Henrik Ibsen Peer Gynt (Peer Gynt) Personen Personen. Aase, eine Bauerswitwe Peer Gynt, ihr Sohn Zwei alte Weiber mit Kornsäcken Aslak, ein Schmied Hochzeitsgäste. Küchenmeister. Spielleute usw. Ein zugewandertes Bauernpaar Solvejg und Klein Helga, dessen Töchter Der Haegstadbauer Ingrid, seine Tochter Der Bräutigam und seine Eltern Drei Säterdirnen Ein grüngekleidetes Weib Der Dovre-Alte Ein Hoftroll. Mehrere andere Trolle. Trolljugend beiderlei Geschlechts Ein paar Hexen, Erdgeister, Zwerge, Kobolde usw. Ein hässlicher Junge. Eine Stimme im Dunkel. Vogelschreie Kari, eine Häuslersfrau Master Cotton Monsieur Ballon Die Herren von Eberkopf und Trumpeter Straale, Reisende. Ein Dieb und ein Hehler Anitra, die Tochter eines Beduinenhäuptlings Araber, Sklavinnen, tanzende Mädchen usw. Die Memnons-Säule (singend) Die Sphinx von Gizeh (stumme Person) Begriffenfeldt, Professor, Dr. phil., Vorsteher des Tollhauses zu Kairo Huhu, ein Sprachreformer von der malebarischen Küste Hussein, ein morgenländischer Minister. Ein Fellah mit einer Königsmumie Mehrere Tollhäusler nebst ihren Wärtern Ein Norwegischer Schiffskapitän und seine Mannschaft Ein fremder Passagier Ein Geistlicher Ein Leichengefolge. Ein Amtmann. Ein Knopfgiesser Eine magere Person 1. Akt Erster Akt Abhang mit Laubholz bei Aases Hof. Ein Bach schäumt hernieder. Auf der andern Seite eine alte Mühle. Heißer Sommertag. Peer Gynt, ein kräftig gebauter Mensch von zwanzig Jahren, kommt den Steig herab. Aase, seine Mutter, klein und fein, folgt ihm zornig scheltend auf dem Fuße. Peer, Du lügst! ohne sich aufzuhalten. Nein, nein, ich lüg' nicht! Na, so schwör' drauf: Ist es wahr? Warum schwören? Pfui! Der früg' nicht. Dessen Schuld nicht klipp und klar! steht still. Doch,'s ist wahr, – ich schwör' es Dir. vor ihm. Und Du schämst Dich nicht vor mir? Bleibt man ganze Wochen aus, Läuft man, just wann Gras zu schlagen, Auf den Ferner, Renwild jagen, Kommt zerrissen dann nach Haus, Ohne Stutzen, ohne Bock, – Um zum Schluß am hellerlichten Mittag Mutter flugs ein Schock Jägerlügen vorzudichten? Also, wo hast Du 'n getroffen? Links vom Gendin. lacht spöttisch. Hm! Aha! Kräftig blies der Wind von da; Und so stand der Weg mir offen, Mich durchs Holz hindurchzubirschen, Hinter dem er grub – wie vorher. Ja, ja! Lautlos horchend, hör' ich seinen Huf im harten Firnschnee knirschen, Seh' vom einen Horn die Zacken, Wind' mich durch Geröll und Wacken Vorwärts, und, verdeckt von Steinen, Seh' ich einen Prachtbock, – einen, Wie man ihn seit Jahrer zehn, Sag' ich Dir, hier nicht gesehn! Gott bewahre, nein! Ein Knall! Und den Bock zusammenbrennen! Aber knapp, daß er zu Fall, Sitz' ich auch schon rittlings droben, Greif' ihm in sein linkes Ohr, Reiß' mein Messer schon hervor, Ihm's gerecht ins Blatt zu rennen; – Hui! da hebt er an zu toben, Springt, pardauz, auf alle Viere, Wirft zurück sein Horngeäst, Daß ich Dolch und Scheid' verliere, Schraubt mich um die Lenden fest, Stemmt 's Gestäng' mir an die Waden, Klemmt mich ein wie mit 'ner Zang', – Und so stürmt er, wutgeladen, Just den Gendingrat entlang! unwillkürlich. Jesus –! Mutter, hast Du den Gendingrat einmal gesehn? Wohl 'ne Meile läuft er drang Hin, in Sensenrückenbreite. Unter Firneis, Schuttmoränen, Schnee, Geröll, Sand, kunterbunter, Sieht Dein Aug' auf jeder Seite Stumme, schwarze Wasser gähnen, An die fünf-, die siebenzehn- hundert Ellen rank hinunter. Dort lang stoben pfeilgeschwind Er und ich durch Wetter und Wind! Nie ritt ich solch Rößlein, traun! Unsrer wilden Fahrt entgegen Schnob's wie Sonnenfunkenregen. Adlerrücken schwammen braun In dem schwindeltiefen Graun Zwischen Grat und Wasserrande, – Trieben dann davon wie Daun. Treibeis brach und barst am Strande; Doch sein Lärm ging ganz verloren; Nur der Brandung Geister sprangen Wie im Tanze, – sangen, schwangen Sich im Reihn vor Aug' und Ohren! schwindlig. O, Gott steh' mir bei! Da stößt Plötzlich, wie ein Stein sich löst, Dicht vor uns ein Schneehuhn auf, Flattert gackernd, aufgeschreckt, Aus dem Spalt, der es versteckt, Meinem Bock, bums! vor die Lichter. Der verändert jach den Lauf – Und mit einem Riesensatze Nieder in den Höllentrichter! Aase wankt und greift nach einem Baumstamm. Peer Gynt fährt fort. Ob uns schwarzer Bergwand Fratze, Nid uns bodenloser Dust! – Durch zersplissne Nebelschichten Erst, sodann durch einen dichten Schwarm von Möwen, die, durchschnitten, Kreischend auseinanderstritten, – Nieder, nieder, nieder sauste es. Aber aus der Tiefe grauste es Weiß wie eine Renntierbrust. – Mutter, das war unser eigen Bild, das aus des Bergsees Schweigen Tief vom Grund zum Spiegel eilte, Umgekehrt, wie unser Sturz Lotrecht auf ihn nieder pfeilte. schnappt nach Luft. Peer! Gott helf' mir –! Mach' es kurz –! – Bock vom Berge, Bock vom Grunde Stieß zur selbigen Sekunde! Das Gespritz' und das Geklatsche! Na, da lag man in der Patsche. – Nicht gar lang' dann, und wir fanden Irgendwo 'nen Fleck, zu landen; Er, er schwamm, und ich umschlang ihn, – Und hier bin ich nun – Und er? Hm, der springt wohl noch umher; – Schnalzt mit den Fingern, wippt sich auf den Hacken und fügt hinzu. Wenn Du 'n laufen siehst, so fang ihn! Daß Du nicht den Hals geknickt hast! Und die Beine gleich dazu! Ist Dein Rückgrat denn noch ganz? Herrgott, – Lob und Dank, daß Du Mir ihn wieder heim geschickt hast! – Zwar die Hose hat ein Loch; Doch davon ist nicht zu reden, Denkt man, was weit Schlimmres noch Sich bei so 'nem tollen Tanz – Besinnt sich plötzlich, sieht ihn mit offenem Mund und großen Augen an und kann lange keine Worte finden. Endlich stößt sie hervor. O, Du Teufelslügenschmied! Kreuz noch 'n Mal! Solch ein Geflunker! Was Du mir da singst – das Lied – Als das aufkam – zu der Frist Lief Dein Vater noch als Junker! Gudbrand Glesne – dem – dem ist Das geschehn, nicht Dir –! Mir auch. Solcherlei kann oft geschehen. giftig. Ja, und Lügen kann man drehen, Wenden und mit Putz benähen, Bis von ihrem magren Bauch Nichts vor Flicken mehr zu sehen. Das hast Du zu Weg gebracht, Alles wild und groß gemacht, Ausstaffiert mit Adlerrücken Und mit all den andern Nücken, Abgestutzt und zugesetzt Und mir so den Sinn verstört, Daß man nicht mehr kennt zuletzt, Was man hundertmal gehört. Spräch' ein andrer solchen Quark, Wollt' ich heillos grob ihm kommen! weinend. Läg' ich doch im schwarzen Sarg! Wär' ich, Gott, doch nie geboren! Bitten, Tränen, nichts will frommen, – Peer, Du bist und bleibst verloren! Liebes, süßes Muttchen mein, Hast ja recht mit jedem Wort; Sei nur wieder – Scher' Dich fort! Ist mir's möglich, froh zu sein, Hab' ich solch ein Schwein zum Sohn? Muß es mich nicht bitter schmerzen, Wird mir armem Witwenherzen Ewig Schande nur zum Lohn? Fängt wieder an zu weinen. Was verblieb uns, muß ich fragen, Seit Großvaters Wohlstandstagen? Wie hat sich der Wein verdünnt Seit dem alten Rasmus Gynt! Vater brachte 's Gold ins Rutschen, Warf's hinaus wie Scheffel Sand, Kaufte Grund im ganzen Land, Karrte mit vergüldten Kutschen –. Alles weg. Wo sind die Reste Von dem großen Winterfeste, Da sein Trinkglas männiglich An die Wand warf hinter sich! Hm, wo blieb der letzte Schnee? Willst Du jetzt wohl schweigen, he! Sieh den Hof an! Jedes zweite Fenster ist verstopft mit Flicken, Heck' und Zaun liegt auf der Seite, Keiner will das Feld beschicken. 's Vieh steht da in Mansch und Matsch, Jeden Monat wird gepfändet – Schweig doch, Alte, mit dem Quatsch! Weil mal 's Glück den Rücken wendet, Heißt's drum gleich: Und niemand sah's mehr? Nein; auf dem Fleck wächst kein Gras mehr. Und Du bist doch was, Du Strick, – Immer noch so keck und quick, Schmuck und klug, wie, da der Pfaff, – Der aus Kopenhagen, weißt Du, – Dazumal Dich frug: Wie heißt Du? Und, ob Deiner Antwort baff, Sich verschwor, die schiene wert ihm Eines Prinzen, – daß zum Dank Vater Schlitten gleich samt Pferd ihm Übern Tisch zu eigen trank. Hei, da ging es lustig her! Propst, Kap'tän, was drum und dran war, Hing hier taglang, soff und fraß, Bis kein Knopf am Wanst mehr saß. Aber als dann Not an Mann war, Ward's hier öde, still und leer. »Scheffel-Jon«, anjetzt Hausierer, War nicht mehr ihr Pokulierer. Trocknet die Augen mit der Schürze. Ach, Du bist doch stark und groß, – Solltest bessern Deiner alten Armen Mutter elend Los, Solltest Haus und Hof verwalten, Daß Dein Erb' nicht ganz zerfällt – Weint von neuem. Statt daß ich mich an Dir halten Könnt', verlumpst Du Zeit und Geld! Hier verträumst Du und verdreckst Du Dich mit in der Herdglut Wühlen; Trittst Du in die Tanzsäl', schreckst Du Alle Mädels von den Stühlen, – Machst mir üb'rall Schand und Tränen, Raufst Dich mit den ärgsten Hähnen – geht von ihr. Laß mich sein. folgt ihm. Du bist am Ende Nicht gewesen bei der letzten Großen Schlägerei zu Lunde, Wo sie sich wie tolle Hunde Überfielen und zerfetzten? Hast Du nicht Aslak, dem Schmied Der Dir damals in die Hände Fiel, verrenkt die halbe Lende, – Oder war's ein Fingerglied? Dämliches Gefabulier'! hitzig. Häuslers Kari hörte 's Heulen! reibt sich den Ellenbogen. Ja, doch das, das kam von mir. – Dir? Denn ich – bekam die Beulen. Was –? Der haut Dir, sag' ich Dir! Wer –? Na, wer! Den Aslak mein' ich. Pfui, o pfui! daß ich nicht spucke! So 'ne alte Wirtshaushucke, So ein Tagdieb, so ein dreister Lügenschmied wird Deiner Meister? Weint wieder. Auch noch so was! Längst schon wein' ich Mir die Augen aus; doch das, Das geht wahrlich übern Spaß. Haut er Dich, so frag' ich: haust Du nicht auch 'ne gute Faust? Ob ich Amboß oder Hammer, 's bleibt dasselbichte Gejammer. Lacht. Tröst' Dich, Mutter – Hätt'st Du wieder Mal gelogen? Diesmal, ja. Schluck' die Tränen fröhlich nieder; – Ballt die linke Hand. Schau, – mit dieser Kneifzang' da Hielt ich ihn, den ganzen Schmied, – Ballt die Rechte. Während die mein Hammer war – Raufbold, Du! Du gibst nicht Fried', Bis ich nicht zur Grube fahr'! Nein, doch, Du bist Bessres wert, Tausend Male Bessres, Du, Kleine, böse, süße Mu, Trau mir nur und wart' nur zu, Bis Dich 's ganze Dorf noch ehrt, Wart nur, bis ich was gemacht, – Recht was Großes, gib nur acht! spöttisch. Du! Was kommen kann, weiß keiner! Würd' Dir doch nur eins bewußt: Daß Du mal den Riß in Deiner Eignen Hose stopfen mußt. hitzig. König, Kaiser will ich werden! Jetzt kutschiert ihm mit vier Pferden Noch sein letzter Witzrest fort! Laß mir Zeit nur, – und ich bin's! Laß mir Zeit, so werd' ich Prinz, Geht im Volk ein altes Wort! Wirst schon sehen! Halt den Rand! Bist ja völlig von Verstand. – Übrigens, es hätt' wohl schon Etwas aus uns werden mögen, Wenn wir nur nicht, mein Herr Sohn, Allzeit Schnacks und Schnurren pflögen! Die von Haegstad war Dir gut. Hättest leicht die Dirn' gewonnen, Hätt'st Du's recht nur angesponnen – So? Der Alte, schwachgemut, Ist der Tochter wohl gesonnen. Zwar er ist ein arger Bocker, Doch die Ingrid läßt nicht locker, Und, wo sie geht, Schritt für Schritt, Stapft er endlich knurrend mit. Fängt wieder an zu weinen. Ach, mein Peer, ein steinreich Mädel, – Eingesessner Bauernstamm! Hättest Du mehr Witz im Schädel, Gingst Du jetzt als Bräutigam – Statt auf abgetretnen Sohlen! rasch. Komm, ich will mir's Jawort holen! Wo? Zu Haegstad! Armer Peer, Deine Freite hilft nichts mehr. Und warum? Verdienst den Stock, Wie Du Dir Dein Glück verdorben! Na? schluchzend. Derweil Du dort vom Himmel Niederkamst auf Deinem Bock, Hat Matz Moen um sie geworben! Was? Die Weiberscheuch'! Wie kann –! Ja, die nimmt sie nun zum Mann. Wart' so lang, bis ich den Schimmel Angespannt – Wendet sich zum Gehen. Spar' solch Gered'. Wenn sie morgen Hochzeit feiern – Ist's heut nacht noch nicht zu spät! Schäm' Dich! Willst Du, daß sie Dir Auch noch ihren Spott nachleiern? Pah! Man wird mir 's Feld schon räumen. Juchzt und lacht. Heißa, Du! Der Gaul bleibt hier; 's nimmt nur Zeit, ihn aufzuzäumen – Schwingt sie hoch empor. Laß mich! Nein, auf diesen Armen Trag' ich Dich zum Hochzeitshaus! Watet in den Bach. Hilfe! Lieber Gott, Erbarmen! Wir ertrinken – Nein, der Schmaus Lockt den Teufel noch nicht – Stimmt! Weil er Dich gehängt erst nimmt. Rauft ihn an den Haaren. Untier, Du! Na, gib jetzt Ruh'; Hier der Grund ist glitschrig. Junge! Esel! Brauch' Du nur die Zunge; Wer ein Mann ist, lacht dazu. So, das war die ärgste Müh' – Halt mich feste! Hottehü! Peer kommt auf dem Bock geritten; – Galoppierend. Ich bin Bock, und Du bist Peer! Ach, ich kenne mich nicht mehr! So, da wär' der Bach durchschritten; – Watet ans Land. Gib dem Bock jetzt einen Schmatz Für den trocknen Fährenplatz – gibt ihm eine Ohrfeige. Da! Da hast Du 's Fährgeld! Au! Das war lumpig, schöne Frau! Laß mich – Erst vorm Hochzeitshause. Stell' den alten Wiedehopf, Gib dem Kerl 'ne kalte Brause, Sag', Matz Moen ist ein Tropf – Laß mich los! Und hinterher Sag', was für ein Kerl Dein Peer! Ja, des kannst Du sicher sein! Dir brock' ich 'ne Suppe ein; Male Dich von vorn und hinten; Alle Deine Schlich' und Finten Sei'n den Leuten vorgesetzt – So? strampelt wütend mit den Beinen. Solang' sperr' ich den Mund auf, Bis der Bau'r zuletzt den Hund auf Dich wie auf 'nen Stromer hetzt! Hm; so geh' ich halt alleine. Ja, doch ich hab auch zwei Beine! Aber nicht die Kraft dazu! Nicht? Ich bin so wilde, Du, – Steine könnt' ich knacken, Steine! Kiesel könnt' ich fressen, hu! Laß mich los! Du mußt geloben – Nichts! Du wirst schon sehen droben; Wissen soll'n sie, wer Du bist! Nimm Dir Überlegungsfrist! Seine Hunde soll er hetzen – Darfst nicht mit. Was willst Du tun? Dich aufs Mühlendach hier setzen. Setzt sie hinauf. Aase schreit. Heb' mich 'nunter! Willst Du ruhn –? Schnickschnack! Muttchen, wüt' nicht mehr! – wirft ein Rasenstück nach ihm. Heb mich stracks hinunter, Peer! 's war ja so Dein eigner Wille. Näher. Sei nun klug und sitz fein stille! Stoß' und stampf' nicht mit den Beinen, Rück' und reiß' nicht an den Steinen, Sonst, das singt Dir jede Grille, Stürzt Du ab. Du Gernegroß! Nicht so zappeln! Daß Du bloß Wärst als Wechselbalg verschollen! Schäm' Dich! Pfui! Du hättst mir lieber Deinen Segen geben sollen. Willst Du nicht? Ich werd' Dich walken; Du machst mir noch lang' nicht bang! Leb' denn wohl! Ich bleib' nicht lang'. Halt Dich brav auf Deinem Balken! Geht, wendet sich jedoch noch einmal um, hebt mahnend den Finger und sagt. Also, bloß kein Zappelfieber! Ab. Peer! – Gott steh' mir bei, da rennt er! Böckereiter! Lügenprinz! Willst Du hören! – Nein, da brennt er Durch –! Schreiend. Zu Hilf'! Ich krieg' das Drehn! Zwei alte Weiber mit Säcken auf dem Rücken kommen den Weg herab nach der Mühle. Kreuz; wer schreit da? Ich, ich bin's! Aase! Schau', – so hoch gestiegen? Pah; hier ist nicht viel zu sehn; – Bald werd' ich gen Himmel fliegen! Glück zur Reise! Holt 'ne Leiter Ich will 'runter! Dieser Peer –! Euer Sohn? Jetzt mögt Ihr weiter Sagen, was der anstellt, der – – Gerne. Helft mir bloß hinunter; Denn ich muß nach Haegstad machen. Ist er dort? So könnt Ihr lachen; Denn da duckt der Schmied ihn unter. ringt die Hände. Gott, o Gott, was soll geschehn, Wenn sie ihm ans Leben gehn! Ja, der Tod hat lange Beine. Will er wen, dem hilft kein Flitzen! Je, sie fährt schier aus der Haut! Ruft nach oben. Ejvind, Anders! Kommt und schaut! Was ist los? Peer Gynt hat seine Mutter auf dem Mühldach sitzen! Eine kleine Anhöhe mit Büschen und Heidekraut. Hinten, durch einen Zaun getrennt, führt die Straße vorüber. Peer Gynt kommt einen Fußsteig herauf, geht rasch auf den Zaun zu, bleibt stehen und blickt hinaus, wo die Aussicht sich öffnet. Dort liegt Haegstad. Bald werd' ich's haben. Steigt halb über; dann bedenkt er sich. Ob wohl die Ingrid allein ist, wer weiß? Beschattet sich die Augen und lugt in die Weite. Nein. Dort wimmelt's von Leuten mit Gaben. – Hm! Am schlausten, ich tät' mich drücken! Zieht das Bein wieder an sich. Allweil da grienen sie dir hinterm Rücken Und zischeln, – es wird einem kalt und heiß. Macht einige Schritte vom Zaun hinweg und reißt gedankenlos Laub ab. Wer jetzt was Starkes zum Heizen hätt'! Oder wer da hingehn könnt' unbemerkt – Oder unbekannt wär'. – Irgendwas, das recht stärkt, Wär' am besten, – daß der Spott nicht so beizen tät'! Sieht sich mit einem Mal wie erschrocken nach allen Seiten um und versteckt sich darauf im Gebüsch. Einige Leute mit Kostgaben gehen vorbei nach dem Hochzeitshof hinunter. im Gespräch. Sein Vater war ein Saufbold, seine Mutter hat's im Kopf. Dann wundert man sich, daß der Bursch' solch ein Tropf! Die Leute gehen weiter. Bald darauf kommt Peer Gynt hervor und guckt ihnen mit schamrotem Gesichte nach. leise. Was, hat das von mir geschnackt? Mit einer gezwungenen Geberde. Ach, laß sie schnacken! Sie könn'n mir ja doch wohl den Kopf nicht abhacken. Wirft sich nieder ins Heidekraut, liegt lange auf dem Rücken, die Hände unterm Kopf, und starrt ins Blaue. So 'ne schnurrige Wolke! Genau wie ein Pferd! Und ein Mann ist auch drauf – und Sattel – und Zügel. – Dahinter reitet 'ne Hex' auf 'nem Prügel. Lacht leise in sich hinein. Das ist Mutter, die jammert und aufbegehrt: Peer! Biest! – – Schließt nach und nach die Augen. Nun bangt ihr! – Voran seinem Trosse Reitet Peer Gynt auf goldhufigem Rosse. Die Mähr' hat 'nen Federbusch zwischen den Ohren. Selbst hat er Handschuh' und Säbel und Sporen. Der Mantel ist lang und mit Taft ausgeschlagen. Wacker sind die, die hinter ihm jagen. Er aber sitzt doch am stracksten zu Pferde, Er aber strahlt doch am hellsten zur Erde. Drunten die Leut' stehn, ein schwarzes Gewimmel, Ziehen die Hüt' ab und gaffen gen Himmel. Die Weiber verneigen sich. Alle gewahren Kaiser Peer Gynt und seine Heerscharen. Nickel und Silber, ein blankes Geriesel, Streut er hinunter wie Hände voll Kiesel Allen im Dorf geht's von nun an zum besten. Peer Gynt sprengt quer übers Meer gen Westen. Engellands Prinz steht und wartet am Strande; Mit ihm alle Schönen von Engellande. Engellands Kaiser und Engellands Barone Steigen die Stufen herab vom Throne. Der Kaiser nimmt seine Kron' ab und sagt – zu einigen anderen Leuten, mit denen er jenseits des Zaunes vorüberkommt. Sieh da; Peer Gynt, das betrunkene Schwein –! fährt halb in die Höhe. Wie, Kaiser –! lehnt sich an den Zaun und grient. Willst Du nicht aufstehn? Nein? Was Teufel! Der Schmied! Was willst Du hier, he? zu den anderen. Von Lunde der Tanz sitzt ihm noch in den Knochen. springt auf. Schmied, geh im Guten! Geh schon, geh. Doch, Kerl, wo warst Du die letzten sechs Wochen? Warst bergverhext? Oder was hast Du gemacht? Ich hab', Schmied, dir gar seltsame Taten vollbracht! zwinkert den anderen zu. Laß uns hören, Peer! Dahin ist's noch weit. nach einer kleinen Weile. Du willst wohl nach Haegstad? Nein. Eine Zeit, Da hieß es, die Dirn dort, die wär' Dir nicht leid. Du Kolkrabe –! weicht etwas zurück. Immer härm' Dich nicht, Peer; Hat Dich Ingrid verschmäht, – es gibt ja noch mehr. Der Sohn von Jon Gynt; pah! Der treibt sie zu Paaren! Du findest dort Lämmlein wie Witwen von Jahren – Zur Hölle –! Da wird Dich schon eine wählen. – Guten Abend! Ich werd' Dich der Braut empfehlen. – Sie gehen unter Lachen und Geflüster ab. sieht ihnen eine Weile nach, macht eine wegwerfende Bewegung und wendet sich halb um. Meinthalben teilt die Haegstad ihr Bette, Mit wem sie Lust hat. Was mich das schiert! Sieht an sich hinunter. Die Hosen zerrissen. Zerlumpt, beschmiert. – Wer bloß was Neues zum Wechseln hätte! Stampft auf den Boden. Könnt' ich mit einem Schlächtergriff Ihnen die Mißachtung aus der Brust reißen! Sieht sich plötzlich um. Was war das? War das nicht eben ein Pfiff? Als möcht' sich ein Mensch da sein Lachen verbeißen? Ich will heim zu Muttern. Geht, bleibt aber wieder stehen und horcht nach dem Hochzeitshof hinunter. Da fängt der Tanz an! Starrt und horcht; geht Schritt um Schritt wieder zurück; seine Augen leuchten; er reibt sich die Beine. Dies Gewimmel von Mädels! Sieben, acht auf den Mann. Ah, Tod und Teufel auch, – wen das nicht lockte! – Wenn Mutter nur nicht auf dem Mühldach hockte –! Seine Blicke werden wieder hinabgezogen; er hüpft und lacht. Heißa, der Hallingtanz tollt über die Wiese! Ja, ja der Guttorm geigt die Waden in Gang! Das stampft und das braust wie ein Sturzbach am Hang. Und dann all diese schimmernden Mädels! Diese Mädels! Zum Henker! Wer da nun noch stockte! Setzt mit einem Sprung über den Zaun und den Weg hinunter. Der Hofplatz auf Haegstap. Im Hintergrund das Wohnhaus. Viele Gäste. Auf dem Wiesenplan wird lebhaft weiter getanzt. Der Spielmann sitzt auf einem Tisch. Der Küchenmeister steht in der Tür. Kuchenweiber eilen zwischen den Gebäuden hin und her, ältere Leute sitzen – hier und dort im Gespräch zusammen. nimmt Platz in einer Gruppe, die auf einigen Balken sitzt. Die Braut? Ach Gott, das bißchen Gewein', Das macht nichts; so tun alle Bräute. in einem andern Haufen. Da habt Ihr zu trinken, gute Leute! Du meinst es zu gut; Du schenkst zu oft ein. zum Spielmann, während er, ein Mädel an der Hand, vorbeifliegt. Heißa, Guttorm, in die Fiedel gewettert! Streich, daß es über die Wiesen hinschmettert! im Kreis um einen Burschen, der tanzt. Fein war der Sprung! Seine Knie' haben's weg! tanzend. Hier ist's weit bis zur Wand und noch weiter bis zur Deck'! nähert sich greinend dem Vater, der im Gespräch mit ein paar anderen steht, und zieht ihn an der Jacke. Sie will nicht, Vater; sie ist so voll Trotz. Sie will nicht? Sie hat sich eingeschlossen. So find' den Schlüssel, und werd' nicht zum Possen! Wo soll ich ihn finden! Du bist ein Klotz! Wendet sich wieder zu den anderen. Der Bräutigam trollt über den Hof ab. hinter dem Haus hervor. Mädels! Juchheißa! 's wird immer feiner! Peer Gynt kommt! der eben dazugetreten ist. Wer hat ihn gebeten? Keiner. Aufs Haus zu ab. zu den Mädels. Spricht er Euch an, so laßt mir ihn stehn! zu den anderen. Wir tun, als hätten wir 'n nie gesehn. kommt erhitzt und voller Leben daher, bleibt mitten vor dem Schwarme stehen und klatscht in die Hände. Wer ist die Flinkste von Euch zum Drehn? der er sich nähert. Ich nicht. ebenso. Ich auch nicht. Ich? Nicht um die Welt! zu einer vierten. So komm denn Du, bis 'ne bessre sich stellt. kehrt sich ab. Hab' keine Zeit. zu einer fünften. Na, denn Du! sich zum Gehen anschickend. Muß nach Haus Heut Abend? Du bist wohl ganz von Verstand? gleich darauf, halblaut zu Peer. Da reicht sie 'nem alten Trottel die Hand. wendet sich rasch an einen älteren Mann. Wo ist eine frei hier? Find' sie heraus. Geht von ihm fort. Peer Gynt ist mit einem Male still geworden. Er blickt verstohlen und scheu auf die Gruppe. Alle sehen auf ihn, aber niemand spricht. Er nähert sich anderen Gruppen. Wohin er kommt, wird es stumm; sobald er sich wieder entfernt, lächelt man und blickt ihm nach. leise. Höhnische Blicke; Gedanken wie Pfeile. Das zischelt, wie Sägblätter unter der Feile! Er drückt sich den Zaun entlang. Solvejg, mit klein Helga an der Hand, betritt den Hof, begleitet von ihren Eltern. zu einem andern in der Nähe von Peer Gynt. Die sind zugewandert. Die Leute da? Jawohl, vom Westen her. Richtig! ja. vertritt den Kommenden den Weg, zeigt auf Solvejg und fragt den Mann. Darf ich einen Tanz tun mit der Tochter von Dir? mit sanfter Stimme. Gern; aber erst will der Wirt drin begrüßt sein! Sie gehen ins Haus. zu Peer Gynt, indem er ihm den Krug anbietet. Bist Du schon hier, soll Dir 's Leben auch versüßt sein! unverwandt den Gehenden nachblickend. Nein; ich will tanzen. Schönen Dank für Dein Bier. Der Küchenmeister geht weiter. Peer Gynt blickt aufs Haus und lacht. So 'ne saubere Dirn! So schmuck, – nicht zu sagen! Und wie sie hinab auf ihr Brusttuch geschielt –! Und wie sie an Mutters Schürze sich hielt, Und 's Gesangbuch trug, in ein Tüchel geschlagen –! Ich muß sehn nach dem Mädel. Will ins Haus. kommt mit mehreren anderen aus dem Hause heraus. Peer, gehst Du schon Vom Tanz weg? Nein. Also lauf nicht davon! Faßt ihn an der Schulter, um ihn umzudrehen. Laß mich vorbei! Bist Du bang vor dem Schmied? Ich bang? Daß Dir wieder wie auf Lunde geschieht? Die Burschen lachen und gehen nach dem Tanzplatz. in der Tür. Wolltest nicht Du mit mir tanzen vorhinnen? Jawohl wollt' ich das; kannst Dich nimmer besinnen? Faßt sie bei der Hand. Komm! Doch, sagt Mutter, nicht lang! Nicht wahr? Sagt Mutter? Bist Du vom vorigen Jahr? Du machst Dich lustig –! Du bist doch aufs Haar Schon erwachsen? Im Mai war ich am Altar. Wie heißt Du denn, – daß wir bekannter werden? Ich heiße Solvejg. – Und wie heißt Du? Peer Gynt. entzieht ihm die Hand. O, Heiland! Was ist denn nu –? Mein Strumpfband macht mir solche Beschwerden. Geht von ihm. zieht seine Mutter am Kleid. Mutter, sie will nicht –! Will nicht? Was? Sie will nicht! Was denn? Den Schlüssel umdrehn. leise und gereizt. Du solltest im Stall an der Krippe stehn. Er wird sich schon machen, – laß nur, laß! Sie gehen nach hinten. der mit einem ganzen Schwarm vom Tanzplatz herkommt. Ein Schluck Branntwein gefällig, Peer? Nein! Bloß ein Schluck! sieht ihn finster an. Hast Du welchen? 'nen ziemlichen Posten. Zieht eine Flasche hervor und trinkt. Ah! wie das durchputzt! – Na? Laß mich kosten. Trinkt. Nu machst Du auch noch bei mir einen Gluck. Nein! Ah! Wirst Dich nicht gleich bezopfen. Immer trink, Peer! So gib mir 'nen Tropfen. Trinkt wiederum. halblaut. Kommt, laßt uns gehn! Bist Du bang vor mir? Wer Wär' es vor Dir nicht ? Auf Lunde drüben Sahn wir ja jüngst Deine Künste Dich üben. Wenn ich erst einmal losleg', dann kann ich noch mehr. flüsternd. Jetzt kommt er in Zug. einen Kreis um ihn bildend. Zähl' her; zähl' her! Was kannst Du? Morgen –! Nein, heut schon, Peer l Kannst Du hexen? Ich kann den Teufel beschwören. Dazu kannt' Großmutter schon den Text. Lügner! Woher, das möcht' ich bloß hören! Ich hab' ihn einmal in 'ne Walnuß gehext, – Die war wurmstichtig, seht Ihr! lachend. Das läßt sich denken! Er flucht' euch und flennt' euch und wollte mir schenken, Was immer ich mocht' – Aber hinein mußt' er doch? Das mußt' er. Und dann verstopft' ich das Loch. Hei! Wie er da drinnen nun surrte und summte! Nein, so was! Als ob eine Hummel drin brummte! Hast Du ihn noch in der Nuß? Nein, nein. Jetzt ist er längst über Stock und Stein. Der Kerl ist dran schuld, daß der Schmied mich nicht mag. Wie das? Ich geh' nach der Schmied' hin und sag', Er soll mir doch mal die Nußschal' aufknacken. Soll geschehn! sagt Aslak und kriegt sie zu packen, – Doch er faßt auch gleich alles so harthändig an – Und kommt euch nicht aus ohne Hammerschlag – Erschlug er den Teufel? Er schlug wie ein Mann. Der Teufel aber fuhr wie ein Brand Quer durchs Dach und zerspliß die Wand. Und der Schmied –? Stand da mit versengten Händen. Seit damals hat's zwischen uns sein Bewenden. Allgemeines Gelächter. Nicht schlecht! Bald die beste von seinen Geschichten! Glaubt Ihr, ich dicht' was zusammen? Du dichten? Ach nein; wir kennen seit uralten Zeiten Das meiste – Ihr lügt! Das ist mir passiert. Wie alles. Wer kann durch die Luft hinreiten, Ohne daß er die Steigbügel verliert? Ich kann's und kann mehr! Ihr wagt's zu bestreiten? Gelächtersalve. Peer, reit durch die Luft! Ach, Peer, tu's doch bloß! Ja, spielt nur mit dem Feuer und bettelt noch groß! Und ich reit' wie ein Wetter hin über Euch allen! Der ganze Kreis soll zu Füßen mir fallen! Jetzt ist er übergeschnappt! Das Schaf! Der Prahlhans! Der Lügner! droht ihnen. Ja, wartet nur brav! halbbetrunken. Ja, wart' nur, wir kriegen Dich schon noch am Kragen!' Und werden Dir's Fell gerben und ein Auge blau schlagen! Der Schwarm zerstreut sich, die Älteren in zorniger Erregung, die Jüngeren unter Spott und Gelächter. dicht an ihn herantretend. Du kannst durch die Luft reiten, Peer, ist das wahr? kurz. Ja, Matz. Wie Du willst, galoppier' oder trab' ich. Und hast auch den Rock, der da macht unsichtbar? Den Hut, willst Du sagen, – jawohl, den hab' ich. Wendet sich von ihm ab. Solvejg geht über den Hofplatz, Helga an der Hand. ihnen entgegen, leuchtenden Auges. Solvejg! Ach, das ist schön, daß sie da ist! Faßt sie ums Handgelenk. Jetzt will ich drehn Dich, was Mutter auch schilt. Laß mich! Warum denn? Du bist so wild. Auch der Renbock ist wild, wenn der Sommer nah ist. Komm und sei nicht so halsstarrig, Kind! zieht den Arm an sich. Darf nicht. Warum nicht? Du hast getrunken. Geht mit Helga weiter. 's Messer müßt' man diesen Halunken Durch den Leib rennen, – wie sie da sind! pufft ihn mit dem Ellenbogen. Kannst Du mich nicht zur Braut hineinbringen? zerstreut. Zur Braut? Wo ist die? Im Blockhaus. So, so. Könnt'st Du's, ich wär' ja so seelenfroh. Nein, mir träumt jetzt von anderen Dingen. Ein Gedanke blitzt in ihm auf; er sagt leise und heftig. Ingrid im Blockhaus! Nähert sich Solvejg. Je, das Gesicht! Solvejg will gehen; er vertritt ihr den Weg. Du schämst Dich, weil ich wie 'n Lump angezogen. hastig. Das ist nicht wahr, nein, das bist Du nicht! Ich bin auch nicht ganz mehr im Gleichgewicht. Aber das war aus Trotz; denn Du hatt'st mich betrogen. Na, komm jetzt! Ich darf nicht, und wenn ich schon mag. Vor wem bist Du bang? Meist vor Vater. Puh! Der ist wohl von diesen stillen Christen, Läßt die Ohren hängen? Was? Hab' ich recht? Sag'! Was soll ich sagen? Ihr seid Pietisten? Der Vater, nicht? – und auch Mutter und Du? Na, kannst Du nicht reden? Laß mich in Ruh'. Nein! Mit gedämpfter Stimme, aber heftig und schreckend. Du, ich verwandel' mich in einen Troll! Ich komm' an Dein Bett heut, wenn Mitternacht voll. Hörst Du dann ein Geschab' und Gekratze, So denk nur nicht etwa, das wär' bloß die Katze. Da komm' ich und trink' ich Dein Blut wie ein Mahr; Und Dein Schwesterlein fress' ich mit Haut und mit Haar; Ja, denn Du mußt wissen, ich bin Werwolf bei Nacht; – Ich beiß' Dich in Lenden und Rücken und Mark – – Schlägt plötzlich einen andern Ton an und bittet wie in Angst. Tanz' mit mir, Solvejg! sieht ihn finster an. Jetzt warst Du arg. Ab ins Haus. kommt wieder des Wegs. Ich schenk' Dir ein Rind, wenn Du kommst! Abgemacht! Sie verschwinden hinter dem Hause. Im selben Augenblick kommt ein großer Haufe Volks vom Tanzplatz her; die meisten sind betrunken. Lärm und Aufregung. Solvejg, Helga und ihre Eltern zeigen sich mit einer Anzahl älterer Leute in der Türe. zum Schmied, der der vorderste im Haufen ist. Halt' Frieden! zieht die Jacke aus. Nein, jetzt wird's zum Austrag gebracht. Peer Gynt oder ich soll am Platz hier bleiben! Ja, laßt sie sich raufen! Nein, bloß sich reiben! Die Faust muß hier reden; Worte sind Quark. Beherrsch' Dich, Mann! zur Mutter. Sag', woll'n sie ihn schlagen? Wir woll'n lieber unser Spiel mit ihm treiben! Ins Gesicht ihm spucken! Vom Hof ihn jagen! zum Schmied. Steckst Du's auf, Schmied? wirft die Jacke ab. Die Schindmähre wird geschlachtet! zu Solvejg. Da siehst Du's, so wird der Fant hier geachtet. kommt mit einem Stecken in der Hand. Wo ist mein Sohn? Jetzt krieg' er's, der Schuft! Ha, wie inbrünstiglich will ich ihn prügeln! krempt die Hemdsärmel auf. Für so ein Fell ist ein Stecken Luft. Der Schmied will ihn prügeln! Bügeln! spuckt in die Hände und nickt Aase zu. Beflügeln! Was! Peeren? Versuch's nur, so sollst Du sehn –! Aase und ich haben Krallen und Zähn'! Wo ist er? Ruft über den Platz hin. Peer! kommt gelaufen. 's ist um umzukommen! He, Vater, Mutter –! Was ist im Werk! Peer Gynt, denkt –! schreit. Habt Ihr ihm 's Leben genommen? Nein, Peer Gynt –! Seht dorthin, auf den Berg –! Mit der Braut! läßt den Stock sinken. Das Luder! wie aus den Wolken gefallen. Im schroffsten Gestein Klettert der Kerl wie ein Geißbock hinauf. weinend. Er trägt sie, Mutter, wie ein Bär ein Schwein! droht hinauf zu ihm. O, daß Du herabfielst –! Schreit in Angst auf. Tritt vorsichtig auf! kommt barhäuptig und weiß vor Zorn. Ich dreh' ihm den Hals um für diesen Raub! Gott straf' mich, wenn ich Euch das erlaub'! 2. Akt Zweiter Akt Ein schmaler Steig hoch oben im Gebirge. Es ist früher Morgen. Peer Gynt geht eilig und unwillig den Steig entlang. Ingrid, halb in Brautputz, sucht ihn zurückzuhalten. Geh! weinend. Nach all dem, was geschehen! Und wohin? Was kümmert's mich! ringt die Hände. Welch ein Treubruch! Statt zu schmähen, Wandre Deines Wegs wie ich! Unsre Schuld muß uns vereinen! Daß die Pest auf all das falle! Hol' die Pest Euch Weiber alle – – Außer einer –! Welcher einen? Du bist's schwerlich. Also wer? Geh! Geh wieder heim, woher Du gekommen bist! Ach Peer –! Schweig! Du kannst unmöglich meinen, Was Du redest. Kann ich doch! Erst verführen, – dann erkalten! Und was hast Du, mich zu halten? Haegstad und manch andres noch. Hast Du ein Gesangbuch? Trägst Du Goldhaar über Hals und Mieder? Hältst Du Mutters Schürze? Schlägst Du Fromm den Blick zur Erde nieder? Ich –? Bist Du vor hundert Tagen Am Altar gewesen? Nein – Kann Dein Auge züchtig sein? Kannst Du mir 'ne Bitt' abschlagen? Peer, bist Du von Sinnen, he? Wird der, der Dich ansieht, rein? Sag'! Nein, aber – Also geh! Will gehen. vertritt ihm den Weg. Weißt Du, daß Dir das den Kopf Kosten kann? Und wenn's auch wäre! Geld und Gut wird Dein und Ehre, Bleibst Du treu! Ich wär' ein Tropf! bricht in Tränen aus. Du betrogst mich –! Du warst willig. Trostlos war ich! Ich war toll. drohend. Doch Du zahlst den Preis mir voll! Hier ist jeder Preis noch billig. Also nicht? Komm mir nicht nah! Gut! Du spürst noch meine Kralle! Steigt hinab. schweigt eine Weile; auf einmal schreit er. Daß die Pest auf all das falle! Hol' die Pest Euch Weiber alle! wendet den Kopf und ruft höhnisch herauf. Außer einer ! Einer ; ja. Ab, ein jedes seines Wegs. Bei einem Gebirgssee. Der Boden ringsum ist weich und sumpfig. Ein Unwetter zieht auf. Aase, verzweifelt, ruft und sieht sich um nach allen Seiten. Solvejg hat Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Ihre Eltern und Helga ein Stück dahinter. ficht mit den Armen und rauft sich das Haar. Alles ist wider mich eifernd im Werk – Himmel und Wasser und Wald und Berg! Der Nebel möcht' am liebsten ein Brett werden, Der tückische Bergsee sein Totenbett werden, Die Felswand ihn mit Steinschlag begraben! Und gar die Menschen! Wenn die ihn erst haben! Sie soll'n ihm nur an! Ich kann ihn nicht entbehren! Mußt' ihn der Teufel auch das just lehren! Wendet sich zu Solvejg. Ist es denn möglich! Das ist mein Sohn? – Er, der nichts könnt' als lügen und drohn, Er, dessen Maul seine einzige Kraft, – Er, der noch nie was Rechtes geschafft, – Er –! Was soll man da? Weinen oder lachen? O, wir zwei hatten was durchzumachen! Denn wie Du wissen mußt, trank mein Mann, Fuhr rings umher und gab Torheiten an; 's Geld flog hinaus; mehr und mehr ging's uns schlecht. Derweil' sind wir zwei denn daheim gesessen Und haben gesucht, den Jammer zu vergessen; Denn Widerstand leisten, das konnt' ich nie recht. Dem Schicksal ins Aug' schaun, das ist kein Vergnügen; Und man will doch auch mal seiner Sorgen bloß werden Und die bösen Gedanken von Zeit zu Zeit loswerden. Der eine braucht Branntwein, der andre braucht Lügen; Na ja! Und so verfielen denn wir Auf Prinzen und Trollspuk und allerhand Getier. Auch Brautraub kam vor. Doch, frag' ich, wer denkt, Daß so was in solch einem Burschen festhängt. Wieder voll Furcht. Hu, was schrie dort! Ein Draug oder Zwerg! Peer! – – Peer! – – Dort oben auf dem Berg –! Sie läuft eine kleine Anhöhe hinauf und sieht über den See hin. Solvejgs Eltern mit Helga kommen dazu. Nichts zu sehn auf dem ganzen Kamm! nachdenklich. Schlimm für ihn. weinend. Mein verloren Lamm! nickt mild. Jawohl. Verloren. Nein, red' nicht so! Er ist ein Kerl! Da wär' mancher froh –! Du Törin! Mag ich Dir eine gelten! Doch meinen Jungen, den lass' ich nicht schelten. immer gedämpften Tones und mit milden Augen. Er ist verloren; sein Herz ward zu Stein. angstvoll. Nein doch! So hart wird der Herrgott nicht sein! Kann er vielleicht seine Sünden bestreiten? eifrig. Nein, aber durch die Luft kann er reiten! Seid Ihr verrückt? Was schwatzt Ihr da her? Nichts auf der Welt ist dem Jungen zu schwer. Laß ihn nur erst seine Schalen ganz sprengen – Säht Ihr ihn nur erst am Galgen hängen! schreit. Jesus, nein! Wird ihn der Henker packen, Krümmt ihm vielleicht doch noch Reue den Nacken. betäubt. O, Ihr verwirrt noch mich armes Weib! Kommt doch! Es gilt – Seine Seel'. Und seinen Leib! Steckt er im Sumpf, wir betten ihn trocken, – Ist er verhext, muß der Küster an die Glocken, – Hm! – Hier ist Viehweg – Vergess' Gott Euch nicht, Daß Ihr mir helft! Das ist Christenpflicht. So? Na, dann sind das Heiden, die andern! Auch nicht einer wollt' mit uns wandern – Man kennt ihn zu gut. Er konnt' ihnen zu viel! Ringt die Hände. Und denkt Euch! Sein Leben steht auf dem Spiel! Hier scheint 'ne Fährte –. So laßt uns eilen! Bei unserm Saeter dann woll'n wir uns teilen. Er und seine Frau gehen voraus. zu Aase. Erzähl' mir noch etwas! trocknet die Augen. Von meinem Sohn? Ja; – Alles! lächelt und trägt den Kopf mit einem Mal wieder hoch. Alles? – Müd' würd'st Du da! Eher wohl würdet Ihr müd', zu plauschen, Als ich, zu lauschen. Niedrige baumlose Höhen unterm Hochgebirge. Bergzinnen weiter hinten. Die Schatten fallen lang; es ist spät am Tage. kommt in großen Sätzen gesprungen und macht vor dem Abhang halt. Die ganze Gemeind' ist aus, mich zu fangen. Sie haben sich bewaffnet mit Flinten und Stangen. Allen voran hört den Haegstad man brüllen. – Überall heißt's jetzt: Peer Gynt, das wilde Füllen! Das ist doch was mehr, als Gebalg mit 'nem Schmied; Das ist Leben. Man fühlt sich wie ein Bär in jedem Glied. Schlägt um sich und macht einen Luftsprung. Brechen! Wälzen! Den Wasserfall stauen! Tannen auswurzeln! Stoßen! Hauen! Das ist Leben! Das kräftigt! Das schafft Genügen! Zum Teufel mit all den wässrigen Lügen! laufen über die Berghänge schreiend und singend. Trond im Walgebirg! Kåre und Bår! Wir schieben heut Nacht die Riegel nicht vor! Was schreit Ihr da? Jede nach ihrem Troll! Trond! Komm mir schmachtend! Bår, komm mir toll! Im Saeter stehn alle Kammern leer. Toll ist schmachtend! Und schmachtend ist toll! Fehlt' es an Burschen, so liebt man 'nen Troll. Wo sind denn die Burschen? sich vor Lachen schüttelnd. Die kommen nicht mehr. Der meine, der nannt' mich Verlobt' und Verwandte, – Da wurd' er der Mann von 'ner alten Tante Der meine, der traf 'ne Zigeun'rin im Norden, – Da sind sie beide Landstreicher worden. Der meine vergab's unserm kleinen Dinge, – Jetzt grient sein Schädel wo aus 'ner Schlinge. Trond im Walgebirg! Kåre und Bår! Wir schieben heut Abend die Riegel nicht vor! steht mit einem Sprung unter ihnen. Ich bin ein Troll und ein Bursch für Euch drei! Bist Du so 'n Kerl? Steh' der Himmel Euch bei! Zum Saeter! Wir haben Met! Laßt's ein Meer sein! Die Samstagsnacht soll keine Kammer heut leer sein! küßt ihn. Er glühet und sprühet wie glühheißes Erz. ebenso. Wie 's Aug' einer Kindsleich' im schwärzesten See. Trübe der Sinn und frech das Herz. Im Auge Lachen, im Halse Weh! machen den Bergspitzen lange Nasen, schreien und singen. Trond im Walgebirg! Kåre und Bår! Wir schieben heut Nacht die Riegel doch vor! Im Rondegebirge. Sonnenuntergang. Schimmernde Schneegipfel rundum. kommt wirr und verwildert. Luftschloß auf Luftschloß brückt es Über die Tiefen hin! Steh! Willst Du stehn! Da rückt es Wieder aus Augen und Sinn! Auf dem Turme der Hahn winkt Mit seinen Flügeln zur Flucht; – Und, ein entflatternder Wahn, sinkt Alles ins Grauen der Schlucht. – Was für Wurzeln und Stämme sprießen Dort aus zerklüftetem Grund? Das sind Riesen mit Reiherfüßen! Da schluckt sie schon wieder ein Schrund. – Wie Regenbogengeflimmer Frißt sich mir's ins Gehirn. Was ist das für Glockengewimmer! Was werkt da in meiner Stirn! Der Schädel nimmt keinen Rat an. Wie sollt' er's auch mit dem Band, Dem brennheißen, um sich! Zum Satan! Wer hat mir nur das umgebrannt! Sinkt nieder. Bocksritt über den Genden. Wer Dir das glauben mag? Hoch an den schroffesten Wänden Mit' der Braut'– und im Rausch einen Tag; Stoßende Falken und Weihen, Trollspuk und ähnlicher Prast, Liebschaften gleich mit dreien; – O, Du verruchter Phantast! Starrt lange aufwärts. Da segeln zwei braune Aare. Gen Süden die Wildgäns' ziehn, Und hier soll ich armer Narre Im Kot waten bis zu den Knien! Springt in die Höhe. Ich will mit! Will baden mich rein in Des Winds allerwildester Wut! Will hoch! Will tauchen hinein in Der Sonne Taufstrahlenflut! Ich will fort! Ich schwing' mich zu Pferde; Ich reit' mich von Sinn und Verstand; Ich stürm' übers Meer und werde Kaiser von Engelland; Ja, glotzt nur, ihr Mädels da drunten! Ich tu,' was ich mag, annoch. Was wartet ihr, dumme Tunten –! Das heißt, – am End' komm' ich doch?! – Halloh! Die Adler da droben, – Die hat wohl der Schwarze verhext! – Da hat sich ein Giebel erhoben! Schau', schau', wie das wird und wächst! Ein Bauwerk aus Berg und Wolke! Haha, jetzt kenn' ich mich aus! Breit winkt die Tür allem Volke, – Das ist Großvaters neugebaut Haus. Dem alten Gebälk ging's zuleibe, Der Hecke gab man den Rest. Das glitzert von jeder Scheibe, Im großen Saal, da ist fest! Da messert die Plappertasche, Der Propst, an sein Glas und girrt; – Da schmeißt der Kapitän seine Flasche, Daß der Spiegel in Scherben zerklirrt. – Laß fahren dahin! Laß fahren! Schweig, Mutter; wir machen's nicht gut! Der reiche Jon Gynt mag nicht sparen, – Ein Hoch auf das Gyntische Blut! Was ist das für ein Gezeter! Was für ein Gelärm' und Gejohl'! Der Kapitän ruft nach Peter, – Der Propst will ausbringen mein Wohl. Hinein denn, entgegengenommen Dein Urtel von jedem im Saal! –: Von Großem, Peer, bist Du kommen, Und Großes noch wirst Du einmal! Springt vorwärts, rennt jedoch mit der Nase gegen einen Felsblock, fällt hin und bleibt liegen. Eine Berglehne mit großen rauschenden Laubbäumen. Sterne blinken durchs Laub; Vögel singen in den Baumkronen. Ein grüngekleidetes Weib geht auf der Lehne. Peer Gynt folgt ihm unter allerhand verliebten Gebärden. bleibt stehen und kehrt sich um. Ist's wahr? schneidet sich mit dem Finger über die Gurgel. Ich heiße nicht wahrer Peer, – Und Du bist nicht wahrer eine bildsaubre Dirn! Willst Du mich haben? Du bekommst es nicht schwer, Sollst nichts zu tun haben mit Nadel und Zwirn, Magst Dich mit Speisen nach Herzenslust stopfen, Will Dich auch niemals beuteln oder schopfen – Nie auch mich schlagen? Nein; so zu fragen! Ein Königssohn wird doch nicht Weibsleute schlagen. Ein Königssohn? Ja! Ich bin Dovrekönigs Kind. Bist Du? Schau', schau', was für Leute wir sind! Drinnen in Ronde hat Vater sein Schloß. Mutters Palast ist ein wahrer Koloß. Kennst Du meinen Vater? Den König Brose? Kennst Du meine Mutter? Die Königin Aase? Brüllt Vater, bersten die größten Blöcke. Schilt Mutter, schießen sie Purzelböcke. Vater, der springt dir im Tanz bis ans Dach. Mutter, die reitet durch den reißendsten Bach. Hast Du keinen besseren Anzug als den ? Du solltest mal meinen Sonntagstaat sehn! Ich geh' auch Werktags in seidnem Kleide. Es sieht zwar wie Werg aus und Gras, nicht wie Seide – Ja, Du, auf eines , da hab' Du mir Acht: So ist's nun einmal bei uns hergebracht: Alles beim Rondevolk hat zwei Seiten. Wenn Du auf Vaters Schloß mit mir gehst, Dürft' Dich der Schein leicht zum Glauben verleiten, Daß Du mitten in einer Geröllwüste stehst. Just wie bei uns! Daß man's glauben sollt'! Für Ruß und Rost möcht'st Du alles das Gold – Und jede glitzernde Scheib' für aus alten Fetzen und Flicken zurecht gemacht halten. Schwarz, das scheint weiß, und grob, das scheint fein. Groß, das scheint klein, und schmutzig, das scheint rein! fällt ihm um den Hals. Ja, Peer, so seh' ich, wir geben ein Paar! Wie Bein und Hose, wie Kamm und Haar. ruft nach hinten in die Berglehne. Brautrößlein! Brautrößlein mein! Komm hervor! Eine riesengroße Sau kommt gelaufen mit einem Tauende als Zaum und einem alten Sack als Sattel. Peer Gynt schwingt sich darauf und nimmt die Grüngekleidete vor sich. Heissa! Jetzt geht es durchs Ronde-Tor, Sput' Dich, sput' Dich, mein Zelter brav! zärtlich. Ach, gestern noch ging ich als wie im Schlaf; – Und heute – wer das mir gesagt hätt'! – und heute –! prügelt die Sau und trabt von dannen. Am Reitzeug erkennt man die fürnehmen Leute! Des Dovre-Alten Königshalle. Große Versammlung von Hoftrollen, Erdgeistern und Kobolden. Der Dovre-Alte auf dem Hochsitz mit Krone und Szepter. Seine Kinder und nächsten Verwandten zu beiden Seiten. Peer Gynt steht vor ihm. Große Bewegung im Saal. Schlachtet ihn ab! Betört hat der Christ Des Dovre-Alten wonnigste Maid! Ob ich ihn in den Finger schneid'? Darf ich ihn an den Haaren reißen? Laßt mich ihn in den Schenkel beißen! mit einem Kochlöffel. Dafern er in Salzlaug' zu pökeln ist –? mit einem Schlächtermesser. Soll ich ihn am Spieß braten oder im Hafen schmoren? Eis Euch ins Blut! Winkt seine Vertrauten näher zu sich heran. Hört, sei'n wir keine Toren! Mit uns geht's die letzten Jahre zurück, Wir haben den Halt, sozusagen, verloren, Und Volkshilfe macht' uns am End' wieder flügg. Zudem scheint der Bursche gesund geboren, Und stark gebaut ist er auch, wie ich seh'. Wohl wahr, Kopf hat er nicht mehr als einen, Doch hat meine Tochter ja auch nicht meh. Dreiköpfiger Trolle gibt's schier mehr keinen, Zweiköpfige kaum noch mal hier und da, Und die sind denn auch soso lala. Zu Peer Gynt. Du willst, daß ich Dir die Tochter gebe? Die Tochter und 's Reich als Mitgift dazu. Das halbe mag Dein sein, solang' ich noch lebe, Das übrige, leg' ich dereinst mich zur Ruh'. Ich bin's zufrieden. Ja, stopp, mein Sohn! Du mußt Dich auch durch Zusagen binden. Und brichst Du nur eine, so kostet's den Thron, Und Du wirst nie mehr lebend von hier hinweg finden. Zunächst hast Du nirgends herumzuscharlenzen, Auch nicht in Gedanken, außer Rondanes Grenzen. Tag sollst Du scheun und Tat und jeden Fleck Lichts. Wenn ich König genannt werd', verschlägt mir das nichts. Dann woll'n wir Dich mal bei den Hörnern packen – Erhebt sich auf seinem Sitz. zu Peer Gynt. Wobei Deine Kunst sich erweisen soll, Des Alten Rätselnüsse zu knacken! Wodurch unterscheiden sich Mensch und Troll? Die unterscheiden sich wohl nicht sehr. Großtroll will zwicken und Kleintroll will zwacken; – Ganz wie bei uns, wenn's erlaubt nur wär'. Wohl wahr, wir sind einig in dem und in mehr. Doch gleicht sich auch Tag um Tag um ein Haar, – Ein Unterschied bleibt denn doch immerdar. – Hör' zu denn, so wird er Dir offenbar. Draußen im Sonnenstrahl ruft man sich zu Als heimlichste Weisheit: »Mensch, sei Du!« Hier aber unter uns Trollen heißt klug Geredet: »Troll, sei Du – Dir genug!« – zu Peer Gynt. Ist das nicht tief? Mir ist's noch nicht klar. » Genug «, mein Sohn, dies mächtige Scheid'wort, Werde fortan Dein Leib- und Leitwort! kraut sich hinter dem Ohr. Ja, doch – Du mußt , willst Du Herr hier werden! Meinthalben; 's gibt schlimmere Dinge auf Erden – Sodann mußt Du Ehre, zu lernen, einlegen, Wie wir daheim hier zu leben pflegen. Er winkt. Zwei Trolle mit Schweinsköpfen, weißen Nachthauben usw. bringen Speise und Trank. Die Kuh gibt Fladen, der Ochs gibt Met; Frag' nicht, ob's sauer oder süß eingeht; Die Hauptsach', ist, daß man nie vergißt, Daß es hausgemacht ist. weist die Sachen zurück. Zum Teufel mit Euerer Hauskost auch! Ich find' mich wohl nie in den Landesbrauch. Der Napf geht mit und der Napf ist von Gold. Wer den Goldnapf hat, dem ist mein Töchterlein hold. überlegend. Es steht freilich geschrieben: Du sollst Dich zwingen; – Und man lernt's mit der Zeit ja wohl leichter schlingen. Meinthalben! Fügt sich. Sieh, Freund, das zeugt von Vernunft. – Du spuckst? Man gewöhnt sich wohl noch in die Zunft. Sodann mußt Du Deine Christentracht abwerfen; Denn dies laß zu Dovres Ehren Dir einschärfen: Hier ist nichts von jenseits der Felsenscheide, Außer hinten am Wedel die Schleife von Seide. zornig. Ich hab' keinen Wedel! Geduld' Dich, Mann! Hoftroll, bind' ihm meinen Sonntagsschwanz an. Wenn Du's versuchst –! Das geht über den Scherz! Du freist um meine Tochter mit nackichtem Sterz? Einen Menschen zum Tier machen! Freund, Du irrst; Ich mach' Dich nur zu einem höfischen Freier. Die brandgelbe Schleif', die Du kriegen wirst, Die trägt man hier sonst nur zur höchsten Feier. nachdenklich. Wie heißt's doch! Ein Mensch ist nicht mehr als ein Hauch. Und man muß sich wohl finden in Schick und in Brauch. Bind' an denn! Du bist ein umgänglicher Gesell. Und nun versuch' mal recht fein zu wedeln! gereizt. He, wollt Ihr mich nun noch weiter veredeln? Heischt Ihr auch noch meinen Christenglauben? Nein, nein, den wollen wir Dir nicht rauben. Der Glauben ist frei; darauf liegt hier kein Zoll. Am Schnitt und am Schritt erkennt man den Troll. Wenn uns nur Tracht und Gehaben nicht trennen, Nenn' immer Glauben, was Furcht wir nennen. Du bist doch, trotz all der schlimmen Gebräuch', Ein netterer Kerl, als man sollte meinen. Mein Sohn, wir Trolle sind besser als wir scheinen, Das ist auch ein Unterschied zwischen uns und Euch. – Doch, laßt uns dem Ernst ein Ende nun setzen. Auf, auf, zur Freude für Aug' und für Ohr, Laß, Spielmaid, nun Deine Harf' uns ergetzen! Spring', Tanzmaid, uns den Dovretanz vor! Spiel und Tanz. Was gedünkt Dich davon? Was? Hm! Fürcht' Dich nicht. Was siehst Du? Ein urgreulich Gesicht: Eine Darmsaiten hufende Schellenkuh. In Kniehosen trippelt ein Ferkel dazu. Verschlingt ihn! Bedenkt, er hat Menschensinnen! Aug' aus und Ohr ab dem frechen Fanz! weinend. Huhu! Solch Lob ist's, was wir gewinnen, Wenn ich und mein Schwesterlein spiel' und tanz'! Ach, Du! Du warst's? Na, so 'n bißchen Gehöhn', Das weißt Du ja doch, das bedeutet nicht viel. Gewiß und wahrhaftig nicht? Tanz so wie Spiel War, laus' mich der Affe, beides sehr schön. Mit der Menschenart ist das ein wunderlich Ding; Die klebt und klettet so merkwürdig fest. Und ob sie auch so noch viel Schrammen empfing, – Die Narben heilen, das ist der Rest. Mein Schwiegersohn hat doch nun, ungelogen, Fügsam sein Christenzeug ausgezogen, Fügsam getrunken vom Metpokal, Fügsam den Wedel sich umgebunden, – So fügsam zu allem, kurz, was ich befahl, Daß ich dachte, für ein und für alle Mal Sei nun sein alter Adam verschwunden; Doch einszweidrei steht der hier wieder im Saal. Ja, ja, mein Sohn, so bedarf's einer Kur Wider diese dickschädlige Menschennatur. Einer Kur? In den linken Augapfel hier Ritz' ich Dich leicht: so wird scheel sein Geäug'; Doch was Du siehst, siehst Du fortan wie wir. Sodann schneid' ich aus Dir das rechte Visier. Du bist wohl –? legt einige scharfe Werkzeuge auf den Tisch. Hier hab' ich mein Glaserzeug. Und kriegst Du dann Scheuklappen noch, wie ein Gaul, Dann siehst Du die Braut mit einem Mal blühn, Und fabelst nie fürder mit bösem Maul Von trippelnden Ferkeln und Schellenküh'n – Töricht! So kommt Dir des Alten Red' vor? Merk's! er ist der Weise und Du bist der Tor! Bedenk, von wieviel Verdrießlichkeiten Du Dich befrein kannst auf alle Zeiten. Frag' selbst Dich, was hast Du von dieser Quelle, Quälender Zährenbeiz' und -laug'! Ganz recht; und ich kenn' auch die Bibelstelle: Ärgert dein Aug' dich, reiß' aus dein Aug'! Aber – wann stellt es sich dann wieder her, Wird Menschenaug' wieder? Das wird's nimmermehr. So? Ja, dann sind wir zu Ende gediehn. Was willst Du tun? Meines Wegs mich verziehn. Nein, halt! Herein schlüpft hier leicht ein Wicht! Aber hinaus läßt der Dovrehag nicht. Du willst mit Gewalt, daß ich hier bleiben soll? Hör' nun und nimm Vernunft an, Prinz Peer! Du hast Begabung zum Troll. Nicht wahr, er Trägt sich nun schon so ziemlich wie ein Troll? Und willst doch auch Troll sein? Weiß Gott, will ich's sein. Für 'ne Braut und ein wohlbestallt Reich obendrein Gibt man ja wohl auch einmal etwas viel. Aber alles in der Welt hat sein Maß und sein Ziel. Den Wedel nahm ich an, weil ich's also verstand: Man kann wieder lösen, was der Hoftroll band. Die Hos' warf ich ab, weil sie alt war und fetzig; Doch die kann man ja wohl wieder anknöpfen, schätz' ich. Und schließlich drück' ich mich wohl auch noch leis Von dieser Dovreschen Lebensweis'. Ich will ja gern schwören, eine Kuh wär' eine Maid; Einen Eid kann ja einer mal in sich fressen; – Aber so seine Menschheit auf immer vergessen, Nicht einmal als ehrlicher Mensch sterben sollen, Als Bergtroll so umgehn auf Lebenszeit, – Niemalen mehr von Euch zurücktreten können, – So Troll sein mit all seinem Fühlen und Wollen; – Nein, nein; da tu' ich mir Besseres gönnen. Jetzt werd' ich aber bald wild, Du Duns; Und dann ist nicht mehr zu spaßen mit Uns. Du tagfalber Knirps! Weißt Du, wer Wir sind? Zuerst vergreifst Du Dich an Unserm Kind – Das lügst Du in Deinen Hals! Du mußt sie jetzt frein. Du wagst mir zu sagen –? Was ist da zu schrein? Du hast sie begehrt! Du wünschtest mein Reich! pustet. Sonst nichts? An so was sich festzuzwacken! Ihr Menschen bleibt Euch doch alleweil gleich. Den Geist bekennt Ihr mit vollen Backen; Doch geachtet wird nur, was mit Fäusten zu packen. Du meinst, daß Wunsch und Begehren nicht bindet? Wart' nur, Dir soll bald ein Licht aufgehn! Du sollst mich Dir nicht ins Netz schwimmen sehn! Mein Peer, Du bist Vater, eh's Jahr entschwindet. Laßt mich hinaus. Wir schicken Dir 's Kleine Nach in 'nem Bocksfell. trocknet sich den Schweiß ab. Erwacht' ich doch nur! Soll's an den Königshof? Schickt's der Gemeine! Mach', was Du willst, mit der Kreatur. Getan ist getan; davon geht kein Quent; Item, Prinz Peer, daß Dein Sprößling wird wachsen; Solch ein Mischlingsbalg wächst unheimlich behend – Alter, nun lassen wir endlich die Faxen; Kommen wir, Jungfer, zu Frieden und Vergleich! Du sollst wissen, ich bin weder Prinz weder reich; – Und ob Du mich wögest nun oder mich mäßest, 's wäre für Dich kein Gewinn, wenn Du mich besäßest. Der Grüngekleideten wird übel; Trollmädchen tragen sie hinaus. blickt eine Weile mit tiefer Verachtung auf ihn; darauf sagt er. Schmeißt ihn wider die Bergwand zu Brei! bittend. Spielen wir nicht erst Kauz und Weih? Jsegrimm? Funkelkatz und Graumaus? Aber schnell! – Ich schnarch' mein Gift derweil' aus. Ab. von den jungen Trollen gejagt. Laßt mich, Teufelspack! Will durch den Schornstein hinauf. Kobolde! Wichte! Beißt ihn von hinten! Au! Will hinab durch die Kellerluke. Macht alles dichte! Wie die Kleinen sich freun! mit einem kleinen Trolljungen kämpfend, der sich in sein Ohr festgebissen hat. Laß los, Höllenbrut! schlägt ihn auf die Finger. Willst Du wohl, Schlingel! Das ist königlich Blut! Ein Rattenloch –! Läuft hin. Wichtelvolk! Werg in die Kerbe! Die Rangen verstehn ihr verruchtes Gewerbe! Zerfetzt ihn! Ach, wär' man klein wie 'ne Maus! Läuft umher. umwimmeln ihn. Schließt den Ring! Schließt den Ring! jammernd. Ach, wär' ich eine Laus! Fällt um. Auf die Augen ihm jetzt! im Trollhaufen begraben. Hilf, Mutter, ich sterbe! Kirchenglocken läuten in der Ferne. Schellen im Gebirg! Der Schwarzrock fährt aus! Die Trolle flüchten unter Geheul und Getöse. Die Halle stürzt ein; alles verschwindet. Stockfinsternis. Man hört Peer Gynt mit einem großen Ast um sich hauen und schlagen. Gib Antwort! Wer bist Du? Ich selbst. Freie Bahn! Einen Umweg gemacht! Groß genug ist der Plan. will an einer andern Stelle hindurch, stößt aber auf Widerstand. Wer bist Du? Ich selbst. Kannst Du eben das sagen? Ich kann sagen, was ich will; und mein Schwert kann Dich erschlagen! Sieh Dich vor! Hui, hei, da fällt's auch schon sausend! König Saul erschlug hundert; Peer Gynt erschlug tausend! Schlägt und haut. Wer bist Du? Ich selbst. Das dumme Gered' Kannst Du Dir sparen, das keiner versteht. Was bist Du? Der große Krumme. Schau', schau'! Erst war das Rätsel schwarz, jetzt scheint es grau. Bahn frei, Krummer! Herum um mich, Peer! Durch! Schlägt und haut. Da fiel er! Will vorwärts, stößt aber auf Widerstand. Hoho! Sind hier mehr? Nur einer, Peer Gynt, der sich immer wieder erhebt! Der Krumme, der tot ist und niedergebrochen. Der Krumme, der tot ist, und der Krumme, der lebt. wirft den Ast weg. Die Wehr ist verhext; muß die Faust denn ans Werk! Schlägt sich durch. Ja, trau' Du nur auf Deine Faust, Deine Knochen! Hihi, Peer Gynt, so gewinnst Du den Berg. kommt zurück. Hin und zurück, 's ist der gleiche Weg; – Hinaus und hinein, 's ist der gleiche Steg! Da ist er! Dort! Rings, wo ich mich weise! Wähn' ich mich draußen, steh' ich mitten im Kreise. Nenn' Dich! Laß sehn Dich! Was bist Du, Verkapptes? Der Krumme. tastet umher. Nicht tot. Nicht lebendig. Ein Gären. Ein Brodeln. Gestaltlos. Und brummend tappt es Um einen her wie halbwache Bären! Schreit. Schlag' um Dich! Der Krumme ist nicht so toll. Schlag' zu! Der Krumme schlägt nicht. Er soll ! Der große Krumme gewinnt ohne Streit. Wär' hier bloß ein Zwerg, der mich zwicken möchte! Wär' hier bloß ein Troll, nur zehn Monate alt! Bloß daß man nicht so in der Luft herum föchte. Jetzt schnarcht er gar! Krummer! Was gibt's? Brauch' Gewalt! Der große Krumme gewinnt alles mit der Zeit. beißt sich in Arme und Hände. Krallen ins Fleisch und ritzende Zähn'! Ich muß mein eigen Blut rinnen sehn. Man hört etwas wie den Flügelschlag großer Vögel. Kommt er, Krummer? Ja! Schuh um Schuh. All Ihr Schwestern von nah und fern! Stellt Euch ein! Willst Du mich retten, Dirn, vor dem Draug, Schau' nicht so bitter und kummervoll drein! Dein Gesangbuch! Wirbel's ihm mitten ins Aug'! Er taumelt. Wir haben ihn. Schwestern! Herzu! Zu teuer erkauft sich ein Menschensein Mit solch einer Stunde voll zehrender Pein. Sinkt zusammen. Da stürzt er! Nun, Krummer, an Leib und Leben ihm! Von ferne hört man Glockenläuten und frommen Gesang. schwindet zu nichts zusammen und ruft mit erlöschender Stimme. Er war zu stark. Weiber standen neben ihm. Sonnenaufgang. Im Gebirge vor Aases Saeter. Die Tür ist verriegelt; alles öde und still. Peer Gynt liegt schlafend an der Außenwand der Hütte. erwacht, sieht mit stumpfem und trägem Augenaufschlag um sich. Spuckt aus. Wie gut ein gesalzener Hering jetzt wär'! Spuckt wieder aus; zugleich erblickt er Helga, die mit einem Korb voll Lebensmitteln kommt. He, Kleine, bist Du hier? Wo kommst Du denn her? Solvejg – springt auf. Wo ist sie? Hier, hinterm Haus. unsichtbar. Kommst Du mir nah, so nehm' ich Reißaus! bleibt stehen. Meinst wohl, Du liefst hier bei mir Gefahr – Schäm' Dich! Und weißt Du, wo ich des Nachts war? – Die Dovremaid hängt wie 'ne Roßbrems' mir an. Wie gut es da war, daß im Dorf wurd' geläutet! Was auch Peer Gynt das Gebimmel bedeutet! – Was sagst Du? weinend. Da rennt sie schon, was sie kann. Läuft nach. Wart' doch! packt sie am Arm. Schau' her, Du! Was hab' ich hier? Einen silbernen Knopf, Kleine! Möchtest Du den? So leg' ein gut Wort für mich ein! Laß mich gehn! Hier hast Du ihn. Da steht der Korb mit dem Essen! Gnad' Dir Gott, wenn Du nicht –! Ich fürcht' mich vor Dir! sanft; läßt sie los. Ich meint' ja nur: Bitt' sie, sie soll mich nicht vergessen! Helga laufend ab. 3. Akt Dritter Akt Tief im Innern des Nadelwaldes. Graues Herbstwetter. Schneefall. Peer Gynt, in Hemdsärmeln, fällt Holz. haut los auf eine große Kiefer mit gekrümmten Ästen. Ei, ja, Du bist zäh, Du alter Gesell; Doch frommt Dir das wenig; Du fällst nur zu schnell. Haut wieder. Ich seh' zwar, Du hast ein Panzerhemd an; Doch wär's noch so stark auch, ich steh' meinen Mann. Ja, ja; Du schüttelst Deinen knorrigen Arm; Glaub's wohl, Du zitterst vor Zorn und Harm; Doch trotz alledem sollst Du nieder vor Peer –! Bricht mit einem Mal schroff ab. Hirngespinst! Das ist ein Baum und nichts mehr; Keine in Stahl gehüllte Gestalt; Bloß eine Bergkiefer, rissig und alt. – Ein hart Stück Arbeit, dies Umhaun von Bäumen; Doch Wahnwitz, zu haun und dazu noch zu träumen. – Dies hat jetzt ein End'; – dies ins Blaue Stieren Und offenen Augs sich im Nebel verlieren. – Ein Friedloser bist Du! Ein Tier unter Tieren. Haut eine Weile hastig. Friedlos, jawohl. Kein haushälterisch Mütterlein deckt und bestellt Dir den Tisch. Willst Du was essen, Bursch, hilf Dir allein, Fang' Dir im Bach oder Wald was ein, Schnitzel' Dir Brennholz und setz' es in Brand, Brat' und trag' auf Dir mit eigener Hand. Willst Du Dich warm kleiden, pürsch' Dich an Böcke; Willst Du Dir 'n Haus grundmauern, brich Blöcke; Willst Du Dir's aufzimmern, hack' und hau', Und schlepp' Dir die Balken selbst bücklings zum Bau! Die Axt sinkt; er sieht vor sich hin. Fein soll der Bau werden. Turm und Hahn Soll weithin sichtbar den First überblitzen, Und an den Giebel, aus Kiefernspan, Will ich ein fischgeschwänzt Meerweib schnitzen. Messing soll der Hahn sein und Messing die Klinken; Glas will ich auch wohl zu kriegen sehn; Hei, soll fremdes Volk mauloffen stehn, Sieht's vom Gebirg' her das Funkeln und Blinken! Lacht ingrimmig. Höllisches Gaukelspiel! Da war's wieder. Du bist friedlos, Bursch. Haut heftig drauf los. Ein Rindendach Tut's auch wider Wetter und Ungemach. Sieht an dem Baum hinauf. Da wankt er und schwankt er. Jetzt nur noch ein Tritt! Da stürzt er in all seiner Länge darnieder; – – Und reißt das aufkreischende Niederholz mit! Macht sich daran, den Stamm seiner Zweige zu entkleiden; auf einmal horcht er und steht mit erhobener Axt still. Da liegt jemand hinter mir auf der Lauer! ... Du kommst mir mit Hinterlist, Haegstadbauer? Duckt sich hinter den Baum und spitzt hervor. Ein einzelner Bursch bloß! Er scheint erschreckt. Er sieht sich scheu um. Er verdeckt und versteckt Was unter dem Kittel. Eine Sichel! Er ballt Die Faust um den Skistab. Und jetzt? Umkrallt Seine Rechte den Sichelgriff; – holt aus –! Schwapp! Hieb er sich da nicht den Finger ab! Den ganzen Finger! Er blutet wie ein Schwein. Da setzt er, die Faust in 'nem Tuch, querwaldein. Erhebt sich. Der war wohl besessen! Ohne Not einen Finger! Blank weg! Und sind dir so kostbare Dinger! Hallo, jetzt schwant mir's –! Ein Finger auf dem Block, Heißt es, macht frei von des Königs Rock. So war's. Er sollt' in den Krieg, nach der Pflicht, Und wollt' lieber hier bleiben auf seiner Schollen – Aber deshalb für immer ihn abtrennen sollen? Es denken, es wünschen; ja; selber es wollen ; – – Aber es tun ! Nein, das fass' ich nicht! Schüttelt den Kopf und geht dann wieder an seine Arbeit. Eine Stube unten bei Aase. Alles ist in Unordnung; Kisten und Kasten stehen offen; Alltagszeug liegt verstreut herum; im Bett eine Katze. Aase und die Häuslersfrau sind eifrig dabei, zusammenzupacken und Ordnung zu schaffen. rennt nach der einen Seite. Kari, hör' zu? Was gibt's? auf der andern Seite. Hör' zu –! Wo liegt denn –? Wo find' ich –? Vielleicht weißt Du –? Ich bin ganz verdattert! Was wollt' ich denn doch? – Den Schlüssel zum Kasten! Der steckt doch im Loch. Was rumpelt da draußen? Die letzte Fuhr' Wird nach Haegstad gekarrt. weinend. Ach, würd' ich doch nur Mit hinaus gekarrt in der schwarzen Kiste! Ach, das ist ein Leben! Du lieber Christe! Das heiß' ich mir einen Zusammenbruch! Was der Haegstad verschont, hat der Schuldvogt bekommen. Nicht die Kleider am Leib habt Ihr ausgenommen! Pfui, pfui über Euch und den eiskalten Spruch! Setzt sich auf die Bettkante. Jetzt sind wir also verarmtes Gelichter. Ruppig war der Bauer; noch ruppiger der Richter; – Da gab's keine Hilfe, da gab's kein Erbarmen; Peer war nicht da; kein Mensch half mir Armen. Hier könnt Ihr doch hausen bis an Euren Tod. Ja; die Katz' und ich kriegen 's Gnadenbrot. Mutter, der Peer kam Euch teuer zu stehn! Peer? Da hast Du's bei mir versehn! Kam nicht die Ingrid heil heim zuletzt? An den Teufel hätt' man sich halten müssen, – Der hat's, und kein andrer, auf dem Gewissen, Der hat meinen Jungen auf all das gehetzt! Sollt's nicht am End' wer dem Pfarrer sagen? Es geht ihm schlechter, als Ihr vielleicht wißt. Glaub's auch schier, daß es so besser ist Fährt auf. Aber nein! Ich will nicht noch fremde Leut' plagen! Ich helf' ihm, das ist meine heilige Pflicht; Wenn's die Mutter nicht tut, wer andrer tut's nicht. Die Joppe hier wurd' ihm geschenkt. Werd' ich flicken. Möcht' ihnen jetzt bloß noch das Bettfell abzwicken! Wo sind denn die Strümpf'? Dort, beim andern Wüste. wühlt herum. Herrje, was ist das? Eine alte, berußte Kelle! Mit der tat er allerwegen Knopfgießer spielen, schmelzen und prägen. War einmal Fest hier; – kommt der Junge herein, Will ein Stück Zinn. Sagt mein Jon: Zinn? Nein! Aber eine König-Christians-Kron'; Silber; so ziemt sich's Jon Gyntens Sohn. Gott verzeih's ihm; doch hitzt' ihm der Wein nun den Sinn, So kam's ihm auf Gold nicht mehr an denn auf Zinn. Hier sind ja die Strümpf. Na, die Löcherkett'! Da heißt's stopfen, Kari! Glaub's auch, Bäuerin. Wenn dies dann gemacht ist, so tracht' ich ins Bett; Ich fühl' so ein Ziehen und Zucken und Pressen – Erfreut. Zwei Wollhemden, Kari, – die hab'n sie noch vergessen! Ja, richtig, das hab'n sie. Gefundenes Fressen! Das eine kannst Du zur Seite legen. – Oder wart', wir verwahr'n gleich den ganzen Segen; – Das Hemd, das er anhat, das ist schon so schlecht. Je, je, Mutter Aase; das ist aber nicht recht. Ja, ja; doch Du weißt ja, der Pfarrer verkündigt Gnade für dies und für mehr, was eins sündigt. Vor einer neugebauten Hütte im Wald. Ein Rentiergeweih über der Türe. Der Schnee liegt hoch. Es dämmert. Peer Gynt steht vor der Tür und schlägt ein großes hölzernes Schloß fest. lacht dann und wann auf. Ein Schloß muß sein; daß die Hütte rein bleibe Vor allerlei Trollpack, so Manne wie Weibe. Ein Schloß muß sein; die Hütte zu bergen Vor allen den tückischen Wichten und Zwergen. – Das kommt mit dem Dunkel; das pocht an die Planken; Mach' auf, wir sind ohne Rast wie Gedanken! Wir kramen im Bettsack, die Herdglut wir fachen, Wir fahr'n durch die Esse wie feurige Drachen. Hihi, Peer Gynt, meinst Du, Nägel und Planken Feiten vor tückischen Koboldgedanken? Solvejg kommt auf Schneeschuhen über die Heide; sie hat ein Umschlagtuch um den Kopf und ein Bündel in der Hand. Gott segne Dein Tun! Mußt Dich meiner nicht schämen! Du riefst mich; ich kam; – und so mußt mich denn nehmen. Solvejg. Das ist nicht –! Du bist es? Ja! Ja! Und Du fürchtest Dich nicht, – und Du kommst mir so nah! Botschaft hast Du gesandt mit dem Kinde; Botschaft brachten mir heimlich die Winde. Botschaft barg, was Dein Mütterlein sagte, Botschaft der Traum, der vom Lager mich jagte. Freudleere Tag' und kummerschwere Nächte Brachten mir Botschaft, daß Dein ich dächte. Das Leben daheim ward ein trübes Verrinnen; Und lacht' ich und weint' ich, es kam nicht von innen Und ob ich schon Deinen Sinn nicht ganz wußte, So wußt' ich doch ganz, was ich sollt', was ich mußte. Und Dein Vater? Auf weitweiter Gotteswelt Weiß ich kein Menschenherz mehr, das mich hält. Keines mehr. Solvejg, Du Holde, Du Reine, – Um die meine zu werden? Alleinzig die Deine. Jetzt mußt Du mir alles sein, Heimat und Frieden. Unter Tränen. Am schwersten war's von klein Helga geschieden; – Noch schwerer vom Vater, so still und klug; Am allerschwersten von der, die mich trug; – Nein, nein, – am schwersten ist mir's gefallen, Zu scheiden von ihnen allen – allen! Und kennst Du mein Urteil vom Frühling her? Ich hab' keinen Hof und kein Erbgut mehr. Meinst Du, von Erbgutgelüsten getrieben, Wär' ich gegangen von allen den Lieben? Und kennst Du den Bann? Werd' ich draußen getroffen, Vorm Wald, so habe ich nichts mehr zu hoffen. Auf Schneeschuhen lief ich; ich fragte jeden aus; Man forschte, wohin ich wollte; ich sagte: ich will nach Haus. Hinweg denn mit allen den Pflöcken und Planken, Was braucht's jetzt noch Riegel wider Koboldgedanken! Willst Du des Schützen in Lust und Leid sein, So weiß ich, so wird meine Hütte geweiht sein. Solvejg! Dich ansehn! Von fern nur gegrüßt! Ansehen bloß! Wie Du leuchtest und glühst! Laß mich Dich heben! Wie leicht sich das faßt! Wann würd' ich müd' je so lieblicher Last! Rein, vor mir her, mit gestreckten Armen, Will ich Dich tragen, Du Herz voll Erbarmen. Daß Du zu mir kämst, wer hätt' das gedacht –; O, aber gesehnt hab' ich Tag mich und Nacht. Hier, siehst Du, hab' ich gezimmert und gebaut –; Aber jetzt will ich neu baun; denn jetzt kam die Braut – So oder so, – hier ist's gut, wo wir sind. Wie atmet sich's leicht widern wehenden Wind! Dort drunten war's dumpfig; Du fühltest Dich beengt; Das hat mich auch mit aus dem Ort fortgedrängt. Aber hier, wo du hörest der Föhren Gesause, – Welche Stille! welche Töne! – hier bin ich zu Hause. Und weißt Du's gewiß? Und zerbrichst jede Brücke? Der Weg, der mein Weg ist, führt nimmer zurücke. So hab' ich Dich! Komm! Laß mich drinnen Dich schauen! Tritt ein! Ich lauf' nur noch Herdholz hauen; Traut soll es wärmen, und hell will ich's schüren, Weich sollst Du sitzen und von Kälte nichts spüren. Er öffnet die Tür; Solvejg tritt ein. Er steht eine Weile still, dann lacht er laut auf vor Freude und macht einen Luftsprung. Mein Königskind –! Jetzt ist's gefunden und gewonnen! Hei! Jetzt wird der Schloßbau von Grund aus neu begonnen! Er ergreift die Axt und geht; im selben Augenblick tritt ein ältliches Weib in zerlumptem grünen Unterrock aus dem Gehölz hervor; ein häßlicher Junge, mit einer Bierflasche in der Hand, hinkt nach und hält sich an ihrer Schürze. Guten Abend, Peer Leichtfuß! Was gibt's? Wer da? Alte Freunde, Peer Gynt! Meine Hütte liegt nah. Wir sind Nachbarn. So, so? Das wußt' ich noch nit. Als Dein Haus gebaut ward, baute meines sich mit. will weiter. Ich hab' Eil' – Die hast Du wohl immer, Mann; Doch ich trott' hinterdrein, und Du sollst mir noch dran. Ihr irrt Euch –! Ich hab' mich nur einmal geirrt: Den Tag, da Du mich mit Versprechen gekirrt. Versprechen –? Der Teufel versteh', was das heißt! Vergißt Du den Abend in Vaters Saal? Vergißt Du –? Vergiß, was Du gar nicht weiß! Wann trafen wir uns zum letzten Mal? Da wir zum ersten Mal uns getroffen. Zu dem Jungen. Gib Vater zu trinken; sein Mund steht offen. Vater? Du bist wohl betrunken –? Du nennst –? Daß Du das Schwein nicht am Fell schon erkennst! Hast Du keine Augen? So sieh doch nur hin: Sein Fuß ist so lahm wie Dein ganzer Sinn. Du willst mir einreden –? Mach' keine Faxen –! Dieser langbeinige Bursch –! Er ist flink gewachsen. Du Trollfratze, legst es mir aus, als ob –? Hör' mir, Peer Gynt; Du bist klotzig grob! Weinend. Was kann ich dafür, daß ich nicht mehr so schön, Wie, da Du mich locktest auf Halden und Höhn? Der Teufel, der zog meinen Rücken so krumm, Als im Herbst ich gebar; und das wirft Einen um. Aber willst Du mich wieder so schmuck sehn wie früh'r, So weis nur der Dirne dort drinnen die Tür, So schaff' sie Dir nur aus dem Sinn und den Augen; – Und mein Frätzel soll, Freund, Dir bald besser taugen! Fort, Hexe! Eitel, daß Du mich bannst! Ich schlag' Dir den Schädel ein –! Tu's, wenn Du's kannst! Hoho, Peer Gynt, ich steh' jedem Schlag! Ich komme zurück jeden einzelnen Tag; Ich lug' durch die Tür und beobacht' Euch beiden. Und sitzt Du mit ihr dann zu dämmriger Weil' Auf der Bank und wirst zärtlich und magst sie gern leiden, So setz' ich dazu mich und forder' mein Teil. Dann schnäbelst Du balde mit ihr, bald mit mir Dich. Leb' wohl, lieber Junge, und morgen kopulier' Dich! Du höllischer Mahr! Doch das geht in den Kauf! Den Jungen, den Hinkefuß, fütterst Du auf! Teufelsbub, willst Du zum Vater? speit nach ihm. Da! Ich hack' mit der Axt nach Dir; wart' nur; ja, ja! küßt den Jungen. Was das für ein Kopf ist auf dieser Krott! Du machst noch einmal Deinen Vater zu Spott! stampft auf. Ach, wärt Ihr so weit –! Wie wir nahe jetzt stehn? ringt die Hände. Und all das –! Bloß für Gedankenvergehn! 's ist schad' um Dich, Peer! Um 'ne andre noch mehr! – Solvejg, Du Goldseele, lauter und rein! Ja, ja; sagt der Teufel, die Unschuld hat's schwer, Als die Mutter ihn haut', weil der Vater ein Schwein. Sie trottet ins Gehölz mit dem Jungen, der den Bierkrug nach ihm schleudert. nach einem langen Schweigen. Gib's auf, bieg ab! sprach der Krumme. Ja, ja! – Da ging mein Königspalast in Scherben! Das schloß Mauern um sie, – und ich war so nah; Jetzt liegt alles öd' hier, und mir ist zum Sterben. – Gib's auf, bieg ab, Bursch! Quer durch dies hier Findest Du keinen Weg mehr zu ihr. Keinen quer durch? Hm, sollt' nicht doch einer –? Ich habe doch einmal von Reue gelesen. Aber was? Was stand dort? Kein Buch ist da, Vergessen das meiste; und hier sagt mir keiner Im wilden Wald, wie der Spruch wohl gewesen. – Reue? Das könnt' am End' Jahre anstehn, Bis daß ich hindurch wär'. Das Leben würd' schmächtig. Entzweischlagen alles, was glänzend und prächtig, Und dann mit den Stücken von vorn ans Werk gehn? Das geht mit 'ner Fiedel, aber nicht mit 'ner Glocke. Wenn ihn einer zertritt, grünt kein Reis mehr am Stocke. – Doch die war ja gelogen, die Hexengeschichte! Jetzt ist mir der Greuel ja aus dem Gesichte. Ja; wohl aus den Augen, doch nicht aus dem Sinn. Nachschleichen wird er mir überall hin. Ingrid! Und die drei, die ich droben beglückt! Woll'n die auch mittun? Mit frechen Geberden Fordern, gleich ihr an die Brust gedrückt, Heilig wie sie hingetragen zu werden? Bieg ab, gib's auf, Bursch! Und wär' Dein Arm lang Wie die rankeste Hochtann' am Bergeshang, – Du hieltest sie doch noch zu dicht an Dir, Als daß sie danach wär' noch schadlos und schier. – Ich muß drum herum kommen in meinem Sinn, So daß es wird weder Verlust noch Gewinn. Man muß so was abschütteln, bis man's vergißt – Macht einige Schritte auf die Hütte zu, bleibt aber wieder stehen. Hineingehn nach all dem? Entehrt, wie man ist? Hineingehn mit all diesen Trollen als Schergen? Reden und doch schweigen; beichten und doch bergen? Schleudert die Axt von sich. 's ist der Abend vorm Fest heut. Sie jetzt mit den Händen Anrühren, hieß' alles Heilige schänden. in der Türe. Kommst Du? halblaut. Auf Umwegen. Wie? Kind, warte! Ich hab' erst noch eine Arbeit, eine harte. Ich komm' und helf' Dir; wir woll'n sie gemein tun. Nein, bleib, wo Du bist! Ich muß sie allein tun. Aber bleib nicht zu lang', Du! Ob der Erharrte Lang oder kurz bleibt, – nur warte! nickt nach ihm. Ich warte! Peer Gynt waldeinwärts ab. Solvejg bleibt in der halbgeöffneten Türe stehen. Aases Stube. Abend. Ein Reisigfeuer brennt und leuchtet auf dem Herd. Die Katze auf einem Stuhl am Fuß des Bettes. Aase liegt im Bett und tastet unruhig auf der Bettdecke umher. Mein Gott, läßt er nimmer sich blicken? Wie schleichend die Stunden vergehn! Ich hab' keinen Boten zu schicken, Und hätt' ihn so gern noch gesehn. Jetzt geht's ohne Gnade zur Rüste. So jäh! Wer hätt' das gedacht! Aase, wenn ich nur wüßte, Ob du's nicht zu schwer ihm gemacht! tritt ein. Guten Abend! Gott soll Dich segnen! Wer jetzt meinen Jungen noch schilt! Doch wirst Du auch keinem begegnen? Du weißt, was Dein Leben hier gilt. Pah, Leben oder nicht Leben! Ich mußte mal nach Dir sehn. Ja, jetzt muß die Kari sich geben; Und ich kann in Frieden gehn! Du – gehn? Was soll das bedeuten? Was meinst Du denn für 'nen Gang? Ach, Peer, ich hör' sie schon läuten. Ich weiß, ich mach's nicht mehr lang'. ringt die Hände und geht auf und ab. Da wollt' ich nicht leiden und büßen – Und meinte, hier wär' ich frei –! Hast Du kalt an Händen und Füßen? Ja, Peer; es ist bald vorbei. – Wenn dann meine Augen brechen, So drück' sie mir sorgsam zu. Und eins noch mußt mir versprechen: Den Sarg, den laß schmuck sein, Du! Ach nein, 's ist ja wahr – Still, Beste! Das hat seine Zeit. Heut ist heut. Ja, ja. Sieht sich unruhig um in der Stube. Hier siehst Du die Reste Vom Unsrigen. Das sind dir Leut'! ringt die Hände. Schon wieder! Hart. Bin schuld; ja, zur Hölle! Was hilft's, mich zu mahnen daran. Du? Nein, die verdammte Völle, Mit der fing das Unglück an! Du warst ja betrunken, mein Junge; Da weiß einer nicht, was er tut; Und dann nach dem Gendingrat-Sprunge, – Kein Wunder, da kochte Dir 's Blut! Ja, ja; laß den Unsinn nur fahren, Laß fahren die ganze Geschicht'. Was schwer ist, das woll'n wir uns sparen Auf später, – das hastet ja nicht. Setzt sich auf die Bettkante. So, Mutter, und jetzt laß uns plaudern, Doch alleine von Mein und Dein, Und nicht mehr von alledem kaudern, Was quer ging und quält obendrein. Die Katz' ist auch noch lebendig, – Guck' einer, – das alte Vieh? Die tut immer nachts so elendig; Du weißt, solch ein Tier irrt sich nie. ablenkend. Was ist hier Neues geschehen? lächelnd. Man sagt, hier irgendwo wär' Ein Mädel, das möcht' nach den Höhen – schnell. Matz Moen, was macht denn jetzt der? Man sagt, sie ließ sich nichts lehren, Was Vater und Mutter auch bat. Du solltest doch mal vorkehren; – Du wüßtest am Ende Rat – Und wie hat's der Aslak getragen? Ach, schweig von dem unsaubern Geist. Will lieber den Namen Dir sagen Von ihr, von dem Mädel, Du weißt – Nein, nein, jetzt wollen wir plaudern, – Doch alleine von Mein und Dein, Und nicht mehr von alledem kaudern, Was quer ging und quält obendrein. Bist Du durstig? Soll ich was holen? Ist 's Bett zu kurz? Drückt es Dich? Sag'! Herrje; – sind das nicht die Bohlen, Dadrin ich als Junge lag? Besinnst Dich noch, wie Du oft hocktest Des Abends am Bettende dort Und mich, wer weiß wohin, locktest Mit Märchen und Zauberwort? Jawohl! Und dann spielten wir Schlitten, Wann Vater herumfuhr im Rund. Die Deck' ward als Kutschpelz gelitten, Und die Diel' war ein spiegelnder Sund. Ja; aber der Knopf auf der Kappen, – Besinnst Dich auch dessen noch, Du? – Das war'n doch die tollen Rappen! Du traust mir wohl gar nichts mehr zu! Der Kari Katz' tat uns Fronde; Wir setzten sie auf 'ne Tonn'. Nach dem Schloß im Westen vom Monde Und dem Schloß im Osten der Sonn', Nach dem Soria-Moria-Schlosse Ging's hurre-hopp über die Diel', Und 'ne alte Hühnerstallsprosse Braucht'st Du als Peitschenstiel. Dort vorn auf dem Kutschbock saß ich – Und wer dann die Zügel verlor, Wer war das? Mein Alterchen, das sich Umwandt' und mich fragt', ob ich fror. Gott segne Dich; warst mir von Herzen Stets gut, alter Widerwart –! Was stöhnst Du denn so? Mich schmerzen Die Knochen; das Brett ist so hart. Komm; leg' Dich bequemer; so stillst Du Den Schmerz. Na, gibt er jetzt Ruh? unruhig. Nein, Peer, ich will fort! Fort willst Du? Ja, fort möcht' ich, fort immerzu. Schnack! Unter der Decke hübsch bleiben! Ich setz' mich aufs Bettende dort. Jetzt woll'n wir die Zeit uns vertreiben Und uns träumen, Gott weiß wohin, fort! Ob die Bibel nicht besser paßte? Ich bin so unruhigen Sinns. Im Soria-Moria-Palaste Geht es hoch her bei König und Prinz. Ruh' aus Dich im warmen Schlitten; Ich fahr' Dich dorthin über Feld – Aber, Peer, kam denn einer mich bitten –? Wir sind alle beide bestellt. Wirft eine Schnur um den Stuhl, auf dem die Katze liegt, nimmt einen Stecken in die Hand und setzt sich an das Fußende des Bettes. Hü, Rappe! Spute Dich, Mähre! Sag', Mutter, frierst Du auch nicht? Ja, ja; das schneid't wie 'ne Schere, Wenn Grane der Haber sticht! Was läutet da, Peer, und tönet –? Die Schellen von blankem Zinn! Hu, Lieber, wie hohl das dröhnet! Jetzt geht's über Fjordeis hin. Ich fürcht' mich! Was für ein Brausen Und Seufzen, so klagend und schrill? Das sind die Tannen, die sausen, Im Bergwald. Sitz mir nur still. Was glitzert und flimmert dorten? Wo kommt all der Lichterglanz her? Aus des Schlosses Fenstern und Pforten. Hörst Du, wie sie tanzen? Ja, Peer. Vorm Tore da steht Sankt Peter Und lädt Dich zum Eintritt ein. Grüßt er uns? Tiefgebückt steht er Und schenkt vom süßesten Wein. Wein! Sag', hat er auch Kuchen? Und ob! Einen ganzen Berg! Und die Propstin kommt Dich besuchen Mit Kaffee und Zuckerwerk. Wir treffen uns dort wie vor Zeiten? So oft Du's willst und begehrst. Nein; alle die Herrlichkeiten, Dazu Du mich Arme fährst! schnalzt mit der Peitsche. Hü, Rappe, spute Dich, springe! Lieber Peer, Du fährst doch auch recht? schnalzt wieder. Hier ist breiter Weg. Das Geschwinge Vom Schlitten, das macht mir ganz schlecht. Das Ziel dann wird Dir schon taugen: Nicht lang' – und der Fahrt ist genung. Ich will liegen und schließen die Augen Und vertrauen auf Dich, mein Jung'! Da kann ich's ganz nah schon gewahren. Hü, Grane! Den Torweg empor! Das ist ein Gewimmel! Jetzt fahren Peer Gynt und Alt Aase vor. Was sagst Du da, Herr Sankt Peter? Der Mutter würd' nicht getraut? Und ging einer suchen, erspäht' er Nicht bald solch 'ne ehrliche Haut! Um mich mag nicht weiter gebangt sein; Ich kann umdrehn, wenn es sein soll. Wollt Ihr laden mich, sollt Ihr bedankt sein; Wenn nicht, scheid' ich auch ohne Groll. Ich hab' viel geflaust und gefackelt, Der Teufel konnt's besser kaum tun, Und Mutter dann, weil sie gegackelt Und gekräht, geschimpft für ein Huhn. Doch sie sollt Ihr achten und ehren, Wie's billig für Leut' ihres Schlags; Hier wird keine bessre vorkehren Von irgendwo heutigen Tags. – Da gebeut Gott-Vater selbst Ruhe! Jetzt, Petruschen, blüht Dir was! Mit tiefer Stimme. »Hör' auf mit dem Pförtnergetue; Alt Aase hat freien Paß!« Lacht laut und wendet sich um zur Mutter. Als hätt' ich das nicht gerochen! Jetzt weht's aus 'nem andern Strich! Angstvoll. Was schaust Du denn so gebrochen? Du! Mutter! Was ist Dir denn –? Sprich –! Tritt ans Kopfende des Bettes. Du sollst nicht so stieren und glasen –! Red', Mutter! Ich bin's doch, Dein Jung'! Befühlt vorsichtig ihre Stirn und ihre Hände; darauf wirft er die Schnur auf den Stuhl und sagt mit gedämpfter Stimme. Ach so! – Jetzt, Grane, geh grasen. Jetzt sind wir gefahren genung. Schließt ihre Augen und beugt sich über sie. Hab' Dank für Dein ganzes Leben, Für all Deine sorgende Art! – Doch nun laß auch mich Dank erheben – Drückt seine Wange an ihren Mund. So – das war der Dank für die Fahrt. kommt. Je? Peer? – Na, nu geht zu Reste Die bitterste Sorg' und Not! Herrgott, wie schläft sie so feste – – Oder ist sie –? Still; sie ist tot. Kari weint an der Leiche. Peer Gynt geht lange umher in der Stube; endlich bleibt er am Bett stehen. Gib Mutter die letzte Ehre! Ich find' hier heraus wohl ein Loch. Soll's weit fort gehen? Zum Meere. So weit fort! Und weiter noch. Ab. 4. Akt Vierter Akt An der Südwestküste von Marokko. Palmenwald. Gedeckter Mittagstisch, Sonnensegel, Teppichläufer aus Binsen. Weiter drinnen im Hain Hängematten. Draußen auf dem Meer liegt eine Dampfjacht mit norwegischer und amerikanischer Flagge. Am Strand eine Jolle. Es ist gegen Sonnenuntergang. Peer Gynt, ein hübscher Herr von mittleren Jahren, in elegantem Reiseanzug, eine goldene Lorgnette auf der Brust, führt den Vorsitz als Wirt am Ende des Tisches. Master Cotton, Monsieur Ballon nebst den Herren von Eberkopf und Trumpeterstråle sind im Begriff die Mahlzeit zu beenden. Getrunken, meine Herrn! Geboren Zu leben, woll'n wir denn auch leben! Es heißt: Verloren ist verloren, Hin hin. Was darf ich Ihnen geben? Du bist ein Prachtwirt, Bruder Peer. Es teil'n sich mit mir in die Ehr' Mein Geld, Koch, Stewart – Very nice! Ein Glas zu dieser viere Preis! Monsieur, Sie ziert ein goût, ein ton, Der nicht beim Zehnten heut zu finden, Der (so wie Sie) lebt als garçon, – Ein – ein – ich weiß nicht was – V. EBERKOPF. Ein Hauch, Ein Schimmer geistiger Entnachtetheit Und Weltenbürgertumgepachtetheit, Ein scharfer Blick durch Dunst und Rauch, Den keine Vorurteile binden, Ein Abglanz höherer Verklärtheit, Urstoffnatur samt Weltbelehrtheit, Im Brennpunkt eins der Trilogie. Nicht wahr, Monsieur; dies meinten Sie? Sehr möglich; klingen die Gedanken Auch nicht so artig bei uns Franken. V. EBERKOPF. Ei was! Die Sprach' ist auch zu steif – Doch woll'n wir zu dem Phänomen Den Grund ersehn – Ersehn wir den : Ich trage nicht der Ehe Reif. Ja, meine Herrn; ganz klipp und klar, Das ist's. Was sei des Mannes Streben? Er selbst zu sein – nicht wahr? Sich und dem Seinen soll er leben. Doch kann er dies als Trampeltier Für andrer Glück? Bezweifl' ich schier! V. EBERKOPF. Doch dieses An und für sich-Dasein Blieb, wett' ich, kaum unangefochten – Wohl wahr; zu seiner Zeit; doch mochten Mir immer gute Geister nah sein. Zwar kam es doch ein böses Mal, Daß ich mich unverhofft verbrühte. Ich war ein rascher, schmucker Schelm; Und sie, die Dame meiner Wahl, Sie war von fürstlichem Geblüte. Von fürstlichem? wegwerfend. Nun ja, Sie wissen, Von diesen – schlägt auf den Tisch. – adeligen Trollen! zuckt die Achseln. Verstaubte Hoheiten, beflissen, Plebejerflecken fern zu halten Von ihres Stammes Wappenhelm. Worauf Sie denn zusammenprallten? Die Eltern wollten die Partie nicht? Im Gegenteil! Ah! schonend. Sie verstehn! Es lagen Dinge vor, – nun, – die nicht Erlaubten mehr, zurückzugehn. Doch all dies ging – warum's verschweigen! – Von A bis Z mir widern Strich. Ich bin in manchen Dingen eigen Und lass' mich selbst nicht gern im Stich. Und als der Schwiegervater nun Gar mit der Fordrung kam geschwommen, Namen und Stellung abzutun Und um den Adel einzukommen, Samt anderm, was schier unannehmbar – Nicht peinlich bloß und unbequem war, – So wehrt' ich sanft mich meiner Haut, Empfahl mich auf sein Ultimatum – Und Gotte meine junge Braut. Trommelt auf dem Tisch mit scheinbarer Andächtigkeit. Ja, ja; es herrscht denn doch ein Fatum, Darauf wir Menschen bauen können; – Ein Trost, der uns fürwahr zu gönnen! So war die Luft denn wieder rein? Bis auf ein Nachspiel, unergötzlich; – Denn Unbefugte mischten plötzlich Mit lautem Zeter sich hinein. Zumeist des Hauses jüngre Glieder, Mit deren sieben ich mich schoß. Die Zeit vergess' ich wohl nie wieder, Wiewohl ich sie mit Glück beschloß. Da ließ ich Blut; doch dieses Blut Hat meiner Seele Preis verteuert, Und zeigt erbaulich, kurz und gut, Wie weis' ein Fatum alles steuert. V. EBERKOPF. Ihr Weltblick auf der Dinge Gang Erhebt Sie zu der Denker Rang. Indes wir immer neuer Szenen Planlose Flucht zu schauen wähnen Und nie zum Schluß zu kommen meinen, Verstehn Sie alles zu vereinen. Sie messen stets mit gleichem Stabe. Sie spitzen zu, was Sie auch sprechen, So daß die Wort' wie Speichen brechen Aus einer Weltanschauungsnabe. – Und Sie, Sie hätten nie studiert? Ich bin, das ist die Wahrheit, nackt, Ein einfacher Autodidakt. Methodisch hab' ich nichts gelernt; Doch viel gedacht und spekuliert Und mich von manchem Wahn entfernt. Ich fing als ältrer Mann erst an; Da heißt es, sich besonders rackern, Um Seit' auf Seite durchzuackern Und mitzunehmen, was man kann. Die Weltgeschichte nahm ich schluckweis; Mehr wollt' die Zeit mir nicht erlauben. Und da man doch in schweren Putschen An etwas Festes möchte glauben, Anschloß die Religion ich ruckweis. So kam das Ganze mehr ins Rutschen. Man schlinge Wissen nicht wie Grütze, Man nehme nur, was einem nütze – Sieh, das ist praktisch! zündet sich eine Zigarre an. Meine Besten; Bedenkt doch nur, wie mir's gegangen. Wie kam ich damals nach dem Westen! Mit leerer Hand und roten Wangen. Ich mußte kämpfen hart ums Brot; Traun, Freunde, manchmal fiel mir's schwer. Allein das Leben lockt doch sehr, Und bitter, sagt man, ist der Tod. Nun gut! Das Glück, seht, ward nicht flüchtig, Noch Muhme Fatum gallensüchtig. Es ging. Und da ich selber tüchtig, Lief bald die Sache wie auf Federn. Zehn Jahre drauf ward ich genannt Ein Krösus unter Charlestowns Reedern. Mein Name flog von Strand zu Strand; Das Glück fuhr mit ihm ohne Wandel – Was trieben Sie? Meist Negerhandel Nach unserm Staate Karolina – Und Götterbilderfracht nach China. Fi donc! Der Tausend, Onkel Gynt! Sie finden das Geschäft wohl an Der Grenze zwischen Gut und Bös? Mir schien es selbst zuweilen Sünd', Ja, dann und wann, sogar odiös. Der Fehler war, daß ich's begann; Denn später weiß man nicht mehr, wie Es ändern. Es bedankt sich nie, Bricht man in solch 'nem Unterfangen, Drin Tausender Int'ressen hangen, Die Dinge rundweg übers Knie. Dies »übers Knie« mißfiel mir immer; Zudem entbrach ich nie und nimmer Der Achtung mich vor –, meine Herrn, Was man so nennet Konsequenzen; Und alles Setzen über Grenzen Lag immerdar mir ziemlich fern. Zum andern naht' ich nun dem Alter, Wo man des Lebens Gleicher schneidet Und fast schon graue Haare trägt; Und ging's auch gut mir, augenscheinlich, So fiel mir's doch zu denken peinlich: Wer weiß, wie bald das Stündlein schlägt, Da des Gerichts gestrenger Walter Die Schafe von den Böcken scheidet. Was tun? Den ganzen Handel scheitern Zu lassen, wies ich von der Hand. Und so erfand ich einen weitern Geschäftsbetrieb ins gleiche Land. So oft ich Götter exportierte, Zugleich ich Priester exklarierte, Und zwar mit allem ausgestattet, Als Strümpfen, Bibeln, Rum und Reis – Und mit Profit? Natürlicherweis. So ging's. Sie schafften unermattet. Für jeden Gott, dahin verkauft, Ein Kuli gründlich ward getauft, So daß das Gift neutralisiert war. Der Kirche Feld lag niemals brach; Denn jeden Gott, der kolportiert war, Ihn hielt ein Missionar im Schach. Nun, und die afrikanischen Waren? Auch dort schloß alles in Moral. Ich sahe, das Geschäft empfahl Sich nicht für Leut' in höhern Jahren Man konnt' ja bald zur Grube fahren. Wozu noch kam das Wehgeschrei Von unsern Philanthropenbänken, Um nicht der Kaper zu gedenken Samt Wettersnot und Havarei. Dies alles wußt' sich durchzusetzen. Ich dachte: Peter, drehe bei! Sieh zu, die Scharten auszuwetzen! So kauft' ich mir denn Land im Süden, Behielt den letzten Fleischimport, Der auch von prima Sorte just war, Und macht' sie fett, daß es, mein Wort! Für mich wie für die Kerls 'ne Lust war. Ja, traun, ich pflegt' sie ohn' Ermüden, Mit wahrhaft väterlichem Zug, – Was seine guten Zinsen trug. Ich baute Schulen für die Leutchen, Damit die Tugend bliebe munter Und auf 'ner Höh', geheischt mit Fug, Und hielt darauf, daß um kein Deutchen Ihr Thermometer sank darunter. Zum Schluß hab' ich von dem verdammten Geschäft mich gründlich dann verschnauft – Und die Plantag' nebst dem gesamten Inhalt mit Haut und Haar verkauft. Zum Abschied für das ganze Schock, So Groß wie Klein, gab's gratis Grog; So Mann wie Frau bekam zu viel – Und jede Witwe Schnupfbrasil. Und darum hoffe ich, sofern Das Wort nicht bloß Geklapper hohl: Der, der nicht übel tut, tut wohl, – So ist mein Fehl getilgt beim Herrn, Und meiner Tugend sorglich Walten Kann meiner Schuld die Stange halten. V. EBERKOPF. Wie hocherbaulich, hier zu sehen Ein Theorem zur Tat gemacht, Erlöst aus seiner grauen Nacht Trotz allem widrigen Geschehen! der während des Vorhergehenden den Flaschen fleißig zugesprochen hat. Wir Volk vom Norden, wir verstehen Uns durchzuschlagen! In den Wirren Des Lebens kommt's auf dies nur an: Halt dir die Ohren zu! So kann Kein Schlänglein arg dein Wandeln irren. Kein Schlänglein arg, verehrter Mann? Ja, keins, das dich verführt zum Leiden: Dich ganz zu etwas zu entscheiden. Trinkt wiederum. Die ganze Kunst, das Glück zu zwingen, Die Kunst, den Mut der Tat zu haben, Ist die: wahlfreien Laufs zu traben Durch dieses Lebens tausend Schlingen, – Zu wissen, daß zu keinen Tagen Des Streites letzten Tag man schreibt, Zu wissen, daß stets offen bleibt: Ein Brücklein, Dich zurückzutragen. Die Theorie war mir gerecht; Sie war's, die meinen Wandel färbte, Und diese Theorie vererbte Mir meines Heimatgaus Geschlecht. Sie sind Norweger? Von Geblüt! Jedoch Weltbürger von Gemüt. Was Gutes mir bislang geschah, Verdank' ich meist Amerika. Von wohlbestallten Bücherbrettern Erbaun mich meine deutschen Vettern. Von Frankreich kam mir meine Weste, Mein Scherflein Geist sowie mein Schliff, – Von England mein Geschäftsbegriff Samt schärferm Sinn fürs eigne Beste. Vom Juden mein »festina lente«. Den Hang zum dolce far niente Gab mir Italien auf den Weg; – Und einstmals, auf gedrangem Steg, Vermehrt' ich meiner Tage Zahl Mit Hilf' von gutem schwedischen Stahl erhebt sein Glas. Ja, unser Stahl –! V. EBERKOPF. Der ihn geschwungen, Sei vörderst huldigend umklungen! Sie stoßen an und trinken mit ihm. Das Blut beginnt Peer zu Kopf zu steigen. Dies alles ist vortrefflich baß, – Doch, Sir, – die Frage will nicht ruhn, – Was woll'n Sie mit dem Gold nun tun? Hm; was? näher rückend. Ja, sagen Sie uns das! Nun, erstlich werden Weltbereiser Seht, deshalb nahm ich Euch an Bord Als Schiffsgesellschaft in Gibraltar. Ich brauchte Tänzer, auf mein Wort, Um meines goldnen Kalbes Altar – V. EBERKOPF. Höchst witzig! Doch verreist ein Weiser Wie Sie nicht nutzlos seine Tage. Man hat ein Ziel, ganz ohne Frage. Und dies ist –? Kaiser werden. Kaiser? nickt. Jawohl! Und wo? In aller Welt. Ja, wie denn, Freund –? Nun, durch mein Geld! Ein Plan, nicht erst von gestern her, Und dem ich treu blieb sonder Wanken. Als Knab' schon ritt ich in Gedanken Auf Wolkenrossen übers Meer; Stieg auf in güldner Waffenziere, – Und purzelt' ab auf alle Viere. Doch trotzdem blieb ich unverzagt. Es gibt da einen Spruch, der sagt, Ich weiß nicht wo, daß, wenn ein Mann Die ganze weite Welt gewann, Doch sich verlor , so blüht' als Lohn Ihm höchstens eine Dornenkron'. So steht dort – oder ähnlich; und Dies Wort hat seinen guten Grund. V. EBERKOPF. Und dieses Gyntsche Ich nun ist? Die Welt hier hinterm Schädelgitter, Durch die ich ich bin und kein Dritter, Wie Gott Gott und nicht Antichrist. Das wirft auf alles neue Lichter. Sie sind ein Denker! V. EBERKOPF. Und ein Dichter! immer mehr in Stimmung geratend. Das Gyntsche Ich, – das ist das Heer Von Wünschen, Lüsten und Begehr, – Das Gyntsche Ich, das ist der Reihn Von Forderungen, Phantasein, – Kurz alles, was just meine Brust hebt Und macht, daß Gynt als solcher just lebt. Doch wie der Herrgott braucht der Erden, Soll er bestehn als Gott der Welt, So hab' auch ich Bedarf an Geld, Soll ich ein rechter Kaiser werden. Sie haben's doch! Das würd' gelogen sein. Ja, ja, vielleicht auf zwei, drei Jausen Als Kaiserlein von Sondershausen. Doch ich will ich in Bausch und Bogen sein, Will Gynt sein, wo ich geh' und stehe, Sir Gynt vom Scheitel bis zur Zehe! hingerissen. Beschwör'n die Helena der Sage! V. EBERKOPF. Am ältsten Rheingewächs sich laben! Die Degen Karls des Zwölften haben! Doch erst 'ne Kapitalsanlage, Die sich rentiert – Die eben fand ich; Vergebens nicht ging hier an Land ich. Heut abend dampfen wir gen Nord; Denn Blätter melden mir an Bord Ein Märlein, das so ernst wie neu ist –! Steht auf mit erhobenem Glase. Als ob dem alles allzusammen Zum Glück hülf', der sich selber treu ist – Und dies ist? Hellas steht in Flammen. Die Griechen –? Brachen ihre Dämme. Hurra! Und Mahmud ist in Klemme! Leert sein Glas. Nach Hellas! Auf! Uns ruft die Ehre! Ich helf' mit meiner fränkischen Wehre! V. EBERKOPF. Ich mit Aufrufen, aus der Ferne! Ich will mit Lieferungen gerne –! Ich hol' (die König Karl verloren Zu Bender) die berühmten Sporen! fällt Peer Gynt um den Hals. Verzeih'n Sie, Freund, ich hab' von Grund Aus Sie verkannt! V. EBERKOPF drückt ihm die Hand. Ich dummer Hund, Ich hielt Sie für 'nen Schelmen fast! Das ist zu stark; nur für 'nen Narren – will ihn küssen. Ich, Vaterbruder, für 'nen Farren Von allergröbster Yankeemast! Vergib mir! V. EBERKOPF. Wir sind fehlgegangen – Was heißt das? V. EBERKOPF. Jetzo sehn wir prangen Vereint das ganze Gyntsche Heer Von Wünschen, Lüsten und Begehr –! bewundernd. So mußt' sich Monsieur Gynt bewähren! V. EBERKOPF ebenso. Das heiß' ich Gynt sein – und mit Ehren! Ich bitte Sie – Verstehn Sie nicht? Ich lass' mich hängen, wenn ich's tue! Je nun, mein Bester, gehn Sie nicht Nach Griechenland mit Schiff und Truhe? prustet spöttisch. Ach, nein! Ich stütze den, der stärker, Und leih' dem Türken meine Märker. Unmöglich! V. EBERKOPF. Witzig, – doch gescherzt! schweigt ein Weilchen, stützt sich auf einen Stuhl und nimmt eine vornehme Miene an. Ich glaub', Ihr Herrn, wir stehn vom Fest Nun auf, eh' daß der letzte Rest Von Freundschaft sich verhimmelwärtst. Wer arm ist, dem ist viel verstattet. Wenn man vom weiten Rund knapp hat Das Streiflein Staub, das man beschattet, Ist man Kanonenfutter, glatt. Doch hat sein Schäflein man geschoren, Wie ich, so wäre mehr verloren. Gehn Sie nach Griechenland! Ich sende Sie gratis und bewaffnet hin. Gut! Schüren Sie den Aufruhrsinn – Und wirken so mir in die Hände! Drauf los, für Freiheit und für Recht! Gestürmt! In Türkenblut gezecht! Und dann zuletzt ein Tod in Ehren Auf schlanken Janitscharenspeeren. – Doch ohne mich. Schlägt sich auf die Tasche. Ich bin nicht frei – Und bin ich selbst, Sir Gynt. – Good by! Er spannt seinen Sonnenschirm auf und geht in den Palmenhain, den Hängematten zu. Der Schweinekerl! Kein Sinn für Ehre! Ach, Ehre! Wenn es das nur wäre! Doch denkt Euch: Unser Riesenschnitt, Wenn nun der Grieche frei sich stritt –! Ich sah mich schon auf Türkenleibern Bekränzt von Hellas' schönsten Weibern! Ich sah in meiner Hand schon prangen Die heldengroßen Sporenspangen! V. EBERKOPF. Ich meines großen Vaterlands Kultur ausbreiten ihren Glanz –! Das Schlimmst' ist doch der bare Schade. Goddam! Welch Pech im höchsten Grade! Schon sah ich den Olymp mir dienen. Wenn seinem Ruf man darf vertraun, Enthält der Berg noch Kupferminen, Die man von neuem könnte baun. Und dazu dieser Fluß Kastale, Davon die Red' an dutzend Male, Mit Fäll'n, berechnet ungefähr Auf tausend Pferdekraft und mehr –! Ich gehe doch. Mein schwedisch Schwert Ist mehr als Yankeedollars wert! Mag sein; nur daß wir, erst im Haufen, In ihm elendiglich ersaufen Und der Profit in Rauch verpufft! Verdammt! So nah dem Glück zu gasten, Um so zu stehn an seiner Gruft! mit geballter Faust nach dem Fahrzeug hin. Dort liegt, in diesem schwarzen Kasten, Des Nabobs güldner Niggerschweiß –! V. EBERKOPF. Ein königlicher Einfall! Sei's Gewagt! Das wird sein Todespfeil sein! Kommt! Kommt! Sie woll'n –? V. EBERKOPF. Ich will die Macht! Die Mannschaft wird um wenig feil sein. An Bord! Ich annektier' die Jacht! Sie – was –? V. EBERKOPF. Ich mause, was ich find'. Ab nach der Jolle hinunter. Da heißt mein Vorteil mich geschwind Mitmausen. Folgt ihm. Eines Schurken Schluß! Ein Diebsstück –! Mais – enfin! Man muß –! Folgt den andern. Dann muß auch ich – der Eintracht wegen –, Doch protestier' ich laut dagegen. Ihm nach und ab. Eine andere Stelle der Küste. Mondschein und treibende Wolken. Die Jacht sticht unter vollem Dampf in See. Peer Gynt läuft den Strand entlang. Bald zwickt er sich in den Arm, bald starrt er hinaus übers Meer. Alpdruck! – Hirnspuk! – Wach' ich bald auf? Sie sticht in See! Und in rasendem Lauf! Bloßer Hirnspuk! Ich schlaf'! Ich bin trunken und toll! Ringt die Hände. Das geht doch nicht an, daß ich sterben soll! Rauft sich das Haar. Ein Traum! Ich will, daß ich träum' und schlaf'! Entsetzlich! Zwecklos, daß ich mich sperre! Diese Hunde von Freunden –! O, erhöre mich, Herre! Du bist ja so weis' und gerecht –! O, straf' –! Mit emporgestreckten Armen. Ich bin's, Peter Gynt! Laß ein Wunder geschehn! Nimm Dich meiner an, Vater; sonst muß ich vergehn! Laß sie stoppen! Laß sie die Gig niederlassen! Halt die Dieb' auf! Laß sie die Segel falsch brassen! Hör' mich! Laß warten Kunz Tausendhändig! Die Welt wird nicht schief gehn ob solcher Verwegenheit! Ob er wohl hört! Er ist taub, wie beständig. Das ist eine Wirtschaft! Ein Gott in Verlegenheit l Winkt aufwärts. Pst! Ich treib' längst nicht mehr Niggerhandel! Ich hab' China bekehrt zu christlichem Wandel! Eine Handreichung ist doch der anderen wert! O, hilf mir –! Ein Feuerstrahl schießt aus der Jacht empor, von einer dicken Rauchwolke begleitet; man hört einen hohlen Knall; Peer Gynt stößt einen Schrei aus und sinkt nieder auf den Sand; nach und nach verzieht sich der Rauch; das Schiff ist verschwunden. bleich und leise. Das war der Strafe Schwert! Versunken mit Mann und Maus, wie ein Stein! O, ewiglich will ich mein Glück benedein – – Gerührt. Ein Glücksfall? Nein, hier ist mehr geschehn. Ich sollte siegen und die vergehn. O, Preis Dir, daß Du der Not mich entrissen, Im Aug' mich behalten trotz meinem Gebrest – – Atmet tief auf. Wie macht es doch wundersam fröhlich und fest, Sich so separat behütet zu wissen. Doch werden auch Hunger und Durst mich in Ruh' lassen? Ach, ich finde wohl was. Das ist sein Gewerb'. Das ist nicht gefährlich; – Laut und einschmeichelnd. Er wird doch nicht zulassen, Daß ich armer, kleinwinziger Sperling verderb'! Nur hübsch demütig sein! Und vergönnen ihm Frist. Den Herren laß walten; Verzagen wär' töricht – Fährt erschrocken zusammen. Knurrte dort nicht ein Löwe im Röhricht –? Zähneklappernd. Nein, 's war wohl kein Löwe. Sich ermannend. Und wenn's einer ist! Die Biester, die halten sich doch wohl beiseite. Mit dem, der sein Herr, da liegt keins gern im Streite. Sie haben ja Instinkt; – da fühlen sie gewißlich: Mit Elefanten zu spielen ist mißlich. – – Doch trotz alledem, – ich such' mir 'nen Baum. Dort wiegen im Wind sich Akazien und Palmen; Erst droben, halt' ich den Kerl wohl im Zaum, – Insonderheit, könnt' ich dazu ein paar Psalmen – – Klettert hinauf. Man soll nicht den Tag vor dem Abend loben; Das Schriftwort hat mancher wohl schon bedacht. Setzt sich zurecht. Wie herrlich, so sitzen, den Geist erhoben! Edel denken ist mehr, als Reichtum und Macht. Bloß vertrauen auf Gott! Er kennt die Portion Vom Kelch des Leidens, die wir vertragen. Er ist väterlich gegen unsre Person; – Wirft einen Blick aufs Meer und flüstert mit einem Seufzer. Aber Ökonom, – nein; das kann man nicht sagen. Nacht. Marokkanisches Lager am Rand der Wüste. Wachtfeuer und rastende Krieger. kommt und rauft sich das Haar. Des Kaisers weißes Roß ist verschwunden! kommt und zerreißt sich die Kleider. Des Kaisers heilige Tracht ward gestohlen! kommt. Hundert jedem auf die Sohlen, Der bis morgen nichts gefunden! – Die Krieger steigen zu Pferde und galoppieren nach allen Richtungen fort. Tagesgrauen. Die Baumgruppe von vorhin. auf dem Baume, einen abgebrochenen Zweig in Händen, hält sich einen schwarzen Affen vom Leibe. Vertrackt! So unbequem schlief ich noch nie. Haut um sich. Bist Du wieder da? Mein Maß voll zu machen! Jetzt werfen sie Früchte. Nein, andere Sachen. Ein ekliges Tier, solch ein Affenvieh. Es steht zwar geschrieben: Du sollst wachen und fechten! Doch ich kann nicht, weiß Gott, ich bin lahm und matt. Wird wieder gestört; ungeduldig. Was tun? Ich hab' das Unwesen satt. Ich fang' mir einen von diesen Hechten, Häng' ihn und schind' ihn und kriech' in sein Fell, Sein zottiges, und der vermummte Gesell, Was gilt's, fährt balde für einen echten. – Was sind wir Menschen? Nicht mehr als ein Hauch. Und man muß sich wohl finden in Schick und in Brauch. Wieder ein Schwarm! Die Schufte sind zäh! Packt Euch! Psch! Die tun wie Verrückte! Wer mir nur jetzt einen Schwanz anstückte, – Daß man mehr wie ein Tier aussäh' –! Was nun! Da sind sie mir gar überm Kopfe –! Blickt aufwärts. Der Alte, – mit Fäusten voll von Schmutz –! Kriecht ängstlich in sich zusammen und hält sich ein Weilchen still. Der Affe macht eine Bewegung; Peer Gynt beginnt ihm zu schmeicheln und schönzutun wie einem Hunde. Je, je, – bist Du da, Du alter Butz! Er ist anständig, gelt, zu mir armem Tropfe! Er will gar nicht werfen; – das wär' nicht charmant; – Ich bin's doch! Pip, pip! Wir stellen uns nicht nach, – nicht? Eia, Eia! Da sag' noch, ich kennte Deine Sprach' nicht! Butzchen und ich, wir sind lange bekannt; Butz bekommt morgen Zucker –! Du Vieh! Die ganze Ladung! Mich so vollzudrecken! Oder war's Futter? Man konnt's nicht recht schmecken; Doch da bestimmt meist Gewohnheit das Wie. Sprach doch einmal welches Denkers Vernunft: Man spuckt – und gewöhnt sich zuletzt in die Zunft? – Da kommt auch der Nachwuchs noch! Ficht und haut. Närrisch bestallt, Daß der Mensch, Herr der Erden und Himmelserbe, Sich genötigt soll sehn zu –! Gewalt! Gewalt! Die Rangen verstehn ihr verruchtes Gewerbe! Früher Morgen. Steinige Gegend mit Aussicht auf die Wüste. Auf der einen Seite eine Felsenschlucht und eine Höhle. Ein Dieb und ein Hehler in der Felsenschlucht mit dem Pferd und den Kleidern des Kaisers. Das Pferd, reich aufgezäumt, steht an einen Stein gebunden. Reiter in der Ferne. Wie sie schillern und schlecken, Die Zungen der Lanzen, – Schau', schau'! Ich fühl' meinen Kopf schon Im Sande tanzen; Au, au! kreuzt die Arme über der Brust. Mein Vater war Dieb; Sein Sohn muß stehlen. Mein Vater war Hehler; Sein Sohn muß hehlen. Dein Los trag' ergeben; Dich selbst sollst Du leben. horcht. Schritte im Gebüsch! Wenn uns einer erspäht! Tief ist die Höhle Und groß der Prophet! Sie flüchten und lassen die Kostbarkeiten im Stich. Die Reiter verlieren sich in der Ferne. kommt, eine Rohrflöte schneidend. Wie holdselig ist diese Morgenstund'! – Der Mistkäfer rollt seine Kugel im Dreck; Aus seinem Schneckenhaus kriecht der Schneck. Ja, ja, – der Morgen hat Gold im Mund! Es ist doch im Grund eine seltsame Macht, Womit so Natur das Frühlicht bedacht. Man fühlt sich so sicher, fühlt alle Furcht schwinden, Man würde, tät's not, mit 'nem Ochsen anbinden. – Wie still's hier rings ist! Ja, die ländlichen Freuden, – Unbegreiflich genug, daß ich einst sie verwarf; Daß man einkerkert sich in finstern Gebäuden, Bloß daß jeder Lump dir ins Haus rennen darf. – Nein, sieh, wie der Eidechs sich Schnaken fängt, Schnappt, huscht, schnappt und an nichts dabei denkt. Welch eine Unschuld solch Tier offenbart! Jedwedes folgt seinem Schöpfer fein züchtiglich, Bewahrt sich sein Sondergepräg' unverflüchtiglich, Ist es selbst in jeglicher Lebensart, Es selbst, es selbst, wie es ward, da es ward. Setzt die Lorgnette auf die Nase. Ein Krötlein. In einem Sandstein. Guck'! Versteinerung rings. Nur der Kopf ist heraus. Da sitzt es und sieht, wie aus einem Haus, Auf die Welt und ist sich selber – genug. – Denkt nach. Genug? Sich selber –? In welcher Küchen Ward das Wort gekocht? Wo las ich das schon? In der Hauspostillen? Oder Salomons Sprüchen? Vertrackt! Gestehe dir, alter Sohn, Dein Gedächtnis spricht allem Anstand Hohn. Setzt sich in den Schatten. Hier ist ein Fleckchen für Bärenhäuter. Ah, da gibt's Farren! Eßbare Kräuter! Schmeckt ein wenig davon. Das ist eher Brot für die Kreatur; – Doch freilich, es heißt: Zwing deine Natur! Des weiteren steht da: Hochmut vergehet. Und wer sich erniedrigt, der wird erhöhet. Unruhig. Erhöhet? Gewiß, so wird mir geschehn; – Es ist ganz unmöglich, sich's anders zu denken. Das Schicksal wird meine Schritte lenken. Dies ist eine Prüfung; ich werd' sie bestehn, – Und für eine Zukunft, da Freude sein wird, – Dafern der Herr mir Gesundheit verleihn wird. Schüttelt die Gedanken ab, zündet sich eine Zigarre an, streckt sich aus und starrt in die Wüste hinaus. Welch unermeßliche, endlose Leere! – Dort in der Ferne schreitet ein Strauß. – Was im Gefüge des Weltenbaus Gott wohl plante mit diesem Meere Sandes, mit diesem alles versagenden, Diesem verbrannten, niemandem tragenden; – Diesem Bruch der Erde, der brach liegt! Diesem Leichnam, der tempelschänderisch In der Schöpfung reichem Gemach liegt! Wozu ward er? Die Natur ist verschwenderisch. Ist dies die See, dort im Osten, der Flor Von Silber? Unmöglich! Nur Sinnenbetrug! Die See liegt im Westen; zurück und empor Gedämmt durch ragender Dünen Zug – Ein Gedanke durchblitzt ihn. Gedämmt? So könnt' ich –! Die Höhen sind schmal. Gedämmt! Ein Durchbruch nur, ein Kanal, – Und, ein Lebensstrom, würden die Wasser brüllen Herein durch den Schlund und die Wüste füllen! Bald würd' der ganze glühende Plan Blaun, ein gekräuselter Ozean. Die Oasen würden als Inseln ihn kleiden, Bergküste würde des Atlas Grat; Die Segler würden wie Sturmvögel schneiden Der Karawanen ertrunkenen Pfad. Lebenshauch würde zerstreuen das Qualmen Der Dünste, und Tau würde triefen die Wölk'; Stadt um Stadt würde bauen das Volk, Und Gras würde grünen um schwankende Palmen. Südwärts der Sahara würd' alle Flur Küstengebiet mit verjüngter Kultur. Dampf würde treiben Timbuktus Fabriken; Bornu bekäm' europäischen Stil; Nach Habes hinauf würd' den Forscher man schicken Im sichern Waggon bis zum oberen Nil. Mitten im Meer, auf 'nem fetten Eiland, Geb' ich der Norwegerrasse dann Freiland; Das Gudbrandstal hat ja schier königlich Blut; Kreuzung mit Arabern 's Übrige tut. Auf einer Bucht ansteigendem Strand Geb' dann Peeropolis allem die Weihe! – Die Welt ist abgelebt. Jetzt kommt die Reihe An Gyntiana, mein junges Land. Springt auf. Nur Kapitalien, so sprießt es empor. – Einen Schlüssel von Gold zu des Meeres Tor! Kreuzzug dem Tod! Heraus aus der Katzen, Geizhals, die zwecklos gehüteten Batzen! Für Freiheit pocht es in allen Brüsten; – Gleich dem Esel der Arche will rufen ich laut Übren Erdball und bringen die Meerwasserbraut Meinen harrenden, schmachtenden Zukunftsküsten. Fort, fort! Kapital zusammengekehrt! Mein Reich, – mein halbes Reich für ein Pferd! Das Pferd wiehert in der Felsenschlucht. Ein Pferd! Und Kleider! – Und Waffen – und Schätze Tritt näher. Unmöglich! Nein, wirklich –! Mir ward wohl gelehrt Irgendwo, daß der Wille Berge versetze; – Doch daß er sogar versetzt ein Pferd –! Gewäsch! Genug: Dort Roß, hie Reiter; – Ab esse ad posse und so weiter und so weiter –. Zieht die Kleider über die seinigen an und blickt an sich herab. Sir Peter, – und Türke vom Scheitel bis zur Sohl'! Wer prophezeite wohl gestern solch Heute! Spute Dich, Grane mein, preisliche Beute! Steigt in den Sattel. Güldne Pantoffel als Bügel! Ei wohl! Am Reitzeug erkennt man die fürnehmen Leute! Er galoppiert in die Wüste hinein. Zelt eines Araberhäuptlings, einsam auf einer Oase. Peer Gynt in seiner orientalischen Tracht, auf Polstern ruhend. Er trinkt Kaffee und raucht aus einer langen Pfeife. Anitra und eine Schar Mädchen tanzen und singen ihm vor. Der Prophet ist erschienen! Der Prophet, mit Allweisheit begabet, Der Herr, der Prophet ist erschienen, Zu uns übers Sandmeer getrabet! Der Prophet, der das Rechte stets triffet, Uns ist er, uns ist er erschienen, Zu uns durchs Sandmeer geschiffet! Jauchzt zu Flöten und Tamburinen: Der Prophet, der Prophet ist erschienen! Sein Zelter der Milch gleicht, der weißen Die fleußt in des Paradieses Bronnen. Beugt Euch! Kniet! Er ist gnädig gesonnen! Seine Augen sind Sterne voll mildem Gleißen. Doch welch Erdenkind trägt Den Glanz des Glanzes, der ihnen entschlägt? Durch die Wüste kam er. Gold und Perlen entsprangen auf seiner Brust. Wo er hinkam, ward Glanz und Lust. Wo er schied, hat der Samum gewütet, Wo er schied, Nacht und Dürre gebrütet. Durch die Wüste kam er, Kam geschmückt er einher, Wie ein irdisch Geborener! Die Kaaba, die Kaaba steht leer; – Selbst hat's beschworen er! Jauchzt zu Flöten und Tamburinen: Der Prophet, der Prophet ist erschienen! Die Mädchen tanzen zu gedämpfter Musik. Ich las mal gedruckt, – und darin liegt Verstand, – Es gilt kein Prophet im eigenen Land. Dies Leben hier will mir weit besser behagen Als das eines Reeders in Charlestowns Tagen. Es war etwas Hohles in all dem Betrieb, Etwas Unklares, Fremdes, das blieb und blieb. Ich fühlte mich nie recht daheim unter Dach, So niemals ganz richtig als Mann von Fach. Was wollt' ich auch dort nur, so frag' ich mich? Ein Geschäftsgaul, ewig im Kreis herum traben? Denk' ich dran, wird mir ganz wunderlich. Es traf sich so; da liegt der Hund begraben! – Du selbst sein wollen von Goldes Gnaden, Das ist, wie sein Haus auf Sandgrund errichten. Vor Uhr und vor Ring und den andern Geschichten Wälzt sich im Kot dir der ganze Schwaden. Sie ziehen den Hut vor 'ner Brustnadel-Kron'; Aber Ring oder Nadel, ist das die Person? Prophet; – die Stellung ist sonder Tadel. Da weiß man doch gleich, was man gilt in der Welt. Da ist man doch selber der Huldigung Held, Besieht man's, und nicht seine Börs' oder Nadel. Man ist, was man ist, und das glatt und blank, Man schuldet nicht Zufall noch Ungefähr Dank, Man braucht kein Patent nicht noch Privileg. Prophet; ja, das ist für mich ein Gepräg'. Und wie unerwartet mir diese Gift kam! Bloß sintemal ich durch die Wüste geschifft kam Und diese Naturkinder traf auf dem Weg. Der Prophet war erschienen; die Sache war klar. Es war also nicht mein Plan, zu betrügen –; Zudem ist prophetisch antworten nicht lügen; Und zurücktreten kann ich ja immerdar. Ich bin nicht gebunden; das steht außer Frage – Das Ganze ist, so zu sagen, privat; Ich kann gehn, wie ich kam; mein Roß steht parat, Mit einem Wort, ich bin Herr der Lage. nähert sich vom Eingang her. Prophet und Herr! Meiner Sklavin Begehr? Harrend vorm Zelt stehn die Wüstensöhne Sie bitten, Dein Angesicht schauen zu – Stopp! Sag' ihnen, daß mir zunächst ihr Galopp Statt ihres Gebets in die Ohren dröhne! Ich will keine Mannsleute hier um mich her! Die Männer, mein Kind, sind voll Falschheit, – so recht, Was man sagt, ein unbeständig Geschlecht! Anitra, Du kannst Dir nicht denken, mein Kind, Wie hündisch – ich meine: wie sündig sie sind! – Na, lassen wir das. Getanzt und gesungen! Der Prophet will vergessen Erinnerungen. tanzend. Der Prophet ist gut; der Prophet ist betrübt; Denn die Söhne des Staubs haben Böses verübt. Der Prophet ist mild; seiner Mildheit sei Preis! Er führet die Sünder zum Paradeis. während er mit seinen Augen Anitra beim Tanze folgt. Wie Trommelschlegel fliegen die Beine. Ei! Sie ist wahrhaft lecker, die Kleine. Sie hat etwas extravagante Formen, – Nicht stimmend ganz mit der Schönheit Normen; Doch was ist Schönheit? Ein Herkommen nur, – Eine Münze, gangbar nach Ort und Uhr. Und just das Extravagante schmeckt süppig, Auslöffeltest du die normale Welt. Wo die Regel herrscht, wirst um den Rausch du geprellt. Entweder höchst mager oder höchst üppig, Entweder blutjung oder schreckhaft alt; – Was dazwischen, läßt kalt. Ihre Füße – sind zwar nicht blendend an Reine, Auch die Arme sind's nicht, zumal nicht der eine. Doch ist dies schließlich kein arges Laster. Ich nennt' es eher ein Schönheitspflaster – – Anitra, hör' zu! nähert sich. Deine Sklavin lauscht! Du bist reizend, Kind! Der Prophet ist berauscht! Und willst Du nicht glauben, vernimm als Beweis: Er macht Dich zur Huri im Paradeis. Unmöglich, Herr! Du glaubst, es sei Scherz? Ich schwör' Dir's, so wahr ich hier sitze, mein Herz! Doch ich hab' keine Seele. Die kannst Du erhalten. Doch wie, o Herr? Des laß mich nur walten. Ich werd' Dein Erzieher und geb' Dir Stunden. Keine Seele! Ja, dumm bist Du freilich, Schatz, Wie man sagt. Das hab' ich mit Schmerz empfunden. Doch für eine Seel', da ist immer noch Platz. Komm her; laß mich Deinen Hirnkasten messen. – Ich hab's doch gewußt: Hier ist Raum; hier ist Raum. Zwar wirst Du nicht Weisheit mit Löffeln essen; Denn 'ne sonderlich große Seele wird's kaum – – Ach, was! Ich will Dir wohl, wie Du sehn kannst; – Du sollst so viel kriegen, daß Du bestehn kannst – – Der Prophet ist gut, doch – – Du willst nicht einmal? Ich wünschte lieber – Sprich ohne Hehl! Ich mache mir nicht so viel aus 'ner Seel'; – Gib mir lieber – Was? zeigt auf seinen Turban. Diesen schönen Opal! hingerissen, indem er ihr das Schmuckstück reicht. Anitra! Evaskind, unverzagtes! Magnetisch lockst Du; denn ich bin Mann, Und – ein geachteter Schriftsteller sagt es: – »Das ewig Weibliche zieht uns an!« Mondscheinnacht. Palmenhain vor Anitras Zelt. Peer Gynt, mit einer arabischen Laute in der Hand, sitzt unter einem Baume. Sein Haar und Bart sind gestutzt; er sieht bedeutend jünger aus. spricht und singt. Ich sperrte zu mein Paradies Und nahm den Schlüssel mit. Der Nord mein Schiff vom Strande blies, Indes die Schönen, die ich ließ, Nachweinten meinem Schritt. Gen Süden schnitt des Kieles Pflug Der Salzflut schwankend Land. Wo schlanker Palmen stolzer Zug Geleitet blauer Buchten Bug, Da steckt' ich es in Brand. Ein Wüstenschiff erklettert' ich, Ein Schiff auf Beinen vier. Aufschäumt' es unterm Sporenstich; – Ich bin ein Vogel; fange mich, – Vom Zweig ich tirilier'! Anitra, Palmenmost! Wer mäß' Von Dir genug sich zu! Selbst der Angoraziege Käs Ist kaum ein halb so süß Geäs, Anitra, ach, denn Du! Hängt die Laute über die Schulter und kommt näher. Lauscht sie mit gespannter Miene? Hat mein Liedchen sie gehört? Späht sie, hinter der Gardine, Undrapiert und hold betört? Horch! Das klang, als ob gewaltsam Von 'ner Flasch' der Stöpsel sprang. Da! Da wieder! Welch ein Klang! Liebesseufzer? – Nein, Gesang; – – Nein, – ein Schnarchen, unaufhaltsam. – Süßer Laut! Anitra, schlummere! Nachtigall, hör' auf zu flehn! Jedes Leid soll dir geschehn, Störst du frech ihr sanft Geschummere! Zwar es heißt: wie's geht, mag's gehn! Bülbül ist wie ich ein Sänger; Ach, ich will es nur gestehn: Beide sind wir Rattenfänger Kleiner, liebeskranker Feen. Laue Nacht, und Liederschall Sind uns gleiche Herzensweide; Wenn wir singen, sind wir beide Wir , Peer Gynt und Nachtigall. Und just, daß sie schläft, die Kleine, Krönt mein Glück; just dies, daß meine Lippen schier den Becher kippen, Ohne dran auch nur zu nippen – –; Doch da ist sie ja, – halloh! Nun, 's ist gleich, so oder so. vom Zelt her. Riefst Du, Herr, nach Deiner Magd? Der Prophet, ja, hat gerufen. Tollgewordne Katzen schufen Störung ihm mit ihrer Jagd. Ach, kein Jagdgelärm war, Herr, es; Etwas weit Verfänglicheres. Was denn? Laß mich schweigen! Sprich! Ich erröte – nähert sich ihr. War's am Ende, Was so ganz erfüllte mich Bei des Steins verliebter Spende? erschrocken. Dich vergleichen, Erdenzier, Einem eklen Katzentier! Kind, im Punkt der Liebe steht Oft ein Kater und Prophet Auf dem nämlichen Tapet. Herr, des Scherzes Rede geht wie Honig Dir vom Mund. Mein Kind; Du, wie Dein Geschlecht, Ihr seht nie Große Männer, wie sie sind! Ich bin scherzhaft, laß Dir sagen, Und zu zweien umsomehr. Meine Stellung läßt mich tragen Einer Maske ernste Wehr. Pflichten machen ungemächlich; All dies Sorgen und Gescher' Mit den Leuten hin und her Macht mir oft den Kopf recht schwer; Doch dies ist nur oberflächlich. – Dummes Zeug! Im Tête-à-tête Bin ich Peer, – ja der, nur der. Hui, da läuft er, der Prophete; Und hier hast Du Deinen Peer! Setzt sich unter einen Baum und zieht sie an sich. Komm, Anitra, komm und träume Mit mir in der Palme Fächeln! Ich will flüstern, Du sollst lächeln; Wollen dann die Rollen wechseln; Und, indes ich lächelnd säume, Sollst Du Liebesworte drechseln! legt sich ihm zu Füßen. Süß sind Deine Worte, mag mir Auch ihr Sinn nur selten nahen. Herr, kann Deine Tochter, sag' mir, Also lauschend Seele fahen? Seele, Geistes Licht und Wissen Sollst Du seiner Zeit nicht missen. Wenn im Ost auf Rosenstreifen Golddruck meldet: Nacht verschwunden! Geb' ich Dir, mein Püppchen, Stunden; Und Du sollst mir köstlich reifen. Aber in der Mondnacht Stille Wär' es eines Toren Grille, Mit verstaubter Weisheit Beten Als Magister aufzutreten. – Ist doch auch der Seele Lehen Nicht als Hauptsach' zu begreifen. Wird doch meist aufs Herz gesehen. Herr! In Deiner Rede Strahlen Schillert Glanz, wie von Opalen. Geist, zu scharf, ist Geisteslosheit; Feigheit, aufgeknospet, Bosheit; Wahrheit in der Übergift, Rückgewandte Weisheitsschrift. Ja, mein Kind, Gott soll mich strafen, Lebt nicht manch ein Feuergeist, Dem sich der Erkenntnis Hafen Erst nach schweren Stürmen weist. Kannte einen dieser Kerle, – In dem ganzen Brack die Perle; – Und selbst dieser Mann ging irre, Ward verführt vom Weltgewirre; – – Siehst Du rings die Wüste gähnen? Wenn ich bloß den Turban schwenke, Strömt das Meer aus hundert Hähnen Seine Flut in ihr Gesenke. Doch ich hätte Gimpelgrütze, Schüf' ich diese Wüstenpfütze. Weißt Du, was bedeutet: leben? Lehr' mich's! Dies: Den Zeitstrom schweben Unbenetzten Schuh's zu Tal Als sein eigenst Ideal. Nur in Vollkraft kann ich der sein, Der ich bin, kann Peer als Peer sein! Alter Weih verliert die Federn, Alter Bock wird welk und ledern, Alte Trulle keift aus Lücken, Alter Trottel hinkt an Krücken, – Jedem wird die Seele greis. Jugend! Jugend! Herrschen, thronend Wie ein Sultan, heil und heiß, – Nicht durch Gyntianas Banken, Unter Palmenlaub und Ranken, – Sondern weil in den Gedanken Einer reinen Jungfrau wohnend! – Wirst Du nun noch zweifelnd fragen, Kind, warum ich Dich erküret, Gnädiglichst Dein Herz gerühret, Dort gegründet, sozusagen, Meines Wesens Kalifat? Deine Sehnsucht will ich haben. Allgewalt in meinem Staat! Du sollst sein allein die Meine. Peer mit seinem Geist und Gaben Sei Dir mehr denn Gold und Steine. Scheiden wir, so ist das Leben Ausgelebt, – das heißt, das Deine! All Dein Du, inbrünstiglich, Willenlos mir hingegeben, Sei erfüllt von meinem Ich. Deiner Locken nächtlich Blinken, Was Dir Grazien nur gewährten, Soll, wie babylon'sche Gärten, Mir zu Sultansfesten winken. Darum ist auch die Entnachtung Deiner Stirn so nötig nicht. Hat man Seele, ist Betrachtung Seiner selbst die erste Pflicht. Höre, da ich just dran denke; Du sollst haben, macht's Dich froh, Einen Ring ums Fußgelenke; – Jeder fährt am besten so; Ich mich Dir als Seele schenke, Und sonst alles: status quo. Anitra schnarcht. Wie? Sie schläft! Peer Gynt, versenke Deine Hoffnung –! Dies beweist – Halt! – just deinen mächt'gen Geist: Deiner Liebesrede Schäumen Trägt sie fort zu süßen Träumen. – Erhebt sich und legt ihr Schmuckgegenstände in den Schoß. Hier sind Spangen! Hier noch mehr! Schlaf, Anitra! Träum' von Peer – –! Schlaf! Im Schlaf hast Du die Krone Deinem Kaiser dargebracht! Durch Persönlichkeit zum Throne Kam Peer Gynt in dieser Nacht. Karawanenweg. Die Oase, zurückliegend, in weiter Ferne. Peer Gynt, auf seinem weißen Pferd, jagt durch die Wüste. Er hat Anitra vor sich auf dem Sattelknopf. Laß sein; ich beiße! Du kleiner Schalk! Was willst Du? Was? Spielen Täubchen und Falk! Dich entführen! Tolle Geschichten machen! Schäm' Dich! Ein alter Prophet –! Firlefanz! Der Prophet ist nicht alt, Du kleine Gans! Macht man im Alter noch solche Sachen? Laß los! Ich will heim! Jetzt bist Du kokett. Also heim! Zum Schwiegervater! Wie nett! Wir tollen Vögel, die Reißaus genommen, Wir dürfen ihm nie mehr vor Augen kommen. Zum andern bleibe man nicht, mein Schatz, Für längere Zeit an demselben Platz; Man verliert in der Achtung, je mehr man bekannt wird; – Zumal, wenn man kommt als Prophet oder so. Man gehe vorüber, rasch wie ein Bonmot. Es war schon so weit, wo die Sache gespannt wird. Deine Wüstensöhne wurden verdrießlich; – So Gebete wie Weihrauch versagten schließlich. Doch Du bist doch Prophet? Ich bin Dein Kaiser! Will sie küssen. Guck', was für ein kleiner Bärenbeißer! Gib mir den Ring da von Deinem Finger! Nimm, süße Anitra, die ganzen Dinger. Wie klingt Deine Rede so wonniglich. O selig, wer so hoch geliebt wird wie ich! Hinab! Und das Pferd geführt, als Dein Sklav'! Reicht ihr die Reitpeitsche und steigt ab. So, meine Rose, meine liebliche Blume, Hier will ich Sand treten zu Deinem Ruhme, Bis mich ein Sonnenstich gnädiglich traf. Ich bin jung, Anitra; das hab' vorm Auge, Du mußt's nicht so streng nehmen, wenn ich nichts tauge. Sieh, neigt nicht just Jugend zu allerlei Tänzchen? Hätt' also Dein Geist mehr Schliff und mehr Schwung, So würdest Du schließen, mein reizendes Pflänzchen, – Dein Liebster macht Unsinn, – ergo ist er jung! Ja, Du bist jung. Hast Du nicht noch mehr Ringe? Da; nimm! Ich bin ein Bock, und ich springe! Wär' hier wo Weinlaub, ich setzte mir 'nen Kranz auf! Ja, weiß Gott, bin ich jung! Und jetzt sing' ich mir zum Tanz auf! Tanzt und singt. Ich bin ein Hahn, ein glückseliger! Pick' mich, Du kleine Henne! Ei! Hopp! Da schau, wie ich renne; – Ich bin ein Hahn, ein glückseliger! Du schwitzest, Prophet; Du zergehst mir ja fast! Reich' mir vom Gurt dort die baumelnde Last! Zärtliche Sorg'! Nimm den Beutel für immer! Liebenden Herzen ist Gold nur ein Schimmer. Tanzt und singt wieder. Jung Peer Gynt ist ein Tollhans! Er weiß nicht, auf welchem Fuß er stehn soll. Pah, sagt Peer, – geh's, wie's gehn soll! Jung Peer Gynt ist ein Tollhans! Wunderfein tanzt der Prophete gestreng! Prophet? Dummes Zeug! – Komm, tauschen wir Kleider! Zieh aus! Dein Gurt und Dein Kaftan ist leider Zu weit und zu lang und Dein Strumpfwerk zu eng – Eh bien! Kniet nieder. Doch schaff' mir ein heftiges Leid; Liebenden Herzen ist Leiden köstlich! Kommen wir dann in mein Schloß, seiner Zeit, – In Dein Paradies; – liegt's noch sehr weit östlich? O, wohl tausend Meilen – Zu weit! Gemach! Du bekommst auch die Seele, von der ich Dir sprach – Ich danke; das kommt nicht so sehr in Frage. Doch Du batst um ein Leid – steht auf. Ja, zum Teufel! Ein Weh, Gewaltsam, doch kurz, – so auf zwei, drei Tage! Anitra gehorcht dem Propheten! – Ade! Sie zieht ihm einen tüchtigen Hieb über die Finger und jagt in fliegendem Galopp zurück durch die Wüste. steht eine lange Weile wie vom Blitz gerührt. Na, da soll aber doch – – –! Dieselbe Stelle. Eine Stunde später. Peer Gynt zieht, bedächtig und nachdenklich, die Türkenkleider aus, Stück für Stück. Zuletzt nimmt er seine kleine Reisemütze aus der Rocktasche, setzt sie auf und steht wieder in seiner europäischen Tracht da. indem er den Turban weit von sich fortschleudert. Dort liegt der Türke, und hier steh' ich. Dieses heidnische Wesen hat einen Stich. Ein Glück, daß ich's nur in den Kleidern getragen, Daß sich's nicht, wie man sagt, aufs Herz mir geschlagen. Was wollt' ich nur eigentlich, frag' ich mich? Man tut doch am besten, als Christ zu wandeln, Zu verschmähn des Pfauenhabits Geprahl, Zu stützen sein Tun auf Gesetz und Moral, Man selber zu sein und dafür sich einmal Einen Nachruf und einen Kranz einzuhandeln. Macht einige Schritte. Das Dirnchen! – Es hing nur an einem Haar, Daß ich nicht mehr zur Vernunft erwachte. Ich will ein Troll sein, sofern mir klar, Was es war, das mich also von Sinnen brachte. Na, gut, daß es aus ist! Ein Schritt noch vom Pfade, – Und ich war lächerlich ohne Gnade. Ich hab' mich versehn, – doch, ich darf mir's gestehn, Nur infolge der Schiefe der Stellung versehn, Nicht selbst als Persönlichkeit jedenfalls. Ja, mußte nicht just dies prophetische Wallen, So ganz ungewürzt von der Wirksamkeit Salz, Zuletzt in Geschmacklosigkeit verfallen? Eine böse Bestallung, Prophet zu sein! In seinem Beruf soll man gehn wie in Wolken; – Prophetisch betrachtet, büßt man flugs ein, Sobald man aufhört, Unsinn zu kolken. Insofern bin ich mehr als entschuldigt, Daß ich der dummen Gans da gehuldigt. Doch, nichtsdestominder – Bricht in Lachen aus. Man stelle sich vor! Die Zeit will er stoppen durch Trippeln und Tänzeln! Schwimmen wider 'n Strom mit Schweifeln und Schwänzeln! Lustgirrend hupft er, die Laute zupft er, Und endet zuletzt als Hahn, – als gerupfter. Fürwahr, ein Prophet, der die Zügel verlor! – Gerupft, ja! – Brr! Bin ich abgebrannt! Na; etwas ist noch in der Hinterhand, In der Charlestowner Bank und in meinen Taschen; Es ging also doch nicht alles durch die Maschen, – Überlegt man's, ist solch ein Zustand viel wert. Man ist nicht gebunden an Kutscher noch Pferd, Hat nicht mit Koffer und Karren Plage, Kurz, wie man sagt, man ist Herr der Lage. – Wohin nun des Wegs? Was sei nun erkoren? Am Wählen kennt man den Weisen vom Toren. Mein Geschäftsleben ist ein beschlossen Kapitel; Mein Liebesspiel ist ein beseitigter Kittel. Zu Krebsgang hab' ich nicht Lust noch Grund. Hin und zurück, 's ist der gleiche Weg, Hinaus und hinein, 's ist der gleiche Steg, – Sagt ja wohl irgend ein geistreicher Mund. – Wenn mir nur jetzt etwas Neues durch den Sinn führe, Etwas Großes, bei dem man zugleich mit Gewinn führe! Ob ich mein Leben schreib', ungeschminkt, wahrhaft, – Ein Vademecum, so schmackhaft wie nahrhaft? – Oder –! Wer gleich beim Gelehrten endete – – Und, ein reisender Forscher, mit seinem Span Dem Einst in den dunklen Rachen blendete? Bei Gott, ein höchst erwägbarer Plan! Vor Chroniken bin ich nie abgebogen, Und war auch der Wissenschaft immer gewogen – Wohlan denn, durchmessen der Menschheit Bahn! Ich schwimm' auf dem Strom der Geschichte wie ein Flaum, Ich durchlebe sie nochmals, als wie in einem Traum, – Seh' der Helden Kämpfe für Gut und Groß, Doch aus sicherm Versteck, als Zuschauer bloß; – Seh' der Denker Fall, der Märtyrer Glorie, Seh' Reiche sich bilden und Reiche vergehn, – Seh' Weltepochen aus Kleinem entstehn; Kurzum, schöpf' ab den Rahm der Historie. – Ich muß mir einen Band Becker erhandeln Und dann chronologisch die Welt durchwandeln. Wohl wahr, – Geschichte ist nicht meine Stärke – Und sinnverwirrend ihr innres Gewerke! – Doch, pah! Je toller der Ausgangssatz ist, Um so seltener oft der gefundene Schatz ist. – – Erhabner Gedanke, solch Ziel sich zu stecken, Und vor nichts, was es fordert, zurückzuschrecken! Still bewegt. Aus allen Banden fahren und schlüpfen, Die dich mit Heimat und Freunden verknüpfen, – In die Luft sprengen all deines Reichtums Pracht, – Sagen dem Glück deiner Liebe gutnacht, – Nur, um zu finden der Wahrheit Mysterium, – Zerdrückt eine Träne im Auge. Das ist des echten Forschers Kriterium. O Unglück, du hast deinen Stachel verloren! Ging mir doch auf nun, wozu ich geboren! Und nun bloß aushalten, kommt's noch so schwül! Hoch nun darf ich mein Haupt wieder tragen, – In meines Manneswerts Wohlgefühl; Ein Kaiser des Lebens, sozusagen! – Der Vergangenheit Summe will ich besitzen; Nie mehr die Wege der Heutigen schwitzen; – Die Gegenwart ist keine Schuhsohle wert; Die Männer sind nur dem Gewinn zugekehrt, Ihre Geister sind lahm, ihre Taten unecht; – – Zuckt die Achseln. Und die Weiber, – ein unbeständig Geschlecht! – Ab. Sommertag. Hoch im Norden. Eine Hütte im Hochwald. Offene Tür mit einem großen hölzernen Schloß. Rentiergeweih über der Tür. Eine Schar Ziegen an der Hauswand. Ein Weib von mittleren Jahren, licht und schön, sitzt und spinnt draußen im Sonnenschein. wirft einen Blick den Weg hinab und singt. Vielleicht geht der Winter, und der Frühling folgt nach, Und der Sommer dazu, und das ganze Jahr; – Aber einst wirst Du kommen, das, weiß ich, ist wahr; Und ich werde warten, wie ich Dir's versprach. Lockt die Ziegen, spinnt und singt wieder. Gott stärke Dich, wo in der Welt Du auch gehst! Gott segne Dich, wenn Du vor seinem Fuß-Schemel stehst! Hier wart' ich, mein Freund, bis Du kommst, nach Deinem Wort; Und wartest Du dort oben, so treffen wir uns dort! Ägypten. Morgendämmerung. Die Memnonssäule im Sande. Peer Gynt kommt gegangen und sieht sich eine Weile um. Hier könnten wir füglich beginnen zu wandern; – Jetzt also Ägypter, nach all dem andern; Doch Ägypter auf Basis des Gyntischen Ichs. Dann geht's nach Assyrien graden Strichs. Bis an die Erschaffung der Welt zu rühren, Das würde nur zum Verderben führen; – Ich will ganz herum um die Bibelgedichte; Man spürt sie ja überall in der Geschichte; Und ihnen nachsehn, sozusagen, die Nähte, – Dazu fehlt mir Neigung wie Handwerksgeräte. Setzt sich auf einen Stein. Nun will ich hier rasten und warten geduldig. Zunächst ist mir Memnon sein Morgenlied schuldig. Dann werde die Pyramide bestiegen, Auch ihr Innres erforscht, wo die Könige liegen. Darauf auf dem Landweg ums rote Meer; Vielleicht grab' ich Potiphar aus und sein Heer. Dann bin ich Asiat. In Babylon werden Besucht die berüchtigten hängenden Gärten, Will heißen, die Hauptstätten seiner Kultur. Ein Sprung – und ich bin auf trojanischer Flur. Von Troja hab' ich ja dann direkte Verbindung hinüber zum alten Athen; – Dort will ich an Ort und Stelle besehn Und befahren den Paß, den Leonidas deckte; – Dann etwas Philosophie betreiben, Und das Haus, worin Sokrates starb, beschreiben – –; Weiß Gott, da vergaß ich ja, daß sie just kriegen –! So bleibe der Hellenismus denn liegen. Sieht auf die Uhr. Teufel auch, macht diese Sonne Flausen, Bis sie heraufkommt. Meine Zeit ist knapp. Also, von Troja, – da kam ich ab – – Steht auf und lauscht. Horch! Was für ein verwunderlich Sausen? Sonnenaufgang. singt. Himmelan steigen aus göttlicher Asche Vögel voll Singen. Zeus, der geistweite, Schuf sie zum Streite. Weisheitseule, Wo schlafen ihre Schwingen? Stirb – oder hasche Den Sinn der Säule! Wahrhaftig, – hab' ich nicht einen Tic, So klang just die Säule! Vergangenheitsmusik! Ganz hörbar der Steinstimme Fallen und Steigen. Ad notam. Einst den Gelehrten zu zeigen. Notiert ins Taschenbuch. »Die Säule sang. Deutlich den Klang vernommen; Doch nicht zum Verständnis des Textes gekommen. Das Ganze natürlich Betrug der Sinne. – Sonst nichts observiert von höherem Gewinne.« Setzt seinen Weg fort. In der Nähe des Dorfes Gizeh. Die große aus dem Felsen gehauene Sphinx. In der Ferne Kairos Kirchtürme und Minarets. Peer Gynt kommt des Weges; er betrachtet die Sphinx aufmerksam, bald durch die Lorgnette, bald durch die hohle Hand. Wo hab' ich in aller Welt nur schon Ein diesem ähnlich Geschöpf gesehn? Im Norden? Im Süden? War's eine Person? Und wenn! An wen gemahnt's mich, an wen? Held Memnon glich, wie mich's später durchfuhr, Den sogenannten – Dovre-Alten, So wie er dasaß, stotzig und stur, Den Sitz von Säulenstumpfen gehalten. – Doch dieser seltsame Kreuzungsversuch, Dieser Wechselbalg, beides, so Löwe wie Weib, – Hab' ich den auch aus 'nem Märchenbuch? Oder sah ich schon einmal solch einen Leib? Ein Märchenspuk? Ha, jetzt beginnt mir's zu tagen! Das ist ja der Krumme, den ich einstens erschlagen, – Das heißt, ich träumte, – ich lag im Fieber. – Tritt näher. Die Augen, die Lippen, dasselbe Kaliber; – Nicht ganz so flau; mehr Falsch im Gesichte; Doch sonst im ganzen dieselbe Geschichte. So, so, Du gleichst einem Löwen, Krummer, Wenn man von hinten Dich sieht und bei Lichte! Macht Dir wohl Rätselraten noch Kummer? Gibst wieder Antwort wie letzter Frist Du? Ruft der Sphinx zu. He, Krummer, wer bist Du? hinter der Sphinx. Ach, Sphinx, wer bist Du? Das Echo antwortet deutsch! Untrüglich! Wer bist Du? Es spricht die Sprache vorzüglich! Da hab' ich etwas ganz Neues entdeckt. Notiert in sein Buch. »Echo spricht deutsch. Berliner Dialekt.« Begriffenfeldt kommt hinter der Sphinx hervor. Ein Mensch! Ach so! Also falsch geraten. Notiert wieder. »Kam später zu anderen Resultaten.« unter allerhand unruhigen Gebärden. Eine Lebensfrage –! Verzeihen Sie –! Was führt Sie just heute durch diese Landschaft? Ein Besuch. Bei einem Jugendfreund. Wie? Die Sphinx hier ist –? nickt. Eine alte Bekanntschaft. Famos! Und das just nach dieser Nacht! Mein armer Kopf ist nah dran, zu zerbrechen! Wohlan! So tun Sie den Mund auf und sprechen! Was ist sie? Wenn Sie das glücklich macht, – Sie ist sie selbst . mit einem Sprung. Ha; der Welt Lösung tagt! Sie Sind dessen gewiß? Sie wär' in der Tat Sie selbst? Jawohl; so wenigstens sagt sie Sie selbst! Die Stunde der Umwälzung naht! Nimmt den Hut ab. Ihr Name, mein Herr? Peer Gynt, mit Vergunst. Peer Gynt! Allegorisch! Das stand zu erwarten. – Peer Gynt? Das bedeutet: den längst erharrten, Den kommenden Meister der Auslegekunst – Sie warteten meiner –? Zu viel der Ehre! Peer Gynt! Tiefsinnig! Rätselvoll! Graß! Jedes Wort ist gleichsam ein Faß an Lehre! Was sind Sie? bescheiden. Ich trachtete stets, daß ich wäre Ich selbst. Im übrigen – hier mein Paß. Ich selbst! Es wird immer mysteriöser! Faßt ihn ums Handgelenk. Nach Kairo! Kaiser der Rätselloser! Kaiser? Kaiser – Wie er mich erkennt –! indem er ihn mit sich zieht. Der Interpreten – auf des Selbst Fundament! Kairo. Ein großer Hofraum mit hohen Mauern und von Gebäuden umgeben. Gitterfenster; eiserne Käfige. Drei Wächter im Hofe. Ein vierter kommt. Schafmann; wo ist der Direktor, sag'? Ausgefahren lange vor Tag. Ich glaub', es ist ihm ein Unglück geschehn; Heut nacht nämlich – Pst; die Torflügel gehn. Begriffenfeldt führt Peer Gynt herein; schließt das Tor und steckt den Schlüssel in die Tasche. für sich. Ein Mann, imstand', mir den Kopf zu verwirr'n; Fast alles, was er sagt, will nicht in mein Hirn. Sieht sich um. Dies also hier ist der Gelehrtenklub? Hier finden Sie alle, den ganzen Trupp; – An siebenzig und tagtäglich vermehrte, Der Weltauslegung beflissne Gelehrte – – Ruft den Wächtern zu. Michel, Schlingelberg, Schafmann, Fuchs – In die Käfige mit Euch flugs! Wir? Wer anders? Wir sind jetzt quitt! Dreht sich die Erde, so drehn wir uns mit. Zwingt sie in einen Käfig hinein. Er ist heute kommen, der große Peer; – Den Rest folgert selber, – ich sage nichts mehr. Sperrt den Käfig zu und wirft den Schlüssel in einen Brunnen. Aber – Herr Doktor – Herr Präsident – Beides gewesen. Das hat nun ein End' – – Herr Peer, – Sie gehören zur schweigsamen Zunft? in wachsender Unruhe. Weshalb? Sie werden mir nicht marode? Ich hoffe – zieht ihn in eine Ecke und flüstert. Die absolute Vernunft Ging ab gestern abend Schlag elf mit Tode. Gott helfe mir –! Ja, das ist äußerst verdrießlich Und für mich in meiner Stellung doppelt unersprießlich. Denn dies Haus hier galt, bis die Elf schlug aus, Für ein Irrenhaus. Für ein Irrenhaus! Nicht für der , verstehn Sie! bleich und leise. O Gott, mir schwant es! Und der Mann ist verrückt; – und niemand ahnt es! Sucht davonzukommen. folgt ihm. Sie verstehen doch auch den Sinn meines Spruchs? Ich nenne sie tot; doch so spricht nur ein Schalk. Sie ging von sich selbst. Sie ging aus ihrem Balg, – Wie weiland Landsmann Münchhausens Fuchs. Einen Augenblick nur – hält ihn fest. Nein, es war wie ein Aal; – Nicht wie ein Fuchs. Durchs Aug' ein Pfahl; – Sie zappelte, zuckte – – Daß Gott erbarm'! Um den Hals rund ein Schnitt und dann, wupps, aus dem Darm! Verrückt! Vollständig von Sinn und Verstand! So viel ist nun klar und nicht zu bestreiten: Es wird dieses Von-sich-gehen begleiten Ein wahrer Umsturz zu Wasser und Land. Die früher »verrückten« Persönlichkeiten Sind nämlich seit gestern abend schlechthin Normal geworden, vernünftig im Sinn Der neuen Vernunft; – was zugleich den Beginn Des Rasens der frühern »Gesunden« bedeutet, Mit dem daß die Glocke elf Uhr geläutet. Sie erwähnten die Uhr; meine Zeit ist zu End' – Ihre Zeit? Sie mahnen im rechten Moment! Öffnet die Tür und ruft. Hervor denn aus Eurem Labyrinth! Die Vernunft ist tot. Es lebe Peer Gynt! Nein, liebster –! Die Irren kommen nach und nach heraus in den Hofraum. Zu Ende sind Eure Nöte! Es tagt der Befreiung Morgenröte! Euer Kaiser steht vor Euch! Kaiser? Gewiß! Nein, nein! Diese Ehrungen übersteigen – Nur jetzt keine falsche Bescheidenheit zeigen – In solch einer Stunde! Bedenkzeit nur bis – – Nein, ich taug' nicht dazu; ich hab' nicht die Gaben! Ein Mann, zu dem Sphinxe geredet haben? Der er selbst ist? Das ist ja eben die Nuß! Ich bin wohl ich selber, in allen Lagen; Aber hier, soweit ich verstehe, muß Man außer sich selbst sein, sozusagen. Wie? Außer sich? Nein, das sieht jedes Kind: Hier ist man man selbst, ohne Gnade zu geben; Man selbst und nicht das geringste daneben; – Man geht, als man selbst, hier vor vollem Wind. Im Faß seines Ich birgt ein jeder hier sich, Taucht in seines Ich Gärung bis auf den Grund, Schließt zu sich hermetisch mit seines Ich Spund Und dichtet das Holz im Brunnen seines Ich. Keiner hat Tränen für der andern Wehen; Keiner hat Sinn für der andern Ideen. Wir selbst, das sind wir in Geist und Gebärden, Bis zur Spitze des Sprungbretts wir und nur wir, – Und folglich, soll einer Kaiser hier werden, Sind Sie unsres Throns erlesenste Zier. Der Teufel soll mich –! Nur mutigen Sinn! Fast alles auf Erden ist neu zu Beginn. »Du selbst«; – ich will Ihre Zweifel ersticken; Der erste beste genügt hier schon – Zu einer finstern Gestalt. Guten Tag, Huhu! Na, hörst Du, mein Sohn, Noch immer nicht auf, bekümmert zu blicken? Kann ich's, bleibt mein Volk noch länger Ohne Deuter, ohne Sänger? Zu Peer Gynt. Du bist fremd; so hör' mich an denn! Gott erbarme sich –! Wohlan denn! Fern im Ost, ein Kranz von Sande, Ruhn die malebarschen Strande. Portugiesen und Holländer Sind des Lands Kulturzuwender. Außerdem sind dort noch Scharen Von den echten Malebaren. Die, mit ihrem Sprachgemische, Sind die Herren jetzt am Tische. Doch vor grauen Zeiten wohnte Dort der Orangutang, thronte Tief im Wald als Herrscher, tollte, Raufte, gröhlte, wie er wollte. Wie Natur ihn schuf, so grunzt' er, Noch ein göttlich Unverhunzter. Niemand wehrt' ihm sein Geplärre, War er doch des Reiches Herre. Doch da kamen fremde Horden Unsre Urwaldsprache morden. Viermalhundert Jahre Nachten Von der Kraft den Affen brachten; Ach, man weiß, so lange Nächte Hemmen der Entwicklung Mächte. Waldes Urlaut ist verstummt nun, Nicht mehr länger wird gebrummt nun; – Wollen wir Gedanken geben, Müssen wir zu reden streben. Welch ein Zwang der Zungenbänder! Portugiesen, Niederländer, Mischlingsrasse, Malebaren, Alle sind gleich schlecht gefahren. – Ich nun trachte, unsern echten Urwaldurlaut zu verfechten, – Möcht' den Leichnam neu beseelen, – Unser Recht auf Gröhlen stählen, – Gröhlte selber, zu ertrutzen Seinen volksliedhaften Nutzen. – Doch man hat mich schnöd' verlassen. – Wirst wohl jetzt mein Trauern fassen. Dank, daß Du gehört mich Armen; – Weißt Du Rat, so hab' Erbarmen! leise. Mit den Wölfen, mit den lieben, Muß man heulen, steht geschrieben. Laut. Freund, nach sicherem Gerüchte Gibt es in Marokko Schlüchte Noch voll Orangutang-Schwärmen, Die sich ohne Sänger härmen. Deren Mund spricht malebarisch! Wie honett und exemplarisch Wär's nun, dächten Sie (gleich andern Standspersonen), auszuwandern – Dank, daß Du gehört mein Flehen; Wie Du rätst, so soll's geschehen. Mit einer großen Gebärde. Hat der Osten mich zum besten, – Orangutangs hat der Westen! Geht weiter. Na, war er er selbst? Gar sehr, wenn's beliebt. Von sich selbst ist er voll, lebt sich selber allein, Gibt sich , was immer er von sich gibt, Sich selber kraft seines Außer-sich-sein. Wohlan! Ein andres hier meiner Kinder; – Seit gestern abend vernünftig nicht minder! Zu einem Fellah, der eine Mumie auf dem Rücken trägt. König Apis, mein hoher Herre, wie geht es? wild zu Peer Gynt. Bin ich König Apis? zieht sich hinter den Doktor zurück. Ja, leider steht es Mit meinem Wissen hier äußerst peinlich, Doch sind Sie, nach Ihrem Ton, wahrscheinlich – Jetzt lügst Du auch! Eure Hoheit berichte, Wie die Sachen stehn. wendet sich Peer Gynt zu. Hör' meine Geschichte! Wen trag' ich hier wohl auf dem Rücken? – Einen König, der Apis hieß! Jetzt heißt er nur noch eine Mumie Und ist ganz tot überdies. Er baute die Pyramiden Und haute die große Sphinx, Und kriegte, wie der Doktor sich ausdrückt, Mit dem Türken bald rechts und bald links. Und darum hat auch Ägypten Als Gott ihn preisen gelehrt Und in seinen Tempeln ihn unter Dem Bild eines Ochsen verehrt. – Doch ich bin dieser Gott Apis, Das ist wie die Sonne zu sehn; Und wenn Du es nicht verstehest, So wirst Du es bald verstehn. Es schwang sich nämlich beim Jagen Vom Pferd einst Apis, der Held, Und ging einen Augenblick seitwärts Auf meines Urgroßahns Feld. Der Grund aber, den er da düngte, Ernährte mich mit seinem Korn; Und braucht es noch mehr der Beweise, So hab' ich ein unsichtbar Horn. Und ist das nun nicht zum Verzweifeln, Daß ganz ohne Herold ich bin! Von Geburt bin ich Apis im Lande, Doch Fellah in anderer Sinn. Kannst einen Rat Du mir geben, So mache mich damit reich; – Was soll ich tun, daß ich werde König Apis dem Großen gleich? Eure Hoheit bau' Pyramiden, Und hau' eine große Sphinx, Und krieg', wie der Doktor sich ausdrückt, Mit dem Türken bald rechts und bald links! Ja, das ist mir eine Rede! Ein Fellah! Eine hungrige Laus! Bin froh, wenn ich meine Hütte Rein halt' von Ratz' und Maus. Auf, Mann, – etwas Bessres erfunden, Was groß macht und sicher vor Spott, Und was mich obendrein gleich macht Auf meinem Rücken dem Gott! Wie, wenn Eure Hoheit sich hängten, Und darauf in der Erde Schoß, In des Sarges natürlichen Grenzen, Verhielte sich regungslos? Mein Leben für einen Strick denn! An den Galgen mit Haut und Haar! – Der Unterschied wird nicht sehr groß sein – Und völlig verwischt übers Jahr. Geht hin und macht Anstalten, sich zu hängen. Das war auch eine Persönlichkeit, – Ein Mann mit Methode, – Ja, ja, soweit – – Doch da hängt er sich wirklich? Gott soll uns bewahren! Mir schwindelt; – ich fühl' mich schon ganz zerfahren! Ein Übergangszustand; nur kurz von Frist. Wozu –? Entschuldigen Sie, – mir ist – hält ihn fest. Sind Sie verrückt, Herr? Noch nicht –! Ohne Bangen! Alarm. Der Minister Hussein drängt sich durch den Schwarm. Man hat mir gemeldet, ein Kaiser sei hier. Zu Peer Gynt. Sind Sie es? verzweifelt. So sicher wie zwei mal zwei vier! Gut. – Hier sind Noten, die Antwort verlangen. rauft sich das Haar. Heißa! Recht so! So paßt es Peeren! Woll'n Sie mich mit einem Tunk beehren? Verbeugt sich tief. Ich bin eine Feder. verbeugt sich noch tiefer. Und ich, wie Sie sehn, Ein krimskramsig, kaiserlich Pergamen. Mein Schicksal, Herr Kaiser, hier kennt es ein jeder. Ich gelt' für ein Sandfaß und bin eine Feder. Mein Schicksal, Herr Feder, ist, wenn Sie belieben, – Ich bin ein Papier und werd' niemals beschrieben. Für meinen Beruf geht keinem der Verstand auf; Sie nehmen mich alle und streun mit mir Sand auf! Ich lag einst als Buch in eines Weibes Schoß; – Tu' recht oder schlecht, – 's ist ein Druckfehler bloß! Stell'n Sie sich vor, wie entsetzlich man leidet, Als eine Feder, die nie jemand schneidet! macht einen Sprung. Wissen Sie, was einen Renbock für Qual ankommt, Der von oben herabspringt – und niemals im Tal ankommt? Ein Messer! Ich bin stumpf! Auf! Schneidet und schnitzt! Die Welt geht unter, wenn niemand mich spitzt! 's wär' schad' um die Welt, die, wie alles, was hausgemacht, Den Herrgott bedünkte so wundervoll ausgedacht. Hier ist ein Messer! ergreift es. Ha, Tinte zu lecken! Wollust, sich schneiden zu –! Schneidet sich über den Hals. weicht zur Seite. Nur keine Flecken! in steigender Angst. Haltet ihn! Haltet mich! Wort der Gnade! Haltet die Feder! Papier aus der Lade! Fällt um. Ich bin abgenutzt. Nachschrift, – in Grabschriftstil: Er lebt' und er starb als geführter Kiel! taumelt. Was soll ich –! Was bin ich? Du großer –, halt' fest! Ich bin alles, was Du willst, – ein Türk', ein Verbrecher, Ein Bergtroll –; nur hilf; – das gab mir den Rest –! Schreit. Ich weiß nicht mehr, wie Du Dich nennen läßt – – Hilf mir, Du, – aller Narren Fürsprecher! Fällt in Ohnmacht. mit einem Strohkranz in der Hand, macht einen Sprung und setzt sich rittlings über ihn. Da ist er von sich selbst! Daß er Im Staub die Krone denn empfange! Drückt ihm den Kranz auf und ruft aus. Der Selbstsucht Kaiser lebe lange! im Käfig. Es lebe hoch der große Peer! 5. Akt Fünfter Akt An Bord eines Schiffes in der Nordsee an der norwegischen Küste. Sonnenuntergang. Stürmisches Wetter. Peer Gynt, ein kräftiger alter Mann mit eisgrauem Haar und Bart, steht hinten auf dem Hüttendeck. Er ist halb wie ein Seemann gekleidet, in Jacke und hohen Stiefeln. Sein Anzug ist etwas verschlissen und mitgenommen; er selbst wettergebräunt und mit einem härteren Gesichtsausdruck. Der Kapitän des Schiffes am Steuerrad beim Steuermannsmat. Die Mannschaft weiter vorn. Sieh da, der Halling in Wintertracht, – Im Stolz seiner abendrotsamtenen Pracht! Der Jökel dahinter, sein Bruder, greis, Noch immer im Mantel von grünem Eis. Der Folgefirn, der ist nun sonderlich fein, – Liegt wie eine Jungfrau in schimmerndem Lein. Laßt's lieber, Kinder, zu schabernacken, Steht, wo ihr steht, ihr granitenen Wacken! ruft nach vorn. Zwei Mann ans Rad; – und Laternen gesetzt! 's kühlt steif. Wir werden heut Nacht noch gehetzt! Kann man von hier aus den Ronden sehn? Nein, – weil der Folgefirn vorgeschoben. Oder dann Blåhö? schüttelt den Kopf. Vom Takelwerk droben Sieht man, wenn's klar ist, den Galdhöppig stehn. Wo liegt wohl der Hårtejg? zeigt. So dort in der Drehe. Jawohl. Sie sind hier bekannt, wie ich sehe. Ich kam einst vorüber als junger Tropf; Und der Satz, wie man sagt, bleibt am längsten im Topf. Spuckt aus und starrt auf die Küste. Dort also, wo's dämmert in Schlucht und Kluft, – Das Gebirgstal gähnt, eine schwärzliche Gruft, – Und drunter, den Fjord hinab, hinauf, – Dort also halten sich Menschen auf. Sieht den Kapitän an. Sie bauen zerstreut hier zu Lande. Ja, ja. Das wohnt einander, weiß Gott, nicht nah. Sind wir vor Tag drin? So etwa, wenn's graut. Wenn sich nicht zu viel zusammenbraut. Im Westen umzieht sich's. Das tut's. Lieber Mann, Erinnern Sie mich, wenn wir abrechnen, dran, – Ich will, wie man sagt, etwas Übriges tun Für die Mannschaft – Danke! Kein Grund. Je nun, – Ich war Goldgräber drüben und ward wieder arm; – Fatum und ich, hm, wir stehn nicht sehr warm. Sie wissen ja, was ich Sie aufheben hieß; Das ist alles – was mir der Teufel noch ließ. Damit können Sie noch eine Ziffer sein, Bei Ihnen zu Hause. Ich steh' ganz allein. Den reichen Ekel erwartet keine Katze. – Na ja, so gibt's auch kein Abgeschmatze! Da haben wir 's Wetter. Ja, wie gesagt, – Hat's einer der Leute wirklich nötig, So bin ich gern mit etwas erbötig – Das ist wacker! Die meisten sind recht geplagt; Allen sind Weiber und Kinder zu nähren. Mit der Heuer allein sind sie kärglich gestellt; Doch bringen sie nun etwas extra Geld, So gibt das ein Fest, dessen Folgen lang' währen. Was? Weib und Kinder haben sie? Sind Verheiratet? Alle verheiratet. Doch Der, dem's am dürftigsten geht, ist der Koch! Bei ihm ist der nackte Hunger lieb Kind. Verheiratet? Werden erwartet zu Haus? Erfreun durch ihr Kommen –? Wie? Nun ja, – Wenn's auch arm Volk ist. Und sind sie dann da, Was dann? So setzt wohl die Alte zum Schmaus Was Übriges auf – Und Licht auf den Tisch? Auch zwei vielleicht; und einen Schnaps zum Fisch. Und dann plaudert man traulich zur Ofenwärme? Hat die Kinderchen um sich? Dieses Gelärme! Kein einziges hört das andre zu Ende, – So freuen sie sich –? So wird's ja wohl sein. Und drum wär' es wacker, Herr, wenn Sie die Spende Zur Tat machen wollten – schlägt auf die Reling. Nein! Dreimal nein! Bin ich ein Narr? Wie? Was hätt' ich für Gründ', Anderer Kindern mit Meinem zu frommen? Hart genug bin ich so weit gekommen. Niemand erwartet den alten Peer Gynt. Nun ja; wie Sie wollen; Ihr Geld gehört Ihnen. Stimmt! Mir selbst und sonst keinem, zu dienen. Meine Rechnung, sobald es ankert, das Boot! Kajüte von Panama hier herüber. Sodann Branntwein der Mannschaft. Und sonst kein Stüber. Geb' ich mehr, Kapitän, so schlagt mich tot! Ich schuld' Ihnen Quittung, mein Herr, nicht Schläge. Doch verzeihn Sie; jetzt sind wir dem Sturm im Gehege. Er geht aufs Vorderdeck. Es ist dunkel geworden; in der Kajüte wird Licht angezündet. Der Seegang nimmt zu. Nebel und dichte Wolken. Haben daheim einen Haufen Rangen; – Geliebt in andrer Gemütern hangen; – Andrer Gedanken Gegenstand sein – –! Wann und wo denkt wohl irgendwer mein? – Licht auf dem Tisch? Aus mit dem Funken! Ich finde schon etwas –! Ich mach' sie betrunken; – Keiner der Teufel soll nüchtern an Land. Voll soll'n sie kommen zu Kindern und Frauen! Fluchen soll'n sie; auf den Tisch hauen; Schrecken die Ihren von Sinn und Verstand! Weib soll'n und Kinder von Hause laufen – –! All ihre Lust soll in Tränen ersaufen! Das Schiff schlingert stark; er taumelt und hat Mühe sich zu halten. Na, das nenn' ich ein Überholen. Das Meer arbeitet, als würd's ihm befohlen. Es ist noch es selbst hier in nördlichen Breiten, Querköpfig, wild noch und bös wie vor Zeiten – – Horcht. Was sind das für Rufe? vorn. Ein Wrack in Lee! mittschiffs, kommandiert. Ruder hart Steuerbord! Dicht vorm Wind! Sind Leut' auf dem Wrack? Nur drei, wie ich seh'! Laßt's Heckboot hinab. Das sänk' gar geschwind. Geht nach vorne. Wer denkt an so was? Zu einigen von der Mannschaft. Seid guten Muts! Und wenn Euch der Pelz auch naß wird, was tut's! Es ist unschaffbar bei solch einem Meer. Da rufen sie wieder. Der Wind wird schralen – Koch, übernimmst Du's? Hurtig! Wir zahlen – Nicht um zwanzig Pfund Sterling, Herr – Ihr Hunde! Ihr Memmen! Ihr könnt Euch verstocken! Die Leut' haben Weiber und Kinder; die hocken Daheim und warten – Warten hält munter. Von der Sandbank abhalten! Da ging's unter. Wie still ward's mit eins –! Tat's verehlichte Leut' ab, So gibt's drei neubackne Witwen von heut ab. Das Unwetter wächst. Peer Gynt geht das Deck nach hinten. Es gibt keinen Glauben mehr auf der Welt, Kein Christentum mehr, wie's bezeugt und geschrieben steht; – Man betet, tut Gutes wie's einem gefällt, Bis daß man mit Gott ganz nach seinem Belieben steht. Doch in solch einer Nacht ist mit ihm nicht zu handeln. Die Kerle sei'n auf der Hut; denn – gewißlich! – Mit Elefanten zu spielen ist mißlich! – – Und da wagen sie's dreist mit ihm anzubandeln! Ich , ich bin schuldlos; der Opferteller, Kann ich beweisen, empfing meinen Heller. Doch was hab' ich davon? – Es gibt zwar ein Wort: Ein gut Gewissen ein sanft Ruhekissen. Das hilft wohl auf trockenem Boden fort, Doch taugt es auch nur einen Deut an Bord? Da wird das Lamm mit den Böcken zerrissen. Zur See kannst du niemals du selber sein, Mußt mit den andern von Deck zu Freund Hein. Schlägt die Stunde der Strafe für Bootsmann und Koch, So heißt es fein mit in das naßkalte Loch; – Als einzelner wird man da glatt übergangen, Und – mitgefangen, heißt's, mitgehangen. – Du warst zu fromm, Peter; das war dumm. Jetzt lohnt dir Undank das ganze Wesen. Weiß Gott, wär' ich jünger, ich sattelt' noch um, Ging' hin und kehrte mit schärferem Besen. Pah; noch ist es Zeit! Man soll von mir sagen: Peer Gynt hat gelernt, den Kopf hoch zu tragen! Den Hof will ich wieder, ob's biegt oder bricht; – Ein Schloß soll draus werden, hochragend und licht. Doch keinen will ich im Haus drinnen sehn! Vorm Tor soll'n sie stehn und die Hüte drehn; – Bitten und betteln, – das sei ihr Pläsier; Doch keiner bekommt einen Schilling von mir; – – Wenn mich das Schicksal immer bloß knechten kann, So find' wohl auch ich Leut', mit denen ich rechten kann – – steht im Dunkel an der Seite Peer Gynts und grüßt freundlich. Guten Abend! Guten Abend! – Was wollen Sie hier –? Ich bin, zu dienen, Ihr Mitpassagier. Ich dachte, daß ich der einzige sei. Ein kleiner Irrtum, der nun vorbei. Doch ist mir, wo Sie bis heute staken, – Ein Rätsel – Ich bin dem Tag nicht gut. Sie sind vielleicht krank? Sie sind weiß, wie ein Laken – Nein, danke, – mir war nie wohler zu Mut. Das stürmt heut! Ja, ein gesegneter Sturm. Gesegnet? Die See geht hoch wie ein Turm. Köstlich! Mir wässern schon, Freund, die Kiefern! Wie viele Wracks wird diese Nacht liefern; – Und wie viele Leichen für Fisch und Wurm. Behüte! Sahn Sie schon einen gehenkt – Erstickt – ertrunken –? Geschenkt! Geschenkt! Die Leichen lachen. Doch nur gezwungen; Und die meisten bissen sich gern in die Zungen. Hören Sie auf –! Eine Frage bloß. Bekäme das Schiff nun zum Beispiel 'nen Stoß – Und sänke – Sie meinen, das könnt' geschehn? Wie soll ich Ihnen drauf Rede stehn? Doch gesetzt nun, ich schwämme und Sie gingen drauf – Ach, Unsinn – Ich stell's nur als Mögliclikeit auf. Doch, ist sie, wie hier, nicht gar allzu fern, So sperrt man sich wohl nicht mit milden Gaben – greift in die Tasche. Ah, Geld! Nein; – aber ich möchte gern Ihren sehr geehrten Kadaver haben! Jetzt wird mir's zu bunt! Nur den Leichnam, verstehn Sie! Es ist um der Wissenschaft willen – Jetzt gehn Sie! Ich bitte Sie, stell'n Sie sich doch zum Entgelt vor: Ich öffne Sie kunstvoll und leg' Sie der Welt vor. Ich gehe besonders dem Sitz der Träume nach, – Und prüf' Ihnen außerdem kritisch die Säume nach – Vom Leib mir! Freund, – ein ertrunken Gespenst –! Lästrer! Sie reizen das Wetter! Das grenzt Wahrlich an Tollheit! Wenn Sturmwind, Regen, Seegang und, was da noch kommen kann, Uns nun wirklich das Handwerk legen, Ist Ihr Übermut schuld daran – –! Sie sind nicht bei Laune zu weitrem Verhandeln; Die Zeit wird vielleicht Ihren Sinn noch wandeln – – Grüßt freundlich. Wir sehn uns beim Sinken, wenn nicht zuvor! Ich hoffe, Sie sind dann bei besserm Humor. In die Kajüte ab. Greuliches Volk, diese Wissenschaftskerle! Solch ein Freidenkertum – Zum Bootsmann, der vorübergeht. He! Mein Mitpassagier, – Freundchen, – was ist das für eine Perle? Ich weiß von keinem als Ihnen hier. Von keinem –? Das wird immer unheimlicher. Zum Jungmann, der aus der Kajüte kommt. Wer ging durch die Tür dort? Der Schiffshund, Herr! Geht weiter. ruft. Land hart voraus! Mein Koffer auf Deck! Meine Kasse! Wir können jetzt nicht vom Fleck. 's war nur Spaß, Kapitän! Eine bloße Nücke! Ich helfe dem Koch; ich verdient' ja den Stock – Der Klüver sprang! Und da strich das Fock! schreit von vorn. Grund vorm Bug! Sie geht in Stücke. Das Schiff stößt auf. Lärm und Verwirrung. Unter Land zwischen Klippen und Brandung. Das Schiff geht unter. Im Nebel erblickt man undeutlich die Jolle mit zwei Mann. Eine Sturzwelle füllt sie; sie kentert; man hört einen Schrei; es wird ganz still. Nach einer Weile sieht man das Boot, den Kiel oben, einhertreiben. Peer Gynt taucht in der Nähe des Bootes auf. Helft! Boot vom Land! Helft, eh's zu spät! Herr, hilf mir, – wie geschrieben steht! Klammert sich am Kiel des Bootes fest. taucht auf der andern Seite auf. Mir sind zu Hause Kind und Weib, – Herr Gott, mach', daß ich leben bleib'! Hält sich am Kiel. Weg! Weg! Ich schlag'! Ich auch, wenn's not! Wenn Du nicht gehst, ich tret' Dich tot! Der Bootsbauch trägt nicht zwei! Laß los! Ich weiß. Fort. Selbst fort! Komm Du bloß! Sie kämpfen miteinander; der Koch schlägt sich eine Hand lahm; er klammert sich mit der andern fest. Hand weg! Ach, Liebster, – sei doch gut! Bedenk, wie's einem Vater tut – So wär's für mich noch größre Pein; Denn ich soll erst noch Vater sein. Laß los! Du hast gelebt; ich nicht! Marsch; pack' Dich; sink, – verwünscht Gewicht! In Gottes Namen, räum' das Feld! Dich mißt kein Mensch auf weiter Welt – Schreit und läßt los. Ich sink' –! packt ihn. Ich halt' Dich fest beim Schopf; Bet' flugs Dein Vaterunser, Tropf! Ich weiß kein Wort mehr – mir wird nacht – – Nur schnell die Hauptsach' abgemacht –! Herr, gib uns – Mach Dir's Herz nicht schwer; Du kriegst, was nötig noch zur Zehr. Herr, gib uns unser – Immer noch? Man merkt's, Du warst Dein Lebtag Koch. Läßt ihn fahren. versinkend. Uns unser täglich – Geht unter. Amen, Mann! Du warst und bliebst Du selbst. – Wohlan! Schwingt sich auf den Bauch des Bootes hinauf. Wo Leben ist, darf Hoffnung sein – legt die Hand aufs Boot. Gutmorgen! Hui! Ich hörte schrein; – Es war doch hübsch, daß ich Sie fand. Nun? Hatt' ich vorhin recht erkannt? Fort! Fort! Ich hab' kaum Platz allein! Ich rudre mit dem linken Bein. Ich schwimme, wenn ich bloß die Spitze Des Fingers halt' hier in der Ritze. Ich komm' betreffs des Leichnams – Still! Da es nun doch zu End' gehn will – Mund halten! Wie Sie wünschen, Herr. Stillschweigen. Nun, und –? Ich schweig. Entsetzlicher! – Was woll'n Sie? Warten. rauft sich das Haar. Das ist doch –! Was sind Sie, Herr? nickt. Ihr Freund! Was noch? Wie, Herr? Erinnr' ich in der Tat an Nichts Ähnliches? Ich weiß den Satan – leise. Hat er den Brauch, ein Licht zu zünden Dicht an des Lebens finstern Gründen? Am End' wird alle Furcht zu nichts, – Und Sie sind gar ein Geist des Lichts? Freund, – hat jed' Halbjahr Sie bloß einmal Gebrannt der Angst verzehrend Peinmal? Furcht fühlt man wohl, wann Schrecken toben; – Allein wie klingt Ihr Wort verschroben – – Fiel Ihnen einmal bloß im Leben Der Sieg zu, der in Angst gegeben? blickt ihn an. Wenn Sie mich retten wollten, nun, So konnten Sie dies früher tun. Kein Witz, zu wählen seine Stunde, Wenn einem 's Meer steht bis zum Munde! Sie glauben eher an ein Siegen, Wann warm Sie hinterm Ofen liegen? Gut, gut; – jedoch Sie trieben Possen. Dadurch ward noch kein Herz erschlossen. Wo ich her bin, in jenem Reich, Gilt Pathos und Gelächter gleich. Ein jegliches in seinem Falle; Eins, heißt es, schickt sich nicht für alle. Die schlafen in den Aschenurnen, Gehn wochentags nicht auf Kothurnen. Weich von mir, Scheusal! Weg die Hand! Ich will nicht sterben! Will an Land! Getrost, mein Freund! Ich habe Takt; – Man stirbt nicht mitten im fünften Akt. Gleitet hinweg. Da kam's heraus, trotz aller List! – Er war ein öder Moralist. Ein Kirchhof in einem hochliegenden Gebirgssprengel. Ein Leichenbegängnis. Pfarrer und Gemeinde. Der letzte Vers des Liedes wird gesungen. Peer Gynt kommt des Wegs. an der Pforte. Hier legen sie wohl einen Landsmann hin. Gott Lob und Dank, daß ich's nicht bin. Tritt ein. spricht am Grabe. Und nun, da seine Seele lichtwärts fliegt, Und leer sein Leib gleich einer Hülse liegt, Nun, liebe Freunde, sei davon gehandelt, Wie dieser Tote unter uns gewandelt. Er war nicht reich, nicht sonderlich von Gaben, Von Stimme schwach, unmännlich im Gehaben, Sein Wort kam weich und ungewiß heraus, Und schwerlich war er Herr im eignen Haus; Ins Kirchlein sah man ihn verlegen treten, Als wollt' er bitten: Laßt auch mich hier beten. Vom Gudbrandstal, Ihr wißt, war er gekommen. Er zog hier zu, beinahe noch ein Knab'; – Und Ihr besinnt Euch, daß er bis ans Grab Die rechte Hand nicht aus dem Rock genommen. Die rechte Hand im Rock, – dies Merkmal war es, Das diesen Mann von andern unterschied, Und dazu sein gedrücktes, sonderbares Benehmen, wenn er uns einmal nicht mied. Doch waren's stille Weg' auch, die er wählte, Und blieb er auch in unsrer Mitte fremd, So hat's uns doch zu wissen nicht gehemmt, Daß diese Hand nur vier der Finger zählte. Ich weiß ihn noch, vor nun so manchem Jahr, Den Morgen des Aushebungstags zu Lunde. Es war zur Zeit des Kriegs. In aller Munde Der Zukunft Fragen und des Lands Gefahr. Ich war zugegen. Vor dem Tisch saß breit Der Hauptmann zwischen Amtmann und Sergeanten; Und Bursch auf Bursche ward nach dem bekannten Gebrauch geprüft, gebucht und eingereiht. Der Raum war voll, und draußen vor den Scheiben Scholl lautes Lachen aus dem Jugendtreiben. Da rief man einen Namen. Einer trat Hervor, so bleich, wie Schnee vom Gletschergrat. Man winkte ihm; bis er zum Tisch sich tappte, Die rechte Hand gewickelt in ein Tuch; – Doch wie er auch nach Worten würgte, schnappte, – Er fand nicht eines, trotz des Hauptmanns Fluch. Bis er zuletzt, mit brennendem Gesichte, Halb stammelt', halb hervorstieß die Geschichte Von einer Sichel, die ihm sei entglitten – Und ihm den Finger glatt hab' abgeschnitten. Da ward es still – bis auf der Wanduhr Ticken. Man kniff den Mund zu, sah sich ins Gesicht; Man steinigte den Mann mit stummen Blicken. Er fühlte hageln, doch er sah es nicht. Da stand der Hauptmann auf, alt, grau, – ich seh' Ihn noch, – spie aus, wies fort und sagte: Geh! Er ging. Man wich ihm aus, wie einem Schatten, Und ließ ihn Ruten laufen. Er gewann Die Tür; da hüb er blind zu rennen an; – Und nun – hinauf durch Wälder, über Matten, Hin über Halden, Hänge, Felsgeschütte – –. Weit droben im Gebirg lag seine Hütte. – Ein Halbjahr später war's dann, daß er kam, Mit Mutter, Braut und Kind, der unsre werden. Er pachtete sich hier ein Streiflein Erden, Ein Stückchen Brachmark, das sonst keiner nahm. Er schloß, sobald es ging, den Ehebund, Er schritt zum Hausbau, brach den harten Grund; Und mit Erfolg, wie manches Fleckchen Land Erzählte, das da gelb in Ähren stand. Zur Kirche kam er nur, die Hand verborgen, – Allein daheim, wo's keiner mochte sehn, Da schafften die neun Finger wohl für zehn. – Da kam der Bach an einem Frühlingsmorgen. Sein nacktes Leben rettete das Völkchen. Er aber ging von neuem an sein Werk. Es fiel das Laub, und aber stiegen Wölkchen Aus einer Hütte, dicht nun unterm Berg. Vorm Bach geschützt, – doch auch vor Schneegewehe? Zwei Jahre später lag sie unterm Schneee. Allein der Mann stritt weiter, unerschrocken. Er hackte, karrte, schaufelte, grub aus, – Und vor des nächsten Winters ersten Flocken Stand da zum dritten Mal sein schlichtes Haus. Drei Söhne hatte er, drei flinke Jungen; Zur Schule sollten die, und das war weit; – Der Anschluß an den Weg zudem bedungen Durch einen Felsenschacht, kaum mannesbreit. Wie half er sich! Der ältste mußt' sich placken, So gut es ging, und wo der Steig zu steil, Da nahm der Mann den Kletternden ans Seil; Die andern trug er hin auf Arm und Nacken. So stritt er Jahr um Jahr; sie wurden groß. Verschönte nun ihr Dank des Vaters Los? Drei reiche Herren in der Welt, der neuen, Vergaßen bald der Heimat und des Treuen. Er war von kurzem Blick. Was über seinen Bezirk ging, – von dem allen sah er nichts. Wie taube Schellen klang ihm, was für einen Der Unsern dröhnt wie Glocken des Gerichts. Volk, Vaterland, uraltgeheiligt Hehres, Stand wie im Nebel vor ihm, – Blendwerk, leeres. Doch Demut, Demut war in diesem Mann; Seit damals trug er schon an seinem Bann, So wahr als Scham auf seiner Wange brannte Und seine Finger in die Tasche bannte. – Ein Brecher des Gesetzes? Mag es sein! Doch etwas leuchtet über dem Gesetze, Wie dort des Berghaupts starrend Felsgestein Noch überkrönen lichte Wolkennetze. Ein schlechter Bürger war er. Unfruchtbar Für Staat und Kirche. Doch am Berg da droben, Wo er im engsten Kreis sein Glück gewoben, Dort war er groß, weil er er selber war; – Weil der ihm eingeborne Klang nie schwieg; Ein Klang, wie Geigen seufzen unterm Dämpfer. Und darum Friede Dir, Du stiller Kämpfer, Den schuf und brach des Bauern kleiner Krieg! Wir wollen Herz und Nieren nicht ergründen; Gott ziemt's allein, das letzte Licht zu zünden; – Doch dies ist meiner Hoffnung Stern und Kern: Der Mann steht kaum als Krüppel vor dem Herrn! Das Leichengefolge trennt sich voneinander und geht. Peer Gynt bleibt allein zurück. Sieh da, das nenn' ich noch Christentum! Da war nichts, was einen peinlich berührte; – Zumal dem: »Du selbst zu sein, sei dein Ruhm«, Zu dem am Schlusse die Predigt führte, Auch an und für sich alles Lob gebührte. Blickt in das offene Grab. War's vielleicht er, der sich damals entstellte, Als ich im Forst war und Bäume fällte? Wer weiß es? Ständ' ich nicht mit meinem Stab Hier an dieses Geistesverwandten Grab, So könnt' ich denken, ich selbst läge dort Und hörte des Geistlichen rühmend Wort Fürwahr, ein schöner christlicher Brauch, Einen sogenannten Erinnerungsblick Wohlwollend über ein Leben zu werfen; Ich hörte gar gern einst auch mein Geschick Jenen würdigen Hirten dem Volk einschärfen. Ich tue ja wohl noch so manchen Hauch, Bis auch mich einst schneidet des Winzers Messer, – Doch, wie die Schrift sagt: Besser ist besser, – Und desgleichen: Alles zu seiner Zeit, – Und endlich: Sorg' für ein ehrlich Begräbnis! – Ja, die Kirche hat stets einen Trost bereit. Ich schätzt' sie zu wenig vor diesem Begebnis; Nun aber fühlt' ich denn doch, wie es tat, Versichern zu hören von Männern, gelernten: So wie du gesät hast, so wirst du ernten. – Man selbst soll man sein, und sich und dem Seinen In allem nachgehn, im großen und im kleinen. Will 's Glück sich nicht fügen, so bleibt doch die Ehre, Daß einer sein Leben geführt nach der Lehre. – Und nun heim! Steigt der Weg noch so schmal auch und steil, Und gibt sich das Schicksal auch noch so gefährlich, – Der alte Peer Gynt kennt sein Sträßlein zum Heil Und bleibt, der er ist: arm, aber ehrlich. Ab. Abhang mit dem ausgetrockneten Bett eines Baches. Eine zusammengestürzte Mühle am Bache. Der Grund aufgerissen; Zeichen der Zerstörung ringsum. Höher oben ein großer Bauernhof. Oben vor dem Hofe wird eine Versteigerung abgehalten. Viel Volk ist versammelt. Zechen und Gelärm. Peer Gynt sitzt unten auf einem Schutthügel in der Nähe der Mühle. Hin und zurück, 's ist der gleiche Weg; Hinaus und hinein, 's ist der gleiche Steg. – Die Zeit, sie zehrt, und der Bach verdorrt. Geh drum herum, sprach der Krumme. Wahr Wort! Jetzt preisen sie bloß noch Plunder an. Erblickt Peer Gynt. Auch Fremde sind hier? Gott zum Gruß, guter Mann! Desgleichen! Hier ist heut ein lustiger Tag. Ist hier Kindstauf' heut oder Hochzeitsgelag'? Man weiht, möcht' ich sagen, ein Haus heut ein; – Die Braut liegt in einem Würmerschrein. Und Würmer reißen sich um den Schmaus. Das ist das End' vom Lied; dann ist es aus. Alle Lieder desselbigen Endes sind; Und alle sind alt; ich kannt' sie schon als Kind. mit einem Schmelzlöffel. Hier hab' ich den Vogel abgeschossen! In dem hat Peer Gynt seine Knöpfe gegossen! Und mein Geldscheffel hier, für 'nen Schilling, 'nen ganzen? Und für fünftehalb hier der Hausiererranzen? Peer Gynt? Wer war das? Mir ist nur das klar, Daß er Schwager vom Tod und Schmied Aslak war. Du vergißt ja mich! Wie kommst Du mir für? Du vergißt auf Hægstad die Blockhaustür. Ja, ja; doch Dir hat auch alles genügt. Wenn sie nur jetzt nicht den Tod noch betrügt! – Schwager! Einen Schnaps auf der Schwagerschaft Wohl! Der Teufel sei Schwager! Was ist das für Kohl – Laß gut sein; das Blut ist noch nicht so verdünnt, – Man fühlt sich noch immer verwandt mit Peer Gynt. Zieht mit ihm ab. leise. Man trifft noch Bekannte. ruft dem Mann in Trauer nach. Gehst wieder zechen, Kommt Mutter Dir, Aslak, nach aus der Gruft! steht auf. Hier kann man nun nicht mit dem Landwirt sprechen: Je tiefer du gräbst, desto besser der Duft. mit einem Bärenfell. Die Katze von Dovre! Da seht ihr Fell! Die war's, die's zur Weihnacht den Trollen legte. mit einem Rentierschädel. Hier ist der Renbock, der wackre Gesell, Der mit Peer Gynt einst den Gendin lang fegte. mit einem Hammer, ruft dem Mann in Trauer zu. He, Du dort, Aslak, kennst Du den Hammer? Hast Du mit dem einst die Walnuß zerkracht? mit leeren Händen. Matz Moen, hier der Mantel, der unsichtbar macht! In dem kam Peer Gynt einst zu Ingrid in die Kammer. Branntwein, Jungens! Und nun laßt mich Alten Auch noch Auktion von allerlei halten. Was gibt's zu kaufen? Ich hab' ein Schloß; Das liegt in Ronde; – aus gutem Stein! Ein Knopf ist geboten! Schenk' Dir eins ein! Drunter zu bieten, das war nicht fein. Er ist lustig, der Alte! Ein Haufe schart sich um ihn. ruft. Grane, mein Roß; – Wer bietet? Wo steht es? Wo wird es sein? Im Westen! Gen Untergang! Das kann euch traben! So schnell hat Peer Gynt nicht gelogen, Ihr Knaben! Was hast Du noch mehr? So Perlen wie Schaum! Ward mit Schaden gekauft! Wird was einbringen? Kaum. Ruf aus! Von einem Gesangbuch ein Traum! Für einen Angelhaken zu haben. Zum Teufel die Träume! Mein Kaisertum! Ich werf's unter Euch; Ihr mögt raufen darum! Folgt die Krone mit? Aus dem prächtigsten Stroh. Setzt sie nur auf, sie paßt, so oder so. Weiter! Ein Windei, noch wohlverwahrt! Eines Toren Grauhaar! Ein Prophetenbart! Alles sei dessen, – ich hinterleg' es, – Der mir den Weiser zeigt: Hier geht's des Weges! der hinzugekommen ist. Wenn Du noch lang' Dich so gehen läßt, Mein Mann, so führt Dein Weg zum Arrest. mit dem Hut in der Hand. Glaub's wohl. Doch sag' mir, Freund, wer war Peer Gynt? Du willst mich – Warum nicht gar! Was weiß ich; man sagt, ein greulicher Dichter – Ein Dichter –? Ja, – was nur an Großem erdacht, Das trug er so vor, als hätt' er 's gemacht. Doch, Freund, schon zu viel von solchem Gelichter – Geht. Und wo ist er jetzt, dieser seltsame Fant? Er fuhr übers Meer in ein fremdes Land. Dort ging es ihm schlecht, wie vorauszusehn war; – Jetzt ist er gehängt seit so manchem Jahr. Gehängt? Ganz, wie ich's gedacht mir hab'! Der selige Gynt blieb sich treu bis zum Grab. Grüßt. Lebt wohl, – und Dank für so mancherlei heute! Macht einige Schritte, bleibt aber wieder stehen. Was meint Ihr? Soll ich Euch, wackre Leute, Dafür ein Geschichtlein wiedererlegen? Ja, weißt Du eines? Steht nichts dagegen. – Kommt näher; es gleitet etwas wie ein fremder Ausdruck über sein Gesicht. In San Francisco grub ich nach Gold. Da gab es Euch Gaukler, so viel Ihr wollt. Dem war mit den Zehen zu geigen verliehen; Der tanzte spanischen Halling auf den Knien; Ein dritter, erzählte man, Verse schrieb, Indes man durchs Hirn einen Nagel ihm trieb. – Kam auch der Teufel dazugestoben, – Wollt', wie manch andrer, sein Glück erproben. Seine Kunst bestand da rin: mit täuschendem Schein Zu grunzen als wie ein leibhaftiges Schwein. Die Persönlichkeit zog, war er gleich nicht bekannt. Das Haus war voll, die Erwartung gespannt. Vor trat er, in fliegendem Mantelkragen; Man muß sich drapieren, wie die Deutschen sagen. Doch unter dem Mantel, – von keinem gewußt, – Verbarg sich ein Ferkel an seiner Brust. Und so begann denn die Produktion. Der Teufel kniff, und das Schwein gab den Ton. Das Ganze gab sich als Phantasei Übers schweinliche Dasein, gebunden und frei. Ein Quieken zuletzt noch, wie unterm Stahl; – Worauf sich der Künstler verbeugt' und empfahl. Der Stoff ward von Fachleuten sorglich durchdacht; Die Stimmung geschmäht oder lobend belacht; Der Kehllaut klang doch zu dünn, meinte Kunz, Und Hinz, daß der Todesschrei allzu studiert war – Doch alle war'n eins, daß in puncto Gegrunz Die Produktion denn doch äußerst outriert war. – Seht, so ging's dem Teufel; denn er war dumm Und berechnete nicht sein Publikum. Er grüßt und geht. Es fällt ein unsicheres Schweigen über die Menge. Pfingstabend. Im Hochwald. In einiger Entfernung, auf einem Stück Rodeland, eine Hütte mit Rentiergehörn über der Tür. Peer Gynt kriecht im Gehölz umher und sammelt wilde Zwiebeln. Dies hier ist ein Standpunkt. Wie wohl gestaltet Sich's weiter? – Prüft alles, und das Beste behaltet! – So hab' ich's gemacht, – hoch droben von Cäsar Bis herunter zum Grasfresser Nebukadnezar. So sollt' ich nun doch durch die Bibel, zum Trutz! – Der Graukopf sucht wieder an Mutters Brust Schutz. – Von Erde, so heißt's ja auch, bist du kommen. – Nur immer die Wampe recht voll genommen, – Das ist's. Von Zwiebeln? Das wär' kein Segen; – Ich will lieber schlau sein und Schlingen legen. Hier ist Wasser im Bach; ich werd' nicht verschmachten; Als Tier bin ich immer noch fürstlich zu achten. Soll ich sterben einst, – und dem entrinn' ich wohl kaum, – So kriech' ich unter 'nen windbrochnen Baum, Und deck' mich zu, wie ein Bär, mit Blättern Und ritz' in die Rinde mit riesigen Lettern: Hier ruht Peer Gynt, des Landes Zier, Kaiser von all dem andern Getier. – Kaiser? Lacht innerlich. Noch immer das alte Geliebel! Du bist kein Kaiser; du bist eine Zwiebel. Jetzt will ich dich einmal schälen, mein Peer! Es hilft dir nichts, stöhnst du auch noch so sehr. Nimmt eine Zwiebel und pflückt Haut um Haut ab. Da liegt die äußre, zerfetzte Schicht; – Der Gescheiterte, der um sein Leben ficht. Die Passagierhaut hier, dünn wie ein Sieb, – Hat doch im Geschmack von Peer Gynt einen Hieb. Hier ist das Goldgräber-Ich; – fahr hin! Der Saft ist weg, – war je einer drin. Dies Dickfell hier, mit dem Zipfel für zwei, – Ist der Pelzjäger an der Hudsonsbai. Dies gleicht einer Krone hier; – hat sich was –! Dem geben wir ohne weitres den Paß. Hier der Altertumsforscher, kurz aber kräftig, Und hier der Prophete, frisch und vollsäftig. Er stinkt von Lügen, wie's in der Schrift heißt; Ein Duft, der ein ehrlich Mannsaug' wie Gift beißt. Dies Blatt hier, das weichlich am Finger klebt, Ist der Herr, der herrlich und in Freuden gelebt. Das nächste scheint krank. Es hat schwarze Schwielen; – Schwarz kann auf Neger wie Pfaffen zielen. Pflückt mehrere auf einmal ab. Das hört ja nicht auf! Immer Schicht noch um Schicht! Kommt denn der Kern nun nicht endlich ans Licht?! Zerpflückt die ganze Zwiebel. Bis zum innersten Innern, – da schau' mir einer! – Bloß Häute, – nur immer kleiner und kleiner. – Die Natur ist witzig! Wirft den Rest fort. Verdammtes Gegrübel! Geht eins in Gedanken, gerät's ihm oft übel. Na, ich kann ja nichts an Haltung verlieren; Denn ich lieg' ja grundfest auf allen Vieren Kraut sich im Nacken. Wunderlich kommt mir dies Welttreiben vor! Das Leben, wie's heißt, hat 'nen Fuchs hinterm Ohr. Doch greift einer zu, verzieht sich der Schuft, Und man fängt etwas andres – oder leere Luft. Er ist in die Nähe der Hütte gekommen, bemerkt sie und stutzt. Diese Hütte? Im Kiefernwald –! Hm! Reibt sich die Augen. Mir ist just, Als hätt' ich einmal um dies Bauwerk gewußt. – Der Rentierkopf, der von der Tür herabglänzt – –! Ein Meerweib, vom Nabel an fischgeschwänzt –! Lüge! Kein Meerweib! – Nägel, – Planken, – Schloß wider tückische Koboldgedanken –! singt in der Hütte. Nun ist hier zur Pfingstfeier alles bereit. Lieber Junge mein, in der Ferne, – Bist Du noch weit? Dein Werk, das harte, Schaff's nur gemach; – Ich warte, ich warte, Wie ich Dir's versprach. erhebt sich still und totenbleich. Eine, die Treue hielt, – und einer, der vergaß. Einer, der ein Leben verspielt, – und eine, die wartend saß. O, Ernst! – Und nimmer kehrt sich das um! O, Angst! – Hier war mein Kaisertum! In den Wald hinein ab. Nacht. Kiefernwald. Ein Waldbrand hat gewütet. Verkohlte Baumstämme meilenweit. Weiße Nebel hier und dort über dem Waldboden. Peer Gynt kommt durch den Wald gehastet. Asche, Nebel, Wolken Staubes, – Bauherr, schwing den Zauberstab! Über Pesthauch faulen Laubes Wölb' ein übertünchtes Grab! Dunst, Traum, totgeboren Wissen – Damit sei der Grund umrissen, Drüber sich der Turm der Lüge Stein um Stein zusammenfüge. Flucht vor Ernst und Scheu vor Buße Prahl' von ihm mit frechem Gruße Allen Richtungen der Rose: Dies schuf Peter Gynt, der Große! Lauscht. Welch ein Weinen – wie von Kindern –? Welch ein neuer Spuk und Greuel –? Und am Boden rollen Knäuel –! Stößt mit dem Fuß danach. Wollt Ihr mich am Gehen hindern? Wir sind Gedanken; Hast Du gedacht uns, Tanzen auf schlanken Füßen gemacht uns? geht um sie herum. Einer kam durch mich ans Licht; – Ward ein schiefer, schieler Wicht! Wir hätten sollen Wie Vögel ins Blaue, – Statt hier zu rollen Als Garnknäuel, graue. stolpert. Knäuel! Tropf! Was fällt Dir ein! Stellst dem eignen Vater Bein! Flüchtet. fliegen vor dem Winde. Wir sind eine Losung; Hast Du gesprochen uns? – Des Staubs Liebkosung Hat kläglich gebrochen uns. Der Wurm zerfraß uns Bis zu Skeletten; Dein Geiz vergaß, uns Um Früchte zu betten. Kamt doch nicht umsonst zur Erden; Könnt noch bester Dünger werden. Wir sind Lieder; Hast Du gesungen uns? – Tausendmal nieder Hast Du gezwungen uns. In Deiner Seele Lagen und harrten wir; – Nimmer nun warten wir. Gift in Deine Kehle! Gift in Dich , Du dumm Gesing'! Hatt' ich Zeit zu Versgekling? Schlägt sich durch Gebüsch. tropfen von den Zweigen. Wir sind Zähren; – Hast Du vergossen uns? Winter zu wehren, War einst erschlossen uns. Dein Herz rief leise; – Du bliebest achtlos. Nun starrt's von Eise, – Und wir sind machtlos. Hab' geflennt im Dovreschlosse, – Flog zuletzt doch in die Gosse! Wir sind Taten; – Hast Du bestellt uns? Weh, nur verraten, Geknickt und zerspellt uns! Am jüngsten Tage Kommen wir allzusamt Und führen Klage, – So wirst Du verdammt. Mir auch noch, verwünschtes Treiben, Was ich nicht tat, anzuschreiben! Hastet davon. aus der Ferne. Pfui, so ein Hingejag'! Schön hast Du umgekippt! Schnee fiel den ganzen Tag; – Arg wurd' ich eingestippt. – Falsch hast gefahren mich; Sah nichts vom Schlosse; Der Teufel hielt zum Narren Dich Mit der Hühnerstallsprosse! 's Beste, sich von hier zu drücken! Zu den Sünden, die dich plagen, Auch noch die des Teufels tragen, – 's ist zu schwer für einen Rücken. Eilig ab. Eine andere Strecke im Walde. singt. Ein Totengräber! Wo seid Ihr, Hunde? Ein Lied aus blökendem Küstermunde! Einen Flor, meinen Hutrand zu schatten! Ich will meine Toten bestatten. Der Knopfgießer mit Gerätkasten und einem großen Schmelzlöffel kommt auf einem Seitenweg daher. Schön guten Abend! Desgleichen Dir! Man hat's eilig, wie? Wohin sollen wir? Zum Kirchhof. Zum Kirchhof? Verzeihung, – da wär' (Ich seh' nicht mehr gut) Dein Nam' am End' Peer? Peer Gynt, wie man sagt. Das Glück ist mir hold! Just er war's, den ich heut holen sollt'. Das sollt'st Du? – Was willst Du? zeigt seinen Schmelzlöffel. Was mag dies hier sein? Eines Knopfgießers Löffel! Und Du sollst hinein. Wozu? Um umgeschmolzen zu werden. Um umgeschmolzen zu –? Laß die Gebärden! Dein Grab ist geschaufelt, Dein Sarg bestellt, Dein Leib den Würmern zur Beute fällt; – Doch Deine Seele, ward mir befohlen, In meines Meisters Namen zu holen. Unmöglich! So ohne vorheriges Zeichen –! Man pflegt bei Niederkünften und Leichen In aller Stille den Festtag zu wählen Und dem Ehrengast vorher kein Wort zu erzählen. Ja, richtig. Vergib, ich bin ganz verstört. Du bist also –? Knopfgießer; – wie Du gehört. Verstehe! Lieb Kind hat mancherlei Namen. Ei, sieh mir, Freund Peer, wohin wir da kamen! Doch, Alter, Du dünkst mich übel belehrt! Ich weiß, ich bin mildre Behandlung wert; – Ich bin nicht so arg, als Ihr vielleicht denkt; – Ich hab' mancher Guttat das Dasein geschenkt; – Im schlimmsten Falle bin ich ein Töffel, – Doch nimmer ein Sünder für Deinen Löffel. Da sprichst Du's ja selber aus, kurzer Hand; Du bist kein Sünder im höhern Verstand. Drum sparst Du ja auch die Hölle, Geselle, Und kommst, gleich andern, in meine Kelle. Nenn's, wie Du willst, – Kell' oder Höll; Steinschlag wie Bergsturz bleibt beides Geröll. Hebe Dich weg von mir! Kränkender Ruf! Du meinst, ich trab' auf 'nem Pferdehuf? Auf Pferdehuf oder Fuchsklauen, Mann, – Pack' Dich, und gib keine Torheiten an! Mein Lieber, Du irrst Dich über die Maßen. Wir haben beide nicht Zeit, zu spaßen; – Und darum bündig der Sache Grund. Ich hab' es aus Deinem eigenen Mund, Du seist kein großer Sünder zu schelten, Ja, kaum ein mittlerer – Das mag gelten. Das klingt schon besser – Laß Dir nur Zeit; – Doch Dich tugendhaft schelten, ginge zu weit – Wer wollte denn auch gleich freien Paß! Du bist also etwas, – halb dies, halb das. Einem Sünder vom wirklich großzügigen Schlage Begegnet man heute nicht alle Tage; Mit Waten im Schlamm ist wenig geschafft; Eine Sünde will Ernst, eine Sünde will Kraft. Ja, da hast Du recht; Gott soll mich behüten; Man soll wie ein alter Berserker wüten. Du aber triebst mit der Sünd' nur Gebuhl. Mir war sie nie mehr als ein schmutziger Fleck. So sind wir ja einig. Der Schwefelpfuhl Ist nicht für Euch, die Ihr patschtet im Dreck – Und folglich wird man verschont nun, Wertester? Nein, folglich umgeschmolzen, Verehrtester. Was sind das für Kniffe, drauf Ihr hier verfielt, Derweil sich Peer Gynt von Euch ferne hielt? Ein Brauch, alt, wie die Erschaffung der Schlange; – Damit, was ein Wert, auch zur Geltung gelange. Du kennst ja das Handwerk, – weißt wohl, daß oft Ein Guß mißraten kann, unverhofft. Oft werden die Knöpfe ösenlos. Was tätest Du da? Ich würf' sie beiseite. Jawohl; Jon Gynt war im Wegwerfen groß, Solang' sich noch Geldsack an Geldsack reihte. Der Meister aber faßt's anders an – Und bleibt auch darum ein sicherer Mann. Er wirft nichts weg, als schlechthin verächtlich, Was irgendwie noch als Rohstoff beträchtlich. Du warst nun gedacht als ein blinkender Knopf Auf der Weste der Welt; doch die Öse mißlang. So mußt Du denn, Freund, in den Ausschußtopf – Und nimmst wieder in die Masse den Gang. Du planst doch nicht etwan aus mir, zum Schluß, Samt Peter und Paul einen neuen Guß? Ei freilich rechn' ich mit solchen Güssen. Hat mehr als einer dran glauben müssen. Zu Kongsberg ergeht es dem Geld nicht anders, Das schlecht ward ob zu vielen Gewanders. Aber das ist ja elende Knauserei! Teuerster Freund, da gib mich nur frei; – Ein Knopf ohne Öse, ein blinder Heller, – Was ist das für Deinen Auftragsteller! Freund, ösenlos oder abgeschliffen, – Dein Metallwert bleibt davon unangegriffen. Nein, sag' ich! Nein! Mit Zähnen und Klauen Wehr' ich mich. Alles andre; nur das nicht! Was denn für andres? Empor zum Blauen Hast Du nun einmal den Reisepaß nicht – Ich bin zufrieden mit dem, was sich beut; Von meinem Selbst aber lass' ich keinen Deut. Straft mich, wie's Brauch, mit gesetzlicher Buße! Setzt mich zu dem mit dem Pferdefuße; – Ein hundert Jährlein, tut Ihr's nicht billiger; Seht, das ist etwas, – da zeig' ich mich williger; Die Pein ist schließlich doch nur moralisch, Und also wohl nicht so pyramidalisch; – Ein Übergang nur, wie geschrieben steht, Und wie der Fuchs sagte. Früh oder spät Erfolgt dann ein Abschluß; man zieht sich zurück – Und hofft – und versucht von neuem sein Glück. Doch dieses andre, – dies wie ein Stück Lehm Zerknetet werden zu weiß Gott wem, – Diese Schmelzlöffelei, dies Enteignungsverfahren, – Dagegen möcht' ich mich gründlichst verwahren. Aber, lieber Peer, was ist denn dabei? Wegen solch einer Kleinigkeit solch ein Geschrei! Ein Mann, der niemals er selbst gewesen; – Und macht nun, zu sterben, solch Federlesen! Was ist der Mann nicht gewesen –? Oho! Peer Gynt ist was andres gewesen; so, so! Nein, Knopfgießer, laß Du das Spekulieren! Könnt'st Du durchforschen mir Herz und Nieren, Du träfst bloß immer auf Peer und Peer Und weiter nichts andres und sonst nichts mehr. Das ist nicht möglich. In meinem Befehle Hier heißt es: Fordre Peer Gynt! Seine Seele Bot ihrer Bestimmung Trotz, bis zum Schluß. In den Löffel mit ihm als mißratenem Guß. Dummes Zeug! Das gilt einer andern Person. Steht da wirklich Peer? Nicht Rasmus oder Jon? Die hab' ich seit langem schon umgegossen. So komm denn im guten, und laß die Possen! Narr, der ich wäre! Was soll dann geschehn, Wenn sich morgen erweist, es war ein Versehn? Du trügst die Verantwortung dann, guter Mann! Erwäg, was alles draus folgen kann – Ich hab' es hier schriftlich – So gönn mir doch Frist! Was willst Du damit? Beweisen, was ist. Daß ich ich selbst war alle meine Tage. Und dies war ja wohl unsre strittigste Frage. Beweisen? Mit Zeugnissen und Attesten. Ich fürchte, Du hältst meinen Meister zum besten. Nein, nein! Doch alles geh' seinen Gang! Lieber Mann, bitte, borg' mich mir selbst so lang'. Nur ein Fristchen! Man wird nur einmal geboren – Und möchte doch dann auch so weiter bestehn. Wir sind also einig? Magst Du denn gehn. Doch am nächsten Kreuzweg bist Du verloren. Peer Gynt eilig ab. Ein Stück weiter im Wald. in voller Fahrt. Zeit ist Geld, wie geschrieben steht. Wo wohl der nächste Kreuzweg geht? Kommt er noch lange nicht, kommt er bald? Der Boden brennt mich wie glüh'nder Basalt. Ein Zeuge! Ein Zeuge! Wo find' ich einen? Weh mir! Im Wald hier treff' ich wohl keinen. Die Welt ist Pfuschwerk! Die Einrichtung schlecht, Will ein Mann beweisen sein sonnenklar Recht! Ein gekrümmter Alter, einen Stab in der Hand und einen Sack auf dem Rücken, trottet vor ihm her. bleibt stehen. Liebwerter, – ein Obdachloser bittet –! Entschuldig'; ich hab' kein Kleingeld bei mir – Prinz Peer! Herrje! Wir treffen uns hier –? Wer bist Du? Tu' er doch nicht so gesittet! Du bist doch wohl nicht –? Der Dovre-Greis? Ja! Der Dovre-Alte? Du, Alter, da? Was, ich bin schön auf den Hund gekommen –! Entthront? Ja, schenk' mir Dein Mitleid, ich brauch's. Hier trab' ich am Bettelstab, knurrenden Bauchs. Hurra! Die Zeugenschaft dürfte mir frommen! Der Herr Prinz, wie er grau geworden ist! Lieber Schwiegervater, die Jahre zehren. Na; Schwamm über alle privaten Affären, – Und, vor allem, keinen Familienzwist. Ich war damals ein Tollkopf – Ach ja; ach ja; – Der Prinz war halt jung. Und was macht man nicht da? Aber klug war der Prinz, seine Braut zu verschmähn; Jetzt braucht er dafür nicht sein Los zu verdammen! Nicht lang', und sie war mit 'nem andern zu sehn – Ei, ei! Immer mehr und mehr ließ sie sich gehn; Und jetzt, – jetzt lebt sie mit Trond zusammen. Welchem Trond? Dem im Waldgebirg. Dem ich einmal Drei Säterinnen vorm Mund weg stahl! Mein Enkel ist groß geworden und fett; Sein Nachwuchs sitzt allerorten im Lande – Ja, klatsch' mir nur alles von A bis Z; – Was kümmert mich jetzt diese ganze Bande. – Ich bin nämlich in eine Klemme geraten Und wünsche ein Zeugnis oder Attest; – Und ist Väterchens Kopf noch kapitelfest, So springt ja wohl auch mal ein Viertelsdukaten – Wär's möglich; ich könnte dem Prinzen was frommen? Und dafür vielleicht selber ein Zeugnis bekommen? Mit Freuden. Hab' so kein Bar zu verklecken, Muß knicken und sparen an allen Ecken. Doch hört, was es gilt. Ihr erinnert Euch doch An jenen Abend im Rondeschloß noch – Ich werd' nicht, Herr Prinz! Das »Prinz« macht nichts besser. Genug. Ihr wolltet damals, voll Groll, Mich blenden, mit Eurem Glasermesser, Und umschaffen mich aus Peer Gynt zum Troll. Was tat ich da doch? Ich sagte: »Quod non! Wenn Ihr mir so kommt, – auf und davon! Was Liebe, was Ehre, was Macht, – ich bleibe Ich selber – ich selber, sage und schreibe.« Diese Tatsache sollt Ihr vorm Richter beschwören – Wie könnt' ich das! Wärt Ihr mir immer noch gram! Er will doch wohl nicht eine Lüge hören? Er weiß doch noch, wie er die Trollhose nahm, Und vom Metkrug schmeckte –? Ihr wußtet zu locken; – Doch vor dem Entscheidenden saht Ihr mich stocken. Und justament da ran erkennt man seinen Mann. Das ist der Schlußvers, auf den kommt's an. Recht gut, daß Du mich auf den Schlußvers bringst! Was heißt das? Als Du von Ronde gingst, Da schriebst Du Dir doch hinters Ohr mein Leitwort. Welches? Das Wort, das mächtige Scheid'wort! Das Wort? Das uns scheidet vom Menschenzug, – Das Wort: Troll, sei du selbst dir genug! weicht einen Schritt zurück. Dir genug! Und wo Du auch immer gewandelt, Hast Du doch seidem danach gehandelt. Ich! Peer Gynt! weinend. So lohnt man's dem Alten! Und wenn Du's auch noch so geheim gehalten, – Du lebtest als Troll. Mein Wort wies Dich an; Du wurdest durch mich ein gemachter Mann; – Und jetzo, jetzt spielst Du den Dünkelhaften Wider mich und mein Wort, die Dir alles verschafften. Dir genug ! Ein Bergtroll! Ein Egoist! Hier stimmt etwas nicht; hier steckt eine List! zieht einen Bündel alter Zeitungen hervor. Du meinst, wir hätten nicht auch unsre Zeitung? Hier, bitte; hier schwärmt von Dir, rot auf schwarz, Die »Blocksbergpost«, ein Blatt von Verbreitung, – Und hier singen Nummern des »Heklawarts« Dein Lob, seitdem Du der unsrige bist. Willst Du es selbst lesen, Peer? Immer tu's! Hier steht etwas, Unterschrift: »Pferdefuß«. Und hier: »Vom troll-nationalen Geiste«. Der Schreiber fördert die Wahrheit ans Licht: Schwanz und Hörner, die machten's nicht; – Die innre Verwandtschaft, die tät' das meiste. »Unser sich-selbst-genug, – das macht den Troll aus!« So schließt er, – und dann gibt er Dich , Peer, für voll aus. Ein Bergtroll? Jch! Ja, mein wackrer Genoß! So konnt' ich ja bleiben im Dovreschloß! Was ließ ich dann Rondens behagliche Ruh'? Wandte Schweiß auf und Arbeit und manch ein Paar Schuh'? Peer Gynt – ein Troll! – Solch ein Quark! Solch ein Kohl! Da, – kauf' Dir Tabak; und somit – leb' wohl! Geneigter Prinz Peer! Du bist nicht normal – Oder kindisch. Geh in ein Hospital! Das hätt' ich ja schon seit langem getan! Doch meine Urenkel, leichten Geistes Verleugnen sie ihren alten Ahn; – Ich lebte nur noch in Büchern, heißt es. Gott soll einen vor seinen Freunden bewahren, Dies Wort spür' ich Armer am eignen Gebein. 's ist hart, nur noch so sein Gespenst zu sein – Lieber Mann, das haben schon mehr erfahren. Und wir selbst, wo hätten wir Armenkassen, Wo Altersgroschen, wo ein Asyl? – Das würde zu Ronde ja auch nicht passen – Und zu Eurem selbst-genugsamen Stil! Der Prinz kann dem Wort doch nur Ehre geben. Und wenn er auf dem oder jenem Weg – Mein Freund, Du trittst auf 'nen morschen Steg; – Ich hab' selbst, wie man sagt, kaum das nackte Leben – Das wär' –! Auch der Prinz hätt' als Bettler geendet? Jawohl. Mein prinzliches Ich liegt verpfändet. Und wer ist dran schuld? Ihr, verdammte Brut! Da sieht man, was schlechte Gesellschaft tut. Umsonst denn, daß ich die Hand ausstreckte! So will ich zur Stadt mich zu fechten sehn. Was willst Du dort? Zur Komödie gehn. Sie suchen im Blatt nationale Subjekte – Glück auf die Reise; und grüss' von mir. Kann ich mich losreißen, halt' ich's mit Dir. Ich schreib' eine Farce, so tief wie heiter, Des Titels: Sic transit usw. usw. Eilt davon. Der Dovre-Alte ruft ihm vergebens nach. Ein Kreuzweg. Jetzt gilt es, Peer, galt es jemals im Leben! Dies Dovrische genug hat den Ausschlag gegeben. Das Fahrzeug ward wrack; jetzt schwimm auf den Planken! Alles andre – nur nicht als Brack abdanken! an der Wegscheide. Nun denn, Peer Gynt, das Attest, – wo ist es? Schon wieder ein Kreuzweg? Du Nimmersatt! Ich blicke nur auf Dein Gesicht, Dein tristes, Und weiß, was die Glocke geschlagen hat. Ich bin des Gerenns müd'; – man läuft nur irr – Und legt sich, zudem umsonst ins Geschirr! Bei Nacht, im Wald, – was ist da zu sagen. Dort humpelt ein Alter. Woll'n wir ihn fragen? Er ist betrunken. Laß ihn in Ruh'! Doch könnt' er vielleicht – Pst; laß ihn; – wozu? Ja, so sind wir so weit? Eine Frage nur noch. Was ist dieses »sei du du selbst« im Grunde? Eine seltsame Frage, zumal im Munde Von einem, der jüngst erst – So antworte doch! Du selbst sein heißt: dich selbst ertöten. Doch Du brauchst vielleicht noch ein deutlicher Bild? – Des Meisters Willen als wie ein Schild An seines Lebensschwerts Griff sich löten. Doch wenn man nun niemals erfährt, was der Meister Mit einem gewollt hat? Das soll man ahnen . Doch wie oft mißleiten uns böse Geister, – Und dann geht man ad undas mit fliegenden Fahnen. Der Teufel hat's nirgends leichter, zu angeln, Als eben wo solche Ahnungen mangeln. Dies ist eine derart verzwickte Geschichte, Daß ich auf mein »selbst sein« lieber verzichte. Es fiel' am End' schwer, den Beweis zu führen. So will ich den Streitpunkt denn nicht mehr berühren. Doch als ich vorhin so den Wald durchtrabte, Da kam's, daß mich doch mein Gewissensschuh schabte; Du bist doch ein Sünder, dacht' ich im stillen – Da fängst Du ja wieder von vorne an – Ich meine, ein großer , mein guter Mann; Nicht bloß in der Tat, auch in Wort und Willen: Im Ausland war ich just kein Philister – Nun gut; so zeig' mir Dein Sündenregister! Vergönn' mir nur Frist, einen Priester zu suchen; So beicht' ich und lass' ihn darüber buchen. Ja, brächtst Du mir solch einen Zettel mit, So wärst Du der Schmelzlöffelsache wohl quitt. Doch die Ordre, Peer – Der vergilbte Wisch! Der ist gewiß noch von älterem Datum; – Da lebt' ich einmal, weder Fleisch noch Fisch, Und spielte Prophet und glaubt' an ein Fatum – – Na, gilt's denn die Probe? Ja – aber –! Je nun, – Was hast Du denn, Bester, so viel zu tun! Hier im Bezirk ist die Luft ja so lieb; – Die Sterblichkeit wird immer kleiner und kleiner. Bedenk, was der Pfarrer von Justedal schrieb: »In diesem Tale stirbt selten einer.« Am nächsten Kreuzweg denn; dann aber – Schluß. Ein Priester! Ich muß einen finden! Ich muß! Läuft den Weg weiter. Hügel mit Heidekraut. Der Weg schlängelt sich den Höhenzug entlang. Der nützt mir vielleicht noch zu allerhand, Sagte Esben, als er einen Elsternflügel fand. Wer hätte gedacht, daß, als nichts mehr verschlägt, Seine Sündenschuld einem noch Früchte trägt? Mir ist zwar auch so nicht sonderlich geheuer; Denn im Grund führt der Weg nur von Asche zu Feuer; – Doch es bleibt ja noch immer die Trosttür offen: Solang' einer lebt, so lang' mag er hoffen. Eine magere Person in hoch aufgeschürztem Priesterrock und mit einem Vogelstellernetz auf der Schulter wandert eilig den Hügel entlang. Ein Prediger mit einem Vogelgarn! Peter! An dir fraß das Glück einen Narr'n. Guten Abend, Herr Pastor! Holprige Bahn! Was tut man nicht, eine Seele zu fahn? Aha; soll eine gen Himmel –? Nein; Ich hoffe, sie schlägt einen andern Weg ein. Herr, würd' ich ein Stückchen wohl mitgenommen –? Recht gern; Gesellschaft ist immer willkommen. Mich drückt ein Gesuch – Vertraun Sie mir's an! Herr Pastor, ich bin ein ehrlicher Mann. Ich hielt mein Lebtag des Staats Gebot; Ich saß niemalen bei Wasser und Brot; – Doch kann man ja wohl mal den Halt verlieren Und straucheln – Das kann dem Besten passieren. Nun denn; diese Mätzchen – Nur Mätzchen? Nur dies. Nie, daß ich im Ernst wider etwas verstieß! Dann sparen wir uns jeden weiteren Ton; – Sie irren sich, scheint es, in meiner Person. – – Sie sehn meine Hand an? Warum, wenn's genehm? Welch stattlich entwickeltes Nägelsystem! Was bietet mein Bein so Besonderes? zeigt mit dem Finger. Ist der Huf dort echt? Ich schmeichle mir des. lüftet den Hut. Ich hätte doch auf Ihren Schwarzrock geschworen; Und da sind es – Euer Hochwohlgeboren! Na; steht's Portal offen, – komm nicht von hinten; Kannst Du zum König, – geh nicht zum Bedienten. Ihre Hand! Sie scheinen mir vorurteilsfrei. Na, Lieber; was gilt's, – und was soll ich dabei? Nur eins! Nicht um Macht oder Geld mich drängen! Das kann ich nicht schaffen, und wenn Sie mich hängen. Mit den Menschen ist heut nichts mehr anzufangen; – Der Umsatz ist völlig zurückgegangen; Kein Zuwachs an Seelen; nur dann und wann Eine einzelne – Hat sich die Welt so verbessert? Im Gegenteil, Bester. Kläglich verwässert. Die meisten holt sich der Schmelzlöffelmann. Aha, – von dem Löffelmann hört' ich schon was; Er gab die Veranlassung eigentlich, daß – Nur Mut! Nun, – wär' es nicht unbescheiden, So wünscht' ich wohl – Einen Zufluchtsort? Wie? Sie raten's, noch eh' ich ihm Worte lieh. Sie sagten ja selbst, daß Sie Mangel leiden, Und sind daher wohl um so eher willig – Aber, Freund – Meine Forderungen sind billig. – Ein Taggeld beanspruch' ich eigentlich nicht; Nur Behandlung den Umständen angemessen. Warmes Zimmer? Nicht zu warm; – vor allem indessen Erlaubnis, davonzugehn, schlank und schlicht, – Zurückzutreten, um's kurz zu sagen, – Sobald sich ein Weg zeigt zu besseren Tagen. Mein Freund, es tut mir wahrhaftig leid. Doch Sie glauben mir nicht, welche Menge Suppliken Ähnlicher Art mir die Leute schicken, Wenn es sie abruft aus ihrer Zeit. Doch denk' ich an meinen verflossenen Wandel, So dünkt mein Gesuch mich nickt allzu gewagt – Es war'n doch nur Mätzchen – Was man so sagt; – Doch, da fällt mir ein, ich trieb Negerhandel – Da handelten welche mit Willen und Sinnen – Und mußten doch wieder, als Pfuscher, von hinnen. Ich hab' Brahmafiguren nach China verladen. Sie Leichenbitter auf Sündenpfaden! Sind welche, die laden ganz andre Figuren In Reden ab, Künsten und Literaturen – Und rühren mich doch nicht – Es blieb nicht dabei; – Ich lebt' als »Prophet« eine tolle Legende – Im Ausland? Der meisten Blauseherei Ist Humbug und findet im Löffel ihr Ende. Wenn Ihr Gesuch auf nichts weiter beruht, So kann ich nicht dienen, so leid es mir tut. Doch, hör'n Sie; ich kam auf 'nem Bootskiel getrieben, – Der Ertrunkene greift nach dem Halm, steht geschrieben, – Und: Du selbst bist dein Nächster, steht gleich daneben, – Und da kam durch mich halbwegs ein Koch ums Leben. Hätt' lieber von einer Köchin vernommen, Die durch Sie zugleich um was andres gekommen. Was ist das hier für ein Halbwegs-Schnack, Mit Respekt zu sagen? Wer möchte zu Zeiten, Wie diese, die Kosten der Feurung bestreiten, Was denken Sie wohl, für solch stimmungslos Pack? Ja, ja, Sie mein' ich, mit Ihren Faxen; Ich spreche, wie mir der Schnabel gewachsen. Ich wünschte nur, daß der Herr Dilettant Sich vor dem Löffel nicht länger grauste. Was hülf's, und wenn ich Sie zehnmal behauste? Mein Freund, Sie sind doch ein Mann von Verstand, Wie schon Ihr gutes Gedächtnis beweist? – Doch die Aussicht übers durchwanderte Land Erzeigt sich denn doch, so für Herz wie für Geist, Als ein Ausblick auf, sagen wir, zu viel Sand . Was haben Sie, drüber zu lachen, zu weinen, Was jubelnd zu bejahen, was verzweifelnd zu verneinen, Was, das Sie heiß oder kalt überschreckt? – Sie ärgern sich, – das ist der ganze Effekt. Es heißt, daß man schwer beurteilen kann, Wo der Schuh drückt, hat man den Schuh nicht an. Das ist wahr; und – sei der und jener gepriesen – Ich bin auf ein ungleich Paar Stiefel angewiesen. Doch ein Glück, daß ich Stiefel sage, mein Bester, Das erinnert mich dran, daß es eilen heißt, Mir winkt ein Braten, der hoffentlich feist; Und da schwatz' ich hier wie eine Kaffeeschwester – Und dürfte man fragen, welch Sündenkraut Den Kerl gemästet hat? Nach Verlaut War er er selber bei Tag und bei Nacht; Und das ist doch der Kernpunkt, im letzten Betracht. Er selber? Die Art kommt zu Ihnen ins Haus? Wie's fällt; wir sperren sie keinesfalls aus. Man kann man selbst sein in doppeltem Verstand, Ein Rock sein, von außen oder von innen. Sie wissen, wie jüngst in Paris man erfand, Porträts mit Hilfe von Sonne zu gewinnen. Da kann man nun richtige Bilder machen, Oder Negative, die gleich viel wert sind, Nur daß hier Licht und Schatten verkehrt sind, – Und die Laien sie häßlich finden und lachen. Doch die Ähnlichkeit schlummert auch hier verstohlen, Es kommt nur drauf an, sie hervorzuholen. Hat eine Seele nun in ihrem Leben Sich also negativ photographiert, So wird die Platte drum nicht kassiert, – Man pflegt sie vielmehr an uns weiter zu geben. Wir nehmen sie uns sodann vor zur Behandlung; – Und geeignete Mittel vollziehn die Verwandlung. Wir dämpfen, wir baden, wir putzen, wir hitzen, Mit Säuregüssen und Schwefelblitzen, So lang', bis sich unsrem geduldigen Auge Das rechte Bild endlich, das Positiv, tischt. Doch hat man, wie Sie, sich zur Hälfte verwischt, – So nützt weder Schwefel noch Kalilauge. Also nur wer als Rabe zu Ihnen kommt, Kann als Schneehuhn gehn? Mit Verlaub, wem frommt In seiner negativen Elendigkeit Wohl diesmal Ihre Kunst und Behendigkeit? Einem Herrn Peter Gynt. Peter Gynt? Ei, ei! Ist Herr Gynt er selbst? Er schwört, daß er's sei. Na, glaubwürdig ist er, dieser Herr Peter. Sie kennen ihn? Was man so nennt, versteht er; – Man kennt ja so manchen. Meine Zeit ist knapp. Wo sahn Sie zuletzt ihn? Drunten am Kap. Di buona speranza! Jawohl; doch sein Wort war, Sein letztes, daß er die längste Zeit dort war. So muß ich stehenden Fußes dorthin. Doch geh' ich, trüber Ahnungen schwanger. Das Kapland, das Kapland wollt' mir nie in den Sinn; – Dort sind so ein paar schlimme Missionare von Stavanger. Er fährt gen Süden. Der Esel, der dumme! Da schiebt er ab, Daß die Zung' ihm heraushängt. Viel Glück zum Kap! Den Hund hab' ich naszuführen gewußt! So ein Kerl macht sich kostbar und wirft sich in die Brust! Er hat's wahrlich nötig, sich dick zu machen! Sein Handwerk wirft ihm nicht viel in den Rachen. Bald wird er eingehn an Fettverlust. Hm, ich bin zwar auch kein Ritter ohne Tadel; Ich bin ausgestoßen, kann man sagen, aus dem Selbst eigner-Adel. Eine Sternschnuppe fällt; er nickt ihr zu. Grüss' von Peer Gynt, Bruder Meteor! Leuchten, erlöschen, verschwinden im Tor Der Finsternis – – Schaudert zusammen, wie von Angst gepackt, und geht tiefer hinein in die Nebel; nach einer Weile Schweigens schreit er auf. Will mir denn niemand erstehn, – Niemand im Abgrund, niemand im Reich des Lichts! Kommt weiter unten wieder hervor, wirft seinen Hut zu Boden und rauft sich das Haar. Allmählich wird er ruhiger. So unsäglich arm kann ein Mensch also gehn Zurück in die grauen Nebel des Nichts. Du liebliche Erde, sei mir nicht gram, Daß ich Dein Gras trat, keinem zum Frommen. Du liebliche Sonne, die leuchten kam In ein Haus, drin keiner Dich hieß willkommen! Kein Mund sprach zu Deiner Schönheit den Reim; – Der Eigner, so sagt man, war niemals daheim. Liebliche Sonne, liebliche Erde, – Was heimtet Ihr meine Mutter an Eurem Herde. Geist ist kein Marktgeschenk; Natur tritt mit Füßen ... Es ist hart, seine Geburt mit dem Leben zu büßen. – Hinauf will ich, hoch, wo die Gipfel blauen, Einmal die Sonne noch aufgehen schauen, Starren mich müd' aufs gelobte Land, In einem Schneesturz mein Ruhbett haben; Man mag drüber schreiben: »Hier ist niemand begraben«; Und dann –! Ja, – das Dann hat noch keiner gekannt. singen auf dem Waldweg. O Morgenstunde, Da Zungen des Geistes Wie Schwerter herniedergeflammt! Aus Enkelmunde Den Geist nun preist es In Liedern, dem Himmel entstammt. kriecht erschreckt in sich zusammen. Nicht dorthin schaun! Dort ist Nacht und Verderben. – Ich fürcht', ich war tot lange vor meinem Sterben. Will sich durchs Gebüsch davonstehlen, stößt jedoch auf den Kreuzweg. Guten Morgen, Peer Gynt! Wo ist das Register? Das Glück und ich, – wir sind Stiefgeschwister. Was tat ich nicht! Ohne daß Dich wer traf. Hm, nur ein reisender Photograph. Ja, die Frist ist aus. Alles ist aus. Die Eule wittert uns. Hörst Du sie wimmern? Ich hör' nur die Glocke – zeigt. Was mag dort schimmern? Eine Hütte, nichts weiter. Was klingt dort im Winde –? Ein Weib singt, nichts weiter. Ja, dort, – dort finde Ich das Register – ergreift ihn beim Arm. Bestell' Dein Haus! Sie sind aus dem Gebüsch herausgekommen und stehen vor der Hütte. Morgendämmerung. Mein Haus bestellen? Dort ist's! Geh, Mann! Pack' Dich, Mann! Mich und mein Schuldbuch bärge Kein Löffel, – und hätt'st Du sie groß wie Särge! Bis zum dritten Kreuzweg denn, Peer; aber dann –! Biegt zur Seite ab und geht. nähert sich dem Hause. Hin und zurück, 's ist der gleiche Weg; Hinaus und hinein, 's ist der gleiche Steg. Bleibt stehen. Wilde, wilde, unendliche Klage; So heimzukehren am End' seiner Tage! Macht einige Schritte, hält aber wieder inne. Drum herum, sprach der Krumme! Hört Gesang in der Hütte. Nein, dieses Mal, Peer, Mittendurch, – ob auch der Weg noch so schwer! Er eilt auf das Haus zu; im selben Augenblick tritt Solvejg aus der Tür, zum Kirchgang gekleidet und das Gesangbuch ins Tuch geschlagen, einen Stab in der Hand. Sie steht hoch da und gütig. wirft sich auf die Schwelle nieder. Hier ist ein Sünder! Dein Urteil, – sprich's aus! Gott sei gelobt! Da kam er nach Haus! Tastet nach ihm. Klag' aus das Übermaß meines Gerichts! Mein einzigster Junge, Du sündigtest nichts! Tastet wieder und findet ihn. hinter dem Hause. Das Register, Peer Gynt? Schrei aus mein Verbrechen! setzt sich nieder zu ihm. Durch Dich ward mein Leben ein selig Lied. Gesegnet seist Du! Du hieltst Dein Versprechen! Gesegnet der Pfingstmorgen, der Dich hier sieht! Verloren! Laß Ihn nur raten und taten! lacht. Verloren! Du könntest denn Rätsel raten! Nenn sie. Nenn sie! 's hat keine Gefahr –! So sag', wo Peer Gynt all die Zeit über war? Wo er war? In der Brust der Bestimmung Keim –! Wo er war, wie sein Gott ihn gewollt und verstanden! Kannst Du das sagen? Wenn nicht, muß ich heim, – Und untergehn in den nebligen Landen. lächelt. O, das Rätsel ist leicht. So sag', was Du weißt! Wo war ich, in der Brust den göttlichen Geist, Auf der Stirn den Namenszug, den Er geschrieben? In meinem Glauben, in meinem Hoffen und in meinem Lieben. fährt stutzig zurück. Was sagst Du –! Schweig! Mach's Herz mir nicht schwer! Eine Mutter hat in ihr Kind sich verliebt! Eine Mutter; – doch wer ist sein Vater? Er, Der ihm um der Mutter willen vergibt. ein Lichtstrahl überfliegt ihn, er ruft. Mutter, Weib; Magd ohne Schuld und Fehle! – Birg mich denn in Deiner Seele! Er klammert sich an ihr fest und verbirgt das Angesicht in ihrem Schoß. Langes Schweigen. Die Sonne geht auf. singt leise. Schlaf denn, teuerster Junge mein! Ich wiege Dich und ich wache. – Auf meinem Schoß hat mein Junge gescherzt, Hat ihn seine Mutter sein Lebtag geherzt. An Mutters Brust hat mein Junge geruht, Sein Lebtag. Gott segne Dich, mein einzigstes Gut! An meinem Herzen zunächst war sein Platz, Sein Lebtag. Jetzt ist er so müd', mein Schatz. Schlaf denn, teuerster Junge mein! Ich wiege Dich und ich wache! hinter dem Hause. Wir sehn uns am letzten Kreuzweg, Peer; Und dann wird sich zeigen, – ich sage nicht mehr. singt lauter im Tagesglanz. Ich wiege Dich und ich wache; – Schlaf und träum', lieber Junge mein!