie ehren mich? o sag es ihnen doch, Sie sollens lassen – Übel steht Der Schmuck mir an und welkt Das grüne Laub doch auch Dem ausgerißnen Stamme! Noch stehst du ja, und frisch Gewässer spielt Um deine Wurzel dir, es atmet mild Die Luft um deine Gipfel, nicht von Vergänglichem Gedeiht dein Herz; es walten über dir Unsterblichere Kräfte. Du mahnest mich der Jugendtage, lieber! Noch schöner dünkt des Lebens Mitte mir. Und gerne sehen, wenn es nun Hinab sich neigen will, die Augen Der Schnellhinschwindenden noch Einmal Zurück, der Dankenden. O jene Zeit! Ihr Liebeswonnen, da die Seele mir Von Göttern, wie Endymion, geweckt, Die kindlich schlummernde, sich öffnete, Lebendig sie, die Immerjugendlichen, Des Lebens große Genien Erkannte – schöne Sonne! Menschen hatten mich Es nicht gelehrt, mich trieb mein eigen Herz Unsterblich liebend zu Unsterblichen, Zu dir, zu dir, ich konnte Göttlichers Nicht finden, stilles Licht! und so wie du Das Leben nicht an deinem Tage sparst Und sorgenfrei der goldnen Fülle dich Entledigest, so gönnt auch ich, der Deine, Den Sterblichen die beste Seele gern Und furchtlosoffen gab Mein Herz, wie du, der ernsten Erde sich, Der schicksalvollen; ihr in Jünglingsfreude Das Leben so zu eignen bis zuletzt, Ich sagt ihrs oft in trauter Stunde zu, Band so den teuern Todesbund mit ihr. Da rauscht' es anders, denn zuvor, im Hain, Und zärtlich tönten ihrer Berge Quellen – All deine Freuden, Erde! wahr, wie sie, Und warm und voll, aus Müh und Liebe reifen, Sie alle gabst du mir. Und wenn ich oft Auf stiller Bergeshöhe saß und staunend Der Menschen wechselnd Irrsal übersann, Zu tief von deinen Wandlungen ergriffen, Und nah mein eignes Welken ahndete, Dann atmete der Aether , so wie dir, Mir heilend um die liebeswunde Brust, Und, wie Gewölk der Flamme, löseten Im hohen Blau die Sorgen mir sich auf. O Sohn des Himmels! Ich war es! ja! und möcht es nun erzählen, Ich Armer! möcht es Einmal noch Mir in die Seele rufen, Das Wirken deiner Geniuskräfte Der Herrlichen deren Genoß ich war, o Natur, Daß mir die stumme todesöde Brust Von deinen Tönen allen widerklänge, Bin ich es noch? o Leben! und rauschten sie mir All deine geflügelten Melodien und hört Ich deinen alten Einklang, große Natur? Ach! ich der Einsame, lebt ich nicht Mit dieser heilgen Erd und diesem Licht Und dir, von dem die Seele nimmer läßt, O Vater Aether, und mit allen Lebenden Der Götter Freund im gegenwärtigen Olymp? ich bin heraus geworfen, bin Ganz einsam, und das Weh ist nun Mein Tagsgefährt' und Schlafgenosse mir. Bei mir ist nicht der Segen, geh! Geh! frage nicht! denkst du, ich träum? O sieh mich an! und wundre des dich nicht, Du Guter, daß ich daherab Gekommen bin; des Himmels Söhnen ist, Wenn überglücklich sie geworden sind, Ein eigner Fluch beschieden. Ich duld es nicht, Weh! solche Reden! du? ich duld es nicht. Du solltest so die Seele dir und mir Nicht ängstigen. Ein böses Zeichen dünkt Es mir, wenn so der Geist, der immerfrohe, sich Der Mächtigen umwölket. Fühlst dus? Es deutet, daß er bald Zur Erd hinab im Ungewitter muß. O laß den Unmut, lieber! O dieser, was tat er euch, dieser Reine, Daß ihm die Seele so verfinstert ist, Ihr Todesgötter! haben die Sterblichen denn Kein Eigenes nirgendswo, und reicht Das Furchtbare denn ihnen bis ans Herz, Und herrscht es in der Brust den Stärkeren noch Das ewige Schicksal? Bändige den Gram Und übe deine Macht, bist du es doch Der mehr vermag, denn andere, o sieh An meiner Liebe, wer du bist, Und denke dein, und lebe! Du kennest mich und dich und Tod und Leben nicht. Den Tod, ich kenn ihn wenig nur, Denn wenig dacht ich seiner. Allein zu sein, Und ohne Götter, ist der Tod. Laß ihn, ich kenne dich, an deinen Taten Erkannt ich dich, in seiner Macht Erfuhr ich deinen Geist, und seine Welt, Wenn oft ein Wort von dir Im heilgen Augenblick Das Leben vieler Jahre mir erschuf, Daß eine neue große Zeit von da Dem Jünglinge begann. Wie zahmen Hirschen, Wenn ferne rauscht der Wald und sie Der Heimat denken, schlug das Herz mir oft, Wenn du vom Glück der alten Urwelt sprachst, Der reinen Tage kundig und dir lag Das ganze Schicksal offen, zeichnetest Du nicht der Zukunft große Linien Mir vor das Auge, sichern Blicks, wie Künstler Ein fehlend Glied zum ganzen Bilde reihn? Und kennst du nicht die Kräfte der Natur, Daß du vertraulich wie kein Sterblicher Sie, wie du willst, in stiller Herrschaft lenkest? Recht! alles weiß ich, alles kann ich meistern. Wie meiner Hände Werk, erkenn ich es Durchaus, und lenke, wie ich will Ein Herr der Geister, das Lebendige. Mein ist die Welt, und untertan und dienstbar Sind alle Kräfte mir, zur Magd ist mir Die herrnbedürftige Natur geworden. Und hat sie Ehre noch, so ists von mir. Was wäre denn der Himmel und das Meer Und Inseln und Gestirn, und was vor Augen Den Menschen alles liegt, was wär es, Dies tote Saitenspiel, gäb ich ihm Ton Und Sprach und Seele nicht? was sind Die Götter und ihr Geist, wenn ich sie nicht Verkündige? nun! sage, wer bin ich? Verhöhne nur im Unmut dich und alles Was Menschen herrlich macht, Ihr Wirken und ihr Wort, verleide mir Den Mut im Busen, schröcke mich zum Kinde Zurück. O sprich es nur heraus! du hassest dich Und was dich liebt und was dir gleichen möcht; Ein anders willst du, denn du bist, genügst dir In deiner Ehre nicht und opferst dich an Fremdes. Du willst nicht bleiben, willst Zu Grunde gehen. Ach! in deiner Brust Ist minder Ruhe, denn in mir. Unschuldiger! Und dich verklagst du? Was ist es denn? o mache mir dein Leiden Zum Rätsel länger nicht! mich peinigets! Mit Ruhe wirken soll der Mensch, Der sinnende, soll entfaltend Das Leben um ihn fördern und heitern Denn hoher Bedeutung voll, Voll schweigender Kraft umfängt Den ahnenden, daß er bilde die Welt, Die große Natur, Daß ihren Geist hervor er rufe, strebt Tief wurzelnd Das gewaltige Sehnen ihm auf. Und viel vermag er und herrlich ist Sein Wort, es wandelt die Welt Und unter den Händen 2. Akt 1. Auftritt Letzter Auftritt des zweiten Aktes Pausanias. Panthea. Delia. Wo ist er? o Panthea! Du ehrst ihn, suchest ihn auch, Willst Einmal noch ihn sehn, Den furchtbarn Wanderer, ihn, dem allein Beschieden ist, den Pfad zu gehen mit Ruhm, Den ohne Fluch betritt kein anderer. Ists fromm von ihm und groß Das Allgefürchtete? Wo ist er? Er sandte mich hinweg, indessen sah Ich ihn nicht wieder. Droben rief Ich im Gebürg ihn, doch ich fand ihn nicht. Er kehrt gewiß. Bis in die Nacht Versprach er freundlich mir zu bleiben. O käm er! Es flieht, geschwinder, wie Pfeile Die liebste Stunde vorüber. Denn freuen werden wir uns noch mit ihm, Du wirst es, Panthea, und sie, Die edle Fremdlingin, die ihn Nur Einmal sieht, ein herrlich Meteor. Von seinem Tode, ihr Weinenden, Habt ihr gehört? Ihr Trauernden! o sehet ihn In seiner Blüte, den Hohen, Ob trauriges nicht Und was den Sterblichen schröcklich dünkt, Sich sänftiige vor seligem Auge. Wie liebst du ihn! und batest umsonst Den Ernsten? mächtger ist, denn er Die Bitte, Jüngling! und ein schöner Sieg Wärs dir gewesen! Wie konnt ich? trifft Er doch die Seele mir, wenn er Antwortet, was sein Will ist. Denn Freude nur gibt sein Versagen. Dies ists und es tönt, je mehr auf Seinem Der Wunderbare besteht, Nur tiefer das Herz ihm wider. Es ist Nicht eitel Überredung, glaub es mir, Wenn er des Lebens sich Bemächtiget. Oft wenn er stille war In seiner Welt, Der Hochgenügsame, sah ich ihn Nur dunkel ahnend, rege war, Und voll die Seele mir, doch konnt ich nicht Sie fühlen, und es ängstigte mich fast Die Gegenwart des Unberührbaren. Doch kam entscheidend von seiner Lippe das Wort, Dann tönt' ein Freudenhimmel nach in ihm Und mir und ohne Widerred Ergriff es mich, doch fühlt ich nur mich freier. Ach, könnt er irren, inniger Erkennt ich daran den unerschöpflich Wahren Und stirbt er, so flammt aus seiner Asche nur heller Der Genius mir empor. Dich entzündet, große Seele! der Tod Des Großen, aber es sonnen Die Herzen der Sterblichen auch An mildem Lichte sich gern, und heften Die Augen an Bleibendes. O sage, was soll Noch leben und dauern? Die Stillsten reißt Das Schicksal doch hinaus und haben Sie ahnend sich gewagt, verstößt Es bald die Trauten wieder, und es stirbt An ihren Hoffnungen die Jugend. In seiner Blüte bleibt Kein Lebendes – ach! und die Besten, Noch treten zur Seite der tilgenden, Der Todesgötter, auch sie und gehen dahin Mit Lust und machen zur Schmach es uns Bei Sterblichen zu weilen! Verdammest du O warum lässest du Zu sterben deinen Helden So leicht es werden, Natur? Zu gern nur, Empedokles, Zu gerne opferst du dich, Die Schwachen wirft das Schicksal um, und die andern Die Starken achten es gleich, zu fallen, zu stehn, Und werden, wie die Gebrechlichen. Du Herrlicher! was du littest, Das leidet kein Knecht Und ärmer denn die andern Bettler Durchwandertest du das Land, Ja! freilich wahr ists, Nicht die Verworfensten Sind elend, wie eure Lieben, wenn einmal Schmähliches sie berührt, ihr Götter. Schön hat ers genommen. O nicht wahr? Wie sollt er auch nicht? Muß immer und immer doch Was übermächtig ist Der Genius überleben – gedachtet ihr, Es halte der Stachel ihn auf? es belschleunigen ihm Die Schmerzen den Flug und wie der Wagenlenker, Wenn ihm das Rad in der Bahn Zu rauchen beginnt, eilt Der Gefährdete nur schneller zum Kranze! So freudig bist du, Panthea? Nicht in der Blüt und Purpurtraub Ist heilge Kraft allein, es nährt Das Leben vom Leide sich, Schwester! Und trinkt, wie mein Held, doch auch Am Todeskelche sich glücklich! Weh! mußt du so Dich trösten, Kind? O nicht! es freuet mich nur, Daß heilig, wenn es geschehn muß, Das Gefürchtete, daß es herrlich geschieht. Sind nicht, wie er, auch Der Heroen einige zu den Göttern gegangen? Erschrocken kam, lautweinend Vom Berge, das Volk, ich sah Nicht einen, ders ihm hätte gelästert, Denn nicht, wie die Verzweifelnden Entfliehet er heimlich, sie hörten es all, Und ihnen glänzt' im Leide das Angesicht Vom Worte, das er gesprochen – So gehet festlich hinab Das Gestirn und trunken Von seinem Lichte glänzen die Täler? Wohl geht er festlich hinab – Der Ernste, dein Liebster, Natur! Dein treuer, dein Opfer! O die Todesfürchtigen lieben dich nicht, Täuschend fesselt ihnen die Sorge Das Aug, an deinem Herzen Schlägt dann nicht mehr ihr Herz, sie verdorren Geschieden von dir – o heilig All! Lebendiges! inniges! dir zum Dank Und daß er zeuge von dir, du Todesloses! Wirft lächelnd seine Perlen ins Meer, Aus dem sie kamen, der Kühne. So mußt es geschehn. So will es der Geist Und die reifende Zeit, Denn Einmal bedurften Wir Blinden des Wunders. Grund zum Empedokles Entstanden 1799, Erstdruck in: Sämmtliche Werke, Stuttgart und Tübingen 1846. Grund zum Empedokles Die tragische Ode fängt im höchsten Feuer an, der reine Geist, die reine Innigkeit hat ihre Grenze überschritten, sie hat diejenigen Verbindungen des Lebens, die notwendig, also gleichsam ohnedies zum Kontakt geneigt sind, und durch die ganze innige Stimmung dazu übermäßig geneigt werden, das Bewußtsein, das Nachdenken, oder die physische Sinnlichkeit nicht mäßig genug gehalten, und so ist, durch Übermaß der Innigkeit, der Zwist entstanden, den die tragische Ode gleich zu Anfang fingiert, um das Reine darzustellen. Sie gehet dann weiter durch einen natürlichen Akt aus dem Extrem des Unterscheidens und der Not in das Extrem des Nichtunterscheidens des Reinen, des Übersinnlichen, das gar keine Not anzuerkennen scheint, von da fällt sie in eine reine Sinnlichkeit, in eine bescheidenere Innigkeit, denn die ursprünglich höhere göttlichere kühnere Innigkeit ist ihr als Extrem erschienen, auch kann sie nicht mehr in jenen Grad von übermäßiger Innigkeit fallen, mit dem sie auf ihren Anfangston ausging, denn sie hat gleichsam erfahren, wohin dies führte, sie muß aus den Extremen des Unterscheidens und Nicht-unterscheidens in jene stille Besonnenheit und Empfindung übergehen, wo sie freilich den Kampf der einen angestrengteren Besonnenheit notwendig, also ihren Anfangston und eigenen Charakter als Gegensatz empfinden, und in ihn übergehen muß, wenn sie nicht in dieser Bescheidenheit tragisch enden soll, aber weil sie ihn als Gegensatz empfindet, gehet dann das Idealische, das diese beeden Gegensätze vereiniget, reiner hervor, der Urton ist wieder und mit Besonnenheit gefunden und so gehet sie wieder von da aus durch eine mäßige freiere Reflexion oder Empfindung sicherer freier gründlicher (d.h. aus der Erfahrung und Erkenntnis des Heterogenen) in den Anfangston zurück. Allgemeiner Grund. Es ist die tiefste Innigkeit, die sich im tragischen dramatischen Gedichte ausdrückt. Die tragische Ode stellt das Innige auch in den positivsten Unterscheidungen dar, in wirklichen Gegensätzen, aber diese Gegensätze sind doch mehr bloß in der Form und als unmittelbare Sprache der Empfindung vorhanden. Das tragische Gedicht verhüllt die Innigkeit in der Darstellung noch mehr, drückt sie in stärkeren Unterscheidungen aus, weil es eine tiefere Innigkeit, ein unendlicheres Göttliche ausdrückt. Die Empfindung drückt sich nicht mehr unmittelbar aus, es ist nicht mehr der Dichter und seine eigene Erfahrung, was erscheint, wenn schon jedes Gedicht, so auch das tragische aus poetischem Leben und Wirklichkeit, aus des Dichters eigener Welt und Seele hervorgegangen sein muß, weil sonst überall die rechte Wahrheit fehlt, und überhaupt nichts verstanden und belebt werden kann, wenn wir nicht das eigene Gemüt und die eigene Erfahrung in einen fremden analogischen Stoff übertragen können. Auch im tragisch dramatischen Gedichte spricht sich also das Göttliche aus, das der Dichter in seiner Welt empfindet und erfährt, auch das tragisch dramatische Gedicht ist ihm ein Bild des Lebendigen, das ihm in seinem Leben gegenwärtig ist und war; aber wie dieses Bild der Innigkeit überall seinen letzten Grund in eben dem Grade mehr verleugnet und verleugnen muß, wie es überall mehr dem Symbol sich nähern muß, je unendlicher, je unaussprechlicher, je näher dem nefas die Innigkeit ist, je strenger und kälter das Bild den Menschen und sein empfundenes Element unterscheiden muß, um die Empfindung in ihrer Grenze festzuhalten, um so weniger kann das Bild die Empfindung unmittelbar aussprechen, es muß sie sowohl der Form als dem Stoffe nach verleugnen, der Stoff muß ein kühneres fremderes Gleichnis und Beispiel von ihr sein, die Form muß mehr den Charakter der Entgegensetzung und Trennung tragen. Eine andre Welt, fremde Begebenheiten, fremde Charaktere, doch wie jedes kühneres Gleichnis, dem Grundstoff um so inniger anpassendes, bloß in der äußeren Gestalt heterogenes, denn wäre diese innige Verwandtschaft des Gleichnisses mit dem Stoffe, die charakteristische Innigkeit, die dem Bilde zum Grunde liegt, nicht sichtbar, so wäre seine Entlegenheit, seine fremde Gestalt, nicht erklärlich. Die fremden Formen müssen um so lebendiger sein, je fremder sie sind, und je weniger der sichtbare Stoff des Gedichts dem Stoffe, der zum Grunde liegt, dem Gemüt und der Welt des Dichters gleicht, um so weniger darf sich der Geist, das Göttliche, wie es der Dichter in seiner Welt empfand, in dem künstlichen fremden Stoffe verleugnen. Aber auch in diesem fremden künstlichen Stoffe darf und kann sich das Innige, Göttliche, nicht anders aussprechen, als durch einen um so größern Grad des Unterscheidens, je inniger die zum Grunde liegende Empfindung ist. Daher ist 1) das Trauerspiel seinem Stoffe und seiner Form nach dramatisch, d.h. a) es enthält einen dritten von des Dichters eigenem Gemüt und eigener Welt verschiedenen fremderen Stoff, den er wählte, weil er ihn analog genug fand, um seine Totalempfindung in ihn hineinzutragen, und in ihm, wie in einem Gefäße, zu bewahren, und zwar um so sicherer, je fremder bei der Analogie dieser Stoff ist, denn die innigste Empfindung ist der Vergänglichkeit in eben dem Grade ausgesetzt, in welchem sie die wahren zeitlichen und sinnlichen Beziehungen nicht verleugnet (und es ist deswegen ja auch lyrisches Gesetz, wenn die Innigkeit dort an sich weniger tief, also leichter zu halten ist, den physischen und intellektualen Zusammenhang zu verleugnen). Eben darum verleugnet der tragische Dichter, weil er die tiefste Innigkeit ausdrückt, seine Person, seine Subjektivität ganz, so auch das ihm gegenwärtige Objekt, er trägt sie in fremde Personalität, in fremde Objektivität über (und selbst, wo die zum Grunde liegende Totalempfindung am meisten sich verrät, in der Hauptperson, die den Ton des Dramas angibt, und in der Hauptsituation, wo das Objekt des Dramas, das Schicksal sein Geheimnis am deutlichsten ausspricht, wo es die Gestalt der Homogenität gegen seinen Helden am meisten annimmt (eben die ihn am stärksten ergreift), selbst da und schlimme Erfolg, den die falschen Versuche zu einer hergestellten reinen Innigkeit im Gemüte haben, nicht wieder durch das Leidende selbsttätig durch einen neuen angemessen unangemessenen Versuch behandelt, sondern von einem Andern zuvorkommenderweise gemacht wird, das auf eben dem Wege geht, nur eine Stufe höher oder niedriger steht, so daß das durch falsche Verbesserungsversuche angefochtene Gemüt nicht bloß durch die eigene Selbsttätigkeit gestört, sondern durch das Zuvorkommen einer fremden gleich falschen noch mehr alteriert, und zu einer heftigern Reaktion gestimmt wird. Grund zum Empedokles. Natur und Kunst sind sich im reinen Leben nur harmonisch entgegengesetzt. Die Kunst ist die Blüte, die Vollendung der Natur, Natur wird erst göttlich durch die Verbindung mit der verschiedenartigen aber harmonischen Kunst, wenn jedes ganz ist, was es sein kann, und eines verbindet sich mit dem andern, ersetzt den Mangel des andern, den es notwendig haben muß, um ganz das zu sein, was es als besonderes sein kann, dann ist die Vollendung da, und das Göttliche ist in der Mitte von beiden. Der organischere künstlichere Mensch ist die Blüte der Natur, die aorgischere Natur, wenn sie rein gefühlt wird, vom rein organisierten, rein in seiner Art gebildeten Menschen, gibt ihm das Gefühl der Vollendung. Aber dieses Leben ist nur im Gefühle und nicht für die Erkenntnis vorhanden. Soll es erkennbar sein, so muß es dadurch sich darstellen, daß es im Übermaße der Innigkeit, wo sich die Entgegengesetzten verwechseln, sich trennt, daß das Organische, das sich zu sehr der Natur überließ und sein Wesen und Bewußtsein vergaß, in das Extrem der Selbsttätigkeit und Kunst und Reflexion, die Natur hingegen, wenigstens in ihren Wirkungen auf den reflektierenden Menschen, in das Extrem des Aorgischen, des Unbegreiflichen, des Unfühlbaren, des Unbegrenzten übergeht, bis durch den Fortgang der entgegengesetzten Wechselwirkungen die beiden ursprünglich einigen sich wie anfangs begegnen, nur daß die Natur organischer durch den bildenden kultivierenden Menschen, überhaupt die Bildungstriebe und Bildungskräfte, hingegen der Mensch aorgischer, allgemeiner, unendlicher geworden ist. Dies Gefühl gehört vielleicht zum höchsten, was gefühlt werden kann, wenn beide Entgegengesetzte, der verallgemeinerte geistig lebendige künstlich rein aorgische Mensch und die Wohlgestalt der Natur sich begegnen. Dies Gefühl gehört vielleicht zum höchsten, was der Mensch erfahren kann, denn die jetzige Harmonie mahnt ihn an das vormalige umgekehrte reine Verhältnis, und er fühlt sich und die Natur zweifach, und die Verbindung ist unendlicher. In der Mitte liegt der Kampf, und der Tod des Einzelnen, derjenige Moment, wo das Organische seine Ichheit, sein besonderes Dasein, das zum Extreme geworden war; das Aorgische seine Allgemeinheit nicht wie zu Anfang in idealer Vermischung, sondern in realem höchstem Kampf ablegt, indem das Besondere auf seinem Extrem gegen das Extrem des Aorgischen sich tätig immer mehr verallgemeinern, immer mehr von seinem Mittelpunkte sich reißen muß, das Aorgische gegen das Extrem des Besondern sich immer mehr konzentrieren und immer mehr einen Mittelpunkt gewinnen und zum Besondersten werden muß, wo dann das aorgisch gewordene Organische sich selber wieder zu finden und zu sich selber zurückzukehren scheint, indem es an die Individualität des Aorgischen sich hält, und das Objekt, das Aorgische sich selbst zu finden scheint, indem es in demselben Moment, wo es Individualität annimmt, auch zugleich das Organische auf dem höchsten Extreme des Aorgischen findet, so daß in diesem Moment, in dieser Geburt der höchsten Feindseligkeit die höchste Versöhnung wirklich zu sein scheint. Aber die Individualität dieses Moments ist nur ein Erzeugnis des höchsten Streits, seine Allgemeinheit nur ein Erzeugnis des höchsten Streits, so wie also die Versöhnung da zu sein scheint, und das Organische nun wieder auf seine Art, das Aorgische auf die seinige auf diesen Moment hin wirkt, so wird auf die Eindrücke des Organischen die in dem Moment enthaltene aorgischentsprungene Individualität wieder aorgischer, auf die Eindrücke des Aorgischen wird die in dem Moment enthaltene organischentsprungene Allgemeinheit wieder besonderer, so daß der vereinende Moment, wie ein Trugbild, sich immer mehr auflöst, sich dadurch, daß er aorgisch gegen das Organische reagiert, immer mehr von diesem sich entfernt, dadurch aber und durch seinen Tod die kämpfenden Extreme, aus denen er hervorging, schöner versöhnt und vereiniget, als in seinem Leben, indem die Vereinigung nun nicht in einem Einzelnen und deswegen zu innig ist, indem das Göttliche nicht mehr sinnlich erscheint, indem der glückliche Betrug der Vereinigung in eben dem Grade aufhört, als er zu innig und einzig war, so daß die beiden Extreme, wovon das eine, das organische durch den vergehenden Moment zurückgeschreckt und dadurch in eine reinere Allgemeinheit erhoben, das aorgische, indem es zu diesem übergeht, für das organische ein Gegenstand der ruhigern Betrachtung werden muß, und die Innigkeit des vergangenen Moments nun allgemeiner gehaltner unterscheidender, klarer hervorgeht. So ist Empedokles ein Sohn seines Himmels und seiner Periode, seines Vaterlandes, ein Sohn der gewaltigen Entgegensetzungen von Natur und Kunst, in denen die Welt vor seinen Augen erschien. Ein Mensch, in dem sich jene Gegensätze so innig vereinigen, daß sie zu Einem in ihm werden, daß sie ihre ursprüngliche unterscheidende Form ablegen und umkehren, daß das, was in seiner Welt für subjektiver gilt und mehr in Besonderheit vorhanden ist, das Unterscheiden, das Denken, das Vergleichen, das Bilden, das Organisieren und Organisiertsein, in ihm selber objektiver ist, so daß er, um es so stark wie möglich zu benennen, unterscheidender, denkender, vergleichender, bildender, organisierender und organisierter ist, wenn er weniger bei sich selber ist, und in so fern er sich weniger bewußt ist, daß bei ihm und für ihn das Sprachlose Sprache, und bei ihm und für ihn das Allgemeine, das Unbewußtere, die Form des Bewußtseins und der Besonderheit gewinnt, daß hingegen dasjenige, was bei andern in seiner Welt für objektiver gilt, und in allgemeinerer Form vorhanden ist, das weniger Unterscheidende, und Unterscheidbare, das Gedankenlosere, Unvergleichbarere, Unbildlichere, Unorganisiertere und Desorganisierende bei ihm und für ihn subjektiver ist, so daß er ununterschiedener und ununterscheidender gedankenloser in der Wirkung, unvergleichbarer unbildlicher, aorgischer und des organischer ist, wenn er mehr bei sich selber ist, und wenn und in so fern er sich mehr bewußt, daß bei ihm und für ihn das Sprechende unaussprechlich oder unauszusprechend wird, daß bei ihm und für ihn das Besondere und Bewußtere die Form des Unbewußten und Allgemeinen annimmt, daß also jene beeden Gegensätze in ihm zu einem werden, weil sie in ihm ihre unterscheidende Form umkehren und sich auch in so weit vereinigen, als sie im ursprünglichen Gefühle verschieden sind – ein solcher Mensch kann nur aus der höchsten Entgegensetzung von Natur und Kunst erwachsen, und so wie (ideal) das Übermaß der Innigkeit aus Innigkeit hervorgeht, so geht dieses reale Übermaß der Innigkeit aus Feindseligkeit und höchstem Zwist hervor, wo das Aorgische nur deswegen die bescheidene Gestalt des Besondern annimmt, und sich so zu versöhnen scheint mit dem Überorganischen, das Organische nur deswegen die bescheidene Gestalt des Allgemeinen annimmt, und sich zu versöhnen scheint mit dem Überaorgischen Überlebendigen, weil beide sich auf dem höchsten Extremen am tiefsten durchdringen und berühren, und hiemit in ihrer äußern Form die Gestalt, den Schein des Entgegengesetzten annehmen müssen. So ist Empedokles, wie gesagt, das Resultat seiner Periode, und sein Charakter weist auf diese zurück, so wie er aus dieser hervorging. Sein Schicksal stellt sich in ihm dar, als in einer augenblicklichen Vereinigung, die aber sich auflösen muß, um mehr zu werden. Er scheint nach allem zum Dichter geboren, scheint also in seiner subjektiven tätigern Natur schon jene ungewöhnliche Tendenz zur Allgemeinheit zu haben, die unter andern Umständen, oder durch Einsicht und Vermeidung ihres zu starken Einflusses, zu jener ruhigen Betrachtung, zu jener Vollständigkeit und durchgängiger Bestimmtheit des Bewußtseins wird, womit der Dichter auf ein Ganzes blickt, ebenso scheint in seiner objektiven Natur, in seiner Passivität, jene glückliche Gabe zu liegen, die auch ohne geflissentliches und wissentliches Ordnen und Denken und Bilden zum Ordnen und Denken und Bilden geneigt ist, jene Bildsamkeit der Sinne und des Gemüts, die alles solche leicht und schnell in seiner Ganzheit lebendig aufnimmt, und die der künstlichen Tätigkeit mehr zu sprechen, als zu tun gibt. Aber diese Anlage sollte nicht in ihrer eigentümlichen Sphäre wirken und bleiben, er sollte nicht in seiner Art und seinem Maß, in seiner eigentümlichen Beschränktheit und Reinheit, wirken und diese Stimmung durch den freien Ausdruck derselben zur allgemeineren Stimmung, die zugleich die Bestimmung seines Volks war, werden lassen, das Schicksal seiner Zeit, die gewaltigen Extreme, in denen er erwuchs, forderten nicht Gesang, wo das Reine in einer idealischen Darstellung, die zwischen der Gestalt des Schicksals und des Ursprünglichen liegt, noch leicht wieder aufgefaßt wird, wenn sich die Zeit noch nicht zu sehr davon entfernt hat; das Schicksal seiner Zeit erforderte auch nicht eigentliche Tat, die zwar unmittelbar wirkt und hilft, aber auch einseitiger, und um so mehr, je weniger sie den ganzen Menschen exponiert, es erforderte ein Opfer, wo der ganze Mensch das wirklich und sichtbar wird, worin das Schicksal seiner Zeit sich aufzulösen scheint, wo die Extreme sich in Einem wirklich und sichtbar zu vereinigen scheinen, aber eben deswegen zu innig vereiniget sind, und in einer idealischen Tat das Individuum deswegen untergeht und untergehen muß, weil an ihm sich die vorzeitige aus Not und Zwist hervorgegangene, sinnliche Vereinigung zeigte, welche das Problem des Schicksals auflöste, das sich aber niemals sichtbar und individuell auflösen kann, weil sonst das Allgemeine im Individuum sich verlöre, und (was noch schlimmer, als alle großen Bewegungen des Schicksals, und allein unmöglich ist) das Leben einer Welt in einer Einzelnheit abstürbe; da hingegen, wenn diese Einzelnheit, als vorzeitiges Resultat des Schicksals, sich auflöst, weil es zu innig und wirklich und sichtbar war, das Problem des Schicksals zwar materialiter sich auf dieselbe Art auflöst, aber formaliter anders, indem eben das Übermaß der Innigkeit, das aus Glück, ursprünglich aber nur ideal und als Versuch hervorgegangen war, nun durch den höchsten Zwist wirklich geworden, sich insofern, eben darum, und in den Graden, Kräften und Werkzeugen sich wirklich aufhebt, in welchen das ursprüngliche Übermaß der Innigkeit, die Ursache alles Zwists sich aufhob, so daß die Kraft des innigen Übermaßes sich wirklich verliert, und eine reifere wahrhafte reine allgemeine Innigkeit übrig bleibt. So sollte also Empedokles ein Opfer seiner Zeit werden. Die Probleme des Schicksals, in dem er erwuchs, sollten in ihm sich scheinbar lösen, und diese Lösung sollte sich als eine scheinbare temporäre zeigen, wie mehr oder weniger bei allen tragischen Personen, die alle in ihren Charakteren und Äußerungen mehr oder weniger Versuche sind, die Probleme des Schicksals zu lösen, und alle sich insofern und in dem Grade aufheben, in welchem sie nicht allgemein gültig sind, wenn nicht anders ihre Rolle, ihr Charakter und seine Äußerungen sich von selbst als etwas Vorübergehendes und Augenblickliches darstellen, so daß also derjenige, der scheinbar das Schicksal am vollständigsten löst, auch sich am meisten in seiner Vergänglichkeit und im Fortschritte seiner Versuche am auffallendsten als Opfer darstellt. Wie ist nun dies bei Empedokles der Fall? Je mächtiger das Schicksal, die Gegensätze von Kunst und Natur waren, um so mehr lag es in ihnen, sich immer mehr zu individualisieren, einen festen Punkt, einen Halt zu gewinnen, und eine solche Zeit ergreift alle Individuen so lange, fodert sie zur Lösung auf, bis sie eines findet, in dem sich ihr unbekanntes Bedürfnis und ihre geheime Tendenz sichtbar und erreicht darstellt, von dem aus dann erst die gefundene Auflösung ins Allgemeine übergehen muß. So individualisiert sich seine Zeit in Empedokles, und jemehr sie sich in ihm individualisiert, je glänzender und wirklicher und sichtbarer in ihm das Rätsel aufgelöst erscheint, um so notwendiger wird sein Untergang. 1) Schon der lebhafte allesversuchende Kunstgeist seines Volks überhaupt mußte in ihm sich aorgischer kühner unbegrenzter erfinderisch wiederholen, so wie von der andern Seite der glühende Himmelsstrich und die üppige Sicilianische Natur gefühlter, sprechender für ihn und in ihm sich darstellen mußte, und wenn er einmal von beiden Seiten ergriffen war, so mußte immer die eine Seite, die tätigere Kraft seines Wesens, die andere als Gegenwirkung verstärken, so wie sich von dem empfindenden Teile seines Gemüts der Kunstgeist nähren und weiter treiben mußte. – 2) Unter seinen hyperpolitischen, immer rechtenden und berechnenden Agrigentinern, unter den fortstrebenden immer sich erneuernden gesellschaftlichen Formen seiner Stadt mußte ein Geist, wie der seinige war, der immer nach Erfindung eines vollständigen Ganzen strebte, nur zu sehr zum Reformatorsgeiste werden, so wie die anarchische Ungebundenheit, wo jeder seiner Originalität folgte, ohne sich um die Eigentümlichkeit der andern zu kümmern, ihn mehr, als andre, bei seiner reichen selbgenügsamen Natur und Lebensfülle, ungeselliger einsamer, stolzer und eigner machen mußte, und auch diese beiden Seiten seines Charakters mußten sich wechselseitig erheben und übertreiben. 3) Eine freigeisterische Kühnheit, die sich dem Unbekannten, außerhalb des menschlichen Bewußtseins und Handelns liegenden, immer mehr entgegensetzt, je inniger ursprünglich die Menschen sich im Gefühle mit jenem vereiniget fanden und durch einen natürlichen Instinkt getrieben wurden, sich gegen den zu mächtigen, zu tiefen freundlichen Einfluß des Elements, vor Selbstvergessenheit und gänzlicher Entäußerung zu verwahren, die freigeisterische Kühnheit, dieses negative Räsonieren, Nichtdenken des Unbekannten, das bei einem übermütigen Volke so natürlich ist, mußte bei Empedokles, der in keinem Falle zur Negation gemacht war, um einen Schritt weiter gehen, er mußte des Unbekannten Meister zu werden suchen, er mußte sich seiner versichern wollen, sein Geist mußte der Dienstbarkeit so sehr entgegenstreben, daß er die überwältigende Natur zu umfassen, durch und durch zu verstehen, und ihrer bewußt zu werden suchen mußte, wie er seiner selbst bewußt und gewiß sein konnte, er mußte nach Identität mit ihr ringen, so mußte also sein Geist im höchsten Sinne aorgische Gestalt annehmen, von sich selbst und seinem Mittelpunkte sich reißen, immer sein Objekt so übermäßig penetrieren, daß er in ihm, wie in einem Abgrund, sich verlor, wo dann hingegen das ganze Leben des Gegenstandes das verlaßne durch die grenzenlose Tätigkeit des Geistes nur unendlicher empfänglich gewordene Gemüt ergreifen, und bei ihm zu Individualität werden mußte, ihm seine Besonderheit geben, und diese in eben dem Grade durchgängiger nach sich stimmen mußte, als er sich geistig tätig dem Objekte hingegeben hatte, und so erschien das Objekt in ihm in subjektiver Gestalt, wie er die objektive Gestalt des Objekts angenommen hatte. Er war das Allgemeine, das Unbekannte, das Objekt das Besondere. Und so schien der Widerstreit der Kunst, des Denkens, des Ordnens des bildenden Menschencharakters und der bewußtloseren Natur gelöst, in den höchsten Extremen zu Einem und bis zum Tauschen der gegenseitigen unterscheidenden Form vereiniget. Dies war der Zauber, womit Empedokles in seiner Welt erschien. Die Natur, welche seine freigeisterischen Zeitgenossen mit ihrer Macht und ihrem Reize nur um so gewaltiger beherrschte, je unerkenntlicher sie von ihr abstrahierten, sie erschien mit allen ihren Melodien im Geiste und Munde dieses Mannes und so innig und warm und persönlich, wie wenn sein Herz das ihre wäre, und der Geist des Elements in menschlicher Gestalt unter den Sterblichen wohnte. Dies gab ihm seine Anmut, seine Furchtbarkeit, seine Göttlichkeit, und alle Herzen, die der Sturm des Schicksals bewegte, und Geister, die in der rätselhaften Nacht der Zeit unstät und ohne Leiter hin und wieder irrten, flogen ihm zu, und je menschlicher, näher ihrem eignen Wesen er sich ihnen zugesellte, je mehr er, mit dieser Seele, ihre Sache zu seiner machte, und nachdem sie einmal in seiner Göttergestalt erschienen war, nun wieder in ihrer eigenern Weise ihnen wiedergegeben wurde, um so mehr war er der Angebetete. Dieser Grundton seines Charakters zeigte sich in allen seinen Verhältnissen. Sie nahmen ihn alle an. So lebte er in seiner höchsten Unabhängigkeit, in dem Verhältnisse, das ihm, auch ohne die objektiveren, und geschichtlichern, seinen Gang vorzeichnete, so daß die äußeren Umstände, die ihn denselben Weg führten, so wesentlich und unentbehrlich sie sind, um das zum Vorschein und zur Handlung zu bringen, was vielleicht nur Gedanke bei ihm geblieben wäre, dennoch, trotz alles Widerstreits, in dem er in der Folge mit ihnen zu stehen scheint, doch seiner freiesten Stimmung und Seele begegnen, was denn auch kein Wunder ist, da eben diese Stimmung auch der innerste Geist der Umstände ist, da alle Extreme in diesen Umständen von eben diesem Geiste aus und wieder auf ihn zurückgingen. In seinem unabhängigsten Verhältnis löst sich das Schicksal seiner Zeit im ersten und letzten Problem auf. So wie diese scheinbare Lösung von hier aus wieder sich aufzuheben anfängt, und damit endet. In diesem unabhängigen Verhältnisse lebt er, in jener höchsten Innigkeit, die den Grundton seines Charakters macht, mit den Elementen, indes die Welt um ihn hierin gerade im höchsten Gegensatze lebt, in jenem freigeisterischen Nichtdenken, Nichtanerkennen des Lebendigen von einer Seite, von der andern in der höchsten Dienstbarkeit gegen die Einflüsse der Natur. In diesem Verhältnisse lebt er 1) überhaupt als fühlender Mensch, 2) als Philosoph und Dichter, 3) als ein Einsamer, der seine Gärten pflegt. Aber so wäre er noch keine dramatische Person, also muß er das Schicksal nicht bloß in allgemeinen Verhältnissen, und durch seinen unabhängigen Charakter, er muß es in besonderen Verhältnissen und in der besondersten Veranlassung und Aufgabe lösen. Aber in so innigem Verhältnisse, wie er mit dem Lebendigen der Elemente steht, stehet er auch mit seinem Volke. Er war des negativen gewaltsamen Neuerungsgeistes nicht fähig, der gegen das trotzige anarchische Leben, das keinen Einfluß, keine Kunst dulden will, nur durch Gegensatz anstrebt, er mußte um einen Schritt weiter gehen, er mußte, um das Lebendige zu ordnen, es mit seinem Wesen im Innersten zu ergreifen streben, er mußte mit seinem Geiste des menschlichen Elements und aller Neigungen und Triebe, er mußte ihrer Seele, er mußte des Unbegreiflichen, des Unbewußten, des Unwillkürlichen in ihnen mächtig zu werden suchen, eben dadurch mußte sein Wille, sein Bewußtsein, sein Geist, indem er über die gewöhnliche und menschliche Grenze des Wissens und Wirkens ging, sich selber verlieren, und objektiv werden, und was er geben wollte, das mußte er finden, da hingegen das Objektive desto reiner tiefer in ihm widerklang, je offener sein Gemüt eben dadurch stand, daß der geistig tätige Mensch sich hingegeben hatte, und dies im Besonderen, wie im Allgemeinen. So verhielt er sich als religiöser Reformator, als politischer Mensch, und in allen Handlungen, die er um ihrer willen tat gegen sie, mit dieser stolzen schwärmerischen Ergebenheit, und löste sich, dem Scheine nach, schon durch den Ausdruck dieser Vertauschung des Objekts und Subjekts, alles Schicksal auf. Aber worin kann dieser Ausdruck bestehen? welches ist derjenige, der, in einem solchen Verhältnisse, demjenigen Teile genügt, der zuerst der unglaubige ist? und an diesem Ausdruck liegt alles, denn, darum muß das Einigende untergehen, weil es zu sichtbar und sinnlich erschien, und dies kann es nur dadurch, daß es in irgend einem bestimmtesten Punkte und Falle sich ausdrückt. Sie müssen das Einige, das zwischen ihnen und dem Manne ist, sehen, wie können sie das? dadurch, daß er ihnen bis ins Äußerste gehorcht? aber worin? in einem Punkte, wo sie über die Vereinigung der Extreme, in denen sie leben, im zweifelhaftesten sind. Bestehen nun diese Extreme aber im Zwiste von Kunst und Natur, so muß er die Natur gerade darin, wo sie der Kunst am unerreichbarsten ist, vor ihren Augen mit der Kunst versöhnen. – Von hier aus entspinnt sich die Fabel. Er tut es mit Liebe und Widerwillen, 1 legt seine Probe ab, nun glauben sie alles vollendet. Er erkennt sie daran. Die Täuschung, in der er lebte, als wäre er Eines mit ihnen, hört nun auf. Er zieht sich zurück, und sie erkalten gegen ihn. Sein Gegner benützt dies, bewirkt die Verbannung. Sein Gegner, groß in natürlichen Anlagen, wie Empedokles, sucht die Probleme der Zeit auf andere, auf negativere Art zu lösen. Zum Helden geboren, ist er nicht sowohl geneigt, die Extreme zu vereinigen, als sie zu bändigen, und ihre Wechselwirkung an ein Bleibendes und Festes zu knüpfen, das zwischen sie gestellt ist, und jedes in seiner Grenze hält, indem es jedes sich zu eigen macht. Seine Tugend ist der Verstand, seine Göttin die Notwendigkeit. Er ist das Schicksal selber, nur mit dem Unterschiede, daß die streitenden Kräfte in ihm an ein Bewußtsein, an einen Scheidepunkt festgeknüpft sind, der sie klar und sicher gegenüberhält, der sie an einer (negativen) Idealität befestiget und ihnen eine Richtung gibt. Wie sich Kunst und Natur bei Empedokles im Extreme des Widerstreits dadurch vereinigen, daß das Tätige im Übermaß objektiv wird, und die verlorene Subjektivität durch die tiefe Einwirkung des Objekts ersetzt wird: so vereinigen sich Kunst und Natur in seinem Gegner dadurch, daß ein Übermaß von Objektivität und Außer-sich-sein, und Realität, (in solchem Klima, in solchem Getümmel von Leidenschaften und Wechsel der Originalität, in solcher herrischer Furcht des Unbekannten) bei einem mutig offnen Gemüte, die Stelle des Tätigen und Bildenden vertreten muß, da hingegen das Subjektive mehr die passive Gestalt des Duldens, des Ausdauerns, der Festigkeit, der Sicherheit gewinnt, und wenn die Extreme entweder durch die Fertigkeit im Ausdauern derselben, oder auch von außen die Gestalt der Ruhe und des Organischen annehmen, so muß das Subjektivtätige nun das Organisierende, es muß zum Elemente werden, so auch hierin das Subjektive und Objektive ihre Gestalt verwechseln, und Eines werden in einem. Fußnoten 1 denn die Furcht, positiv zu werden, muß seine größte, natürlicherweise, sein, aus dem Gefühle, daß Er, je wirklicher er das Innige ausdrückt, desto sicherer untergeht. [Plan der dritten Fassung] Entstanden 1799, Erstdruck in: Hölderlins gesammelte Dichtungen, hg. v. B. Litzmann, Stuttgart 1896. [Plan der dritten Fassung] Aetna. 1. Empedokles 2. Empedokles. Pausanias. Abschied 3. Empedokles. Der Greis. Erzählung seiner Geschichte. Weiser. Ich fürchte den Mann, der Göttern Was zürnest du der Zeit, die mich gebar, Dem Element, das mich erzog Empedokles geht. o lerne sie verstehn, die Pfade, so ich wandle, Pausanias. Der Gegner. Dieser ist vorzüglich, um einen Anfang seiner Versuche zu haben und durch die Unentschiedenheit der Lage nach dem Zerfall des Volks mit Empedokles, freilich auch durch den Haß seiner Superiorität zu dem übertriebenen Schritte verleitet worden, das Volk zu seiner Verbannung zu bereden; nun da ihn das Volk zu vermissen scheint, und ihm selbst sein größtes Objekt fehlt, das er gerne, als inferiores, bei sich hätte, auch das geheime Band, das ihn und Empedokles bindet, das Gefühl der ursprünglichen ungewöhnlichen Anlage, und einer beederseitigen tragischen Bestimmung läßt es ihn wirklich bereuen; er macht also bei dem ersten Laut der Unzufriedenheit, den das Volk über Empedokles Verbannung äußert, selber den Vorschlag, ihn wieder zurückzurufen. Es dürfe nichts für immer geschehen bleiben, sagt er, es sei nicht immer Tag und auch nicht Nacht, nachdem der stolze Mann das Los der Sterblichen versucht, so mög er wieder leben. Pausanias. Der Greis. Der König. Greis. Reflektierend idealisch. König heroisch reflektierend. Bote. Greis. Der König bittet seinen Bruder p. p. König überwältiget bejaht es. Aber er will auch nicht mehr beraten sein, will keinen Mittler zwischen sich und seinem Bruder haben, und der Alte soll hinweg. Nun geh, ich brauche keinen Mittler. Dieser geht denn auch. Monolog des Königs. Begeisterung des Schicksalsohns. Empedokles und König. Empedokles mein ist diese Region p. p. laßt den Rasenden. p. p. kluger Mann Empedokles Doch hat Eine Mutter uns gesäugt. König Wie lang ists schon? Empedokles Wer mag die Jahre zählen – aber Übergang vom Subjektiven zum Objektiven. Da der König abgehn will, begegnet ihm ein Bote, der das herannahende Volk verkündiget. In seiner Erschütterung spricht er den Glückseligkeitsgesang, geht dann in Entrüstung über und befiehlt, daß die Bewaffneten sich verbergen sollen, um aufs erste Zeichen, das er geben werde, p. p. am Ende wird ihm die Ankunft der Schwester und des Pausanias verkündiget. Die Schwester. Pausanias. Schwester naiv. idealisch Sie sucht Empedokles Pausanias Empedokles naiv. idealisch Schwester fragt den König will beide versöhnen spricht vom Volk. bittet Empedokles zurückzukehren Wunden Vergessenheit. Empedokles heroisch idealisch Vergeben ist alles. Pausanias sieht die Abgesandten des Volks nahn. Schwester fürchtet den Ausgang – die zweideutige Menge, den Zwist des Empedokles mit dieser, und des andern Bruders mit ihr, den Zwist, der nun erst zwischen beiden Brüdern ganz zu beginnen scheint. Empedokles bleibt ruhig, tröstet sie, friedlich, sagt er, soll dieser Abend sein, kühle Lüfte wehn, die Liebesboten, und freundlich von den Himmelshöhn herabgestiegen, singt der Sonnenjüngling dort sein Abendlied, und goldner Töne voll ist seine Leier. Abgesandte des Volks. Sie begegnen ihm in ihrer wahrsten Gestalt, so wie er sie selber sah, wie sie in ihm sich spiegelten, ganz um ihn, dessen Tod seine Liebe, seine Innigkeit ist, so fest an sich zu ketten, wie er es sonst war, aber je näher sie ihm mit ihrem Geiste kommen, je mehr er sich selbst in ihnen siehet, um so mehr wird er in dem Sinne, der nun schon herrschend in ihm geworden ist, bestärkt. [Dritte Fassung] Entstanden 1799, Erstdruck in: Sämmtliche Werke, Stuttgart und Tübingen 1846. Personen Personen. Empedokles. Pausanias, sein Freund. Manes, ein Aegyptier. Strato, Herr von Agrigent, Bruder des Empedokles. Panthea, seine Schwester. Gefolge. Chor der Agrigentiner. 1. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt vom Schlaf erwachend. Euch ruf ich über das Gefild herein Vom langsamen Gewölk, ihr heißen Strahlen Des Mittags, ihr Gereiftesten, daß ich An euch den neuen Lebenstag erkenne. Denn anders ists wie sonst! vorbei, vorbei Das menschliche Bekümmernis! als wüchsen Mir Schwingen an, so ist mir wohl und leicht Hier oben, hier, und reich genug und froh Und herrlich wohn ich, wo den Feuerkelch Mit Geist gefüllt bis an den Rand, bekränzt Mit Blumen, die er selber sich erzog, Gastfreundlich mir der Vater Aetna beut. Und wenn das unterirdische Gewitter Itzt festlich auferwacht zum Wolkensitz Des nahverwandten Donnerers hinauf Zur Freude fliegt, da wächst das Herz mir auch. Mit Adlern sing ich hier Naturgesang. Das dacht er nicht, daß in der Fremde mir Ein anders Leben blühte, da er mich Mit Schmach hinweg aus unsrer Stadt verwies, Mein königlicher Bruder. Ach! er wußt es nicht, Der kluge, welchen Segen er bereitete, Da er vom Menschenbande los, da er mich frei Erklärte, frei, wie Fittige des Himmels. Drum galt es auch! drum ward es auch erfüllt! Mit Hohn und Fluch drum waffnete das Volk, Das mein war, gegen meine Seele sich Und stieß mich aus und nicht vergebens gellt' Im Ohre mir das hundertstimmige, Das nüchterne Gelächter, da der Träumer, Der närrische, des Weges weinend ging. Beim Totenrichter! wohl hab ichs verdient! Und heilsam wars; die Kranken heilt das Gift Und eine Sünde straft die andere. Denn viel gesündiget hab ich von Jugend auf, Die Menschen menschlich nie geliebt, gedient, Wie Wasser nur und Feuer blinder dient, Darum begegneten auch menschlich mir Sie nicht, o darum schändeten sie mir Mein Angesicht, und hielten mich, wie dich Allduldende Natur! du hast mich auch, Du hast mich, und es dämmert zwischen dir Und mir die alte Liebe wieder auf, Du rufst, du ziehst mich nah und näher an. Vergessenheit – o wie ein glücklich Segel Bin ich vom Ufer los, des Lebens Welle Mich von selbst Und wenn die Woge wächst, und ihren Arm Die Mutter um mich breitet, o was möcht Ich auch, was möcht ich fürchten. Andre mag Es freilich schröcken. Denn es ist ihr Tod. O du mir wohlbekannt, du zauberische Furchtbare Flamme! wie so stille wohnst Du da und dort, wie scheuest du dich selbst Und fliehest dich, du Seele des Lebendigen! Lebendig wirst du mir und offenbar, Mir birgst du dich, gebundner Geist, nicht länger, Mir wirst du helle, denn ich fürcht es nicht. Denn sterben will ja ich. Mein Recht ist dies. Ha! Götter, schon, wie Morgenrot, ringsum Und drunten tost der alte Zorn vorüber! Hinab hinab ihr klagenden Gedanken! Sorgfältig Herz! ich brauche nun dich nimmer. Und hier ist kein Bedenken mehr. Es ruft Der Gott – Da er den Pausanias gewahr wird. und diesen Allzutreuen muß Ich auch befrein, mein Pfad ist seiner nicht. 2. Auftritt Zweiter Auftritt Pausanias. Empedokles. Du scheinest freudig auferwacht, mein Wanderer. Schon hab ich, lieber, und vergebens nicht Mich in der neuen Heimat umgesehn. Die Wildnis ist mir hold, auch dir gefällt, Die edle Burg, unser Aetna. Sie haben uns verbannt, sie haben dich, Du Gütiger! geschmäht und glaub es mir, Unleidlich warst du ihnen langst und innig In ihre Trümmer schien, in ihre Nacht Zu helle den Verzweifelten das Licht. Nun mögen sie vollenden, ungestört Im uferlosen Sturm, indes den Stern Die Wolke birgt, ihr Schiff im Kreise treiben. Das wußt ich wohl, du Göttlicher, an dir Entweicht der Pfeil, der andre trifft und wirft. Und ohne Schaden, wie am Zauberstab Die zahme Schlange, spielt' um dich von je Die ungetreue Menge, die du zogst, Die du am Herzen hegtest, liebender! Nun! laß sie nur! sie mögen ungestalt Lichtscheu am Boden taumeln, der sie trägt, Und allbegehrend, allgeängstiget Sich müde rennen, brennen mag der Brand, Bis er erlischt – wir wohnen ruhig hier! Ja! ruhig wohnen wir; es öffnen groß Sich hier vor uns die heilgen Elemente. Die Mühelosen regen immergleich In ihrer Kraft sich freudig hier um uns. An seinen festen Ufern wallt und ruht Das alte Meer, und das Gebirge steigt Mit seiner Ströme Klang, es wogt und rauscht Sein grüner Wald von Tal zu Tal hinunter. Und oben weilt das Licht, der Aether stillt Den Geist und das geheimere Verlangen. Hier wohnen ruhig wir! So bleibst du wohl Auf diesen Höhn, und lebst in deiner Welt, Ich diene dir und sehe, was uns not ist. Nur weniges ist not, und selber mag Ich gerne dies von jetzt an mir besorgen. Doch lieber! hab ich schon für einiges, Was du zuerst bedarfst, zuvorgesorgt. Weißt du, was ich bedarf? Als wüßt ich nicht, Womit genügt dem Hochgenügsamen. Und wie das Leben, das zu lieber Not Der innigen Natur geworden ist, Das kleinste dem Vertrauten viel bedeutet. Indes du gut auf kahler Erde hier In heißer Sonne schliefst, gedacht ich doch, Ein weicher Boden, und die kühle Nacht In einer sichern Halle wäre besser. Auch sind wir hier, die Allverdächtigen, Den Wohnungen der andern fast zu nah. Nicht lange wollt ich ferne sein von dir Und eilt hinauf und glücklich fand ich bald, Für dich und mich gebaut, ein ruhig Haus. Ein tiefer Fels, von Eichen dicht umschirmt, Dort in der dunkeln Mitte des Gebirgs, Und nah entspringt ein Quell, es grünt umher Die Fülle guter Pflanzen, und zum Bett Ist Überfluß von Laub und Gras bereitet. Da lassen sie dich ungeschmäht, und tief und still Ists wenn du sinnst, und wenn du schläfst, um dich, Ein Heiligtum ist mir mit dir die Grotte. Komm, siehe selbst, und sage nicht, ich tauge Dir künftig nicht, wem taugt ich anders denn? Du taugst zu gut. Wie könnt ich dies? Auch du Bist allzutreu, du bist ein töricht Kind. Das sagst du wohl, doch klügers weiß ich nicht, Wie des zu sein, dem ich geboren bin. Wie bist du sicher? Warum denn nicht? Wofür denn hättest du auch einst, da ich, Der Waise gleich, am heldenarmen Ufer Mir einen Schutzgott sucht und traurig irrte, Du Gütiger, die Hände mir gereicht? Wofür mit irrelosem Auge wärst du Auf deiner stillen Bahn, du edles Licht In meiner Dämmerung mir aufgegangen? Seitdem bin ich ein anderer, und dein Und näher dir und einsamer mit dir, Wachst froher nur die Seele mir und freier. O still davon! Warum? Was ists? wie kann Ein freundlich Wort dich irren, teurer Mann? Geh! folge mir, und schweig und schone mich Und rege du nicht auch das Herz mir auf. – Habt ihr zum Dolche die Erinnerung Nicht mir gemacht? nun wundern sie sich noch Und treten vor das Auge mir und fragen. Nein! du bist ohne Schuld – nur kann ich, Sohn! Was mir zu nahe kömmt, nicht wohl ertragen. Und mich, mich stößest du von dir? o denk an dich, Sei, der du bist, und siehe mich, und gib, Was ich nun weniger entbehren kann, Ein gutes Wort aus reicher Brust mir wieder. Erzähle, was dir wohlgefällt, dir selbst, Für mich ist, was vorüber ist, nicht mehr. Ich weiß es wohl, was dir vorüber ist, Doch du und ich, wir sind uns ja geblieben. Sprich lieber mir von anderem, mein Sohn! Was hab ich sonst? Verstehest du mich auch? Hinweg! ich hab es dir gesagt und sag Es dir, es ist nicht schön, daß du dich So ungefragt mir an die Seele dringest, An meine Seite stets, als wüßtest du Nichts anders mehr, mit armer Angst dich hängst. Du mußt es wissen, dir gehör ich nicht Und du nicht mir, und deine Pfade sind Die meinen nicht; mir blüht es anderswo. Und was ich mein', es ist von heute nicht, Da ich geboren wurde, wars beschlossen. Sieh auf und wags! was Eines ist, zerbricht, Die Liebe stirbt in ihrer Knospe nicht Und überall in freier Freude teilt Des Lebens luftger Baum sich auseinander. Kein zeitlich Bündnis bleibet, wie es ist, Wir müssen scheiden, Kind! und halte nur Mein Schicksal mir nicht auf und zaudre nicht. O sieh! es glänzt der Erde trunknes Bild, Das göttliche, dir gegenwärtig, Jüngling, Es rauscht und regt durch alle Lande sich Und wechselt, jung und leicht, mit frommem Ernst Der geschäftge Reigentanz, womit den Geist Die Sterblichen, den alten Vater, feiern. Da gehe du und wandle taumellos Und menschlich mit und denk am Abend mein. Mir aber ziemt die stille Halle, mir Die hochgelegene, geräumige, Denn Ruhe brauch ich wohl, zu träge sind, Zum schnellgeschäftigen Spiel der Sterblichen, Die Glieder mir und hab ich sonst dabei Ein feiernd Lied in Jugendlust gesungen, Zerschlagen ist das zarte Saitenspiel. O Melodien über mir! es war ein Scherz! Und kindisch wagt ich sonst euch nachzuahmen, Ein fühllos leichtes Echo tönt' in mir, Und unverständlich nach – Nun hör ich ernster euch, ihr Götterstimmen. Ich kenne nimmer dich, nur traurig ist Mir, was du sagst, doch alles ist ein Rätsel. Was hab ich auch, was hab ich dir getan, Daß du mich so, wie dirs gefällt, bekümmerst Und namenlos dein Herz, des Einen noch, Des Letzten los zu sein, sich freut und müht. Das hofft ich nicht, da wir Geächtete Den Wohnungen der Menschen scheu vorüber Zusammen wandelten in wilder Nacht, Und darum, lieber! war ich nicht dabei, Wenn mit den Tränen dir des Himmels Regen Vom Angesichte troff, und sah es an, Wenn lächelnd du das rauhe Sklavenkleid Mittags an heißer Sonne trocknetest Auf schattenlosem Sand, wenn du die Spuren Wohl manche Stunde wie ein wundes Wild Mit deinem Blute zeichnetest, das auf Den Felsenpfad von nackter Sohle rann. Ach! darum ließ ich nicht mein Haus und lud Des Volkes und des Vaters Fluch mir auf, Daß du mich, wo du wohnen willst und ruhn, Wie ein verbraucht Gefäß, bei Seite werfest. Und willst du weit hinweg? wohin? wohin? Ich wandre mit, zwar steh ich nicht wie du Mit Kräften der Natur in trautem Bunde, Mir steht wie dir Zukünftiges nicht offen, Doch freudig in der Götter Nacht hinaus Schwingt seine Fittige mein Sinn, und fürchtet Noch immer nicht die mächtigeren Blicke. Ja! wär ich auch ein Schwacher, dennoch wär Ich, weil ich so dich liebe, stark, wie du. Beim göttlichen Herakles! stiegst du auch, Um die Gewaltigen, die drunten sind, Versöhnend die Titanen heimzusuchen, Ins bodenlose Tal, vom Gipfel dort, Und wagtest dich ins Heiligtum des Abgrunds, Wo duldend vor dem Tage sich das Herz Der Erde birgt und ihre Schmerzen dir Die dunkle Mutter sagt, o du der Nacht Des Aethers Sohn! ich folgte dir hinunter. So bleib! Wie meinst du dies? Du gabst Dich mir, bist mein; so frage nicht! Es sei! Und sagst du mirs noch einmal, Sohn, und gibst Dein Blut und deine Seele mir für immer? Als hätt ich so ein loses Wort gesagt Und zwischen Schlaf und Wachen dirs versprochen? Unglaubiger! ich sags und wiederhol es: Auch dies, auch dies, es ist von heute nicht, Da ich geboren wurde, wars beschlossen. Ich bin nicht, der ich bin, Pausanias, Und meines Bleibens ist auf Jahre nicht, Ein Schimmer nur, der bald vorüber muß, Im Saitenspiel ein Ton – So tönen sie, So schwinden sie zusammen in die Luft! Und freundlich spricht der Widerhall davon. Versuche nun mich länger nicht und laß Und gönne du die Ehre mir, die mein ist! Hab ich nicht Leid genug, wie du, in mir? Wie möchtest du mich noch beleidigen! O allesopfernd Herz! und dieser gibt Schon mir zulieb die goldne Jugend weg! Und ich! o Erd und Himmel! siehe! noch, Noch bist du nah, indes die Stunde flieht, Und blühest mir, du Freude meiner Augen. Noch ists, wie sonst, ich halt im Arme, Als wärst du mein, wie meine Beute dich, Und mich betört der holde Traum noch einmal. Ja! herrlich wärs, wenn in die Grabesflamme So Arm in Arm statt Eines Einsamen Ein festlich Paar am Tagesende ging', Und gerne nahm ich, was ich hier geliebt, Wie seine Quellen all ein edler Strom, Der heilgen Nacht zum Opfertrank, hinunter. Doch besser ists, wir gehen unsern Pfad Ein jeder, wie der Gott es ihm beschied. Unschuldiger ist dies, und schadet nicht. Und billig ists und recht, daß überall Des Menschen Sinn sich eigen angehört. Und dann – es trägt auch leichter seine Bürde Und sicherer der Mann, wenn er allein ist. So wachsen ja des Waldes Eichen auch Und keines kennt, so alt sie sind, das andre. Wie du es willst! Ich widerstrebe nicht. Du sagst es mir und wahr ists wohl und lieb Ist billig mir dies letzte Wort von dir. So geh ich denn! und störe deine Ruhe Dir künftig nicht, auch meinest du es gut, Daß meinem Sinne nicht die Stille tauge. Doch, lieber, zürnst du nicht? Mit dir? Mit dir? Was ist es denn? ja! weißt du nun, wohin? Gebiet es mir. Es war mein letzt Gebot, Pausanias! die Herrschaft ist am Ende. Mein Vater! rate mir! Wohl manches sollt Ich sagen, doch verschweig ich dirs, Es will zum sterblichen Gespräche fast Und eitlem Wort die Zunge nimmer dienen. Sieh! liebster! anders ists und leichter bald Und freier atm' ich auf, und wie der Schnee Des hohen Aetna dort am Sonnenlichte Erwarmt und schimmert und zerrinnt, und los Vom Berge wogt und Iris froher Bogen sich Der blühende beim Fall der Wogen schwingt, So rinnt und wogt vom Herzen mir es los, So hallt es weg, was mir die Zeit gehäuft, Die Schwere fällt, und fällt, und helle blüht Das Leben, das ätherische, darüber. Nun wandre mutig, Sohn, ich geb und küsse Verheißungen auf deine Stirne dir, Es dämmert dort Italiens Gebirg, Das Römerland, das tatenreiche, winkt, Dort wirst du wohlgedeihn, dort, wo sich froh Die Männer in der Kämpferbahn begegnen, O Heldenstädte dort! und du, Tarent! Ihr brüderlichen Hallen, wo ich oft Lichttrunken einst mit meinem Plato ging Und immerneu uns Jünglingen das Jahr Und jeder Tag erschien in heilger Schule. Besuch ihn auch, o Sohn, und grüß ihn mir, Den alten Freund an seiner Heimat Strom, Am blumigen Ilissus, wo er wohnt. Und will die Seele dir nicht ruhn, so geh Und frage sie, die Brüder in Aegyptos. Dort hörest du das ernste Saitenspiel Uraniens und seiner Töne Wandel. Dort öffnen sie das Buch des Schicksals dir. Geh! fürchte nichts! es kehret alles wieder. Und was geschehen soll, ist schon vollendet. Pausanias geht ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt Manes. Empedokles. Nun! säume nicht! bedenke dich nicht länger. Vergeh! Vergeh! damit es ruhig bald Und helle werde, Trugbild! Was? woher? Wer bist du, Mann! Der Armen Einer auch Von diesem Stamm, ein Sterblicher, wie du. Zu rechter Zeit gesandt, dir, der du dich Des Himmels Liebling dünkst, des Himmels Zorn, Des Gottes, der nicht müßig ist, zu nennen. Ha! kennst du den? Ich habe manches dir Am fernen Nil gesagt. Und du? du hier? Kein Wunder ists! Seit ich den Lebenden Gestorben bin, erstehen mir die Toten. Die Toten reden nicht, wo du sie fragst. Doch wenn du eines Worts bedarfst, vernimm. Die Stimme, die mich ruft, vernehm ich schon. So redet es mit dir? Was soll die Rede, Fremder! Ja! fremde bin ich hier und unter Kindern. Das seid ihr Griechen all. Ich hab es oft Vormals gesagt. Doch wolltest du mir nicht, Wie dirs erging bei deinem Volke, sagen? Was mahnst du mich? Was rufst du mir noch einmal? Mir ging es, wie es soll. Ich wußt es auch Schon längst voraus, ich hab es dir geweissagt. Nun denn! was hältst du es noch auf? was drohst Du mit der Flamme mir des Gottes, den Ich kenne, dem ich gern zum Spiele dien, Und richtest mir mein heilig Recht, du Blinder! Was dir begegnen muß, ich ändr' es nicht. So kamst du her, zu sehen, wie es wird? O scherze nicht, und ehre doch dein Fest, Umkränze dir dein Haupt, und schmück es aus, Das Opfertier, das nicht vergebens fällt. Der Tod, der jähe, er ist ja von Anbeginn, Das weißt du wohl, den Unverständigen Die deinesgleichen sind, zuvorbeschieden. Du willst es und so seis! Doch sollst du mir Nicht unbesonnen, wie du bist, hinab, Ich hab ein Wort, und dies bedenke, Trunkner! Nur Einem ist es Recht, in dieser Zeit, Nur Einen adelt deine schwarze Sünde. Ein größrer ists, denn ich! denn wie die Rebe Von Erd und Himmel zeugt, wenn sie getränkt Von hoher Sonn aus dunklem Boden steigt, So wachst er auf, aus Licht und Nacht geboren. Es gärt um ihn die Welt, was irgend nur Beweglich und verderbend ist im Busen Der Sterblichen, ist aufgeregt von Grund aus. Der Herr der Zeit, um seine Herrschaft bang, Thront finster blickend über der Empörung. Sein Tag erlischt, und seine Blitze leuchten, Doch was von oben flammt, entzündet nur, Und was von unten strebt, die wilde Zwietracht. Der Eine doch, der neue Retter faßt Des Himmels Strahlen ruhig auf, und liebend Nimmt er, was sterblich ist, an seinen Busen, Und milde wird in ihm der Streit der Welt. Die Menschen und die Götter söhnt er aus Und nahe wieder leben sie, wie vormals. Und daß, wenn er erschienen ist, der Sohn Nicht größer, denn die Eltern sei, und nicht Der heilge Lebensgeist gefesselt bleibe Vergessen über ihm, dem Einzigen, So lenkt er aus, der Abgott seiner Zeit, Zerbricht, er selbst, damit durch reine Hand Dem Reinen das Notwendige geschehe, Sein eigen Glück, das ihm zu glücklich ist, Und gibt, was er besaß, dem Element, Das ihn verherrlichte, geläutert wieder. Bist du der Mann? derselbe? bist du dies? Ich kenne dich im finstern Wort, und du, Du Alleswissender, erkennst mich auch. O sage, wer du bist! und wer bin ich? Versuchst du noch, noch immer mich, und kömmst, Mein böser Geist, zu mir in solcher Stunde? Was lässest du mich nicht stille gehen, Mann? Und wagst dich hier an mich und reizest mich, Daß ich im Zorn die heilgen Pfade wandle? Ein Knabe war ich, wußte nicht, was mir Ums Auge fremd am Tage sich bewegt', Und wunderbar umfingen mir die großen Gestalten dieser Welt, die freudigen, Mein unerfahren schlummernd Herz im Busen. Und staunend hört ich oft die Wasser gehen Und sah die Sonne blühn, und sich an ihr Den Jugendtag der stillen Erd entzünden. Da ward in mir Gesang und helle ward Mein dämmernd Herz im dichtenden Gebete, Wenn ich die Fremdlinge, die gegenwärtgen, Die Götter der Natur mit Namen nannt Und mir der Geist im Wort, im Bilde sich, Im seligen, des Lebens Rätsel löste. So wuchs ich still herauf, und anderes War schon bereitet. Denn gewaltsamer, Wie Wasser, schlug die wilde Menschenwelle Mir an die Brust, und aus dem Irrsal kam Des armen Volkes Stimme mir zum Ohre. Und wenn, indes ich in der Halle schwieg, Um Mitternacht der Aufruhr weheklagt', Und durchs Gefilde stürzt', und lebensmüd Mit eigner Hand sein eignes Haus zerbrach, Und die verleideten verlaßnen Tempel, Wenn sich die Brüder flohn, und sich die Liebsten Vorübereilten, und der Vater nicht Den Sohn erkannt, und Menschenwort nicht mehr Verständlich war, und menschliches Gesetz, Da faßte mich die Deutung schaudernd an: Es war der scheidende Gott meines Volks! Den hört ich, und zum schweigenden Gestirn Sah ich hinauf, wo er herabgekommen. Und ihn zu sühnen, ging ich hin. Noch wurden uns Der schönen Tage viel. Noch schien es sich Am Ende zu verjüngen; und es wich, Der goldnen Zeit, der allvertrauenden, Des hellen kräftgen Morgens eingedenk, Der Unmut mir, der furchtbare vom Volk, Und freie feste Bande knüpften wir, Und riefen die lebendgen Götter an. Doch oft, wenn mich des Volkes Dank bekränzte, Wenn näher immer mir, und mir allein, Des Volkes Seele kam, befiel es mich, Denn wo ein Land ersterben soll, da wählt Der Geist noch Einen sich zuletzt, durch den Sein Schwanensang, das letzte Leben tönet. Wohl ahndet ichs, doch dient ich willig ihm. Es ist geschehn. Den Sterblichen gehör ich Nun nimmer an. O Ende meiner Zeit! O Geist, der uns erzog, der du geheim Am hellen Tag und in der Wolke waltest, Und du o Licht! und du, du Mutter Erde! Hier bin ich, ruhig, denn es wartet mein Die längstbereitete, die neue Stunde. Nun nicht im Bilde mehr, und nicht, wie sonst, Bei Sterblichen, im kurzen Glück, ich find Im Tode find ich den Lebendigen Und heute noch begegn' ich ihm, denn heute Bereitet er, der Herr der Zeit, zur Feier, Zum Zeichen ein Gewitter mir und sich. Kennst du die Stille rings? kennst du das Schweigen Des schlummerlosen Gotts? erwart ihn hier! Um Mitternacht wird er es uns vollenden. Und wenn du, wie du sagst, des Donnerers Vertrauter bist, und Eines Sinns mit ihm Dein Geist mit ihm, der Pfade kundig, wandelt, So komm mit mir, wenn itzt, zu einsam sich, Das Herz der Erde klagt, und eingedenk Der alten Einigkeit die dunkle Mutter Zum Aether aus die Feuerarme breitet Und itzt der Herrscher kömmt in seinem Strahl, Dann folgen wir, zum Zeichen, daß wir ihm Verwandte sind, hinab in heilge Flammen. Doch wenn du lieber ferne bleibst, für dich, Was gönnst du mir es nicht? wenn dir es nicht Beschieden ist zum Eigentum, was nimmst Und störst du mirs! O euch, ihr Genien, Die ihr, da ich begann, mir nahe waret, Ihr Fernentwerfenden! euch dank ich, daß ihr mirs Gegeben habt, die lange Zahl der Leiden Zu enden hier, befreit von andrer Pflicht In freiem Tod, nach göttlichem Gesetze! Dir ists verbotne Frucht! drum laß und geh, Und kannst du mir nicht nach, so richte nicht! Dir hat der Schmerz den Geist entzündet, Armer. Was heilst du denn, Unmächtiger, ihn nicht? Wie ists mit uns? siehst du es so gewiß? Das sage du mir, der du alles siehst! Laß still uns sein, o Sohn! und immer lernen. Du lehrtest mich, heut lerne du von mir. Hast du nicht alles mir gesagt? O nein! So gehst du nun? Noch geh ich nicht, o Alter! Von dieser grünen guten Erde soll Mein Auge mir nicht ohne Freude gehen. Und denken möcht ich noch vergangner Zeit, Der Freunde meiner Jugend noch, der Teuern, Die fern in Hellas frohen Städten sind, Des Bruders auch, der mir geflucht, so mußt Es werden; laß mich itzt, wenn dort der Tag Hinunter ist, so siehest du mich wieder. (Schlusschor des ersten Aktes) Entwurf. Neue Welt und es hängt, ein ehern Gewölbe der Himmel über uns, es lähmt Fluch die Glieder den Menschen, und die stärkenden, die erfreuenden Gaben der Erde sind, wie Spreu, es spottet unser, mit ihren Geschenken, die Mutter und alles ist Schein – O wann, wann Schon öffnet sie sich die Flut über die Dürre. Aber wo ist er? Daß er beschwöre den lebendigen Geist [Entwurf zur Fortsetzung der dritten Fassung] Entstanden 1799/1800, Teildruck in: Sämmtliche Werke, Stuttgart und Tübingen 1846, vollständig in: Hölderlins gesammelte Dichtungen, hg. v. B. Litzmann, Stuttgart 1896. [Entwurf zur Fortsetzung der dritten Fassung] Chor. Zukunft. Zweiter Akt. Erste Szene. Pausanias Panthea. Zweite Szene. Strato. Gefolge. Dritte Szene. Strato allein. Chor. ? Dritter Akt. Empedokles. Pausanias. Panthea. Strato. Manes. Gefolge des Strato. Agrigentiner. Chor. ? Vierter Akt. Erste Szene. Empedokles. Pausanias. Panthea. lyrisch oder episch? Zweite Szene. Elegisch her. Empedokles. Her. el. Dritte Szene. Manes Empedokles. lyrisch her. Vierte Szene. Empedokles. her. lyrisch. Fünfter Akt. Manes. Pausanias. Panthea. Strato 1 Agrigentiner. Gefolge des Strato. Fußnoten 1 Manes, der Allerfahrne, der Seher erstaunt über den Reden des Empedokles, und seinem Geiste, sagt, er sei der Berufene, der töte und belebe, in dem und durch den eine Welt sich zugleich auflöse und erneue. Auch der Mensch, der seines Landes Untergang so tödlich fühlte, könnte so sein neues Leben ahnen. Des Tags darauf, am Saturnusfeste, will er ihnen verkünden, was der letzte Wille des Empedokles war.