Ludwig Christoph Heinrich Hölty Sämtliche Gedichte Der Winter Die Erde traurt im weißen Todtenkleide, Und übergiebt sich träger Ruh. Kein Westwind haucht dem Wandrer Scherz und Freude Mit frischen Veilchendüften zu. Der Ströme und der Bäche Urnen schließet Des wilden Winters kalte Hand; Und Boreas durchwühlt die Luft, und gießet Ein Meer von Flocken auf das Land. Nun sinken auf die Wälder Silberhüllen, Und auf das fahle Hüttendach Des Landmanns. Hohe Schneegebürge schwillen Rings um den kleinen Wiesenbach. Er murmelt keine Wonne durch die Fluren, Wie er im jungen Frühling that. An seinem Ufer schlummern welke Spuren Der Blume, die der Frost zertrat. Der Landschaft vormahls bunte Scenen liegen Entstellt. Ein finstrer Schleyr umzieht Des Tages Antlitz. Neue Flocken fliegen Im Luftraum, wo kein Phoebus glüht. Sey mir, du Flur, du weißgeschleyrte Erde Gegrüßet! Deine Majestät Bezaubert mich, wiewohl jetzt keine Herde Auf deinen öden Triften geht, Und keine Harmonie die Schattengänge Des Waldes füllt. Ich liebe dich Mehr als den Flitterprunk, und das Gedränge Der Stadt, von der die Ruhe wich. Die Schönen wandeln hier im Hermeline Den Bällen zu, und Chloe fängt Mit ihrem Busen, ihrer Zaubermiene Den Stutzer, der ihr Weyhrauch schenkt. Die Siegerin! Die Männerblicke hangen An ihrem Haar, an ihrer Brust, Die immer wallt, an ihren Rosenwangen, Und sie ist ihres Siegs bewußt. Nun rollen, gleich des Windes Flügeln, Schlitten Durch des gedrängten Pöbels Schwall; Und Stentor trabt mit abgemeßnen Schritten, Sobald der Abend winkt, dem Ball. Entgegen, wo sein Lockenbau und Weste Der Schönen Augen auf sich reißt. Sein Federhut verräth, er sey der größte Erfindungsvollste, feinste Geist. Hier dreht man sich im Tanze, Der labyrinthisch sich verstrickt, Und von der jungen Schönen Myrtenkranze Wird oft ein Blätchen abgepflückt.