Elegie auf einen Dorfkirchhof (Keine Nachahmung des Gray, sondern nur eine Ausführung derselben Idee) Mit dem letzten Schall der Abendglocke, Die den jungen Maytag Weinend jetzt zu Grabe läutet, wandle Ich in diese Schatten. Vor mir schwimmt die bunte Frühlingslandschaft Schon im Dunkel; Luna Tritt entschleyert aus den Wolken, mischet In die Schatten Silber. Wie die Königinn mit voller Wange Durch die Linde lächelt, Wo ich sitze, und die Epheuranken Dort am Kirchthurm malet! Scene, welche vor mir lieget, gieße Wehmuth mir zum Busen! Süße Ruhe schlinget hier die Arme Um des Landmanns Urne. Welch Gemisch von grünen Leichenhügeln! Gelbe Blümchen breiten Teppiche darüber, wilder Wermuth Ueberragt die Hügel. Flittergold und rothe Bänder rauschen Von den schwarzen Kreuzen, Welche Gräber zeichnen, wo ein Jüngling, Wo ein Mädchen schlummert. Am Geschwätz des Baches, auf den Matten Flogen ihre Füße Oft im Tanze, wenn ein alter Bergmann Auf der Cyther spielte. Mit dem Blumenstrauße vorn am Busen Hüpfte dann das Mädchen Durch die Veilchen. Junger Buchsbaum nickte An des Jünglings Hute. Sie umtanzten, wenn die blanken Sicheln Nicht mehr in den Furchen Rauschten, ihren Aerntekranz, und sangen Ihres Herzens Regung. – Graue Leichensteine ragen einzeln, Rund mit Moos bewachsen, Und mit Todtenköpfen, Stundengläsern, Engeln ausgeschmücket. Keine Inschrift, die von Ordensbändern, Langen Ehrentiteln, Die von Ahnen und von Würden strotzet, Rufet hier den Wandrer. Wenig Zeilen, die den grauen Sandstein Ueberfüllen, melden Wer hier ruhet: Greise, treue Väter, Tugendhafte Mütter. O was nützt der Marmor? Schläft man etwan Einen süßern Schlummer Unter Ehrensäulen, als der Landmann Unter seinem Rasen? – Diese kleinen Leichenhügel decken Kinder. Eh' die Knospe Ihrer Kindheit sich entfaltet, wurden Sie des Grabes Beute. Auf den goldnen Schlüßelblumenglocken, Die die Gräber kränzen, Blinken oft die Zähren ihrer Mütter; Warme, treue Zähren! Sie verhüllen – o die guten Mütter! – Oft die feuchten Augen In die Schürze, wenn sie wider Willen Diese Hügel sehen. O die guten Kinder! Sie durchhüpften Oft den Garten, flochten Sich von jungen Gänseblumen Kronen, Kränzten ihre Haare. Frölich raubten sie dem Vater Küße Von den braunen Wangen, Wenn er sie, voll Zärtlichkeit beym Heerdfeu'r, Auf den Knieen wiegte. – O ihr Blümchen und ihr Wermuthstauden, Deckt oft beßre Herzen, Größre Geistesgaben, als der Marmor Mit der Heroldsstimme. Mancher, deßen keimende Talente Nie zur Reife kamen, Ruht vielleicht hier unter diesen Kreuzen, Unter diesen Rasen. Mancher, der mit kühnen Saitengriffen, Feuer in der Seele, Dich, o Tugend, dich, o Blumengeber, Lenz, besungen hätte! Schlummert sanft, ihr frohen Dorfbewohner, Hier um eures Tempels Gothisches Gebäude! Winkt, ihr Gräber, Mir oft süße Schwermuth!