Ode von der Freundschafft. E.N 1. Vergnüget euch ihr eitlen Sinnen/ Wohin euch die Begierde treibt. Mein Hertz soll einen Schatz gewinnen/ Wo sein Vergnügen ewig bleibt. Denn mein Gemüthe soll die Freundschaft treuer Seelen/ Zu seiner beständigen Losung erwehlen. 2. Man mag sich nur bezaubern lassen/ Wo Gold ein schnödes Blendwerck macht: Wer hier will sein Vergnügen fassen/ Der haßt den Tag und liebt die Nacht. Nein mein Gemüthe soll die Freundschafft treuer Seelen Zu seiner beständigen Losung erwehlen. 3. Und wer sich schnöde Lust will suchen/ Hat sich ein üppig Ziel gesteckt. Die Tugend heißt mich das verfluchen/ Was ihren Purpur Glantz befleckt Ach mein Gemüthe soll die Freundschafft treuer Seelen Zu seiner beständigen Losung erwehlen. 4. Die Liebe blendet vieler Augen/ Wodurch ein edles Hertz verdirbt. Da muß man Gifft aus Rosen saugen/ Biß endlich alle Freundschafft stirbt. Nein mein Gemüthe soll die Freundschafft treuer Seelen/ Zu seiner beständigen Losung erwehlen. 5. Hier wechseln sich die gleichen Hertzen/ Und so vermählt sich Blut und Blut. Wo gleiche Lust/ und gleiche Schmertzen/ Da findet man ein edles Gut. Ja mein Gemüthe soll die Freundschafft treuer Seelen Zu seiner beständigen Losung erwehlen. 6. Mein Sinn tritt alle Pracht mit Füssen/ Und sieht das Glück verächtlich an/ Wenn ich das Glücke nur geniessen/ Und wahre Freundschafft küssen kan. Ach mein Gemüthe soll die Freundschafft treuer Seelen Zu seinem beständigen Losung erwehlen. 7. Wo ist die Seele/ die mich liebet? Welch Hertz schließt mit mir einen Bund? Hier ist mein Hertz/ das sich ihm giebet/ Beständigkeit legt selbst den Grund. Denn mein Gemüthe soll die Freundschafft treuer Seelen Zu seiner beständigen Losung erwehlen. 8. Die Tugend schmiedet selbst die Ketten/ Und fesselt uns durch ihre Hand. So hanget Hertz an Hertz wie Kletten/ Und trotzt ein Demant festes Band. Soll mein Gemüthe nicht die Freundschafft treuer Seelen Zu seiner beständigen Losung erwehlen? 9. Verbundne Seele laß dich küssen/ Verknüpftes Hertze küsse mich. Das Bündniß stehrt unzerrissen/ Du bist auch todt mein ander ich. Denn mein Gemüthe soll die Freundschafft treuer Seelen Zu seiner beständigen Losung erwehlen.