Berliner Schnitzel Ich bin ein armer Reiter, Auch beisst und schlägt mein Gaul, Ich bin ein grober Streiter Und führ ein grobes Maul. Gottfried Keller Initiale Die deutsche Sprache war einst in alter Zeit Ein blondes Vollweib, das durch die Wälder strich; Doch heut ist längst ihr schlotternder Busen Platt wie ein Plättbrett! Das gute Frauchen hat zu viel Thee geschluckt Und leidet nun an Husten und Heiserkeit; Ich aber frage, wann wird sie wieder Saugrob wie Luther? Programm Kein rückwärts schauender Prophet, Geblendet durch unfassliche Idole, Modern sei der Poet, Modern vom Scheitel bis zur Sohle! Die deutsche Dichtkunst Die deutsche Dichtkunst schrieb notorisch Sich selber den Uriasbrief, Seit das Gefühl ihr obligatorisch Und der Verstand nur facultativ. Suum Cuique Ich weiss, ich bin euch zu polemisch; Doch die Dichteritis ist heut epidemisch. Und kann ich ihr nicht das Maul verriegeln, So will ich ihr doch den Hintern striegeln! Die Simpeldichter Die Simpeldichter hör ich ewig flennen, Sie tuten alle in dasselbe Horn Und nie packt sie der dreimal heilge Zorn, Weil sie das Elend nur aus Büchern kennen. Chorus der Lyriker O Mainacht, Mond und Mandoline! Wer schwärmte früher für Lassalle? Heut gellt der Pfiff der Dampfmaschine Ins Hohelied der Nachtigall! Man schimpft uns »ewge Sekundaner«, Doch falsch ist ihre Strategie: Wir sind die letzten Mohikaner Der deutschen Stimmungspoesie. Wir klopfen an die leere Tonne Und rufen: Wein her, rothen Wein! Auch uns erfreut das Licht der Sonne, Nur darf es nicht elektrisch sein. Lasst uns die Henkelkrüge schwingen: Ju Evoë, Anakreon! Was geht die Zeit uns an? Wir singen Vom Mammuth und vom Mastodon! Donner und Doria! Das ist so heute der Herren Manier: Man setzt sich ans Schreibpult wie an ein Klavier; Vor sich drei Bogen gelbes Concept Und kommt sich vor wie ein alter Adept. Dann taucht man ins schwarze Gallelement Sein Selbstberäucherungsinstrument; Träumt sich nach Memphis, Korinth und Walhall Und gebiert einen mächtigen Phrasenschwall. Daneben spuckt man nach Recht und Pflicht Der neuen Zeit in ihr Prosagesicht; Und hat man sich dick mit Gefühlen beschwert, Wird drüber der Thränenkübel geleert. Dann druckt es der Drucker auf fein Velin, Der Buchbinder bindet's in Maroquin Und schliesslich schimpft's die Kritik: »Poesie« – Blasphemie!!! An unsre Modedichter Noch ehe die Zukunft euch richtet, Verfallt ihr der ewigen Nacht Weil ihr zu viel gedichtet Und weil ihr zu wenig gedacht! Traurig aber wahr Die deutsche Muse – hört's, ihr Patrioten! – Warf ihre Flinte lachend längst ins Korn; Mit Heinrich Heine riss sie freche Zoten Und rülpst nun Verse à la Klappenhorn. Theorie Was mir im Hirn als Wissen glüht, Gilt noch nicht eine dieser Strophen. Der Tiefsinn, den die Rose blüht, Verlacht den Schweiss der Philosophen. Recept Nicht wahr, du bist ein grosses Thier? So sprich, was ist zum Dichten nütze? Eine Perryfeder, ein Bogen Papier, Ein Tintfass – und ein Schädel voll Grütze! Stossgebet! Eins ist Noth, ach Herr, dies Eine Lehre mich vollbringen hier, Und mein Schutzpatron, der Heine, Schärfe meine Klingen mir; Gürt mein Herz mit Siegfriedsleder, Giess ins Hirn mir tausend Lichter Und befiehl in meine Feder Unsre sogenannten Dichter; Dichter, deren ganzer Codex Essen, Trinken, Trinken, Essen, Dichter, die sich in den Podex Hämorrhoiden eingesessen! Grüss Gott, ihr Folianten, Hurrah in den Tod! Spielt auf, Musikanten, Das Eine thut Noth! Offener Brief Lasst euch begraben, ihr Philologen, Bei mir habt ihr den Kürzern gezogen! Drei winzige Jährchen erst ist es her, Da habt ihr geflucht die Kreuz und Quer: Der Kerl, der hat zu lange Ohren, An dem ist Hopfen und Malz verloren! Und heute? Donner und Doria! Grenzt das nicht schamlos an einen Eclat! Zwar, was er weiss, ist nur autodidaktisch, Aber das Faktum ist eben faktisch: Er capirte die deutsche Poesie Auch ohne die griechischen Verba auf mi! An Neunundneunzig von Hundert Ihr schwatzt befrackt hoch vom Katheder Von alter und von neuer Kunst, Von Fleischgenuss und Sinnenbrunst, Und gerbt nur Leder, altes Leder! Ihr lasst um jede Attitüde Ein weissgewaschnes Hemdchen wehn, Denn um die Schönheit nackt zu sehn, Sind eure Seelen viel zu prüde! Als Wegzehrung Gott weiss, du bist ein braver Junge, Noch neune solcher machen zehn, Dein Herz ist rein wie deine Zunge Und schwerlich wirst du untergehn. Du wogst noch niemals eine Lanze Und singst von Liebe nur und Lenz – So geh denn hin, mein Freund, und tanze Den Eiertanz der Convenienz! Bibelbiereifrig! Hier Genie und dort Talent! Jeder Mensch hat sein Pläsirchen – So ein armer Recensent Ist das ärmste aller Thierchen. Wenn es pfaucht und wenn es zischt, Lass es, lass es sich nur schinden, Denn dem Ochsen, der da drischt, Sollst du nicht das Maul verbinden! An meine Freunde Noch immer, ihr Freunde, florirt der Leim, An dem die Dummen sich leimen; Die Dichter reimen und reimen Und noch immer erscheint das »Dichterheim«! Drum schaart euch zusammen nun Mann an Mann Und wetzt eure Schwerter und sagt mir an: Wann werden wir endlich zu Boden treten Das lyrische Kruppzeug der Afterpoeten? Das kommt davon! Mit achtzehn Jahren schrieb er Verse Und frug die Welt nach ihrem Preis, Tragödien schmierte er diverse Und Epen vollends dutzendweis. Doch jede Schuld auf Erden rächt sich! Schon Goethe war's, den das verdross. Heut ist er circa fünfundsechzig Und – Kritiker der Tante Voss! An mich selbst Lass die Rosen ihren Duft Amseln streun und Finken, Dürsten sollst du nach der Luft, Draus die Adler trinken! Blut ist Blut nur wenn es rollt, Glück lässt sich erhaschen, Wolkenblau und Sonnengold Pfropft man nicht in Flaschen! An die Conventionellen Ihr habt genug mein armes Hirn gebüttelt, Ich käu nicht wieder wie das liebe Vieh; Längst hab ich von den Schuhen ihn geschüttelt, Den grauen Schulstaub eurer Poesie! Ich hab mich umgesehn in meinem Volke Und meiner Zeit bis tief ins Herz geschaut Und nächtlich ist aus dunkler Wetterwolke Ein heilig Feuer in mein Lied gethaut. Nun ruf ich zu des Himmels goldnen Kronen: Dreimal verflucht sei jegliche Dressur! Zum Teufel eure kindischen Schablonen! Ich bin ein Mensch, ich bin ein Stück Natur! En passant Was soll uns heut lyrisches Mondscheingewimmer? So seid doch endlich still davon! Ihr ändert's ja doch nicht, die Zeit ist noch immer Die alte Hure von Babylon! Das Eisen der Kraft hat sie spielend zerbrochen, Sie schnitzt sich Heroen aus jedem Wicht Und saugt uns das Mark aus unsern Knochen Mit ihrem weissen Sirenengesicht. Die Flammen der Freiheit sind lange vergluthet, Die Herzen schlagen, die Herzen schrein – Eh der neue Messias sich verblutet, O heilige Sintfluth, brich herein! An die Autoritätsklauber Schon immer hat uns der Magen gebellt, Auch ohne den modischen Materialismus, So alt wie diese alte Welt Ist ergo auch Zolas Zolaismus. Drum poltert nur, poltert: Bezuckerter Mist! Er fürchtet nicht eure kritischen Besen, Ist doch der erste »Naturalist« Schon der alte Vater Homer gewesen! An gewisse Quidams Ich weiss, ihr wünscht mir die Pest an den Hals, Ihr geberdet euch täglich entzückter; Drum flucht nur, er ist uns nichts weiter, als Ein verrückt gewordner Verrückter! Doch verlästert mich nicht. Denn dann seid ihr verratzt Und der Teufel kommt gleich, euch zu holen, Denn ich habe noch nie eine Jungfer beschwatzt Und silberne Löffel gestohlen! Die achte Todsünde Ein Dichter darf mit seinen Sachen, Uns wüthend, darf uns rasend machen, Wir stecken's schliesslich ruhig ein, Wer wird denn immer: »Kreuzigt!« schrein? Nur Eins wird man ihm nie verknusen, Und gäb's statt neun selbst neunzig Musen: Wenn er in Reimen wässrig thränt, Indess sein armer Leser gähnt. Drum, wer uns langweilt oder ledert, Verdient, dass man ihn theert und federt! Pro Domo Weh, unser Zeitgeist liegt noch in den Windeln: Die Juden schachern und die Pfaffen schwindeln! Den Freund erschiesst man im Duell Und sucht die Liebe im Bordell. Die deutsche Sprache wird gefälscht, Gekauder- und salongewälscht Und wässrig thront auf dem Parnass Die aurea mediocritas. Drum schimpft nur weidlich: »Pamphletist«, Ich bin nur Stimmungspessimist! Dito Ich bin mein eigner Kritikus, Drum spart euch eure klugen Reden, Sagt doch ein alter Pfiffikus: Nicht jede Formel passt auf Jeden. Mir hätt es so, mir so behagt, Schon gut, schon gut, ihr lieben Leute; Ihr wisst ja, was das Sprichwort sagt, Der Jäger pfeift, es bellt die Meute! Doch dass ihr auch der Weisheit Schluss, Der Wahrheit Wahrheit mögt erfahren, Sagt jener selbe Pfiffikus: Die Thorheit wächst oft mit den Jahren! Selbstporträt Nur Wenigen bin ich sympathisch, Denn ach, mein Blut rollt demokratisch Und meine Flagge wallt und weht: Ich bin nur ein Tendenzpoet! Auf Reime bin ich wie versessen, Drum lob ich plötzlich die Tscherkessen Und wüst durch mein Gehirn scherwenzen Verrückt gewordene Sentenzen. Mein Blut rollt schwarz, mein Herz schlägt matt, Mein Hirn hat noch nicht ausgegoren, Denn meine gute Mutter hat Mich hundert Jahr zu früh geboren! An mehrere Kritiker Ja, diese Welt starrt voller Klippen, Ein Jeder sehe, wie er's treibt; Denn glattrasirt wie eure Lippen, Sind auch die Worte, die ihr schreibt! Auch seid ihr durch und durch »aesthetisch« Und fast so prüde wie John Bull, Und so beweist ihr arithmetisch, Dass mein Talent so gut wie Null. O, wühlt nur um mit euern Poten, Den alten Philologenjux – Die Nachtigall singt nicht nach Noten, Sie singt, wie ihr der Schnabel wuchs! Leider! Die Welt ist heute verteufelt praktisch, Verteufelt praktisch mit Mann und Maus, Und selbst die neun Musen sehen didaktisch Wie englische Gouvernanten aus! Die Rosen verblühn und der Wein versauert, Und Keiner lacht, wenn die Sonne scheint, Denn die Jugend ist skeptisch verschopenhauert, Und das Alter leider schon längst versteint. Uns stürzt in tausend dunkle Miséren Das alte, verfluchte Warum und Wie, Und keiner, keiner kann sie entbehren Die Bettelpfennge der Philosophie! Verschiedenen Collegen Ihr armen Dichter, die ihr »Philomele« In jedem Lenz noch rythmisch angeschwärmt, O, wenn ihr wüsstet, wie sich meine Seele Um ihre gottverlassnen Schwestern härmt! Dreht ihr auch noch so ernsthaft eure Phrase, Der Teufel setzt sie lustig in Musik, Denn eine ungeheuer lange Nase Hat seine Grossmama, die Frau Kritik. Dreierlei Ich bin ein Dichter und kein Papagei Und lieb es drum, in unsre Zeit zu schauen, Und doch missfällt an ihr mir dreierlei, Und dieses Factum kann ich schwer verdauen: Die jungen Damen werden nie mehr »blind«, Die jungen Herrn sind meistens eitle Schöpse Und – last not least – die echten Thränen sind Noch seltner heute als die echten Möpse! Das beste Wappen Das beste Wappen auf der Welt, Das ist: Ein Pflug im Ackerfeld. Stimmt! Das Einmaleins und das Abc Ist nichts als die Weisheit im Negligee. Einem Kritiker Das grösste Maul und das kleinste Hirn Wohnen meist unter derselben Stirn. Collega Collegæ Dein Lied ist ein schreiendes Transparent, Dahinter dein Hirn wie ein Talglicht brennt. Kritiksucht Wenn die Kritiksucht unsre Kunst, En masse schablonenhaft verhunzt, Fällt mir der Vers ein, der famose: Du stinkst, sprach einst das Schwein zur Rose. An meine Kritiker Noch niemals hab ich mich geduckt, So oft ihr auch gegen mich aufgemuckt; Das macht, ihr seid total entnervt: Ihr donnert, eh ihr Blitze werft! Einem »Freunde« Nur selten hab ich mich ereifert, Wenn du mich hinterrücks begeifert; Dein Grund ist jedenfalls sehr triftig, Auch kleine Kröten sind ja giftig! Einem Pseudonym Zwar deine Reime sind nur selten weibliche, Doch was sie meinen ist das Ewig-Leibliche; Lass ab, du lockst uns doch nicht in den Sumpf, Durch deine Phrasen lugt der blaue Strumpf! Einem abgeblitzten Collegen Von Kritikern ein ganzes Rudel Sprang dir wie Wölfe bissig ins Genick; Und schön begossen wie ein Pudel, Senkst du nun schamhaft vor der Welt den Blick. O dieses alberne Gelichter! Wann endlich wird es endlich sich denn klar: Noch niemals gab es einen Dichter, Der dümmer noch als seine Verse war! Unser Wortschatz Die Philologen, die sich stritten, Rechneten Wort für Wort zurück Und sahn: der Schatz des grossen Britten, Umfasste fünfzehntausend Stück! Doch heut im neunzehnten Jahrhundert Die Dinger wie der Wind verwehn: Ein Droschkenkutscher braucht fünfhundert, Ein lyrischer Dichter nur circa zehn! Einem Fortschrittsleugner Dein Hypothesenungeheuer Hat mich noch niemals recht erbaut. Der Weltgeist ist ein Wiederkäuer, Der ewig frisst und nie verdaut? Still, still, mein Lieber; also spricht Nur Einer, den der Haber sticht, Denn könnt' ich, hoch im Himmel hausend, Nur um ein lumpiges Zehnjahrtausend Dein Hirn nach rückwärtshin verrenken, Du würdest anders drüber denken! Schon gut! Schon gut! Du weisst schon, wie ich's meine. Lügen haben kurze Beine. Wahrheiten aber – Mensch sei helle! – Beträchtlich breite Hinterkastelle. Et altera pars! Schon Joseph Viktor von Scheffel sagt: Lass Von Klassen-, Rassen- und Massenhass! Doch bitte, zähme auch deine Triebe In Klassen-, Rassen- und Massenliebe! Sansara Das Nichts, das nie und nirgendwo, Suchst du vergeblich zu beweisen; Es ist und bleibt nun einmal so: Du grübelst und die Sterne kreisen! Abfertigung Wohl machst du mir für mein Talent Ein ungeheures Compliment, Doch schone, Freundchen, deine Lunge, Denn wo das Herz spricht, schweigt die Zunge. Trotzalledem! Die sieben Farben und die sieben Töne, Der Welt Gestaltung und der Menschheit Treiben, Das Ewigwahre und das Ewigschöne Wird ewigwahr und ewigschön verbleiben. Urewig Urewig ist des grossen Welterhalters Güte, Urewig wechselt Herbstblattfall und Frühlingsblüthe, Urewig rollt der Klangstrom lyrischer Gedichte, Denn jedes Herz hat seine eigne Weltgeschichte. Es bleibt sich gleich! Es bleibt sich gleich! Ob du ein sogenannter Glückspilz bist, Der bunte Wäsche trägt, Coupons abschneidet Und nur Havannahs zu fünf Mark das Stück raucht, Ob du am Rand der staubigen Chausee Blödsinnig niederkniest und Steine klopfst, Es bleibt sich gleich! Nur deine Brille thut's. Der hohle Zahn, der dem Idioten weh thut, Schmerzt auch den besten Mathematiker. Und die Carriere, die der Leutnant X macht, Ist grad so glänzend und verführerisch, Wie die von seinem Putzer Y; Am Ende kommt der Todtengräber Z, Macht: Papperlapapp, genehmigt sich ein Nordlicht Und pfeift auf Beide ... Der Ruhm? Der Ruhm? Ein Ding, das unter sogenannten Brüdern Fast so reel wie eine Seifenblase? Geh, lass dir deine Nase putzen, Junge! Ein Rollmops, den die Mitwelt mit mir theilt, Wird mir unendlich schmeichelhafter sein, Als tausend stilgerechte Mausoleen. Die enthusiastisch mir die Nachwelt baut. Auch ist es Lüge, dass die Liebe sich Mitunter auf ein Rosenblatt verirrt. Auf dieses Monstrum hab ich Jagd gemacht Wie ein Professor, der Botanik liest, Vom Brocken bis zum Popokatepetl. Doch, was die Dichter mir auch vorgefaselt, Ich fand sie all mein Lebtag nur im Kuhdreck! Sei ein Philister! Sei ein Philister, der sich stillvergnügt Die Marseillaise auf den Bierbauch trommelt, Doch beiss dir deine Finger ab, mein Junge, Wenn du Talent zu einem Herrgott hast! Auch sieh dich vor, dass du um Mitternacht, Wenn dir der Vollmond schneeweis ins Gesicht scheint, Nicht einmal unversehns pathetisch wirst, Mit dem Revolver vor den Spiegel tappst, Ihn deinem Doppelgänger vor die Brust setzt Und theatralisch à la Hamlet fragst, Wozu denn eigentlich der ganze Schwindel? Frag lieber, wenn du's durchaus nöthig hast, Warum den Blocksberg keine Flöhe beissen, Wie oft sich Robespierre wohl rasiren liess, Was zalmi dupi deutsch heisst, kurz etc.! Das Beste freilich, doch – wozu noch reden? Addire nichts und nichts, und du thust das, Was Gott thut, als er diese Welt erschuf. »Adam Mensch« Ob eine Wurst, die nachts im Rauchfang hängt Sich noch Gedanken über einen Stern macht, Der golden über Ihrem Zipfel brennt? In dies Problem sich wie ein Maulwurf grübelnd, Bepinselte er seine Nase sich Vor seinem Spiegel kunstvoll mit Zinober, Schrie Kikriki, frass siebzehn saure Gurken, Soff dann diverse Kübel Buttermilch Und starb zuletzt als – Sultan von Marokko. Einem »Tondichter« Du bist, ein Jeder nimmt drauf Gift, Das Theekind aller alten Vetteln Und auch, was deine Kunst betrifft, Gerecht in allen Modesätteln. Uns fascinirt nicht nur dein Name, Du spielst wahrhaftig mit Talent – Zumal dein Lieblingsinstrument, Das goldne Kalbfell der Reclame! Richard Wagner als »Dichter« Das urigste Poetastergenie, Das unser Jahrhundert geboren; Schon beim Anhören seiner Hotthüpoesie Verlängern sich unsre Ohren! Der deutschen Sprache spie dreist ins Gesicht Seines Stabreims Eiapopeia – Ein demokratischer Krebs, der Verse verbricht: Wigala Wagala Weia! An Gottfried Keller Die Weisheit lieh dir ihre Huld, Die Schönheit steht in deiner Schuld. Durch deine Verse blitzt und rollt Goethe'sches Gold! Ich möchte dich bis in den Himmel heben, Doch ach, du glaubst ja nicht an ihn, Denn nur die Erde trägt dir Reben, Rothe Rosen und weissen Jasmin. Du bist mir auf hundert von Meilen entrückt, Doch hab ich dir oft schon die Hand gedrückt Und jauchz dir nun zu durch Nebel und Dunst Das alte Sprüchlein: Gott grüss die Kunst! An die Wölfflinge Noch immer währt die Aventiurenplage – Allwöchentlich ein Buch von zwanzig Bogen! Wir aber thun stets unsre alte Frage: Habt ihr euch immer noch nicht ausgelogen? Seht, eure Herzen wickelt ihr in Watte Und malt drauf zierlich: Vorsicht! Porzellan! Und ist auch manches »Vater, Mensch und Gatte«, Sein Lumpenpack ist jedenfalls im Thran. O, werft ins Feuer euer Flickenkleid, Am nächsten Stein zertrümmert euern Psalter, Den uns »Modernen« liegt die Bronzezeit Wahrhaftig näher als das Mittelalter! An Albert Träger Du überschwemmst das ganze Land Als Mutterliederfabrikant Und bist, soviel du auch geschrieben, Immer ein kleines Kind geblieben. An Max Kretzer Du bist das wahre Urgenie Der Hintertreppenpoesie; Damit sie wirkt, versetzst du deine Schrift Mit Brausepulver und mit Rattengift! An Joseph Victor von Scheffel Du schwankst als Urbild hin und her Eines süffelnden Philosophen, Im Magen liegen uns centnerschwer Deine vorsintfluthlichen Strophen. Jahrzehntelang lagen sie uns zur Last, Deine altdeutsch jodelnden Leute, Doch dass du den Ekkhart geschrieben hast, Das danken wir dir noch heute! Felix Dahn Lyrisch hat er geasathort Schon als ein Jüngling mit lockigen Haaren; Achtung, in seinem Schädel rumort Ledern die Weisheit von tausend Jahren! Aber, verbrach er auch manchen Quark, Unser Volk wird ihn ewig lieben, Hat er doch einst, die Knochen voll Mark, Herrlich den »Kampf um Rom« beschrieben! Einem Gartenlaubendichter Ach, lieber Emil, hab Erbarmen, Pust aus dein kleines Dreierlicht! Denn die schwarzweissrothen Gelegenheitscarmen Haben wir endlich dick gekriegt. Du bist und bleibst ein blosser Reimer, Kein echter Sohn des Vater Rhein, Und schenkst deinen Lesern, statt Rüdesheimer, Nur versificirten Dreimännerwein. An Rudolf Baumbach Mondschein, Zuckerwasser und Flieder Waren dir schon von je zuwider; Besser blinkender Sonnenschein, Rauschende Tannen und alter Wein! Ja, das ist deine ganze Devise, Du unter Zwergen der einzige Riese! Bist uns so plötzlich hereingeschneit, Du und die alte Zigeunerzeit! Zwar unsre Sphinx wirst du schwerlich errathen, Aber ein Wort von dir gilt uns Dukaten; Und deine Weltweisheit lacht uns ins Herz, Wie ein Shakespearscher Falstaffscherz: Pfeif auf die Weisen, pfeif auf die Thoren, Schlage die Welt dir forsch um die Ohren Habe das Herz auf dem rechten Fleck, Alles andre – ist ein Dreck! An Adolf Friedrich von Schack O Gott, wie ledern respective blechern Ist doch der Quark von all den Versverbrechern, Die heut mit selbstgefälligem Behagen Das Tretrad schwingen und das Tamtam schlagen! Nur du schwingst nicht das Weihrauchfass der Mode Und beugst vor deinem Publikum das Knie, Du weihst dich als begeisterter Rhapsode Dem Hohenpriesterdienst der Poesie! Die Zeit ist eisern, eisern ihr Beruf, O, dass sie endlich ihres Sohns gedächte, Des Sohns, der ihr die »Weihgesänge« schuf, Sie und des Orients wundervolle »Nächte«! Seit mir die Muse lächelnd zugenickt, Hab ich mit Staunen zu dir aufgeblickt Und winde dir nun in dein Kranzgeflecht: »Ich danke dir!« Das kommende Geschlecht. An Friedrich Rückert Du warst im Leben Unterthan und Christ, Und mehr als einmal auch ein Erzphilister, Drum trauern, dass du schon gestorben bist, Noch heute alle Unterrichtsminister. Denn lebtest du noch, dich ernannten sie, Ich schwör's bei allen abgehaunen Zöpfen, Zum Mandarin der deutschen Poesie, Zum Mandarin mit dreizehn Knöpfen! Unsre Zeit Ja, unsre Zeit ist eine Dirne, Die sich als »Mistress« produzirt, Mit Simpelfransen vor der Stirne Und schauderhaft decolletirt. Sie raubt uns alle Illusionen, Sie turnt Trapez und paukt Klavier Und macht aus Fensterglas Kanonen Und Kronjuwelen aus Papier! Ein »garstig« Lied! Ein garstig Lied, pfui ein politisch Lied! So schrieb einst der Geheimrath, Herr von Goethe, Und wenn mein Grips nicht um die Ecke sieht, Tanzt auch die Welt noch heut nach dieser Flöte. Ich aber denke, heilige Dressur! Und folgre daraus dieses Eine nur: Dass Prügel für gewisse Kreise Auch heut noch eine Lieblingsspeise! Einstweilen! Die alte Welt ist ein altes Haus Und furchtbar ungemüthlich, Der Nordwind pustet die Lichter aus – Ich wollte, wir lägen mehr südlich! Ich wollte .... Puh Teufel, wie das zieht! Der Hagel prallt an die Scheiben, Drum singt nur einstweilen das tröstliche Lied: Es kann ja nicht immer so bleiben! Drei Dinge Drei Dinge haben hier im Leben Macht: Der Neid, die Hoffahrt und die Niedertracht; Doch, wenn sie dich auch noch so schön bespucken, Am Ende wirst du sie zu Boden ducken! Verloren aber bist du auf der Welt, Wenn sich die Dummheit dir entgegenstellt: Sie setzt Spinoza hinter Löbel Pintus Und hat die Weisheit aller Zeiten intus! Sie lacht wie ein Kretin dir ins Gesicht Und lästert alles, nur sich selber nicht; Und nichts bleibt übrig dir vor diesem Viehchen Als sacht dich in dich selber zu verkriechen! Nicht »antiker Form sich nähernd« In München schneit's, und das Volk schreit nach Brod. Gaslichtverbreitung. Der Aetna raucht und Fürst Bismarck ist todt. Nein, diese Zeitung! Wozu durch alle diese Ritzen Sein Blut ins Nichts vertropfen? Gemüthlich hinterm Ofen sitzen Und seine Pfeife stopfen! Die Sonne scheint, und die Welt ist rund. Grün wehn die Cypressen. Ein Schnabus lässt sich trinken und Ein Rollmops essen. Ultima ratio Wozu sich an den Galgen baumeln, Aus einem Nichts ins andre taumeln? Ein jeder Pastor macht's dir klar: Gott ist gewesen, eh er war. Doch zeit- und ursachloses Sein Begreift kein Mensch, versteht kein Schwein. Drum schliesslich lehrt uns unser Idol: Zeuge Kinder und baue Kohl! Für Schnillern etc.! Immer noch laufen sie uns in die Quer, Faust, Hamlet, Hiob und Ahasver. Aber ich finde, nachgerade Wird die Gesellschaft ein wenig fade. Zu viel Schminke, zu viel Theater, Zu viel Klimbim und zu viel Kater. Da lob ich mir Reuter und Wilhelm Busch. Für Schnillern etc. ein ander Mal Tusch! An den's gerichtet ist! Du bist ein Held, wie der König Saul, Und hätt ich bei Hofe Credit, Ich gäbe dir für dein grosses Maul Den Orden Pour le mérite! Und doch; vergeblich dein Ringen nach Ruhm, Zum Nebel verbleicht dein Glanz Vor dem Sigl'schen Mauldreckschleuderthum Des »Bairischen Vaterlands.« Amerika Oft frag ich lachend mich, weswegen Mit Lanzen, Schwertern, Spiessen, Keulen Dies todesfrohe Kämpfen gegen Concessionirte Eiterbeulen? Wie lang noch, und das Dunkel frisst Europas letzte Gaslaternen, Denn das Panier der Zukunft ist Das Streifenbanner mit den dreizehn Sternen. In memoriam! Alte Burschenherrlichkeit, Weh, man hat dich längst begraben, Denn nur noch an Soll und Haben Denkt die Menschheit dieser Zeit! Ihre Räder wühlen Schaum, Funken sprühen ihre Essen; Ach, und längst hat sie vergessen Ihrer Jugend goldnen Traum! Ausgebrannt ist jede Brust, Die Altäre stehn verlassen, Horch, und draussen auf den Gassen Predigt die entmenschte Lust! Um das Haupt des Helicon Schwirren tausend irre Fragen Und den Zeitgeist hört man klagen An den Wassern von Babylon! Lehrfreiheit Pst! Pst! sonst wackeln die Kronen, Ihr Herrn Professoren, seid still! Schon lauschen euch vierzig Millionen, Wahrhaftig, ihr schreit zu schrill. So lispeln sie heute von »Oben« Und drohn auch mitunter: Ei! Ei! Und die fettigen Spiessbürger loben Die brave Polizei. Sie üben sich tapfer im Beten Und bilden der Dummheit Spalier, Nur wir, eine Handvoll Poeten, Umjubeln ein ander Panier! Die Wissenschaft ist nicht zünftig, Sie ist wie das Licht allgemein! Dies Wörtlein soll heut und auch künftig Unser Ceterum censeo sein. An gewisse »Naturforscher« Das Licht wird leuchten, weil es leuchten muss, Drum knurrt nur immer: Ignorabimus! Transcendental ist nichts in der Natur, Transcendental ist eure Dummheit nur! Freilich! Dass sich die Gegensätze stets berühren, Ist manchmal auch noch heute zu verspüren, Denn diese Zeit der Culs und der Pomaden Ist auch die goldne Zeit der Hiobsiaden. Schauderhaft Uns lehrt das Christenthum en gros: Hier Erdenkloss, dort Himmelspächter! Doch unsrer Weisheit A und O Ist ein unsterbliches Gelächter! Einem Pietisten Dein Heil, versuch es anderwärts, Wenn frömmelnd dich der Teufel laust; Mein Katechismus ist mein Herz Und meine Bibel ist der Faust! Schliesslich! Jawohl, das Ding ist ärgerlich! Das Volk hat lange, graue Ohren, Und seine Treiber nennen sich Rabbiner, Pfarrer und Pastoren. Verhasst ist mir der Schwindelbau Der jesuitelnden Sophisten, Und überleg ich's mir genau, Hab ich Talent zum Atheisten. Tagtäglich schürt in mir den Spott Das fade Weihrauchduftgeträufel, Denn schliesslich ist der liebe Gott Doch nur ein dummer Antiteufel! Schwarz in Schwarz Beim Dulderherzen des Don Quixote, Jetzt streich ich's dick mit Rothstift an: Der bibelgeborne Christengott Ist nie und nimmermehr mein Mann! Die Schöpfung war einst sein erster Witz Und dieser Witz war herzlich schlecht, Denn oft schon traf es mich wie ein Blitz: Die Despotie hat leider Recht! Ein Volk, das heut nicht auf Prügel hört, Und eine Unschuld beim Ballett, Ein solches Erz-Phänomen gehört Ins Naturalienkabinett! Ad notam Ganz recht! Ganz recht! Kein Mensch muss müssen! Ich weiss, mein Herz, ein Wort zum Küssen! Nur Eins muss man, dies schärf' dir ein, Kein allzugrosses Rindsvieh sein! Stossseufzer Verfluchtes Epigonenthum, Aegypter- und Teutonenthum, Dass dich der Teufel brate! Schon längst sind wir fascikelsatt, Grinst doch durch jedes Titelblatt Das Dante'sche: »Lasciate!« Einem Orthodoxen Famos steht dir dein bunter Kittel, Doch was beschmierst du ihn mit Dreck? Die Religion ist nur ein Mittel Und du – erniedrigst sie zum Zweck! Variatio delectat Himmel, das halte ein Andrer aus! Die Welt ist wirklich ein Narrenhaus. Ewig sich selbst bleibt ihr uralter Schwindel, Manchmal nur wechselt sie schlau seine Windel; Den Teufel verlacht sie und wirft sich ins Knie Vor der Mutter Gottes von Medici! Al fresko Die Menschheit flucht in ihr ewiges Licht, Stündlich dräut ihr das Weltgericht Und sie schaudert bleich, im Herzen den Tod, Ins blutig verlodernde Abendroth. Die Zeit ist morsch wie ein Todtenbein. So ist es gewesen und so wird's sein: Roth vom Weltbaum taumelt das Laub, Völker und Kronen zerfallen zu Staub Und über das christliche JNRJ-Schild Hintaumelt ein nacktes Venusbild. »Die letzten Zehn« Was heulst du wie die römische Sibylle In unsre altarkadische Idylle Dein dreimal disharmonisches: »Mehr Licht!«? Schon immer war das Wappenthier der Dichter Ein Bandwurm und ein Nürenberger Trichter, Die Garde stirbt, doch sie ergiebt sich nicht! Wenn du durchaus nur säen willst, dann säe! Wir gönnen dir von Herzen deine Mühn. Doch wer wird krächzen wie die Nebelkrähe, So lange lenzroth noch die Rosen blühn? Wir rühren wacker unsern alten Kleister Im himmelblauen Regenbogenton, Sagt doch der Jupiter von Weimar schon: In der Beschränktheit zeigt sich erst der Meister! Καϑ όλην την γην Belustigt euch nur in grandiosen Metaphern Ueber die Papus und Zulukaffern, Die liebe Fetischdienerei Legt auch bei uns ihr faules Ei! Immer noch brennen in unsern Herzen Blutig die Aschermittwochskerzen Und nächtlich durchwittern die stille Luft Orgelhymnen und Weihrauchduft! Wie's gemacht wird! Und als sich der Pfaff einen Juden briet, Da schrieen die Junker Hurrah Und sangen das alte hochherrliche Lied: Hepphepp Juvivallerala! Doch das Volk stand auf und schrie Zeter und Mord, Hie Hecker und Robert Blum! Da erfand man schleunigst das Kautschukwort: Praktisches Christenthum! Hm! Da meinen Einige vermessen, Das Leben habe keinen Zweck; Man sieht's, sie haben nie gegessen Fasanenstiz und Schnepfendreck. Geisterduo Der Zeitgeist brennt wie trocknes Stroh Und singt: In dulci jubilo! Der Weltgeist brummt dazu im Bass: O vanitatum vanitas! Russisch! Sei doch kein Tropf, mein süsses Söhnchen! Steck ein das lumpige Milliönchen! Du kennst ja die Moral der Zeit: Der Himmel ist hoch und der Czar ist weit! Pfui Deibel! Ihr wisst, ich bin kein »von« Verehrer, Ich bin des Zeitgeists Strassenkehrer; Doch protzgere Kerle sah ich noch nie, Als die Schlotbarone der Plutokratie! Selbstredend! Mein Gott, wozu die Grillenplage? Noch blüht ja unsre haute volée! Noch heilt der Zeit gewaltge Frage Ein Titel und ein Portemonnaie. Noch wachsen täglich unsre Zöpfe, Der »Glaube« ist des Pudels Kern, Das Militär putzt seine Knöpfe Und das Antike wird modern. Noch scharr'n vor meinem Cab vier Pferde, Zu Fuss zu gehn ist ja gemein – »O wunderschön ist Gottes Erde Und werth, darauf vergnügt zu sein!« Für kleine Kinder Der alte Flötenspieler Pan, Der lehrte mich das Dichten: Ein Volk und ein Stückchen Marzipan Bestehn aus zweierlei Schichten. Die eine schlürft Austern und baut sich Kohl Und macht in Vaterlandstreue Und fühlt sich kannibalisch wohl Wie Goethes fünfhundert Säue. Die andere spielt tagtäglich Va banque Und kleidet sich in Lappen Und führt ihr ganzes Lebenlang Einen Hungerknochen im Wappen! Auf der Strasse Er küsste den Laternenpfahl Und hielt ihn fest umschlungen, Und um ihn freute der Skandal Ein Rudel Strassenjungen. Erst seinen Wochenlohn verschnapst In räuchriger Spelunke Und dann verkatert und verflapst Und voll wie eine Unke! Rothangepinselten Gesichts, Ein Don Juan der Posse So bettelte der Taugenichts Sich schliesslich in die Gosse. Da fiel mir ein ein bittrer Scherz, Das Wort, das euch bekannt ist: Der Wein erfreut des Menschen Herz – Zumal wenn er gebrannt ist! Ausgepfiffen! Das Leben ist eine Komödie Und geht oft über den Spass Und gleicht dann jener Tragödie, In der Einer den Andern frass. Und wenn wir's auch nicht wollen, Wir kommen doch alle drin vor Und spielen die nöthigen Rollen Vom Jean bis zum Heldentenor. Und wer mit seiner Visage Am besten zu gaunern gelernt, Erhält die nobelste Gage Und wird auch mitunter besternt. Ich studirte mir manche Falte Und trat vor das volle Haus, Doch blieb ich immer der Alte – Drum pfiff mich das Publikum aus! Strophen! Vita nostra brevis est; War der Vorzeit weise Lehre – Doch man hasst das Miserere, Heut ist sie schon längst verwest! Rollt die Zeit, rollt auch das Blut, Heute leben wir wie morgen; Unsre Teufel heissen Sorgen, Unsre Götter Geld und Gut! Jede Blüthe wird umkreist, Jede Blume wird gebrochen, Und nach Monden schon und Wochen Weiss man was Blasirtheit heisst! Stahl und Eisen, Blut und Dampf, Rollen, donnern, sieden, zischen, Und ein Wehruf gellt dazwischen: Dieses Leben ist ein Kampf! Fidele Bande Puh, dies Erdlein stinkt nach Mist, Und die Füchse bellen, Wenn's im Himmel Festtag ist, Essen wir Forellen! Barthel schleckert, ob der Most Heuer gut gerathen, Lorenz muss auf seinem Rost, Leberwürste braten. Margarethe kocht den Brei, Küchlein bäckt Sabine, Salomo spielt die Schalmei, David Violine. Petrus muss tranchiren, Joseph legt den Braten vor, Und der Engel schnippisch Corps Thut uns invitiren! Drei Altdeutsche 1. Den Jungfern fehlt es nie an Knaben, Die mehr Goldgulden als Flöhe haben. 2. Junge Weiber und alte Weine Machen den Männern krumme Beine. 3. Lieber ein Strohsack und zu Zwein, Als ein Daunenbett und allein! Drei Andre 1. Kein Buch vermag so weise zu sein, Ein Narr falzt Eselsohren hinein. 2. Hat wer wo Geld und küsst kein Mädel, Der Kerl hat Bohnenstroh im Schädel. 3. Schwarzes Brod und weisse Zähne Und wenn ich todt bin, eine Thräne! In der Sonnengasse In der Sonnengasse zu St. Goar, Da kämmt sich die Resi ihr schwarzes Haar, Sie lacht in den Spiegel verstohlenen Blicks, Silbern über ihrem Bett hängt ein Cruzifix, Ihr Pantöffelchen klappert, ihr Schnürleib kracht: Heute Nacht!! Heute Nacht!! In der Sonnengasse zu St. Goar, Da wohnt ihr schrägüber ein junger Scholar, Der pfropft sich in den Schädel lauter dummes Zeug, Schwarz auf seinem Pult liegt der Pentateuch, Da streift ihn die Sonne und sein Leder kracht: Heute Nacht!! Heute Nacht!! Nicht wahr? Die Völker sind wie grosse Kinder Und ihre Könige sind's nicht minder, Lachen und weinen im selben Nu, Spielen mitunter auch Blindekuh Und ihre Fibel Benennt sich Bibel! Kusch dich! Willst du wohl fort mit deinen Pfötchen Von meinem lieben Kaviarbrödchen? Für dich den Schweiss, für mich das Gold! Der liebe Gott hat's so gewollt. Drum begnüge dich, Kerl, denn sonst bist du ein Flaps, Mit Kartoffeln und Schnaps! Weltzeitungs-Inserat Gesucht wird für sofort ein tüchtger Mäher. Adressen sub Bureau zum grossen Pan. Denn dreigekrönt sitzt noch ein Pharisäer Auf seinem Sündenstuhl im Vatikan. Εσσεται ήμαρ᾽ O Glaube, Liebe, Hoffnung, heilige Dreiheit, Wir dienen dir und du belohnst uns nie, Denn auch noch heut ist unsre deutsche Freiheit Nur eine schwarzrothgoldne Phantasie! Reimspiel Was ist das beste Futter, sprich, Für hungernde Nationen? »Halt's Maul, Hallunk, was kümmert's Dich?« Der Reim lacht: Blaue Bohnen! An die Opportunisten Die sieben Weisen waren eure Väter, Doch euer Ohm ist Judas, der Verräther, Denn wie der Wind weht, macht ihr tapfer Front, Und euer Bauch ist euer Horizont. An unser Volk! Das Herz entflammt, das rothe Banner schwingend, Den nackten Flammberg in der nackten Hand, So wandern wir, von deiner Zukunft singend, Der Freiheit Söhne, durch das Land. Nicht deine Götter wollen wir erschlagen, Die fallen, wenn sie morsch, von selber um; Doch deine Seele soll sich blutig fragen An unserm Aufruhrwort: Warum? Warum du hungerst und warum du dürstest, Warum du schweisstriefst und warum du frierst, Warum du hündisch deine Peinger fürstest, Warum du frömmelnd dich verthierst! Weh, dreimal Wehe, wenn am Tag der Jden Der Kelch des Zorns dann blutig überschäumt Und jener goldne Traum von einem ewgen Frieden Umsonst geträumt! Anti-Hiob Schon Heine meinte: die Menge thut's, Und im Frühling blühten die Quitten – Der alte Mann aus dem Lande Uz Hat nicht umsonst gelitten. Erst gestern hat man ihn aufgestellt Als modischen Dalai Lama, Und schluchzend liest nun die ganze Welt Sein primitives Drama. In seinem Namen als Schutzpatron Seziren sich tragisch die Reimer – O du katzengräulicher Buddhaton, Kenne die Pappenheimer! Schlagt todt die Sonne, wenn sie glüht, Mit pessimistischen Knüppeln! So lange noch eine Rose blüht, Lass ich mir mein Herz nicht verkrüppeln! Der Dichter Was Hermelin und Diademe! Ich bin kein Dichter und kein Hund! Ich bin ein freier Mann und nehme Kein Feigenblatt vor meinen Mund. Ich seh die Welt im Dunkeln tappen, Ich weise golden ihr ein Ziel, Und erst am letzten morschen Wappen Zerschmettre ich jubelnd mein Saitenspiel! Videant consules! Die Zeit der Juden, Römer und der Kelten Kam, Gottseidank, schon längst aus der Balance! Wie unsre Welt die beste aller Welten, Ist unsre Zeit, die Zeit par excellence. Wohl hör ich's, doch mit jedem meiner Lieder Heb ich den düstern Kehrreim auf den Thron: Die Zeiten der Cäsaren kehren wieder Und ihre Beile schärft die Reaktion! Chaos Das ist der Fluch, der diese Zeit durchzittert, Der uns das Leben und den Tod verbittert: Wir legen ewig neu das Fundament Und niemals greift der Bau ins Firmament! Wir hören blutend, wie die Völker wimmern, Und helfen selber ihre Kreuze zimmern! Wir flehen brünstig um das Weltgenie Und sind noch viehisch, viehisch wie das Vieh! Wir speien auf das Kreuz der Kathedrale Und dichten nur noch Zukunftsideale! Wir thun die Skepsis feig in Acht und Bann Und schliesslich – glaubt man selber nicht daran! Das ist der Fluch, der diese Zeit durchzittert, Der uns das Leben und den Tod verbittert! Dieses Buch Oft habe ich über den Blättern hier Verbrütet manche Nacht Und oft auch, ganz allein mit mir, Lautauf geweint und gelacht! Auch wob ich manchen derben Fluch Recht kernverliebt hinein – Es soll ja kein Erbauungsbuch Für christliche Jungfern sein! Es ist ein Buch, das Leben und Tod Tief in sein Sphinxherz schliesst; Es ist ein Buch, das zukunftsroth Der Welt die Leviten liest! So schüttle denn, schüttle dein blankes Erz, Wo immer nur, unterjocht, Ein Herz, ein rothes Männerherz, Wild an die Rippen pocht! Das Volk an die Fürsten Einmal schon verhalf ich euch zum Siege, Denkt, o denkt an die Befreiungskriege! Und auch heut noch muss ich, wie befohlen, Die Kastanien aus dem Feuer holen. Einmal auch schon hab ich, selbst verschuldet, Euern königlichen Dank erduldet: Erst mir lächelnd ins Gesicht geheuchelt, Dann mich hinterrücks ins Knie gemeuchelt! Glaubt mir, auch die Liebe weiss zu hassen; Eure Sonnen werden einst verblassen! Sink ich heute auch verblutend nieder: Bei Philippi sehen wir uns wieder! An die »obern Zehntausend« Und wieder rollt nun sterbend ein Jahrhundert Dem Abgrund zu, drin uns die Zeit verschlingt, Und ihr seid immer noch nicht abgeplundert, Nicht hinter die Coulissen abgehinkt? Wollt euch nicht länger freventlich vermessen, Denn euer Lebensnerv ist abgestumpft, Denn eure Kronen sind von Rost zerfressen Und eure Stammbaumwälder sind versumpft! Ein neu Geschlecht, schon wetzt es seine Schwerter, Schon webt die Sonne ihm den Glorienschein, Und glaubt: Es wird kein veilchenblauer Werther, Es wird ein blutiger Messias sein! Chanson Noch immer baumelt der alte Zopf, Der alten Welt im Genick, Noch immer schmort ihr kein Huhn im Topf, Drum: Vive la République! Drum: Vive la République, blique, blique, Das Herz schlägt uns im Bauch, Das Knutenthum haben wir dick, dick, dick, Und Kartoffel und Häring auch! Noch ein Stossseufzer O hiess es endlich doch: All right! Die Welt ist blass, blass wie Louise, Das Grundgesetz der neuen Zeit Sei drum das Buch von Adam Riese. Denn wenn die Völker nicht mehr fackeln Und über ihm die Throne wackeln, Dann lupft der Weltwitz sein Visir Und donnert: Zwei mal zwei macht vier! Sanft ruhe seine Asche! Hier ruht der Hofpoet Hans Hänschen, Gottlob, dass endlich er verreckt! Er hat sich nie ein Lorbeerkränzchen, Doch oft ein Piepmätzchen erleckt. Das Höchste war für dieses Püppchen Ein Allerhöchstes Bettelsüppchen. Er schwitzte dafür zum Erbarmen Alljährlich ein Geburtstagscarmen; Drin hiess er die Quadrate rund – Zugleich ein Dichter und ein Hund! Tres faciunt Collegium Weh, ein Morast ist unsre Zeit! Drin machen sich ekelerregend breit Kröte, Basilisk und Unke; Und wöchentlich schon – juchheideldidum – Predgen vor ihrem Publikum Herr Most, Herr Stöcker und Herr Majunke! Ganz recht! Ganz recht! Zum Beispiel die Kultur! Das heisst, nun ja, ich meine nur! Denn schliesslich, wie sie sich auch stellt, Bleibt doch das Endziel ihrer Reife Die Ueberschwemmung dieser Welt Mit Branntwein, Christenthum und Seife! Fragezeichen Der Peter spricht zum Bruder Paul: Der Zeitgeist ist ein alter Sünder Und stopfen können ihm sein Maul Nur Krupp'sche Vierundzwanzigpfünder! Doch Paul kann Peter nicht besehn, Weil er sein Lebtag nur gelungert Und meint, als wäre nichts geschehn: Du Peter, hast du mal gehungert? Auf alle Fälle Der grosse Kanzler Otto spricht, Ob's wahr, je nun, das weiss ich nicht: Der vielgesuchte Stein der Weisen Ist ein Gemisch aus Blut und Eisen! Zwar Standrecht giebt's und Festungswälle, Doch Eins bleibt wahr auf alle Fälle: Und ob der Kanzler zehnmal spricht, Ein braver Kerl, der forcht sich nicht! Frommer Wunsch Immer noch halten die uralten Fragen Nächtlich an unserm Lager Wacht, Denn das griechische Herz hat vergeblich geschlagen Und der griechische Geist hat umsonst gedacht. Die p.p. weltvernagelnden Bretter Versperren die Aussicht uns weit und breit – O, schlüge doch endlich ein heiliges Wetter In diese verfaulte Hallunkenzeit! Ein dunkles Blatt Lisch aus, du Gluth auf meinem Herd! In Nacht und Frost will ich verenden – Oft scheint das Leben mir nicht werth, Nur einen Vers dran zu verschwenden. Ihr aber fragt mich nicht, warum! Nicht Liebe mehr ist's, die ich suche: Ich weiss, die Welt dreht sich rundum, Auch wenn ich lachend sie verfluche! Ein altes Wort Weh, dass ich nie vergessen kann Das Wort im gestrigen Geschmack: Der Reichthum grunzt die Armuth an, Wie eine Sau den Bettelsack! Ein für alle Mal! Verhasst sind mir bis in den Tod Popogescheitelte Manieren – Doch zehn Mal lieber schwarzweissroth, Als mit dem Mob fraternisiren! Tafelspruch Blondes Bier und blondes Brod Machen dem Junggesellen die Backen roth, Blondes Geld und blonde Zöpfe Aber verdrehen ihnen die Köpfe. Zum Dessert Nicht jeder, der hinkt, Hat heut eine Chaise; Nicht alles, was stinkt, Ist Limburger Käse. Meine Freunde Der eine irrt mit Pinsel und Pallette Als Maler jetzt in Minnesota rum, Ist stets verliebt, schreibt englische Billette Und pfeift als Motto lustig: Homo sum! Der andre wieder weihte sein Genie Der urmodernen Eisenindustrie Und harmonirt als rother Jakobiner Aufs prächtigste mit seinem Mediziner! Das ist kein staubgenährter Dutzendgeist, Das ist ein Mensch, wie man ihn gerne leidet, Und manchmal, wenn er trockne Witze reisst, Ein Kerl, um den man selber sich beneidet! Doch hat zum Lächeln bitterwenig Zeit Die eselsgraue Rechtsgelehrsamkeit, Ochst Justinian und hilft mir Verse klügeln Und wird wohl nächstens ihren Lehrer prügeln. Bescheidner schon ist jener Chemikus, Der, schwarz bepinselt mit Retortenruss, Die üblen Folgen geistiger Diät Nur im historischen Roman entlädt. Doch unbekümmert um die ganze Blase, In einem Nichts die einzige Oase, Denkt still die Gottgelahrtheit nur: Pfui Deibel! Und schreibt ein Büchlein über – E. von Geibel! Kater Hinterm Ofen hängt verstummt Meine sogenannte Leier, Und mein armer Schädel brummt Wie nach einer Kirchweihfeier; Wie nach einer Kirchweihfeier Mir mein armer Schädel brummt Und auf ewig scheint verstummt Meine sogenannte Leier! Die Kritik als Epilog Dies schrieb ein Antihofpoet, Halb Kakerlake, halb Prophet. Er sang zu wenig mir piano Und roch verteufelt nach Guano. Zwar mancher wird ihm Beifall hageln, Doch darf's mir nicht das Hirn vernageln, Denn seht, sein ganzer Singsang hinkte: Er appellirte an die hässlichen Instinkte!