Präludium Kräht der Hahn auf dem Mist, Aendert sich das Wetter, oder es bleibt, wie es ist. Alte Bauernregel Dieses lachende Präludium, Lachend sei es dedicirt Euch, ihr wohlverbohrten Ritter Vom romantisch blauen Strumpfband Und vom klassischen Kothurn. Euch und allen andern windgen, Hyperschlauen Kritifatzkis, Die, zum Zeichen, dass sie's lasen, In dies saubre Exemplar Eselsohren falzen werden. Bitte sich nicht zu geniren, Dass ich dies mein kleines Epos Nicht gleich, zunft- und zopfgerecht, Philologisch präludirte: »Nenne mir den Mann, o Muse!« Armer klassischer College! Streu, wie unser Grossohm Hiob Asche Dir auf deine Platte, Denn die Welt hat sich gedreht Und mit Wolfgang Goethe starb Längst der Letzte der Olympier. Andre Zeiten, andre Lieder, Andre Lieder, andre Menschen, Und von Wien bis nach Paris Fährt man heutzutag per Blitzzug Noch nicht lumpge siebzehn Stunden. Zwar ein Dichter, der wie ich Schon von jeher kein Talent, Und, getreu der goldnen Fahne, Die mir roth zu Häupten flattert, Zukunftsroth und gleichheitspredgend, Warn ich meine Concurrenten Vor der unsoliden Firma Der Homer und Compagnie. Ja, mein Herz, ich muss Dich seufzend, Seufzend, wenn ich daran denke, Dass auch ich ein Versfaiseur nur, Oeffentlich hier denunciren: Dein Credit beginnt zu wanken, Deine Curse stehen schlecht, Und dein Renommee ward schartig Wie ein schäbiger Cylinder. Ach, es ist nur gar zu wahr, Dein ambrosisch grüner Lorbeer Fing mit Harold – Byron schon Ganz bedenklich an zu welken, Und in meinen Augen bist Du Nur ein ganz profaner Mensch Und als solcher wiederum Nur der erste aller blinden Bänkelsänger Griechenlands. Ja, mein Hirn ist ein Rebell, Und wie alle diese Leute, Die auf Thron und Altar pfeifen, Bläht es frech sich auf und pfeift auch Auf das schulstaubtrockne Dogma Klassischer Autorität Immer noch durch unsre Köpfe Taumeln schwarz bechapeauclacquet Sich die Götter des Olymp, Und wenn Rothschild mein Cousin wär, Liessen heute noch die »Times« Einen Aufruf los zur Gründung Eines internationalen Antimuseistenclubs. Hätte ein gewisser Herwegh, Der ein grosser Demokrat Und ein grössrer Dichter war, Ihn nicht meuchlings schon verausgabt, Hier an dieser schönen Stelle Bräch ich aus in den Naturlaut: »Raum, ihr Herrn, dem Flügelschlag Einer freien Seele!« Poesien für Pennäler Sind bereits genug gedrechselt; Siehe hier das Gros der Werke Unsrer deutschen Dioskuren – Nomina odiosa sunt! Aber vollends lasst mich schweigen Von den lächerlichen Grössen Ihres lächerlichen Nachtrabs! Graf von Platen war ihr Mogul, Und die griechische Schablone Rüpelte jahrzehntelang Ihre längstversteinten Formen Ueber jeden deutschen Quark. O, ich hasse dies Gezücht Phrasenschwammiger Banausen, Das nach jedem Wort sich einen Idealen Kloss ins Maul pfropft! Aber ach, mein braves Deutschland War ja leider das beliebte Eldorado der Philister Schon seit anno Tacitus! Seit der alte Herr von Hutten, Von der Meute seiner braven Zeitgenössischen Philister Wie ein Hirsch ins Holz gehetzt, Auf der Ufenau verreckt ist, Hat nur ein Mensch hier in Deutschland Tabak, Bier und Kohl verdaut, Der, bis in den Tod sich selbst treu, Ein lebendiger Protest war Gegen jedes lächerliche, Knöcherne Schablonenthum. Fern vom Rhein, wo er sein erstes Kinderhöschenpaar zerrissen, Fern in Frankreich liegt sein Grab, Und von Immergrün umwoben Schaut es hoch her vom Montmartre Auf die Weltstadt an der Seine. O, ich weiss, wie einst die Mitwelt Vipernzüngig ihn begeifert; Kann doch selber heutzutag noch Ihm kein Dunkelmann vergessen, Dass sein rothes Dichterherz nicht Pauvre wie ein pauvres Talglicht, Sondern gross und welterleuchtend, Golden wie die Sonne brannte. Ach, die Lösung dieses Räthsels, Das durchaus kein Phänomen, Lässt sich leicht in Worte fassen: Heinrich Heine war kein Stockfisch, Heinrich Heine war ein Mensch! Schellenfroh aus seinen Nestern, Drin es lichtscheu sich verkrochen, Schreckte er das nachtverliebte Fledermausgezücht der Vorzeit, Und sein blutender Messias War das dreimal heilge Recht! Ja, Hosianna! rief er jubelnd, Seine Hymnen präludirten Den Befreiungskrieg der Menschheit, Und in seinem Herzen schliefen Schon des neuen Weltprogramms Goldne Zukunftsparagraphen. Zwar sein armer Körper war Abgemergelt wie ein Schatten, Aber seine goldne Seele Strotzte nur so von Gesundheit. Fern im lachenden Paris, Eingepfercht in ihre graue, Muffige Matratzengruft, Rang sie singend wie ein Schwan Jahrelang mit ihrem Tode, Denn die Weltlust war ihr Spielzeug Und ihr Liebling war das Meer. Doch das Schwimmbassin des Nereus War von jeher schon ein äusserst Komplizirter Mechanismus. Neben Perlen züchtet es Auch noch ganz gemeine Schlangen. Längst versoffne Seemannsprime Wälzt es gleichfalls tief im Bauch rum, Und die Traumwelt der Atlantis Hart, bedeckt von Gold und Seetang, Ihrer künftgen Auferstehung. Um den Wendekreis des Krebses Wälzt der Teifun vor sich her Chinas räuberische Dschunken, Und am Strand von Norderney Baden Deutschlands Aphroditen Ihre semmelblonden Glieder. Ja, ein Künstler ist der Weltgeist Und das Meer sein Meisterwerk! Silbergrau durch seine rothen, Brennenden Corallenwälder Tummelt sich der flinke Stör, Und versunkne Städte läuten Oft aus seinen blauen Fluthen Ihre träumerischen Glocken Märchenhaft ins Abendroth. Doch zur Zeit der Aequinoctien Wird es hungrig wie ein Wärwolf, Und die jungen Fischerfrauen Schrein dann nächtlich oft im Traum auf. Mit dem Herzen eines Dichters, Der sein Lebtag nicht nur Thee soff, Sondern manchmal auch frivol Veritablen Rum hineingoss, Ist es ähnlich meist bestellt. Heine war ein solcher Dichter; Und wenn dann und wann sein Magen, Statt des oben schon erwähnten Obligaten »Thees mit Rum«, »Rum mit Thee« verconsumirte: Nun, wer will ihm das verdenken? Spucken mögen auf sein Grab Dreimal alle alten Jungfern: Heilig war ihm seine Liebe, Heilig war ihm auch sein Hass! Sein Geschlecht war ein erlauchtes, Und die Blüthen seines Stammbaums Sind die Sterne ihre Völker. Aristophanes, der Grieche, War sein vielgeliebter Ahnherr, Miguel de Saavedra Und der Doctor Rabelais Waren gleichfalls seine Ahnen. Doch wozu, o Publikum, Geb ich heut, wo Dahn und Ebers Siegreich mit mir concurriren, Dir ein Privatissimum In der Kunst der Langenweile? Ach, die Werke jener Männer Kennst Du kaum dem Namen nach, Denn ein einzger Pattitriller Gilt Dir mehr als tausend Mozarts. Strickstrumpfflüchtig rettete Vor dem Schreckregime der Trikots Die Vernunft aus dem Theater Sich ins Land der Botokuden, Denn das neunzehnte Jahrhundert Applaudirt wie ein Cretin Nur Ballets und Operetten. Wer wird heut auch, wo der Golddurst Wie ein Moloch sich gerirt, Hamlet oder Faust studiren? Lieber schluckt man Casanovas Elegante Sauerein! Ja, ein Lüstling ist der Zeitgeist, Ein gealterter Roué, Und in jedem neuen Buch, Das ihm eine Kernnatur Zornig lachend an den Kopf wirft, Wittert er versteckte Zoten. Seine alternde Maitresse, Die Geborene von Welt, Thut es selbstverständlich dito. Jeden kantigen Charakter, Der es lästerlich verschmäht Honig ihr ums Maul zu schmieren, Wühlt sie skeptisch um und um, Wie's mit einem Stückchen Erde Wohl nach Würmern thut ein Maulwurf. Grosser Zeitgenosse Emile, Dich auch, Dich hat sie verlästert, Und der Shakespeare des Romans Ward zum Dichter der Kloake. Doch was thut's? Wenn auch die alten Weiber beiderlei Geschlechts Prüde sich vor Dir bekreuzgen, Dein Genie reckt seine Glieder, Seine giftgeschwollnen Stichler Fallen von ihm wie die Fliegen Und sein Haupt ragt in die Wolken! Zola, Jbsen, Leo Tolstoi, Eine Welt liegt in den Worten, Eine, die noch nicht verfault, Eine, die noch kerngesund ist! Klammert euch, ihr lieben Leutchen, Klammert euch nur an die Schürze Einer längst verlotterten, Abgetakelten Aesthetik: Unsre Welt ist nicht mehr klassisch, Unsre Welt ist nicht romantisch, Unsre Welt ist nur modern! Und der Mensch, der sie mit tausend, Abertausend Eisenarmen Erdverlangend wild umschnürt hält, Ist er gleichfalls nicht modern? Glaubt er wirklich noch an eure Abgedroschnen Ammenmärchen Und dass schwarz soviel wie weiss Und dass zwei mal zwei gleich fünf ist? Macht euch auf, ihr Neunmalweisen, Schleicht euch nächtlich durch die Gassen, Pilgert tags durch die Fabriken Und den Denkern schaut ins Hirn! Thut's und wagt es dann zu läugnen, Dass der Mensch sich, den die Vorzeit Wie ein Thier ins Joch geknutet, Endlich sehnt, ein Mensch zu werden! Ausgetreten hat der Träumer Endlich seine Kinderschuhe, Und vor seinen trunknen Blicken Wiegt sich lachend wie ein Eiland, Das das Weltmeer grün umschaukelt, Seine märchenhafte Zukunft. Durch die Wälder Kaliforniens Schnüffelt wie ein Riesenwurm Feuerschnaubend sich sein Dampfthier, Und ums Cap der guten Hoffnung Segeln seine Panzerschiffe. Seine Telegraphendrähte Ueberbrücken wie ein Wasser Delhi's grüne Palmenwipfel, Und durchs ewige Eis des Nordpols Blitzen weisslich die Gebeine Seiner neusten Märtyrer. Tausend goldne Sacramente, Die Kleinodien seiner Kindheit, Sind zersprungen wie ein Glas, Und die alte, taube Nusswand Einer abgelebten Kunstform Sollte frech sie überdauern? Deklamirt nur, ihr Poeten, Eure lyrischen Tiraden, Eure wortverbohrte Nichtswelt, Mit euch selber geht sie unter! Doch das thut nichts. Eine neue Taucht schon lächelnd aus den Wassern, Und die Wasser gehen schwanger Noch mit hunderttausend andern. Hätte dies mein kleines Carmen Nicht so wohlgeschliffne Krallen, Die so unbarmherzig spitz sind, Ich verbräche sans façon Folgende Apostrophe: »Du, mein Lied, um das mein Herz Lieblich klang wie eine Glocke, Schwing Dich auf, mein goldner Liebling, Schwing Dich auf wie eine Taube, Bis die Wasser sich verlaufen! Melancholisch um mein Haupt Schwingt die urweltschwangre Sintflut Ihre dunklen Rabenflügel, Und durchs Schleusenmeer des Himmels Brüllt noch immer das alte Chaos! Ach, und doch! Durch mein Gehirn Huscht es wie von goldnen Lichtern, Und die eingelullte Sehnsucht Nach den hängenden Gärten der Sonne Wachte weinend wieder auf! Hat mein Herzschlag mich betrogen? Tauchen die ersten grünen Zacken Jener heissersehnten Neuwelt, Tauchen sie lächelnd endlich auf? Eine Welt für einen Oelzweig! Drum, mein Lied, um das mein Herz Lieblich klang wie eine Glocke, Schwing Dich auf, mein goldner Liebling, Schwing Dich auf wie eine Taube, Bis die Wasser sich verlaufen!« Doch dergleichen wohlfrisirte Taschenspielerstückchen sind mir Gottseidank zu abgedroschen, Und mein urwaldstruppig Lied Ist nichts wenger als ein Täubchen! Nein! Die föhnumbrüllten Trümmer Eurer längst verkrachten Welt Liess es sonnenfeuertrunken Meertief unter sich versinken Und verlor sich in den Himmel. Flügelstolz, ein kleiner Kondor, Schwebt's nun über seiner lieben, Jungen Sonnenaufgangswelt, Und zum Aerger aller griechisch Radebrechenden Philister Schmettert's dort wie eine Lerche Uebermütig seinen Triller: »Zola, Jbsen, Leo Tolstoi, Eine Welt liegt in den Worten, Eine, die noch nicht verfault, Eine, die noch kerngesund ist!« So! Bis hierher und nicht weiter! Lachend rief ich's, und die Feder Stiess ich tief ins Tintenfass. Fern am Biertisch harrte schon Das Trifolium meiner Freunde, Und im Duftkreis einer braunen Sobetitelten Havannah Lässt sich's ja, wie jeder selbst weiss, Ganz vortrefflich Hütten baun! Selbstverständlich gab mein Opus, Das ich lachend ihnen vortrug, Stoff zu einer Diskussion. Längst verrostete Gewaffen Aus dem Rüstzeug der Aesthetik Wurden wieder blank geputzt, Und die köstlichsten Sophismen Bissen wie die jungen Hechte Sich vergnügt in ihren Schwanz. Doch was half's! Am Ende gaben Sie sich kleinlaut mir gefangen, Und die schnurgerade Klassik Fiel nicht minder glänzend durch Als die winklige Romantik. Nur zu meiner neuen Welt, Zu dem neuen Evangelium, Das aus Frankreich her und Russland Unsrer Kunst gepredigt wird, Konnten sie sich nicht bekehren, Und das Kleeblatt opponirte Gegen die Verherrlichung Zola's, Jbsen's, Leo Tolstoi's. »Wenn Du ihre Welt so lieb hast,« Replicirten die drei Käuze, »Nun, so tritt sie doch mit Füssen! »Aus der Vogelperspektive Sieht ein Düngerhaufen schliesslich Aehnlich wie ein Weizenfeld aus. Willst Du ihre goldnen Früchte, Die wie Pomeranzen lachen, Dir nicht einmal näher ansehn? Ach, am Ende sind sie giftig, Giftig wie die ganze Welt, Die sie farbig überschaukeln? Geh, Du bist ein Jünger Plato's, So ein Wolkenkukuksheimer, Und scharwenzelst um sie her, Wie ein blöder Schmetterling, Der um eine Rose tändelt! Ergel, wenn Du wirklich auf Dein Neues Evangelium« schwörst, »Nun dann brocke Deine Verse Nicht in seine Prosasuppe. Schlängle klug mit dem Notizbuch, Wie ein jüdischer Reporter, Dich durchs Gassenmeer der Grossstadt Und edire Jahr für Jahr, Ein gedruckter Photograph, Realistische Romane. Reime, Rhythmen und was sonst noch Dich an Versen so entzückt, Jene knappe Condensiertheit, Die in Einem goldnen Lichtblitz Tausend bunte Farben aufsaugt, Musst Du dann als neuer Heiland Selbstverständlich brüsk verläugnen. Englands Hamlet, Deutschlands Faust Und Altgriechenlands Prometheus – Lächerlich, dass diese Leute Verse, nichts als Verse schwabbeln! Destillire Dir doch einmal Die famose Quintessenz Henrik Ibsenscher Kritik, Der im Namen Deiner Gottheit, Als ihr wohlbestallter Priester, Schillers Jambendramen köpfte: Blödsinn, nichts als höhrer Blödsinn! Deine formverliebte Seele Hat sich eben schon aus tausend Goldgeformten Henkelkrügen Gar zu heidnisch schön besoffen! Hungre sie asketisch aus! Verse thun's heut freilich nicht: Prosa, Freundchen, platte Prosa!« Ach, wie wohlfeil war euch Braven Dieser gutgemeinte Spott! Harmlos wie die jungen Bären Lebt ihr euer Leben hin; Auf die Quadratur des Cirkels Habt ihr als verständge Leute Philosophisch schon verzichtet, Und ein schief getretner Stiefel Bringt euch eher aus dem Häuschen, Als das närrische Problem: Dreht die Achse dieser Welt Sich nach rechtshin oder linkshin? Anders, wenn ein Homo sapiens Nicht, wie ihr, nur Steuern zahlt, Sondern, wie z.B. ich, Nebenbei auch noch Poet ist. Werden doch in seiner Brust Feindlich stets zwei Seelen wohnen, Und vielleicht just, wenn die eine Strümpfe stopft und Hosen flickt, Reimt die andere ihr erstes, Tiefgefühltes Liebeslied. Zwar mein Kopf hat sich schon längst Radikal emanzipirt; Doch in meinem Herzen blühn noch Alle Blumen der Romantik! Kriechen soll ich, Freunde, kriechen, Kriechen wie ein fader Wurm? Schaut nur, wie die alten Wälder Ihre grünen Häupter schütteln, Und wie über sie die Sterne Kreuzweis ihre Lichter werfen: Ach, sie intoniren alle Ein homerisches Gelächter! Wem die Sonne dieser Gottwelt Niemals bis ins Herz geschienen, Mag sich in den Staub verlieben, Doch wer Flügel hat, der fliege! Weiss nicht, ob ich nicht noch einmal Später, wenn ich alt und grau bin, Mich ins Prosajoch bequeme. Ach, die Zeit ist gar zu flüchtig, Und wenn erst das Podagra Uns moquant an Arm und Bein zwickt, Macht die Jugend schmählich Pleite, Und die goldnen Ideale Drehen schnippisch uns den Rücken. Doch einstweilen dedicir ich Dieses lachende Präludium Euch, ihr wohlverbohrten Ritter Vom romantisch blauen Strumpfband Und vom klassischen Kothurn!