Henrik Ibsen Brand Ein dramatisches Gedicht Personen Personen Brand Seine Mutter Ejnar, ein Maler Agnes Der Vogt Der Doktor Der Propst Der Küster Der Schulmeister Gerd Ein Bauer Sein halbwüchsiger Sohn Ein zweiter Bauer Ein Weib Ein zweites Weib Ein Schreiber Geistlichkeit und Amtspersonen, Volk, Männer, Weiber und Kinder Der Versucher in der Wüste, Chor der Unsichtbaren Eine Stimme 1. Akt Erster Akt Oben auf den Schneefeldern des Hochgebirgs. Der Nebel liegt dicht und schwer; es herrscht Regenwetter und Halbdunkel. Brand, schwarz gekleidet, mit Stock und Ranzen, arbeitet sich in westlicher Richtung vorwärts. Ein Bauer und dessen halbwüchsiger Sohn, die ihn begleiten, folgen ein Stück dahinter. nach Brand rufend. He, fremder Mann, so wart' mir doch! Wo bist Du? Hier! Verlaufst Dich noch! Das nebelt heut, kann einer knapp Den Stecken im Gesicht behalten – Halt! Hier sind Sprünge! Hier sind Spalten! Und jede Wegspur kam uns ab. schreit. Steh still! Gotts Donner, Mann! Hier bricht Der Firn wie Borke! Rühr' Dich nicht! lauschend. Ich hör' das Tosen eines Falls. Da hat ein Bach sich durchgefressen; Hier geht's hinunter, nicht zu messen; – Das kostet Dir und uns den Hals! Ich muß hinüber, hörst Du, – muß ! Ein unausführbarer Entschluß! Kehr' um! Der Grund ist spröd' und hohl; – 's gilt Tod und Leben, merk' Dir's wohl! Mein Herr macht Deine Furcht zu Spott. Wie heißt Dein Herr? Mein Herr heißt Gott. Und Du, – was bist Du? Pfarrer. Gut, Sei, was Du sagst; doch das ist wahr, Daß, wärst Du Propst und Bischof gar, Du büßtest dennoch Deinen Mut, Eh's Tag wird, gingst Du weiter noch Des Ferners untergrabnes Joch. Nähert sich vorsichtig und überredend. Hör', Pfarr; so klug auch einer wär', Das, was zu schwer ist, ist zu schwer. Kehr' um; verstock', versteif' Dich nicht! Du hast doch nur ein Lebenslicht; – Und geht das aus, was bleibt Dein Teil? Zum nächsten Hof ist noch 'ne Meil'; – Dazu ein Nebel, daß ein Beil Drin stecken bleibt, – so dick und dicht. Ist er so dicht, verlangt dafür Kein Irrlicht seine Weggebühr. Doch sind hier Eisseen rings herum, Die machen einen balde stumm. Da gehn wir drüber. Gehn? Das hieß' Dem Eis Unmöglich's zuzumuten! Und doch war einer , der bewies: Wer glaubt, geht trocken auch auf Fluten. Ja, eh'dem; doch mach's heute wahr, Du gehst zugrund' mit Haut und Haar. Leb' wohl! Will gehen. Du wagst das Leben dran! Bestimmt mir's Gott zu meiner Zucht, – Willkommen Sturzbach, See und Schlucht! leise. Er ist ja toll und voll, der Mann! weinerlich. So komm doch, Vater! Zeichen sind Auf noch mehr Regen, noch mehr Wind! bleibt stehen und nähert sich wieder. Verstand ich recht, so hattest Du Hier eine Tochter in der Nähe; – Die schickte – nicht? – Dir Nachricht zu, Sie fänd' im Grabe keine Ruh', Wenn sie Dich nicht noch einmal sähe? So wahr als Gott mir helfen mag! Und heute war der letzte Tag? Ja. Keiner mehr? Nein. Komm denn mit! Umsonst. Unmöglich. Keinen Schritt. blickt ihm fest ins Auge. Sag', wollt'st Du hundert Taler leiden, Dafern sie selig stürbe, – wie? Ja, Pfarr! Zweihundert? Mehr als die! Ich wollt' von Haus und Hof mich scheiden, Wär's meiner Tochter zum Gewinn! Doch gäbst Du auch Dein Leben hin? Mein Leben ? Liebster, Bester –! Nicht? kraut sich hinterm Ohr. Das ging' wohl über meine Pflicht –! In Jesu Namen, denk, mir sind Doch noch zu Hause Weib und Kind. Er ließ die Mutter selbst allein. Ja, dazumal, das mocht' wohl sein; – Da war manch Wunderwerk im Schwange; Doch solcherlei vergaß sich lange. Dein Weg ist Tod! Was hältst Du mich? Du kennst nicht Gott, Gott kennt nicht Dich. Hu, Du bist hart! zerrt an ihm. Komm, laß ihn stehn! Nein, nein, der Mann muß mit uns gehn. Ich muß? Jawohl; denn bleibst Du mir In diesem Herrgottswetter hier, Und wird man's dann im Dorf erfahren, Daß wir mit Dir hier oben waren, So holt mich eines Tags die Wache, – Und liegst Du hier im Eise tot, Komm' ich ins Loch zu Wasser und Brot – So leidest Du für Gottes Sache. Mich schiert jetzt weder sein' noch Deine, Mich drückt schon ganz genug die meine, – Drum komm! Leb' wohl! Von fern vernimmt man dumpfes Getöse. schreiend. Hört die Lawin'! zu dem Bauern, der ihn am Kragen gepackt hat. Laß –! Nein! Laß los! Wir müssen fliehn! ringt mit Brand. Da hol' mich doch –! reißt sich los und wirft ihn in den Schnee. Der holt Dich schon! Du wirst gewiß nicht eher ruhn! Geht ab. setzt sich auf und reibt sich den Arm. Au, au; daß ihm's der Teufel lohn'! Das heißt er Gottes Werke tun. Ruft, während er aufsteht. He, Pfarr! Er ist den Kamm gegangen. Ja, ja, ich mein', ich seh' ihn noch. Ruft wieder. Wenn Du's noch weißt, so sag' mir doch, Wo unser Irrgehn angefangen? aus dem Nebel. Du brauchst von keinem Wegkreuz Rat, – Du bist schon auf dem breiten Pfad. Wollt's Gott, daß er's getroffen hätt', So läg' ich abends warm im Bett. Er und sein Sohn gehen in östlicher Richtung zurück. wird ein Stück weiter oben wieder sichtbar und lauscht nach der Richtung hin, wo der Bauer verschwunden ist. Sie trotten heim. – Du schlaffer Wicht, Schwieg nur in Dir der Wille nicht, Schwieg nur die Kraft, die ungestählte, Ich hätt' gemildert, was Dich quälte, Ich hätt' Dich heiter, ohne Klagen, Fußwund, todmüd' zum Ziel getragen. Doch Hilfe frommt nicht einem Mann, Der auch nicht will, was er nicht kann. Tritt weiter vor. Das Leben; hm; wenn man ermißt, Wie lieb's den guten Leutchen ist! Wie jeder Tropf es herzt und hegt, Als wär' der Welt Glück und Bestehn, Der ganzen Menschheit Wohlergehn Just ihm aufs lahme Kreuz gelegt. Mein Gott, sie woll'n ja alles geben – Nur nie das Leben, nie das Leben. Lächelt wie von einer Erinnerung ergriffen. An Zweies dacht' ich oft als Knab', Das schuf mir böses Zwerchfellgrimmen – Und Schwielen, die noch böser, gab Die alte Schulmuhm' sich im Schlimmen. An einen Fisch, der's Wasser scheute, Und eine Eul', die's Dunkel floh. Los brach ich, tollen Lachens Beute, Ich mocht' es drehn so oder so. Und des der Grund? Weil ich halbklar Schon damals jenen Riß empfand Zwischen dem Ding, so wie es war – Und so wie Gott es sehen wollte, Dazwischen, daß es tragen sollte – Und doch sein Pack untragbar fand. Fast jeder hier, siech oder frisch, Ist solch 'ne Eule, solch ein Fisch. Gemacht, in Tiefen hinzusterben, Bestimmt, des Lebens Nacht zu leben, Ist er gerade da vor bang. Er zappelt feig den Strand entlang, Ihm graut vor seiner Sternenzelle, Er schreit nach Luft und Tageshelle! Hält einen Augenblick inne, stutzt und lauscht. Was ist das? Stimmenklang vom Tal? Wie sich Gesang und Lachen streiten! Horch, – nun ein Hurra, – nun zum zweiten – Zum dritten – vierten – fünften Mal! Die Sonne flammt, den Dunst zu brechen; Schon klären sich die weiten Flächen ... Ei sieh, die frohen Leutchen dort Auf frühlichtüberstrahlten Matten! Nach Westen fallen lang die Schatten; Man wechselt Handschlag, Kuß und Wort. Nun scheiden sie. Die einen wenden Zu Tal, doch zwei nach hier den Fuß. Da winken sie, als letzten Gruß, Ade mit Schleier, Hut und Händen. Die Sonne bricht mehr und mehr durch den Nebel. Brand steht unbeweglich und sieht auf die Kommenden nieder. Das glänzt und glitzert um mein Pärchen! Der Nebel flieht, wohin es tritt, Und Heide bettet seinen Schritt, Und Sonne lacht dem holden Märchen! Ob's wohl Geschwister sind? Da streicht Es Hand in Hand durch weiche Heide. Sie rührt sie kaum mit flinkem Kleide, Und er ist schlank und federleicht. Da springt sie weg! Wohl fehlt nicht viel, Daß er den Flüchtling wieder fange – – Doch sieh! Da wird der Lauf zum Spiel –! Und horch! – ihr Lachen zum Gesange! Ejnar und Agnes in leichter Reisekleidung, beide warm und glühend, kommen in ihrem Spiel über das Hochplateau nach vorn. Der Nebel ist fort; ein klarer Sommermorgen liegt über dem Gebirge. Agnes, mein reizender Schmetterling, Bald fang' ich spielend Dich wieder! Ein Fanggarn knüpf' ich mit Maschen dicht, Und die Maschen, das sind meine Lieder! tanzt rückwärtsgehend vor ihm her und entschlüpft ihm beständig. Bin ich ein Schmetterling, zierlich und bunt, So laß mich vom Heidekraut naschen; Und bist Du ein Bursch, dem ein Spiel gefällt, So darfst mich nur jagen, nicht haschen! Agnes, mein reizender Schmetterling, Nun sieh, wie die Maschen sich schlangen! Nun hilft Dir wohl nimmer Dein Flattern und Fliehn, – Bald sitzt Du im Netze gefangen! Bin ich ein Schmetterling, jung und fein, Mag lustig der Wind mich entführen; Doch fängst Du mich ein in Dein Netzgespinst, So darfst mir die Flügel nicht rühren! Nein, nein, ich nehm' Dich so zart auf die Hand Und schließe Dich ein in mein Herze; Da magst Du treiben Dein Lebelang Die fröhlichsten Spiele und Scherze! Unvermerkt haben sie sich einem schroffen Abhang genähert; sie stehen nun hart am Rande. Halt! Halt! Dort ist ein Abgrund! He! Wer da? zeigt nach oben. Sieh, dort! Bergt Euch beizeiten! Ein Schritt noch, – und der lockre Schnee Wird jäh mit Euch zur Tiefe gleiten! schlingt den Arm um sie und lacht hinauf. Uns hat das Glück sein Wort verpfändet –! Ein Leben uns zum Spiel beschert! Uns einen Sonnenschein gewährt, Der erst in hundert Jahren endet. Erst dann gedenkt Ihr –? den Schleier schwingend. Nicht dies Wort! – Dann spielen wir im Blauen fort. Erst hundert Jahr' im Weltgewimmel, In Wonnen ohne Maß und Ziel, – Ein hundertjährig Liebesspiel – Und dann? Dann wieder heim – zum Himmel. So kommt Ihr wohl von dort gereist? Natürlich; woher sonst? Das heißt, Zu allerletzt, da kamen wir Vom Tal dort –: Ja, ich sah Euch beide Vor kurzem schon; da standet Ihr Noch drunten an der Wasserscheide. Ja, dort verließen wir die Stund' Ein frohes Häuflein uns Getreuer Und siegelten mit Hand und Mund Erinnerungen, allen teuer. Ach, kommen Sie zu uns hernieder Und hören Sie den holden Text, Den Urtext aller unsrer Lieder! – Was stehn Sie wie zu Stein verhext! Der reine Gletschermann! So gehn Sie Doch auf! So, recht! Ich also, sehn Sie, Bin erstlich Maler. Schon welch Glück, So Welt und Leben Stück um Stück Zu bannen, – gleich dem Allgestalter Aus Larven zaubernd bunte Falter! Doch 's Schönste, was mir Gott vertraut, Ist Agnes, meine holde Braut! Ich kam von langen Südlandreisen, Allein mein Malzeug als Gepäck – eifrig. So königsfroh, so siegeskeck – Und wußte wohl die tausend Weisen! Just als ich hier durchs Dorftal strich, War sie hier zu Besuch, um sich Zu trinken rot an Bergesluft Und Sonn' und Tau und Tannenduft. Mich trieb's wie Schickung nach hier oben; Das sang in mir, wie ein Geloben, Im Bach, im Wald, im Wolkenwehn Der Schönheit Urquell nachzugehn. Da malt' ich denn mein Meisterstücke: Ein rosig Licht auf ihre Wang', Ein Augenpaar, entflammt von Glücke, Ein Lächeln, das ins Herze sang – Doch was Du maltest, sahst Du kaum, Trankst blinden Zugs des Lebens Schaum, – Bis eines Tags ein Morgen kam, Wo er sein Malzeug wieder nahm – Da fiel mir ein – du liebe Zeit! Ich hatte ja noch nicht gefreit ! Juchhei! So ward gefreit, gewährt, Und alles so gelöst, geklärt. Wie froh da unser Doktor ward, Das hatte nur so seine Art. Drei Tage ließ er uns zu Ehren, Der Alte, Tanz und Jubel währen, Honoratioren, Klerisei, Die ganze Jugend war dabei. Heut nacht denn zogen wir vom Gut, – Doch hörte drum das Fest nicht auf, – Mit Schärpen, Fahnen, Laub am Hut, Den Wald hinein, den Berg hinauf, Mit uns der ganze heitre Hauf. Und unsre Bergfahrt ward ein Tanz Zu zwei'n bald, bald im Reigenkranz. Wir führten süßen Wein als Fracht. Von Singen scholl die Sommernacht. Und selbst der Nebel schwerer Flug, – Gehorsam wich er unserm Zug. Und nun wohin des Wegs? Gradaus. Zur Stadt – – der Stadt, wo ich zuhaus. Erst noch ein westlich Stück hier oben, Dann nach dem Fjord des Weges Rest; Auf Egirs Brauthengst, dampfumschnoben, Heimreiten wir zum Hochzeitsfest, – Und dann hinab gen Süd zusammen, Wie Schwäne auf der ersten Fahrt –! Und dort –? Ein einzig Liebesflammen, Wie Träume groß, wie Märchen zart! Denn, traun! an jenem Sonntagsmorgen, War auch kein Priester weit und breit, Ward unser Leben licht von Sorgen, Ward es zum Freudenfest geweiht! Von wem? Von all dem frohen Volke. Da ward der Becherspruch getan, Nie dürfe finstre Wetterwolke Dem Laubdach unsrer Hütte nahn, – Da jedes Warnwort vor Gefahren Hinweggeküßt, verbannt, verpönt, – Da wurden wir mit Laub in Haaren Zu Lieblingen des Glücks gekrönt. Lebt wohl, Ihr zwei! Wendet sich zum Gehen. stutzt und betrachtet ihn genauer. Nein, halt; nein, halt! Wes ist dies Antlitz und Gestalt? kalt. Wir sind uns fremd. Mir ist, als wär' Von Haus mir oder Schulbank her Ihr Wesen wundersam bekannt – Ja, ja; wir war'n uns freund als Knaben, – Bis ich den Weg zum Manne fand. Ich sollt' mich nicht besinnen –? Mit einem Aufschrei. Brand! Du bist's! Dich nicht erkannt zu haben! Ich wußte gleich, wer vor mir stand. Willkommen denn, mit Herz und Hand! Ja, Du bist immer noch der alte, Der, allezeit sich selbst genug, Sich, lärmscheu, mit der Grüblerfalte, Von unsern Spielen seitab schlug. Ich stand Euch ja, als Fremdling, fern. Dich, – glaub' ich doch, – Dich hatt' ich gern, War gleich ein jeder Südlandsjunge Aus anderm Erz, als ich es war, Den flutumbrauste Felsenzunge Im Schatten nackten Bergs gebar. Dein Dorf muß hier wo liegen, nicht? Durch dies just führt mich heut die Pflicht. Hin durch ? Dann wieder in die Welt? Was dort zu tun, ist bald bestellt. Du bist doch Geistlicher? lächelnd. Vikar. So nimmt ein Has' im Walde jetzt Und jetzt im Korn sein Lager wahr. Und wohin geht die Fahrt zuletzt? schnell und hart. Frag' nicht danach! Warum? verändert den Ton. Nun gut! Das Schiff, drauf Ihr die Reise tut, Bringt auch wohl mich nach meinem Ziel. Mein Brautschaftsrößlein? Glücks zuviel! Hei, Schatz, nun fahren wir zu drei'n! Doch mich ruft ein Begräbnis. Ein Begräbnis? Dich? Wer soll zur Erde? Der Gott , den Du den Deinen nennst. weicht zurück. Komm, Ejnar! Brand! Das Knechtsgespenst, Der Sklavengott der Sklavenherde, Er soll in seinen Sarkophag, Und das am hellerlichten Tag. 's ist höchste Zeit; Ihr wißt, es riecht, Wer so ein tausend Jahre siecht. Brand, Du bist krank! Jawohl, so krank Wie dort die Kiefer rank und schlank; – Nicht ich bin's; rings um uns die Zeit, – Sie ist's, die, krank, nach Heilung schreit. Ihr wollt nur Spiel und Spaß verstehn, Vielleicht halb glauben, doch nicht sehn, – Ihr werft all Eure Last auf den, Der, wie man Euch gelehrt, einst kam Und das Gericht still auf sich nahm. Er ließ für Euch sich dornenkrönen, Nun könnt Ihr Spiel und Tänzen frönen. Ja, tanz' nur, Bester! Doch am Ziel – Da reu'n vielleicht Dich Tanz und Spiel! Ich kenn' das Lied! In Dorf und Stadt, Da hört sich's heut das Volk nicht satt. Du bist von diesem neuen Geist, Der 's Leben Tand und Flitter heißt Und uns mit Höllenstrafen-Drill In Sack und Asche jagen will. Nein, Freund, ich bin kein »Kanzelhengst«. Die Kirchensprach' vergaß ich längst; Kaum weiß ich, ob ich noch ein Christ, – Doch das gewiß, daß ich ein Mann, Und einer, der erkennen kann, Was für ein Wurm am Lande frißt. Das hab' ich doch noch nie gehört, Daß Übermaß von Lebenslust In unsrer Heimat einen stört. Nein, Jubel sprengt hier keine Brust; – Ha, würd' man's nur einmal gewahr! Sei Knecht der Lust, doch ganz und gar, Rückhaltlos, jetzt und immerdar! Sei nicht heut der und morgen der Und übers Jahr ein weiß Gott wer. Das, was Du bist, sei durch und durch, Nicht halb ein Vogel, halb ein Lurch! Ein klares Bild ist der Bacchant, Der Trunkenbold sein Spottrabant; Silen ist eine Prachtfigur, Der Säufer seine Karikatur. Geh bloß herum in diesem Land Und leg Dein Ohr an Wand um Wand, Und merk', wie jeder Bruder Christ Von allem nichts und etwas ist. Ein wenig ernst an Feiertagen, Ein wenig fromm nach Väterbrauch, Ein wenig lüstern nach Gelagen, – Denn dieses war'n die Väter auch, – Ein wenig warm beim allgemeinen Festchorus auf den, ob auch kleinen, Doch felsenfesten Felsenstaat, – Den nie ein fremder Fuß betrat, – Ein wenig kopflos als Versprecher, Ein wenig pfiffig, soll der Zecher, Ernüchtert, hinkt der Zahltag nach, Einlösen, was die Nacht versprach. Doch all das voll Bescheidenheit; Sein Fehl, sein Vorzug reicht nicht weit; Er ist ein Bruch in Bös' und Gut, Ein Bruch in allem, was er tut; – Doch 's Schlimmste –: Jeder Bruchteil bricht Des Bruches ganzen Rest zunicht'. Wer höhnt, ihm pflegt kein Dank zu lohnen, Weit schöner wär's, Dein Volk zu schonen – Vielleicht, – doch weniger gesund. Nun wohl; gesetzt, ich wollt' im Bund Mit Dir das sünd'ge Volk verdammen, – Wie hängt das mit dem Gott zusammen, Den einzusargen Du gewillt, Dem Gott, der mir noch alles gilt? Mein Freund, Du hast ihn doch gemalt; – Und wenn man mir nicht vorgeprahlt, So , daß er jeden, der ihn schaute, Im innersten Gemüt erbaute. Merk' auf, ich schildr' ihn Dir genau: Dein Gott ist alt – Nun ja –? Und grau? Sparsam gelockt nach Greisenart, Wie Silber oder Eis den Bart, – Harmlos, wiewohl noch so respekt- einflößend, daß er Kinder schreckt? Ob Du ihn noch mit filznen Schuhn Versehn hast, mag auf sich beruhn; Doch willst Du, daß er ganz echt sei, So füg noch Brill' und Schlafmütz' bei! zornig. Was soll dies, Brand, – Dies ist nicht Spott Dies ist das treue Konterfei Von unsres Volks Familiengott. Wie den Papisten der Messias Als Wickelkind erscheint, so gilt Euch hier der Herr als Jeremias, Der just noch kindisch lallt und schilt. Und wird der Papst auf Petri Stuhl Bald nur mehr seine Schlüssel haben, So habt Ihr bald im Kirchen pfuhl Auf immer Gottes Reich begraben. Ihr trennt das Leben von der Lehre; Zu üben sie, – wem gilt's als Ehre? Ihr strebt, Euch geistlich zu erheben, Doch nicht, aus ganzer Kraft zu leben . Euch frommt, daß Eure Art bestehn kann, Ein Gott, der durch die Finger sehn kann, Der, daß ein Bild er Eurer Welt wird, Mit Glatz' und Schlafmütz' dargestellt wird. Doch diesem Gotte bin ich blind! Mein Gott ist Sturm, wo Deiner Wind, Unbeugsam, wo der Deine flau, All-liebend, wo der Deine lau. Und jung wie Herkules ist er, Kein alter Vater Sechziger! Sein Wort, das traf wie Blitzesschlag, Da er als Flamm' im Dornenhag Vor Moses auf dem Horeb stand, Wie vor dem Zwerglein der Gigant. Er hielt die Sonn' in Gibeons Tal Und tat der Wunder ohne Zahl Und tät' sie heut noch immerzu, Wär' dies Geschlecht nicht schlaff wie Du! mit unsicherem Lächeln. Und nun soll's umgeschaffen werden? Das soll's, noch eh' mein Leben hin. So wahr ich weiß, daß ich auf Erden Als Arzt für sein Gebrechen bin. schüttelt den Kopf. Lösch' nicht das Hölzchen, mag's auch rauchen, Eh' Du die Leuchte nicht gespeist; Streich nicht die Worte, die wir brauchen, Bevor Du nicht die neuen weißt. Nichts Neues soll durch mich geschehn; Aufs Recht des Ewigen will ich sehn. Nicht Dogmen oder Kirche sollen Mir Dank für neue Formen zollen; Denn wie einmal ihr Sein begann, So ist wohl auch der Tag bestimmt, An dem ihr Sein ein Ende nimmt. Erschaffnem hängt sein finis an; Es liegt in der Verwesung Bann Und eilt, nach unverrückter Norm, Von Form zu immer neuer Form. Doch was in all dem ewig kreist, Das ist der unerschaffne Geist, Dem, nach dem Fall im Paradies, Der Heiland neue Bahnen wies: Da schlug er glaubensstark die Brück' Vom Fleisch zum Urquell Gott zurück. Heut weist er sich verblaßt, verflacht, – Ganz nach dem Gott, den Ihr Euch macht; – Doch soll aus diesen Seelenstümpfen, Aus diesen Geistestorsorümpfen, Aus diesen Köpfen sich und Händen Ein Ganzes wiederum vollenden, Daß sich, wie einst am Schöpfungstag, Gott seines Adam freuen mag! Brand unterbrechend. Leb' wohl! Ich glaub', es ist am besten, Wir trennen uns. Geht Ihr nach Westen, So ich nach Norden. Hier wie dort Erreicht man gleich geschwind den Ort. Lebt wohl! Leb' wohl! dreht sich im Abstieg noch einmal um. Scheid Licht und Dunst! Das Leben, Freund, – ist eine Kunst. winkt abwehrend. Mach' Du nur alle Dinge neu; Ich halt' dem alten Gott die Treu'! Gut, mal' ihn Du am Krückenstab; – Ich geh' und leg' ihn in sein Grab! Steigt den Felspfad hinab. schickt sich schweigend an zu gehen und blickt dem sich Entfernenden nach. steht einen Augenblick wie geistesabwesend; dann fährt sie auf, sieht sich unruhig um und fragt. Verlosch die Sonne? Nur ein Flor Verhüllt sie. Da! Schon kommt sie vor. Wie kalt der Wind hier bläst! Er weht Dort durch den Sattel. Komm, hier geht Der Weg hinab. nach Süden weisend. So schwarz und nah Stand doch vorhin der Berg nicht da. Des hattest Du vor Glück nicht acht, Eh' nicht sein Schrei Dich irr gemacht. Doch mach' er sich den Weg nur schwer, Wir spielen weiter wie bisher. Nein, nein, nicht jetzt, – ich bin's nun satt. Das gilt im Kern wohl auch von mir. Auch geht's bergabwärts nicht so glatt Als auf dem flachen Rücken hier. Doch sind wir drunten erst im Tal, So tanzen wir just zehenmal So wild und lustig durch die Welt, Als eh' er uns den Weg verstellt. – Sieh, Agnes, was dort außen blaut, Von Sonnenflimmern überbraut, Sieh, wie es nun wie Silber blinkt Und nun wie Bernstein, goldig schwer, – Das ist das große, frische Meer, Das von dort außen grüßt und winkt! Und siehst Du dort im klaren Hauch Den langen Streifen dunklen Rauch? Und siehst Du dort das schwarze Ding, Das just ums Vorgebirge ging? Den Dampfer, Du, der Dein und mein? Nun steuert er den Fjord herein. Heut abend dampft er wieder fort, In See, mit Dir und mir an Bord! – Da deckt der Nebel alles zu. – Sag', Agnes, schickst Du denn kein Wort Dem wunderbaren Schauspiel nach? blickt verloren gerade aus und sagt. O ja. Doch sag' mir, sahst auch Du –? Was? ohne ihn anzusehen und die Stimme dämpfend, als ob sie in einer Kirche wäre. Wie er wuchs, indes er sprach! Sie geht den Berg hinab. Ejnar folgt ihr. wird oben auf dem Steig sichtbar, kommt ihn herab, bleibt aber mitten auf dem Wege an einem vorspringenden Felsstück stehen und blickt in die Tiefe nieder. Ja, ich kenn' mich wieder aus! Boots- um Bootsplatz, Haus um Haus, Bergrutschhügel, Birkenstände, Alter Kirche braun Gewände, Erlgebüsch zu Baches Seiten, – Alles wie vor alten Zeiten! Aber, glaub' ich, grauer doch, Enger jede Mauer noch; Und des Berges Schneedach hängt noch Tiefer auf den kleinen Ort, Schnitt dem armen Volk der Täler Seinen Himmelsteil noch schmäler, Drohet, lastet, schattet, – drängt noch, Stiehlt noch mehr der Sonne fort. Setzt sich und sieht in die Ferne. War der Fjord auch dazumal Schon so häßlich, eng und kahl? Wie der Regen fegt! Da fliegt Ein Raasegel breit zum Lande! Dort ans Grau der Felswand liegt – Hinter Boot und Steg im Sande – Rotbraun ein Gehöft geschmiegt; 's ist der Witwe Hof am Strande. Alter Hof! Du sahst mich jung! Fülle der Erinnerung! Dort, am Strand voll nackter Steine, War mein Kinderherz alleine. – Über mir liegt's dumpf und klamm, Liegt's wie Last, in einem Stamm Heim zu sein, des Geist die Erde Suchte, statt, was aus uns werde. Was ich Herrliches gewollt, Nun wie ferner Donner rollt. Mut und Macht war nur Gebärde, Herz und Faust verzagt dem Stoß. Hab' ich mich mir selbst verloren, Zu viel Heimat aufbeschworen? – So erwacht gezähmt, geschoren, Simson in der Metze Schoß. Blickt wieder hinab in die Tiefe. Sieh, welch Leben und Begeben? Überall aus Tür und Tor Strömen Weiber, Männer vor. Zwischen Erd- und Felsenhängen Sieht man sich die Reihen drängen, Bald bergab und bald empor; – Und die Kirche scheint ihr Streben. Steht auf. O, wie Euch mein Blick durchdringt, Schlaffe Seelen, schlaffe Sinne! Eurem Vaterunser wohnt Ja nur so viel Willen inne, Ja nur so viel Ernst und Wahrheit, Daß zu dem, der droben thront, Mit des Klanges voller Klarheit Nur die vierte Bitte klingt. Die ist Eure Losung ja Nun geworden und geblieben. Als die einzige der sieben Allen Herzen eingeschrieben, Liegt sie nun, ein sturmvertrieben Wrack des ganzen Glaubens da. Fort! Es brütet wie der Fluch Dumpfer Grabluft auf Euch allen! Hier kann keiner Fahne Tuch Frei vor frischen Winden wallen. Wendet sich zum Gehen; ein Stein fliegt von oben her und rollt den Steig herab, bis dicht vor seine Füße. ruft hinauf. Heda! Wer wirft da Steine? Gerd, ein Mädchen von fünfzehn Jahren, läuft oben auf dem Kamm, die Schürze voller Steine. Ha! Ich traf! Er schrie! Wirft abermals. Was machst Du da! Dort wippt er sich in sichrer Rast Auf einem windgebrochnen Ast! Wirft zum dritten Mal und schreit. Da kommt er wieder! Böses Tier! Zu Hilfe! Hu! Er hackt nach mir! In Gottes – Pst! Wer bist Du dort? Steh still, steh still; jetzt fliegt er fort. Wer? Sahst Du nicht den Fürchterlichen? Nein, nichts. Den Habicht voller Wut, Den Schopf flach in die Stirn gestrichen, Die Augenränder rot wie Blut! Wo geht Dein Weg? Zur Kirche. Nun, Den können wir zusammentun. Wir? Nein, ich muß hier aufwärts. weist nach unten. Ja, – Die Kirche liegt doch da ! sieht ihn höhnisch lächelnd an und weist hinab. Wo? Da ? Nun freilich; komm nur! Nein, mir graut! Dir graut? Wovor? Die ist zu klein. Sahst Du schon größere gebaut? Schon größere? Das muß wohl sein. Leb' wohl! Steigt aufwärts. Geht dort Dein Kirchenpfad? Der führt ja nach dem wilden Grat. Die Kirche, Mann, zu der ich geh', Ist auferbaut aus Eis und Schnee. Aus Eis und Schnee! Jetzt komm' ich drauf! Vernahm ich doch von Kindheit auf, Da drinnen bärg' der Gipfel Flucht Die Wunder einer Gletscherschlucht, Eiskirche, glaub' ich, zubenannt. Davon erzählt man viel im Land. Der Grund sei ein gefrorner See, Das Dach erstarrter Firnenschnee, Der seine Wucht von Wand zu Wand Wie eine weite Wölbung spannt. Ja, nennt's nur Fels- und Gletscherloch; Das macht nichts; Kirche bleibt es doch. Geh nicht dorthin; ein Wind erwacht, – Die Kruste bricht, die Decke kracht, – Ein Schrei, ein Schuß schon ist genug – ohne auf ihn zu hören. Komm mit; dort liegt ein Renntierzug, Der, abgestürzt, erst wenn es taut, Im Lenz, die Freiheit wiederschaut. Geh nicht dahin, wo Tod Dir droht nach unten weisend. Geh nicht dahin; denn dort ist Tod! Gott sei mit Dir. So komm doch, komm! Dort singt Lawin' und Fall Dich fromm, Dort predigt Dir der Gletscherwind, Daß es Dich heiß und kalt durchrinnt. Und fürchte nicht des Habichts Zorn; Der setzt sich auf das schwarze Horn; – Da hält der grause, finstre Gast Als Hahn auf meinem Kirchturm Rast. Wild ist Dein Weg, Dein Geist ist wild, Zersprungner Laute traurig Bild. Gar leicht wird bös in gut verkehrt, Nur Schlechtes ändert nie den Wert. Da rauscht sein Flügelschlag heran! Jetzt heißt es heimwärts, fremder Mann! Die Kirche ist mein sichres Haus, – Hu, wie er ankommt, arg und graus! Schreit. Komm mir nicht nah! Laß mich in Ruh! Hackst Du nach mir, so schlag' ich zu! Flüchtet den Berg hinauf. nach einer Pause. Bist auch ein Kirchgast. Der im Eis – Und der im Tal –! Wem ziemt der Preis? Wer tollt am wildesten hinaus, Wer flieht am weitsten Heim und Haus, – Der Leichtsinn , der mit Laub im Haar Dahintanzt, allen Ernstes bar, – Der Stumpfsinn , der des Weges trollt, Weil's schon die Väter so gewollt, – Der Wahnsinn , der so grausam irrt, Daß ihm schier gut aus böse wird? Wohlan denn! Auf zum grimmen Tanz Mit dieser Tripelallianz! Hell grüßt mich mein Beruf –: So bricht Durch aufgestoßne Fenster Licht! Kein Rasten, bis dem Weh der Welt Zur Sühne dieser Trollbund fällt! Erst wenn das Grab die drei empfahn, Dann ist die Pest von uns getan. Auf, Seele! Schwert heraus! Es gilt Den Kampf für Gottes Ebenbild! Er steigt nach dem Dorf hinab. 2. Akt Zweiter Akt Unten an dem von schroffen Bergwänden umschlossenen Fjord. Auf einer kleinen Anhöhe in der Nähe die alte, verfallene Kirche. Ein Unwetter zieht herauf. Volk, Männer, Weiber und Kinder, teils am Strande, teils weiter oben in Gruppen. In ihrer Mitte sitzt der Vogt auf einem Stein; ein Schreiber hilft ihm bei der Verteilung von Korn und Lebensmitteln. Ejnar und Agnes stehen in einiger Entfernung, von einer Anzahl Leute umringt. In dem von der Ebbe freigelegten Sande liegen ein paar Boote. Brand wird auf dem Kirchenberg sichtbar, ohne zunächst noch von der Menge bemerkt zu werden. arbeitet sich durch das Gedränge. Macht Platz! Ich war zuerst da! schubst sie zur Seite. Pack' Dich weg! Drängt sich zum Vogt vor. Herr, gebt mir meinen Sack! Geduld. Daheim ist bittre Not; Da hungern vier sich – fünf sich tot! spaßend. He? Zählen ist ein schwierig Ding! Eins lag im Sterben, als ich ging. Die Liste, Schreiber! Zu dem Bauern, während er in seinen Papieren blättert. Tritt zurück! Du stehst doch drin –? Ja. 's war Dein Glück. Zum Schreiber. Der Nummer Dreißig ausgeteilt! – Na, Leute, nur nichts übereilt! Niels Schneesumpf! Hier! Dein Teil heut macht Nur halb so viel als vordem, da Ihr nun doch weniger – Ja, ja. Mein Weib starb akkurat heut nacht. notiert. Fällt weg. Gespart wird nie genug. Zu dem sich Entfernenden. Doch bloß nicht jetzt in vollem Zug In eine neue Eh'! kichert. Hi, hi! scharf. Worüber lachen Sie? Weil Sie, Herr Vogt, so spaßig reden. Wie –? Mir ist durchaus nicht so zu Mut. Doch macht ein Scherz gar manches gut. tritt mit Agnes aus der sie umgebenden Gruppe. Nun gibt die letzte Tasch' nichts mehr, – Notizbuch, Beutel, alles leer; – Ein Bettler schier komm' ich an Bord Und helf' mit Uhr und Stock mir fort. Ja, Ihr zwei kamt zur rechten Stund'. Was ich gesammelt, ist zum Lachen. Ein jeder weiß, es macht nicht satt, Wenn leere Hand, halbvoller Mund Mit dem, der nichts zu beißen hat, Ihr karges Mahl gemeinsam machen. Bemerkt Brand und zeigt auf ihn. Willkommen! Trieb Sie der Bericht Der Hungersnot nach dieser Küste, So schonen Sie Ihr Ränzel nicht! Wir nehmen jeglichen Betrag, Denn unser Vorrat geht zur Rüste; – Zween Fischlein in der Armut Wüste Sind keine Mahlzeit heutzutag. In eines Abgotts Namen sind Zehntausend Körbe Spelt im Wind. Ich lud Sie nicht zu Worten ein. Dem leeren Bauch sind Worte Stein. Du weißt nicht, wie das Volk hier litt. Sonst fühltest Du sein Elend mit! Hier ist ein Grab voll bittern Wehs. Hier liegen Leichen – Ja, ich seh's. An jedes Aug's bleigrauem Rand Erkennt man hier des Richters Hand. Und trotzdem bleibt Ihr Herz wie Stahl? tritt hernieder unter die Menge und spricht mit Nachdruck. Wär' 's Leben hier gedrückt und schal, Ging' trägen Gangs in Eintagsnot, Erbarmte mich dies Schrein nach Brot. Wenn Du auf Vieren kriechen mußt, Erwacht das Tier in Deiner Brust. Schleicht Tag um Tag in dumpfer Ruh', Im Schlaftrott, wie ein Leichenzug, Da raunt Dir leicht Verzagtheit zu, Du seist getilgt aus Gottes Buch. Euch aber ist der Herrgott gut, Euch träuft er Todesangst ins Blut, Euch geißelt er bis dicht vors Grab, Nimmt wieder Euch, was er Euch gab – unterbrechen ihn drohend. Er höhnt uns noch in unsrer Not! Er gönnt Euch nicht das bißchen Brot! schüttelt den Kopf. O ülf' Euch doch mein rotes Blut Gleich eines Heilquells Wunderflut, Ich öffnete der Adern Deich, Bis jede Vene leer und bleich. Doch damit mißverständ' ich Ihn ! Seht, Gott will Euch dem Staub entziehn! Ein rechtes Volk, – ist's auch nicht stark, – Entsaugt dem Unglück Macht und Mark; Der Geist steigt adlergleich empor, Vom Auge sinkt des Eintags Flor, Der Wille wirft sein Haupt zurück Und weiß: ihm wird des Sieges Glück. Doch wen nicht adelt, was ihn schmerzt, Der hat, daß Gott ihm hilft, verscherzt! Da zieht ein Wetter auf, seht, seht, – Wie durch sein Wort herbeigeweht! Gott straft ihn noch! Ich sag's vorher! Dein Gott tut keine Wunder mehr! Welch' Wetter! Steinigt, stecht ihn fort! Was will der Unmensch hier am Ort! Das Volk schart sich drohend um Brand. Der Vogt tritt dazwischen. Ein Weib, verwildert und zerrissen, kommt den Berg hinabgeeilt. schreit der Menge zu. In Jesu Namen, steht mir bei! Was gibt's? Wo fehlt's? Red' frank und frei! Ich brauch' nicht Euer Brot und Geld! Mich traf das Ärgste von der Welt! Nun, was denn? Sprich! Ich kann nicht –! Wo Ist Euer Pfarrer? Danach rufst Du hier umsonst – Verloren! O! Hart warst Du, Gott, daß Du mich schufst! nähert sich ihr. Vielleicht ist doch ein Priester hier. ergreift ihn am Arm. So hab' Erbarmen, schaff' ihn mir! Erst sprich! So tu' ich, was ich kann. Quer überm Fjord – Nun, was? Mein Mann – Kein Brot – drei magre Kinderlein – – Sag', er ist nicht verdammt! Sag' nein! Sprich erst. zeigt auf ihre Brust. Verdorrt war ich und leer; Nicht Gott, nicht Menschen halfen mehr; Das Jüngste lag am Tod, – da trug's Mein Mann nicht mehr, – und er – erschlug's –! Erschlug's –? entsetzt. Sein Kind! Im selben trat Ihn an die Sünde seiner Tat! Anfiel die Reu' ihn wie ein Brand, Ans eigne Leben legt' er Hand. O komm, trotz Sturm und Wellennot! Er flucht dem Leben, bebt vorm Tod, Die Leich' im Arm liegt er und nennt Des Bösen Namen ohne End'! für sich. Ja, hier ist Not. bleich. Er stirbt verdammt. Der Mann gehört nicht in mein Amt. kurz, zu der Menge. Ein Boot los! Und begleit' mich einer! Bei diesem Wind? Das wagt Dir keiner! Den Fjord rund läuft ein Steig – Nein, nein. – Der Weg ist jetzt zu ungewiß; Ich kenn' ihn, doch der Sturzbach riß Dicht hinter mir den Holzsteg ein! Ein Boot macht los! Unmöglich jetzt, Wo sich die See so widersetzt! zeigt nach dem andern Ufer. Dort kommt's herunter, – Fels und Strauch! Der ganze Fjord ist Staub und Rauch! Solang' der Sturm so drohend spricht, Enthebt der Propst Dich Deiner Pflicht! Ein Sünder, dessen Stunde schlägt, Verzieht nicht, bis ein Sturm sich legt! Springt in ein Boot und zieht das Segel auf. Ihr wagt das Schiff? Das wohl; – doch bleib! Wohlan! Wer wagt nun seinen Leib? Ich nicht. Ich auch nicht. Bei dem Wehn! Das hieß' blind ins Verderben gehn! Ja, Euer Gott hülf' keinem fort, Doch meiner , wißt, ist mit an Bord! ringt die Hände. Er stirbt! ruft vom Boote aus. Wenn sich nur einer stellt, Der schöpft und vorn am Fock sich hält! Hier gab doch grad' manch wackrer Mann; – Gebt mehr noch! Gebt Euch selbst noch dran! zurückweichend. Verlang' das nicht! drohend. Gib's auf, Dein Spiel! Was Gott zuviel, ist Gott zuviel. Das Wetter wächst! Die Kette sprang! hakt sich mit dem Bootshaken fest und ruft dem fremden Weibe zu. So komm denn Du; doch säum' nicht lang'! weicht zurück. Ich? Wo kein Mensch –? Nur Gott vertraut! Ich kann nicht! Nicht –? Die Kinder, schaut! lacht auf. Sand ist der Grund, darauf Ihr baut! wendet sich mit glühenden Wangen rasch nach Ejnar um, legt ihm die Hand auf den Arm und sagt. Hast Du gehört? Der gibt sich nicht! AGNES Mit Gott! So kennst Du Deine Pflicht! Ruft Brand zu. Sieh her, hier springt Dir einer bei, Der Deiner, hoff' ich, würdig sei! So komm! bleich. Ich? Geh! Ich opfre Dich! Die Blindheit, die mich schlug, entwich! Eh' ich Dich kannte, hätt' ich mich Freiwillig selbst geopfert, – jetzt – bebend. Jetzt –? – wär' zuviel aufs Spiel gesetzt; – Ich kann nicht! weicht zurück. Was hast Du gesagt? Ich darf nicht! mit einem Aufschrei. Jetzt, Gott sei's geklagt, Hat reißend sich, sturmüberfegt, Ein Weltmeer zwischen uns gelegt! Zu Brand. Ich komme! Gut; so fahren wir! entsetzt, während sie in das Boot springt. Hilf, Jesus! greift verzweifelt nach ihr. Agnes! eilt hinzu. Halt! Bleibt hier! Wo liegt die Hütte? zeigt hinaus. Dreh' das Schiff Dort drüben um das schwarze Kliff! Das Boot stößt ab. schreit ihnen nach. Der Mutter denk, der Brüder! Mord' Ihr Glück nicht! Hier sind drei an Bord! Das Boot segelt ab. Das Volk schart sich auf den Höhen zusammen und verfolgt es mit höchster Spannung. Er macht's! Glaub's nicht! Jawohl! Ich seh', Er hat das Achter schon in Lee! Ein Windstoß! Hei, der traf sie gut! Seht, – da entführt er ihm den Hut! Schwarz, wie ein Rabenflügelpaar, Schlägt wild im Sturm sein nasses Haar! In Rauch und Dampf steht alles! Still! Was schrie da grad' so grell und schrill? 's kam von den Höhn. zeigt nach oben. Da steht die Gerd Und johlt, wie er vorüberfährt! Schaut, wie sie in ein Bockshorn stößt Und Stein um Stein vom Abhang löst! Jetzt wirft sie 's Horn ins Heideland Und tutet durch die hohle Hand! Ja, tut' und gröhl' nur, wüster Troll, Den Mann, den irrst Du keinen Zoll! Wenn's wieder not tut, – steuert er , Geh' ich bei schwererm Sturm aufs Meer. Was war er? Pfarrer. Was er war, – Er war ein Mann ; so viel ist klar! In ihm war Trotz und Kraft und Mut. Der tät' uns hier als Pfarrer gut! Ja, der tät' uns als Pfarrer gut. Sie zerstreuen sich über die Höhen. sucht seine Papiere und Bücher zusammen. Es war zum mind'sten inkorrekt, Daß er den Kopf hierein gesteckt Und ohne zwingendes Motiv Gefahr an Leib und Leben lief. – Ich sorg' gewiß für allesamt, – Doch allzeit nur in meinem Amt. Ab. Vor der Hütte auf der Landspitze. Es ist hoher Tag. Der Fjord liegt blank und still. Agnes sitzt unten am Strande. Gleich darauf tritt Brand aus der Tür. Er ist tot. Nun, wie geborgen Vor den Schrecken des Gerichts, Stillen, großen Angesichts, Liegt er, licht und frei von Sorgen. Wie der Tod doch Nacht in Tag Trügrisch umzuglühn vermag! Seinem höllischen Vergehen Sah er nicht bis auf den Grund, – Sah nicht mehr, als was ein Mund Nennt, was man mit Händen tastet, Was auf seinem Namen lastet: Was dem Kind von ihm geschehen. Doch die beiden, die voll Graun Ihre Augen an ihn hängten Gleich zwei Vögeln, eng gedrängten, Die vom Herddach niederschaun, – Sie, die blöd' und ratlos sahn, Was für Dinge da geschahn, – Deren Seele sich ein Fleck Einfraß, den kein glühend Eisen, Keine Säure aus ihr weg Tilgt, – und würden sie zu Greisen, – Deren Keime aus den Schollen Solchen Erdreichs brechen sollen, – Deren Wachstum, Zoll um Zoll, Solch ein Fluch beschatten soll, – Sie, die dieser Nachtgedanke Nimmermehr verlassen kann, – Sie, sie sah er nicht, der Kranke, Nicht, wie seiner Tat Geranke Sich um sie als Erben spann. – Und das Schuldbuch wird vielleicht Weiter fort und fortgereicht, Weil, – o Abgrund, der hier ruht! – Weil sie ihres Vaters Blut! Was wird still gestrichen werden, Was mild ausgeglichen werden? Wie weit schreibt sich eines jeden Haftpflicht für ererbte Schäden? Wer wird zeugen, wer wird richten, Wenn es gilt, den Stoff zu sichten? Wer wird dann die Wahrheit wissen, Wo ein jeder Delinquent? Wer darf weisen sein zerschlissen, Übertragen Dokument? Schwindeltiefe Rätselnächte, Wer Euch je zum Reden brächte! Doch von Sinnen und Verstande Tanzt der Schwarm an Abgrunds Rande; – Alle sollten zittern, beben, – Doch nicht einer sieht von tausend, Welch ein Berg von Schuld sich grausend Auftürmt auf dem Wörtlein: leben . Einige Männer aus dem Dorfe kommen hinter dem Hause hervor und nähern sich Brand. Wir treffen uns zum zweiten Mal. Zu spät; zu End' ist seine Qual. Mag sein; doch ist's mit ihm vorbei, – Drin in der Stube sind noch drei. Nun, und –? Wir haben von dem da, Womit man uns im Dorf versah – Und gäbst Du alles – außerm Leben, So wisse, Du hast nichts gegeben. Hätt' ihm, der jetzt da drinnen tot, In seinem Nachen Not gedroht, Und hätt' er dort um Hilf' geklagt, Weiß Gott, ich hätt' mich dran gewagt. Doch Seelennot, – sie hat kein Recht? Wir sind ein arm, geplagt Geschlecht. So kehrt auch Eure Augen ganz Von Sonnenschein und Firnenglanz! Laßt nicht das linke aufwärts zücken Und hängt das rechte unverwandt Ans Tal, wo Ihr, mit krummen Rücken, Euch selber habt ins Joch gespannt. Ich hatt' gedacht, Dein Rat wird sein, Wir sollten uns daraus befrein. Ja, könntet Ihr's! Das steht bei Dir. Bei mir? Schon mancher wies uns hier Den Weg und sprach uns mahnend zu; – Doch keiner ging den Weg, wie Du . Du meinst –? Es prägt sich eine Tat Mehr ein denn tausendfacher Rat. In uns geht unser Dorf Dich an; – Denn, was uns not tut, ist ein Mann . unruhig. Was wollt Ihr? Unser Pfarrer sei! Ich? Hier! Daß unsere Pfarrei Vakant ist, fand ja wohl Dein Ohr. Ja, jetzt besinn' ich mich – Vor Zeiten, Da konnt' der Sprengel viel bestreiten. Doch Mißwachs kam, das Korn erfror, Von Seuchen fielen Volk und Vieh, Den Rest warf Armut auf die Knie, Daß jedermann den Mut verlor; – Kaum daß man noch sein Brot bestritt! Da fiel denn auch der Pfarrer mit. Heisch' was Du willst, doch solches nicht! Mein wartet eine höhre Pflicht. Ich brauch' des Lebens großes Führen, Ich brauch' der Erde offne Türen. Doch hier? In einem Felsenkerker Hat Menschenzunge nicht Gewalt. Antworten Felsen, hallt nur stärker Das Wort, das voll und kräftig schallt. Wer schlöss' sich ein in finstrer Zellen, Besäß' er weit und breit das Land? Wer ackerte Geröll und Sand, Wär' ihm ein Erbgut zu bestellen? Wer wollt' von Kernen Frucht empfahn, Wenn sich am Baum die Äpfel röten, – Wer sich in stumpfem Tagwerk töten, Winkt' ihm ein Weltkreis aufgetan? Dein Tun war klarer als Dein Wort. Was drängt Ihr mich! An Bord, an Bord! Will gehen. vertritt ihm den Weg. Ist dieser Ruf, der an Dich geht, Das Werk, danach Dein Wille steht, Dir wirklich wert? Dies Werk ist mir Mein Leben selber! So bleib hier! Mit Nachdruck. Und gäbst Du alles – außerm Leben, So wisse, Du hast nichts gegeben. Dein Selbst, das kannst Du nicht verschenken, Nicht Deinen innersten Beruf. Umsonst, den Sturzbach abzulenken, Wenn Gott ihn der Bestimmung schuf, Den Lauf zum offnen Meer zu senken! Ob Sumpf und Teich sich widersetzt, Als Tau erreicht er's doch zuletzt. sieht ihn fest an. Wer lehrte solches solchem Munde? Du selbst, in jener großen Stunde, Da Du Dich, spottend unsrer Angst, Durch Wind und Wellen vorwärts rangst, Da 's Dich, der armen Seel' zulieb, Durch Wogenbraus und Sturmgraus trieb; – Da überlief's uns, jung und alt, Wie Wind und Sonne, heiß und kalt, Da klang's wie Osterglockenchor – – Senkt die Stimme. Doch morgen ist's wohl wie zuvor. Da ziehn wir wieder, trüb, allein, Die Auferstehungsfahnen ein. Unkraft ist nimmer zukunftsvoll. Hart. Wer das nicht sein kann, was er soll , – Der sei nur ernstlich, was er kann , Sei ganz und gar der Erde Mann. sieht ihn eine Weile an und sagt dann. Weh' Dir, der auslosch, da er ging; Weh' uns, die kurzer Tag umfing! Er geht; die übrigen folgen ihm still. sieht ihnen lange nach. Schweigend, mit gebeugten Rücken, Zieht der stille Haufe fort; Seine schweren Füße rücken Müd' und matt ihn kaum vom Ort. Jeder geht, den Leib zusammen- krümmend, furchtgeschwächten Knies, – Geht wie der, von dem wir stammen, Da der Cherub ihn verstieß, – Beut, wie er, den Finsternissen Schläfen schuld- und kummerschwer, – Trägt sein harterkauftes Wissen, Sein verloren Glück wie er. Menschen hab' ich schaffen wollen, Neu und ganz und hehr und rein; – Was ist diesen Makelvollen Noch mit Gottes Bild gemein! Fort! Zu reichern Möglichkeiten! Helden können hier nicht streiten. Will gehen, bleibt jedoch beim Anblick der am Strande sitzenden Agnes stehen. Wie sie lauscht! Als schwängen Saiten Ihr nur hörbare Akkorde! Lauschend so, saß gischtumstaubt sie, Da das Boot den Sturm durchstampfte, – Lauschend hielt sie sich am Borde, – Lauschend schüttelte das Haupt sie, Wenn's die Flut zu dicht umdampfte. Als ob Ohr mit Auge tauschte, Ist's – und mit dem Aug' sie lauschte! Nähert sich ihr. Sind es, Mädchen, wohl des Strandes Linien, drauf Dein Auge feiert –? ohne sich umzuwenden. Nicht des Strandes noch des Landes; Beide liegen mir verschleiert. Eine größre Welt erspäh' ich; Scharf zur Luft steht ihre Ründung; Meere, breiter Ströme Mündung, Sonnengold durch Nebel seh' ich; Seh' um wolkendunkle Gipfel Purpurlohe ziehn und schwinden, Seh' die endlos öden Watten Einer Wüste; Palmenwipfel Schwanken dort in heißen Winden, Werfen lange, schwarze Schatten; Lebens ist kein Hauch zu finden, – Still ist's wie am Schöpfungstage; Und ich höre Stimmen klingen, Höre Zungen mir befehlen: Wirf Dein Alles in die Wage! Schweres steht Dir zu vollbringen, – Diese Welt sollst Du beseelen! mitgerissen. Sag', was siehst Du mehr? legt die Hand auf die Brust. Hier innen Merk' ich Kräfte heimlich brauen, Spür' ich Quellen schwellend rinnen, Schau' ich Dämmerungen grauen. Wie ein All, nach allen Seiten Fühl' ich mein Gemüt sich weiten, Und ich höre mir befehlen: Diese Welt sollst Du beseelen! Was an Taten und Gedanken Alles kommen soll, erhebt sich, Flüstert, atmet, regt, belebt sich, Drängt nun in des Lebens Schranken: Und ein Ahnen mehr als Sehen Zeigt mir Ihn dort oben stehen, Wie er niederblickt, das Herz Voller Liebesglut und Schmerz, Licht und mild wie Morgenrot, Und betrübt doch bis zum Tod; Und ich höre Stimmen klingen: Auf zum neuen Schöpfungstage! Nun steigt oder sinkt die Wage; – Schweres steht Dir zu vollbringen. In – ja – in Dich! Dahin weist es! Dahin rollt das Rad des Geistes! Du, Dein Herz, – das sei die Sphäre, Die sich göttlich neugebäre, – Da des Willens Geier sterbe, – Die der neue Adam erbe! Geh' die Welt denn ihren Gang Unter Seufzen oder Sang; – Aber prallen wir zusammen, Trachtet sie mir Untergang, Dann, beim Himmel, setzt es Flammen! Eins begehrt ein Mann allein: Bahn frei, ganz er selbst zu sein; – Mag er alles sonst entbehren, – Dies Recht soll ihm keiner wehren. Verstummt auf eine Weile in Gedanken und sagt dann. Ganz er selbst! Doch das Gewicht Ihm vererbter Schuld und Pflicht? Hält inne und blickt auf. Wer ist die dort mit dem Stecken? Keuchend kommt, verkrümmt, verschrumpelt, Sie den Berg herauf gehumpelt, Bleibt, sich zu verschnaufen, stehn, Stützt sich auf, nicht umzufallen, Wühlt mit magern Fingerkrallen Hastig in den tiefen Säcken, Wie nach einem Schatz zu sehn. Über schlotternden Gebeinen Schlenkert's wie ein Federhemd, Und die krummen Hände scheinen Eines Habichts, der in einen Scheunentorspalt eingeklemmt. Plötzlich erbangend. Ha! Welch frostiges Entsinnen! – Treibt ein Spuk hier seinen Spott? Grabkalt fühl' ich's von ihr rinnen, – Doppelt grabkalt stürmt's hier drinnen! – – Meine Mutter! – Großer Gott! bleibt, den Berg heraufkommend, stehen, zunächst nur halben Leibes sichtbar. Sie beschattet die Augen mit der Hand und sieht sich um. Hier muß er sein. Kommt näher. Dies Teufelsbrennen Und -flimmern schafft mir Höllenpein! Bist Du mein Sohn? Ja. reibt die Augen. Hu! Der Schein Sticht einem ins Gesicht hinein; Man kann nicht Pfaff und Bauer trennen. Daheim sah ich die Sonne nie – Vom Herbst an, bis der Kuckuck schrie. lacht in sich hinein. Nein, da erfriert eins allgemach, Als wie der Eisbart überm Bach, Und faßt zuletzt zu allem Mut Und denkt: Gott hält Dir's wohl zu gut. Willkommen und Lebwohl! Es eilt. Ja, ja, Du hast nie gern verweilt. So liefst Du weg als Junge schon – Du warst's, die mir zu gehn gebot. Ich hatte meine Gründe, Sohn; Denn daß Du Priester wardst, tat not. Betrachtet ihn näher. Hm, stark ist er geworden, groß! Doch horch mir nun auf Eines bloß: Acht' auf Dein Leben! Auf nichts mehr? Nichts mehr? Was hast Du mehr auf Erden? Ich meine, kommst Du nur hierher, Mir dies zu raten? Andre werden Dir andres raten. Doch Dein Leben Erhalte der, die Dir's gegeben! Zornig. Dran heut sich weit die Zungen wetzen, Verschlug mir Sinn und Atem fast. Heut auf den Fjord! Aufs Spiel zu setzen, Was Du für mich zu wahren hast! Du bist der letzte des Geschlechtes, Du bist mein Sohn, mein Fleisch und Bein, Du krönst mein teures, kunstgerechtes Gebäud' als letzter, höchster Stein. Halt aus! Steh fest! Leb', weil es Zeit ist! Acht' auf Dich selbst! Vergiß Dich nicht! Zu leben ist des Erben Pflicht, – Des meinen, – wenn es einst so weit ist. Drum also kommst Du heut gegangen: Mit vollen Taschen mich zu fangen –? Sohn, bist Du toll! Weicht zurück. Komm mir nicht nah! Bleib stehn! Ich schlag' Dich mit dem Stabe! Ruhiger. Was meintest Du damit? – Nun ja, Man altert Jahr um Jahr, und da Ist jeder Schritt ein Schritt zum Grabe. Dann fällt an Dich, was ich besessen. Gezählt, gewogen und gemessen Liegt alles. – Ich hier hab' nichts mit! – Daheim liegt alles. 's will nichts heißen; Doch wer's mal erbt, hat doch zu beißen. – Komm mir nicht näher! Keinen Schritt! – Ich schwöre Dir, in keiner Ritze Was zu verstecken, keinen Topf Wo einzuscharren, keinen Knopf Verdeckt von einem Mauersteine, Von einem Dielenbrett zu lan; – Du, Sohn, sollst all mein Erbe han; Das ganze fällt an Dich alleine. Und von Bedingungen? Nur eine: Erhalt Dein Leben dem Besitze, Und erb' ihn fort von Sohn zu Sohn; Ich will mir keinen andern Lohn. Und sorg' mir, daß nichts durchgebracht wird, Geteilt wird oder losgemacht wird; – Vermehr' ihn oder nicht; nur wahr', Nur wahr' ihn wachsam Jahr um Jahr! nach einer kurzen Pause. Eins werde klar zwischen uns zwein: Von Kind auf war ich stets Dein Nein. Nie war'n wir Sohn und Mutter, Frau, Bis ich nun groß und Du nun grau. Ich fordre weder Patsch noch Schmatz. Sei, wie Du willst, eiszapfenkalt, Harsch, barsch, – an meinem Busenlatz Sind schlimmre Dinge abgeprallt; Nur halt ums Erb' die Faust geballt! Das bleib' in unsrer Sipp' Gewalt! tritt ihr einen Schritt näher. Und wenn nun's Gegenteil mich freute, – Daß ich's in alle Winde streute? taumelt zurück. Verstreuen, was manch Knechtschaftsjahr Gekrümmt mein Kreuz, gebleicht mein Haar? nickt langsam. Verstreun, ja. Tätst Du diesen Schritt, Du streutest meine Seele mit! Und irrt' ich doch nun Dein Bemühn, Wenn Du den letzten Seufzer tust, Die Lichter vor dem Lager glühn, Und Du, 's Gesangbuch in den Händen, Die erste Nacht des Todes ruhst, – Und brächt', was nur die Finger fänden, Der Zettel all erwühlten Wust, Zuletzt der Kerze gieren Bränden? – nähert sich in Spannung. Wo hast Du den Gedanken her? Woher? Soll ich erzählen? Ja! Von einem Nachtspuk, der mich schwer Bedrückt, seit ich, als Kind, ihn sah; Der meiner Seele ward zur Qual Wie einer Hasenscharte Mal. Herbstabend. Vater war nicht mehr; Du lagst als krank. Ich schlich hinein, – Da schlief er bleich im Kerzenschein. Aus einem Winkel starrt' ich bang Nach ihm und sah, er hielt ein Buch; Mich schreckte seines Schlafes Schwere, Der Adern bläulich blasse Leere; Ich roch das kalte Leichentuch; – Da hört' ich Tritte her vom Gang; – Ein Weib ging, – ohne mich zu sehn, – Zum Bett hin auf gereckten Zehn, Hub an sich drüber hinzubücken, Den Toten hin und her zu rücken, – Um Bund auf Bund hervorzuziehen Und zählend, flüsternd hinzuknieen, – Bis eine pralle Lederkatze Ans Licht kam, gierig aufgerissen, Nein, aufgekratzt und aufgebissen, – Und grub und grub, bis alles leer war, Und zählte, schmälte, daß nicht mehr war, Und weinte, klagte, schalt und schwur, Stets Weitrem witternd auf der Spur, – Und dann – mit Jubels Überschwang, Ein Falke, schoß sie auf den Fang. Zuletzt war alles umgedreht; Sie ging, wie ein Verdammter geht, Den Fund in ihren Schurz geschicht't Und stöhnend: Mehr war's also nicht. Groß war die Fordrung, klein der Fund; Ich war betrogen bis zum Grund. Noch mehr. Der karge Sündenlohn Betrog Dich auch noch um den Sohn. Ja, 's ist nun mal der Lauf der Welt: Mit Blute kauft sich Gut und Geld. Ich zahlte hohen Preis genung; Mich deucht, ich ließ mein Leben jung. Ich ließ, was längst sich nun empfahl, – Ein Ding wie Wind und Sonnenstrahl, Ein Ding, das dumm und schön zumal; Ein Ding, des Name kaum mir blieb; Ich glaub', die Leute schalten's Lieb'. Ich weiß noch gut, wie's an mir fraß, Noch gut, wie mir's der Vater las: Was ist der Häuslerssohn Dir nütze! Der Brand, ob auch ein welker Ast, Das ist ein Kerl von Grips und Grütze! Der mehrt Dir doppelt, was Du hast! – Ich nahm ihn; Schimpf war mein Gewinn. Er bracht' es nie und nie dahin. Doch ich hab' Tag und Nacht geheckt, So daß der Rest nun balde kleckt. Und denkst Du, nun 's zu Grabe geht, Auch, wie's um Deine Seele steht? Daß ich dran dacht', am besten wies, Daß ich Dich Priester werden hieß. Trifft mich mein Los und Dich Dein Teil, So sorg' für meiner Seele Heil! Ich hab' den sau'r erworbnen Hort, Du hast den Trost, die Macht, das Wort. So klug Du warst, Du täuschtest Dich. Du sahst im Licht der Heimat mich. So rechnend gehn der Eltern mehr Hier hinter ihren Kindern her. Ihr meint, das Kind hab' nur der Alten Erbtrödel weiter zu verwalten. Der Ewigkeit ein blasser Schein Geht Eure Seelen aus und ein; – Ihr langt nach ihm, dem Wahn geneiget, Er sei schon Euer, wann nur fein Ihr Sipp' und Erb' zusammenzweiget, – Daß Tod vor Leben dann verstumme – Und Ewigkeit Euch werd' als Summe Hochaufgehäufter Jahresreihn. Forsch' nicht in Deiner Mutter Sinn, Und nimm Dein Erb', wenn 's Dein wird, hin! Und Deine Schuld? Schuld? Welche denn? Ich schulde keinem was. Doch wenn –! So müßt' ich all dem Gut entsagen, Bis jede Schuld glatt abgetragen. Ein Sohn, geht seine Mutter ruhn, Muß jeder Fordrung Gnüge tun Und übernähm' ich 's Haus stockleer, – Dein Schuldbuch doch mein Erbe wär'. Das fordert kein Gesetz. Nein, keins, Das Tint' und Feder schrieb, doch eins, Das jedes braven Sohns Gemüt Mit mahnender Gewalt durchglüht; – Und dem Gesetz soll gnug geschehn. Verblendete, so lern' doch sehn! Daß Du den Herrn in Dir erniedert, Dein Seelenlehen öd' vertan, Daß Du das Bild, das Du empfahn, In Kot gezogen und beschmutzt, Daß Du den Geist, einst reich gefiedert, Im Weltgetümmel schnöd' gestutzt, – Ist Deine Schuld ! Wo willst Du hin, Wenn Gott einst nach dem Seinen frägt? scheu. Wohin ich will? Getrost! Es trägt Dein Sohn die Schuld der Sünderin. Das Bild, dran Deine Makel kleben, In mir soll sich's geklärt erheben! Magst ruhig zu den Toten gehen. Kein Schuldbuch ängste Deine Ruh'; – Ich tilge – Schuld und all Versehen? Die Schuld. Nur diese ; hör' wohl zu. Die Schuld will ich, Dein Sohn, abtragen; Der Sünde mußt Du selbst entsagen. Das Maß des Menschlichen, das man Dem Moloch Weltlust hinwarf, kann Durch eines andern Taten sich Bezahlen bis auf Punkt und Strich; Doch daß man's also ließ verderben, Das sühnt Bereu'n bloß – oder Sterben! unruhig. Am besten ist's für mich wohl doch In meinem kühlen Schattenloch; In dieser Schwül' hier sprießt nur Keim Auf Keim vergifteter Gedanken; Man wird schier schwindlig von dem Duft. Ja, kehr' in Deinen Schatten heim. Doch fühlst Du Deine Kräfte schwanken Und sehnst Du Dich nach Licht und Luft, So schick' nach mir, so werd' ich eilen. Ja, Du mit Deinen Strafurteilen! Nein, mild als Priester, warm als Sohn, Wehr' ich den Schrecken, die Dir drohn; An Deinem Lager mein Gesang Soll trösten Dich zum letzten Gang. Das gilt so seiner Zeit wie heut? Das gilt, sobald Dein Herz bereut. Tritt näher auf sie zu. Doch Eines fordr' ich zum Entgelt. Freiwillig opfre, was die Welt Dir alles von dem ihren gab, Und schreite nackend in Dein Grab! schlägt wild nach ihm. Gebiete, daß sich Feuer, Brennen – Schnee, Frieren – Wasser, Feuchtsein trennen! Laß ab! Wirf's in den Fjord und bete, Daß Dich die Tat bei Gott vertrete. Heisch' Hunger, Durst, – nur den Verzicht, Dies größte Opfer fordre nicht! Bleibt eben dieses größte fort, So mildert nichts sein Richterwort. Ich leg' in unsern Opferkrug – Alles? Ist viel noch nicht genug? Du tust nicht eher Buße, bis Dein Herz wie Hiobs nicht zerriß. ringt die Hände. Mein' Seel' verdammt, mein Tag vergeud't! Um arme Frist mein Gut verstreut! Heim denn, und dicht ans Herz gehegt, Was heut noch meinen Namen trägt. Mein Gut, mein Schmerzenskind, mein Gut, Für Dich riß ich die Brust in Blut! Nun kommt Dein weinend Mütterlein Und wiegt ihr sterbend Kindlein ein. – War's mich im Fleisch zu schaffen not, Wenn Fleisches Lust der Seele Tod? – Halt' nah dich, Pfarrer! Weiß noch nicht, Wes Sinns ich werd', wann's Auge bricht. Muß ich, noch lebend, alles lassen, – Will ich doch in Geduld mich fassen. Ab. sieht ihr nach. Ja, Dein Sohn wird nah sich halten, Harren, Dich bereu'n zu sehn, Wärmen Deine alten, kalten Hände, wenn sie nach ihm flehn. Geht hinab zu Agnes. Als ich heut hier niederstieg, Stand mir Herz und Sinn nach Krieg, Hört' ich ferner Weisen Wecken, Sah das Schwert des Zorns mich recken, Lügen fällen, Trolle schrecken, Alle Welt zu Boden strecken. hat sich umgewendet und sieht hellen Auges zu ihm auf. Niedrig lag heut früh mein Ziel; Denn ich wollte Lug und Spiel, Wollt' gewinnen, wollt' vermehren, Was Gewinn war, zu entbehren. Holde Träume, große Träume Suchten mich gleich wilden Schwänen, Hoben mich auf breite Schwingen. Sah mich rings, in stolzem Wähnen, Schuld und Leid der Zeit bezwingen, In der Faust des Weltlaufs Zäume. Frommer Prozessionen Pracht, Hymnen, Weihrauch, Festgepränge, Goldne Schalen, Preisgesänge, Zuruf jubelnder Gedränge Sah ich meinem Werk gebracht. Alles lud so lockend ein, – Doch das Ganze war ein Traum Wie halb Blitz, halb Sonnenschein Über ferner Lande Saum. Jetzo steh' ich, wo es grauet, Lang' bevor der Tag verblauet, Zwischen Hochgebirg' und Sund, Abgesperrt vom Weltgewimmel, Nur mit einem Streiflein Himmel, – Doch ich steh' auf Heimatsgrund. Scheide, festliches Gedicht! Laß mich, Flügelroß, zur Erden! Mich erharrt ein höher Ziel Denn Turnier und Ritterspiel, – Tag- um Tagwerk, Pflicht um Pflicht Soll hier Fest und Feier werden! Und der Gott, der fallen sollte? Wird im stillen nun gefällt, – Nicht mehr laut vor aller Welt, Wie's am Morgen ich noch wollte. Klar erblick' ich, daß ich fehlte, Als ich jenen Heilsweg wählte. Keines Helden lärmvoll Handeln Wird dies Zwerggeschlecht verwandeln, Kein Entfalten reicher Kräfte Bessern seine kranken Säfte. Wille , Willen ist von nöten! Der wird retten oder töten. Wille , ganz, in allen Dingen, Im Erhabnen, im Geringen. Wendet sich nach der Seite des Dorfes zu, über das bereits die ersten Abendschatten fallen. Kommt denn, die Ihr Eure Stecken Heimwärts setztet, müde Männer! Uns-Vertrauer, uns-Erkenner, Woll'n wir brünstig uns erneuen, Lug und Halbheit niederstrecken, Wecken unsres Willens Leuen. Hand am Karst, wie Hand am Schwert Eint sich leicht mit Manneswert! Eins ist not: daß wir auf Erden Tafeln Seines Griffels werden. Er will gehen. Ejnar kommt ihm entgegen. Gib mir, was Du nahmst, zurück! Agnes? Wolle selbst sie fragen! zu Agnes. Wähle zwischen lichten Tagen Und der Felsschlucht Kerkerglück! Geh! Ich habe nichts zu wählen. Agnes, muß ich Dir erzählen, Was die alten Lehren sagen: Leicht gehoben, schwer getragen! All Dein Locken ist verschwendet. Ich will tragen, bis es endet. Denk an Deiner Lieben Klagen! Grüss' sie! Wird die Seele ruhn, Klär' ich ihnen selbst mein Tun. Draußen auf der Flut, der blanken, Eilen Segel weiß vom Strand; Ziehn wie sehnende Gedanken Hohe Bord', in Schaumgewanden, Jagen, fliehn dahin, zu landen Fern in einem Zauberland! Laß Du nur den Wimpel steigen; – Denk, daß ich begraben wär'. So sei schwesterlich mein eigen! schüttelt den Kopf. Uns zwei trennt ein Weltenmeer. O, dann heim zum Mutterherzen! leise. Lehrer, Bruder, Freund verscherzen? kommt einen Schritt näher. Junges Weib, bedenk Dich fein. Zwischen Stein und aber Stein, Unter kahlen Felsenzinnen, In der Halbnacht ewigem Spinnen Wird mein Tag fortan hier innen Wie ein düstrer Herbsttag sein. Daß sich Dunkel tragen lerne, Brechen durchs Gewölk die Sterne. Wisse, daß ich viel begehre, Alles fordre oder nichts ; Wichest Du vom Weg des Lichts, Wärst Du wie ein Wrack im Meere. Hoffe nichts mir abzudingen, Keine Nachsicht abzuringen; – Trägt Dich's Leben nicht zum Ziel, Mußt Du's stumm zum Opfer bringen! Fliehe dieses wilde Spiel! Laß der finstren Dogmen Mann. Leb', wie Dein Gefühl es kann! Wähle; – heilig sei Dein Wille! Ab. Wähle zwischen Sturm und Stille! Wenn Du jetzt Dich wirst erheben, Wählst Du zwischen Glück und Sorgen, Wählst Du zwischen Nacht und Morgen, Wählst Du zwischen Tod und Leben! steht auf und sagt langsam. In die Nacht denn. Durch den Tod. – Fernher dämmert Morgenrot. Sie folgt Brand auf seinem Wege. Ejnar blickt ihr eine Weile wie verloren nach, dann beugt er das Haupt und geht in der Richtung nach dem äußeren Fjord zu wieder ab. 3. Akt Dritter Akt Drei Jahre später. Ein kleiner, mit Steinen eingezäunter Garten am Pfarrhof, am Fuß einer hohen Bergwand. Der Fjord liegt eng und eingeschlossen im Hintergrund. Die Haustür geht in den Garten. Nachmittag. Brand steht auf der Treppe vor dem Hause. Agnes sitzt auf der Stufe darunter. Geliebter Mann, – die Stirne kraus, So spähst Du Tag um Tag nun aus –! Ich wart' auf Botschaft. Du bist bang! Ich wart' auf Botschaft von zuhaus. Ich warte nun drei Jahre lang Auf diesen Tag, der niemals tagt. Und morgen, ward mir angesagt, Ist es vielleicht um sie geschehen. sanft und zärtlich. Du solltest ohne Botschaft gehen. schüttelt den Kopf. Bereut sie selbst nicht ihr Gebrest, So bleib' auch ich im Schweigen fest. 's ist Deine Mutter. Hab' ich Recht Zu Götzendienst, weil's mein Geschlecht? Brand, Du bist hart! Zu Dir? O, nein! Ich warnte Dich, mein Freund zu sein. lächelt. Du sahst zu schwarz; Du hieltst nicht Wort! O doch; dies ist für Dich kein Ort. Dein Aussehn ist nicht guter Art; Für so viel Frost bist Du zu zart. Um unser Haus hat nichts Bestand Als Firn und Fels und Schutt und Sand. Doch um so sichrer lugt's empor. So weit schob sich der Gletscher vor, Daß, wenn der Lenz ihn talwärts führt, So überschreitet uns der Schwall, Und unser Haus steht unberührt Wie unter einem Wasserfall. Und keine Sonne weit und breit. Sie bringt doch so voll Zärtlichkeit Dem Berg da drüben ihren Gruß. Drei Wochen, ja, – zur Sommerszeit, – Doch nie erreicht sie seinen Fuß. blickt ihn aufmerksam an, steht auf und sagt. 's ist etwas, das Dich bangen macht! Nein, Dich ! Nein, Dich! Du schnürst Dich zu, Du hehlst mir etwas! Brand, auch Du! Dir schwindelt wie vor Abgrundsnacht! Was ist's? Was eben Sorgen sind – – Du sorgst! Um wen? Um unser Kind. Um Alf? Du auch! Ja, dann und wann! Doch nein, das tut uns Gott nicht an. Gott ist ja gut! Mein Jungchen macht Sich noch heraus – und wie! gib acht! Wo ist er jetzt? Er schläft. sieht durch die Tür hinein. Sieh her! Er träumt von keiner Erdbeschwer. Die kleine Hand ist drall und rund – Doch bleich. Das wird sich wieder fügen. Wie süß er schläft, mit tiefen Zügen! Gott segne Dich; schlaf Dich gesund! Schließt die Tür. Mit Dir und ihm sank Fried' und Licht Auf meines Tagwerks strenge Pflicht; Der Taten Last, der Sorgen Ring Ward zwischen Euch ein leichtes Ding; Dir dank' ich's, wenn mein Fuß nie fiel, Und Trost ward mir sein kindlich Spiel. Erst sah ich mich als Märtyrer; – Doch sieh, wie milde hat der Herr Mein ganzes Los in Glück verkehrt – Ja, doch Du bist des Glücks auch wert. O Brand, hast Du gekämpft, entsagt, – Gedarbt, geduldet, Dich zerplagt; – Ich weiß, still hast Du Blut geweint – Ich trug es leicht, mit Euch vereint. Mit Dir zog hier die Liebe ein Wie lichter Frühlingssonnenschein. Ich hatt' ja nie um sie gewußt; Kalt war's an Vaters, Mutters Brust; Und wenn einmal ein Funke glomm, So fand er frostigen Willkomm. Es ist, als hätt' die ganze Glut Nur darum all die Zeit geruht, Zwiefache Glorie nun um ihn Und Dich, mein süßes Weib, zu ziehn! Nicht nur um uns! Wer immer jetzt Den Fuß auf Deine Schwelle setzt, Wer ratlos, wer kopfhängerisch, Wer leidvoll, streitvoll, schwank und krank, Sie finden alle Speis' und Trank An Deines Herzens reichem Tisch. Allein durch Euch. Durch Euch erst fand Mein Herz der Güte himmlisch Land. Kein Mensch kann alle Menschen lieben, Eh' er nicht einen liebte. Ich Ward früh in Einsamkeit getrieben, – So härtete mein Herze sich – Und doch, – Dein Lieben ist nicht weich; Und wenn Du streichelst, wird's ein Streich. Bei Dir auch? Nein! Wie könnt' ich klagen! Mir gabst Du, Lieber, leicht zu tragen; – Doch mancher läßt Dich angesichts Der Fordrung: Alles oder nichts! Was rings die Welt als Lieb' anspricht, Das will ich nicht und kenn' ich nicht. Mir strahlt der Gottesliebe Bild, Und die ist weder sanft noch mild; Die macht kein Todesgrausen weich, Und wenn sie streichelt, wird's ein Streich. Was tat Gott in der Ölbergstunde, Da ihn der Sohn, verzweifelnd schier, Anflehte: Nimm den Kelch von mir! Nahm er dem Sohn den Kelch vom Munde? Nein, leeren mußt' er 'n bis zum Grunde. O, üb' solch strenges Richteramt, So ist die ganze Welt verdammt. Wer weiß, wen einst Verdammnis trifft?! Doch steht in ewiger Flammenschrift: Nur dem, der treu, wird Licht zum Lohne, Kein Feilschen schafft des Lebens Krone! Du darfst der Prüfung Feu'r nicht fliehen, Denk nicht, daß Du's mit Angstschweiß stillst. Daß Du nicht kannst , wird Dir verziehen, Doch nimmermehr, daß Du nicht willst . Ja, ja, laß alles andre schweigen! O, hilf mir, hilf mir mit Dir steigen; Lehr' mich Dein hehres Aufwärtswallen; Mein zager Mut will oft nicht mit; Oft schlägt mich Angst, mich bangt zu fallen, Und müd' und erdschwer schleppt mein Schritt. Den Wahlspruch, Agnes, nie vergiß: Nur keinen feigen Kompromiß! Verurteilt ist all Handeln Dein, Wenn Du es halb übst und zum Schein. Das soll man zum Gesetz erheben, Durch Worte nicht, doch durch sein Leben. wirft sich an seine Brust. Wo Du gehst, folg' auch mein Fuß schwach! Für zwei ist kein Geschröff zu jach. Der Doktor ist den Weg herabgekommen und bleibt vor dem Zaun außen stehen. Ei, schnäbeln sich verliebte Tauben In diesen grauen Felsenlauben! Mein altes Doktorchen! Du hier! O, komm doch zu uns! Läuft hinab und öffnet die Gartentüre. Nicht zu Dir! Du weißt recht gut, was in mir gärt. An solcher Stätt' zu hausen, Kind, Wo Firnenhauch und Winterwind Eiskalt durch Leib und Seele fährt! Nicht durch die Seele. Nicht? Nein, nein! Es wirft ja wirklich fast den Schein, Als ständ' der jähgeschlossne Bund Trotzdem auf festem, sicherm Grund, Wiewohl 's nach alter Rede heißt, Daß, was gebaut in hastiger Stund', Auch von Bestand sich kurz erweist. Ein Sonnenkuß, ein Glockenschlag Weckt oft zu einem Sommertag. Lebt wohl für heut! Mich ruft die Pflicht. Zu meiner Mutter? Gehn Sie mit? Nicht jetzt. Sie waren schon? Noch nicht. Pfarr, Sie sind hart. Ich schund und stritt Mich hier durch Wind und Wetter lang, Wiewohl ich weiß, es ist ein Gang Um Armesündergroschenklang. Gott segn' Ihr Wirken immerdar! Und machen Sie's ihr leicht, nicht wahr! Den Willen segn' er nur; ich kam, So oft mich Not in Anspruch nahm. Nach Ihnen sandte sie. Und ich, – Ich warte, warte bitterlich. Was warten Sie? Eh' sie nicht sendet, Ist jedes Wort an ihr verschwendet. zu Agnes. Du armes Weibchen, Tag und Nacht In solcher harten Hände Macht! Ich bin nicht hart. Er gäb' sein Blut, Macht's ihrer Seel' Verfehlung gut. Freiwillig nahm ich, als ihr Erbe, Ihr Schuldnerbuch auf meine Kerbe. Genug an Ihrem! Vieler Schuld Sühnt Eines Arbeit und Geduld. Nicht eines, der selbst, arm und nackt, Mit Schuld und aber Schuld bepackt. Gleichviel; ich will , aus ganzem Sinn, – Und dieses eine will reicht hin. sieht ihn starr an. Ja, Deines Willens quantum satis Steht, reichgebucht, an seiner Statt; Doch, Pfarr, Dein conto caritatis, Das ist ein weiß, jungfräulich Blatt. Ab. folgt ihm eine Weile mit den Augen. Kein Wort ward so voll Lug und List, Wie's heut das Wörtlein Liebe ist. Damit verhüllt man satansklug Sein's Willens Schwachheit und Betrug; Damit wird Schweigen drum gespult, Daß man sein Lebtag spielt und buhlt. Der Berg wird steil, der Atem knapp, – Die Liebe kürzt den Weg Dir ab! Du folgst der Sünder breiten Reihn, – Die Liebe wird Dir einst verzeihn; Du schaust Dein Ziel, doch tatenlos, – Die Liebe wirft Dir's in den Schoß; Du wählst bewußt statt grade krumm, – Die Liebe macht den Richter stumm! Ja, das ist falsch, und doch, oft fass' Ich's kaum und frag' mich: ist es das? Eins fehlt! Erst Wille , ernst und echt, Löscht des Gesetzes Durst nach Recht. Erst mußt Du wollen , und nicht nur Des Möglichen gemeine Spur, Nicht nur die Summe von Beschwerd' Und Müh', die eine Tat begehrt; Nein, wollen muß Dein fröhlicher Mut Durch aller Schrecken Flut und Glut. Das ist kein Märtyrtum, in Wehn Am Pfahl des Kreuzes zu vergehn; – Zu wollen diesen Kreuzestod, Zu wollen diese Fleischesnot, Zu wollen diese Seelenqual, – Erst das stellt Dich zur Königswahl. schmiegt sich dicht an ihn an. Fällt uns einst unsre Prüfung zu, Mein Herr und Hort, dann rede Du! Gewann der Wille solchen Streit, Dann kommt der Liebe lichte Zeit Wie eine Taube und verleiht Des Lebens Ölblatt Dir als Paß; Doch diesem Volk hier, schlaff und laß, Gebührt als beste Liebe Haß! Erschrocken. Haß! – Weltenkrieg im Schoß zu tragen Dies Wörtlein, wie ein Hauch zu sagen! Eilig ab ins Haus. blickt durch die offne Tür. Er ist bei Alfchen hingekniet Und wiegt das Haupt, als weinet' er, Und preßt es auf sein Bett, wie wer, Der nicht mehr Hilf' noch Ausweg sieht. O, welch ein Born von Liebe bricht Aus dieser Mannesbrust von Erz! Alf darf er lieben; dessen Herz Verdarb der Sünde Biß noch nicht. Entsetzt ausbrechend. Aufspringt er, – ringt die Hände, – weh Was sieht er? Er ist bleich wie Schnee! außen auf der Treppe. Kein Bote noch? Nein, keiner noch. blickt ins Haus zurück. Das ist ein Fiebern und Gepoch' Im Herzchen unsres kleinen Kranken –! Nur ruhig, Kind! Was für Gedanken –! Nein, sei nur ruhig – Ruft nach dem Weg hinaus. Da! Der Bote! durch die Gartenpforte. Jetzt sollst Du kommen, Herr! Sofort! Was sagte sie? Ein dunkel Wort; Im Bett auf saß die halb schon Tote Und sagte: Hol' ihn, 's geht zu End'; Mein halbes Gut fürs Sakrament. weicht zurück. Das halbe ! Nein! Sag' nein! schüttelt den Kopf. Da wär' Mein Wahrheitreden nicht weit her. Das halbe?! Alles war gemeint! Kann sein; gesagt war halb, nicht mehr. Mein Kopf ist gut, das weiß mein Feind. ergreift ihn am Arm. Du zeugst mir einst vor Gottes Thron, Daß dies Wort ihrem Mund entflohn? Ja. fest. Sag', daß ich die Antwort send': Kein Priester kommt, kein Sakrament. sieht ihn unsicher an. Da hast Du wohl nicht recht gehört, Wer Dich in seiner Not beschwört – Ich kenne kein gezweiteilt Recht Für fremd Geschlecht und mein Geschlecht. Hart Wort! Es gilt hier, angesichts Des Todes, alles oder nichts . Pfarrer! Das kleinste Stäubchen Gold Ist noch ein Klumpen Götzensold. Ich werd' der Antwort Geißelschlag So lind führ'n, als ich's nur vermag. Ihr bringt wohl eins noch Trost und Ruh': Gott ist nicht ganz so hart wie Du! Ab. Ja, dieses Trosts verjauchter Krug Vergab's der Menschheit oft genug. Gegrein' und Schrein zur rechten Stund' Verschmiert dem Richter leicht den Mund. Ei, freilich! Das gehört sich so! Man glaubt ja viel zu felsenfest, Daß irgendwie und irgendwo Der Alte mit sich handeln läßt. Der Mann hat außen auf dem Wege einen anderen getroffen; sie kommen beide zusammen zurück. Von neuem Botschaft? Ja. Ihr Sinn? Neun Zehntel gibt sie willig hin. Nicht alles ? Nein. Mein Wort Ihr kennt: Kein Priester kommt, kein Sakrament. Sie hat zuletzt viel durchgemacht – Sie hat Dich doch zur Welt gebracht! ringt die Hände. Mir ziemt nicht zweierlei Art Recht Für Fremde und für mein Geschlecht. Der Kranken Qual wächst fort und fort, – Send' wenigstens ein sühnend Wort! zum ersten Mann. Geht; bringt der Kranken mein Gebot: Tisch rein für Gnadenwein und -brot! Die Männer ab. schmiegt sich an ihn. Oft fürcht' ich, Brand, für Deinen Stern: Du flammest wie ein Schwert des Herrn! mit Tränen in der Stimme. Stellt nicht die Welt ohn' Ende sich Entblößten Eisens wider mich? Quält nicht die Welt mich bis aufs Blut Mit ihrer Trägheit dumpfer Wut? Steil ist der Weg, den Du ihr sannst. Zeig' einen bessern, wenn Du kannst. Leg' solch ein Maß, an wen's auch ist, Und sieh, ob's auch nur einer mißt. Nein, da hast Du zum Grausen recht. So quer, so leer, so flach, so schlecht Ist diese ganze Zeit geworden. Schenkt einer heut durch Testament, Ohn' daß er seinen Namen nennt, Gleich rückt er in der Heiligen Orden. Nimm einem Helden seinen Ruf, Und laß ihm das nur, was er schuf; Tu Kaisern, Königen Gleiches an, – Und sieh, was noch getan wird dann! Laß einen Dichter es bewenden, Die Nestbrut heimlich auszusenden, Daß keiner ahnt, daß sein Genie Ihr Stimm' und Goldgefieder lieh! Fass' grünen oder dürren Ast: Hingebung ist kein Menschengast. Breit herrscht der Weltsucht Knechtsgedanke; Wild klammert sich an Abgrunds Rand Der Mensch an seines Staubseins Ranke, – Und reißt die , – krallt er gier die Hand Noch krampfhaft in Geröll und Sand. Und hört Dein: Alles oder nichts! Wie eine Windsbraut des Gerichts. Kein Sieg wird ohne Kampf Dein eigen; Wer tief gefallen, muß hoch steigen. – Er schweigt eine Weile; seine Stimme verändert sich. Und doch, an manchem Totenbett, Wenn sie für ihre Sünden büßten, War mir, ich trieb' in Meereswüsten Auf eines Wracks sturmirrem Brett. Stumm schluchzend biß ich oft genug Die Zunge, die sich nie erbarmt, – Und manchen, den ich grausam schlug, – Wie lieber hätt' ich ihn umarmt! – Sieh, Agnes, nach dem kleinen Bleichen; Sing' ihn in lichte Träume ein; Ein Kinderherz ist klar und rein, Als wie ein See in Sonnenschein; Ein Mutterwunsch kann drüberstreichen, Dem Vogel gleich, der sein Gebiet, Lautlos gespiegelt, überzieht. bleich. Was ist's, daß, wie der Pfeil auch fliegt, Er stets zu Alf zurücke biegt? O, nichts. Wart' es nur treu, das Kind. Gib mir ein Wort mit. Stark? Und lind. umarmt sie. Wer schuldlos ist, leb' ohne Bangen! blickt ihn hell an und sagt. Eins gibt's, – das darf Gott nicht verlangen! Ins Haus ab. sieht still vor sich hin. Daß er es dennoch dürfte, lehrt, Was er von Abraham begehrt. Schüttelt die Gedanken ab. Nein, nein; mein Opfer ist gebracht. Wie Gottes Donner hinzurollen, Der Erde Schläfer aufzugrollen, – Der Lebenstraum versank in Nacht. Wie! Eines Opfers rühm' ich mich? Ach, jenes Opfers Ruhm erblich, Als Agnes mich erwachen machte – Und sich mit mir zum Opfer brachte. Sieht den Weg entlang. Was ist die Kranke doch zu Haus In ihrem Geize trotzig zäh; Was rauft sie dies Geschwür nicht jäh Mit Schoß und Stamm und Wurzel aus! – Sieh da –! Nein, nur der Vogt ist's – und Wie immer rührig, rund, gesund, Die Händ' gesteckt in beide Taschen, Wie Klammern um 'ne Parenthes' – durch die Gartenpforte. Schön guten Tag! Wir überraschen Vielleicht nicht ganz dem Wunsch gemäß – weist nach dem Hause. Ich bitte – Danke; 's tut's auch hier. Erhält mein Wort nur Einlaß, bin Ich sicher, Ihnen bringt, wie mir, Die Unterredung nur Gewinn. Was führt Sie her? Vernahm ich recht, So steht's mit Ihrer Mutter schlecht; – Das tut mir leid. Ich zweifle nicht. Das tut mir sehr leid. Nun, und da –? Jedoch, sie ist wohl alt; – Gott, ja, Das Sterben ist nun einmal Pflicht. Und da ich just vorüberstrich, So dacht' ich: jetzt ermannst Du Dich Und sprichst mal vor; auch um zu fragen, Ob's wahr ist, was die Leute sagen, Daß zwischen Ihnen seit der Zeit, Daß Sie hier sind, Familienstreit – Familienstreit? Es heißt, sie hält Mit aller Macht an ihrem Geld. Da gab's wahrscheinlich denn Verdruß. Man sieht doch selbst auch auf Erwerb. Sie hat von Ihres Vaters Erb' Den ungeteilten Vollgenuß – Den ungeteilten –; nur zu wahr! Da fährt man sich gar leicht ins Haar. Und da ich mir nun denn gedacht, Daß Sie dem weiteren Gescheht Mit kühlem Blut entgegensehn, So sind Sie wohl nicht aufgebracht, – Ist auch der Zeitpunkt schlecht gewählt, – Und hören mich. Ob jetzt ob dann, Drauf kommt's für mich wohl wenig an. Ja, denn zur Sache, kurz und gut. Sowie die Frau sich ausgequält Und selig unterm Rasen ruht, – Was bald geschehn wird, – sind Sie reich – Sie glauben –? Da ist nichts zu glauben. Sie übersehn Ihr Land nicht gleich, So scharf Sie auch den Kieker schrauben. Sie werden reich! Trotz des Gerichts? lächelt. Was soll das hier? Das sorgt Sie nichts, Da niemand Streit und Einwürf' macht. Hier kommt kein Dritter in Betracht. Und wollte doch nun irgendein Miterb' ihr Gut sich zuerkennen – Und sich den rechten Erben nennen? Das müßt' der Teufel selber sein! Ja, sehn Sie mich nur an; – nicht einer Spricht außer mir ein Wort hier drein; Vertraun Sie mir; ich weiß Bescheid. Nun also: Gutgestellt, wie keiner Am Ort hier, reich sogar, so können Sie sich nun bessre Tage gönnen; Frei lacht die Welt nun weit und breit. Wie? Heißt das nicht mit einem Wort: Wir brauchen Dich nicht mehr; zieh fort!? Ich glaub', 's wär' allen nur zum Segen. Stehn Sie, – wenn Sie die insgesamt Betrachten, denen hier Ihr Amt Gebeut die Bibel auszulegen, – Nicht wie ein Wolf da, – derb verglichen, – Vor Gänsen und vor Gänserichen? Ihr Geist bleibt diesem engbemessnen Bezirk ein unverstanden Buch; Sie werden diesen eingesessnen Bergbauern, diesen weltvergessnen Fjordfischern oft ein wahrer Fluch. Sein Heimatsort ist einem Mann, Was einem Baum sein Wurzelgrund; – Wenn man ihn da nicht brauchen kann, Verstummt sein Mund, verfällt sein Pfund. Das ist das fürnehmste Gebot: Sich dem, was not tut, anzupassen. Doch wird vom Tal sich das, was not, Nicht wie vom Berg aus schätzen lassen. So reden die im Lande draußen, Nicht die in armen Tälern hausen. O, Ihr mit Eurem Unterschied Von Tiefland und Gebirg'! Ihr zieht Die Rechte vor, die jenem gelten, Doch seine Pflichten übt Ihr selten. Euch dünkt's genug, wenn Ihr nur schreit, Daß Ihr geringe Leute seid. Jedwede Generation, Jedwede Zeit geht ihre Gasse. Wir brachten unser Scherflein schon Der Weltgeschichte großer Kasse; Versteht sich, anno dazumalen; Doch war es drum kein schlechter Zahlen. Jetzt kommt der Ort nicht mehr in Frage; Doch seinen Ruf bewahrt die Sage; Es zählen seine großen Tage In König Beles Kriegsannalen. Da dringt noch Etzliches zu Ohr Vom Brüderpaare Wulf und Thor Nebst manchem wackren Häuflein, das Nach Brettlands Küste fuhr und baß Brandschatzend Land und Leute schor. Im Süden schrie man schreckensbleich: Gott schütz' uns vor der Eber Streich! Und diese Eber, des sind wir Gewiß, die waren Volk von hier. Und konnten sich die Kerle rächen! Da schwamm's von Blut- und Feuerbächen! Ja, einer, Türkenmacht zu schwächen, Nahm selbst das Kreuz, dem Herrn zulieb; – Wenn auch der Zug selbst unterblieb – Es stammt gewiß ein breit Geschlecht Von diesem Helden ab? Ganz recht: Doch woher wissen Sie –? O, weil So viele, dünkt mich, heut ihr Heil In einem Kreuzzug solcher Wahl Versuchen, wie der dazumal. Jawohl, es blüht noch weit und breit. Doch waren wir in Beles Zeit! Erst also kam das Ausland dran; Dann fingen wir daheim den Tanz Mit Nachbarn und Gevattern an, Einheizten mit der Felder Stroh So Kirch' wie Haus, uns flechtend so Aus großen Taten Kranz auf Kranz. Des Bluts, das wir dabei vergossen, Ward später leicht zu viel gedacht; Doch obbemeld'ter Sagenhort Erlaubt denn doch auf unsre Macht In jenem Zeitraum, längst verflossen, Ein ganz bescheiden rühmend Wort, Sowie den Schluß, daß unser Ort Zum Fortentwicklungskampf der Welt Mit Feu'r und Schwert sein Teil gestellt. Doch scheint dir nicht an Dich gerichtet, Mein Volk, daß Adel auch verpflichtet, Da du mit Egge, Pflug und Karst Held Beles Erbe stumm verscharrst. Durchaus nicht. Gehn Sie nur mal hier Auf eins von den Gemeinde-Essen, Wo Richter, Küster, Schulz und mir Die Ehrenplätze zubemessen, Und sehn Sie, kommen Punsch und Bier, Ob König Bele wohl vergessen! Mit Tusch und Sang und Becherklang, In Reden kurz und Reden lang Wird sein gedacht, läßt man ihn leben. Ich hab' oft selber tiefen Drang Verspürt, ihm aus Gedankenzwirn Ein blumig Ehrenkleid zu weben, Und baß erbaut manch Herz und Hirn. Ich mag gern etwas Poesie. Das tun im Grund wir alle, die Wir hier daheim; – wiewohl verhalten; – Im Leben darf sie niemals walten, – Nur von Glock' sieben bis Glock' zehn Des Abends, wenn wir müßig gehn, Und man, vom Tagwerk müd und matt, Ein Aufschwungsbad von nöten hat. Was uns an Ihrem Treiben irrt, Das ist: Sie woll'n – stirb oder gib! – So sä'n wie mäh'n auf einen Hieb. Sie trachten, wie die Dinge scheinen, Idee und Leben zu vereinen, – Sie woll'n den Täter mit dem Beter So innig in ein Joch geschirrt, Daß eins draus wird, wie aus Salpeter, Karbon und Schwefel Pulver wird. Erraten. Doch in dieser Weise Bewirtschaftet man größre Kreise. Die werden Ihrem Wunsch genügen, Uns ziemt nur, Moor und Meer zu pflügen. Pflügt mir zuvörderst Euer leer Geprahl von Ruhm hinab ins Meer! Ein Zwerg wächst darum um kein Haar, Weil Goliath sein Urahn war. Große Erinnerungen stärken. Ja, – treiben sie zu neuen Werken. Doch Ihr schuft jenes Säculum Zu Eures Stumpfsinns Faulbett um. Mein erstes bleibt mein letztes Wort; – Am besten wär's, Sie zögen fort. Hier wird Ihr Wirken nur versanden, Ihr Weltanschauen nicht verstanden. Das Trösten auf ein besser Morgen, Den Aufschwung, der von Frist zu Frist Geplagtem Volk vonnöten ist, Werd' unverdrossen ich besorgen. In meiner ganzen Laufbahn spricht Gar viel von wohlerfüllter Pflicht; Ich hab' des Volkes Zahl verdoppelt, Verdreifacht schier, zudem zugleich Bald den, bald jenen Nahrungszweig An diesen Fjordstrich hier gekoppelt. Mit trotzender Natur im Kampf Sind fortgerückt wir wie mit Dampf, Und Wege ziehn sich, Brücken streben – Doch nicht vom Glauben hin zum Leben. Vom Fjord bis hoch zum Gletscherschnee. Nicht zwischen Handlung und Idee. Erst Urbarmachung, Spann' um Spann', Erst Fortkunft zwischen Mann und Mann, – Darüber war ein Urteil nur, Eh' Ihr Geist in die Leute fuhr. Des Grubenlichts gewohnten Schein Verquickten Sie mit Nordlichtsflammen; Wen läßt solch Zwielicht da noch scheiden, Was recht, was falsch, was groß, was klein, Was Büßen, was unschuldig Leiden? Jedwed Verhältnis rann zusammen; – Und die vereinigt siegen sollten, Stehn in zwei Haufen nun zerscholten. Sie setzen mich noch lang nicht matt. Man wählt nicht seines Wirkens Statt. Wem klar sein Ziel in Herz und Sinn, Ihm strahlt das Wort von Anbeginn: Gott will es: Hier gehörst Du hin! So bleibe man, doch in dem Seinigen; Ich seh' Sie gern die Leute reinigen Von Sünden, Lastern, als im Schwang; Des braucht's oft alle Klafter lang. Bloß nicht gemacht den Werkeltag Zum Sonntag, – und nicht stets die Flagg' Gezeigt, als ob jedwedes Brett Im Fjord an Bord den Herrgott hätt'! Sollt' ich nach Ihrem Ratschlag handeln, Ich müßt' mein innerst Wesen wandeln. Doch das just gilt's: Sich selbst zu leben, An sein Werk ganz sich hinzugeben; Und dies, mein Werk, ich führ's hinaus, Daß es soll leuchten um mein Haus! Das Volk, das Euer Führertrott Einschläferte, wach' auf zu Gott! In Eures Engsinns Zwinger schwur Es ab bald letzte Bergnatur; Aus Eurer Kleinheit Hungerkur Hervorgeht jeder stier und stur; Ihr sogt ihm aus sein bestes Blut, Ihr grubt ihm 's Mark aus seinem Mut; Ihr pochtet mürbe jedes Herz, Und sollte stehn wie gossen Erz; – Doch noch, – wie lang sein Groll auch schwieg, – Kann's Euren Ohren donnern: Krieg! Krieg? Krieg! Gut; fangen Sie nur an! Sie fallen als der erste Mann. Einst wird gewaltig offenbar, Daß Unterliegen Siegen war! Brand, Brand! Sie stehn an einer Wende; Wenn Sie der Einsatz nur nicht reut! Ich wag' ihn. Nimmt's ein schlimmes Ende, So ward Ihr Lebenstag vergeud't. Sie haben, was das Herz begehrt; Erbgut wird Ihnen aufgedrängt; Ein Kind macht Ihnen 's Leben wert, Ein lieb Gemahl; – das Glück, es hängt Vor Ihnen wie die reife Beere! Und wenn ich dennoch diesem Glück, Wie Sie's verstehn, den Rücken kehre? Falls ich es muß? Vergeben Stück Entroll'n Sie der Fernabwelt hier Ihr volkskriegweckendes Panier! Ziehn Sie zum Süden, zu Gestaden, Wo kühne Köpfe mehr in Gnaden; Dort sammeln Sie die Starkgemuten Und lassen die Gemeinde bluten; Hier opfern wir nicht Blut, – nur Schweiß, Im Kampf um Brot mit Stein und Eis. Hier bleib' ich doch. Hier ist mein Herd. Und wo mein Herd ist, liegt mein Schwert. Sie wissen, was Sie als Nicht-Sieger Verlieren – und nie mehr erreichen! Mich selbst verlör' ich, wollt' ich weichen. Brand, fruchtlos kämpft ein einsamer Krieger. Die Besten soll'n mir Folgschaft leisten. lächelt. Mag sein, mag sein, – doch mir die meisten . Ab. sieht ihm nach. Ein Vollblut-Volksmann! Reger Hand, Rechtschaffen denkend, warm und billig, In seiner Weise fortschrittswillig, Und eine Geißel doch fürs Land. Nicht Bergrutsch, Dammbruch, Winters Ost, Nicht Hungersnot, nicht Pest, nicht Frost Verschulden halb die Niederlag', Wie solch ein Mann in Jahr und Tag. Die Landplag' raubt Dir nur Dein Leben; – Doch er –! Wie manches frische Streben, Wie manchen stolzen Traum zertrümmert, Wie manchen starken Ton verkümmert Solch ein engbrüstig-heis'rer Geist! Wie manch von Lächeln hell durchsonnten, Wie manch von Blitzen schwangren Blick, Wie manchen Hochflug's Zwiegeschick, Draus Taten, Werke wachsen konnten, – Hat er zerbrochen und vereist. Plötzlich in Angst. Kommt keine, keine Botschaft mehr? Doch – dort –! Eilt dem des Weges kommenden Doktor entgegen. Sie hat Sie hergesandt –? Sie steht vor ihrem Richter, Brand. Tot! Doch in Buße? Glaub' ich kaum: Ihr zäher Geiz gab ihr nicht Raum, Bis sie der Tod im Arme hielt. blickt still erschüttert vor sich hin. Ist eine Seele hier verspielt? Vielleicht, daß den gerechten Lohn Der Richter ihr erlassen will! leise. Was sagte sie? Sie raunte still: Gott ist so hart nicht wie mein Sohn. sinkt von Schmerz übermannt auf die Bank. In Todesnot, in Sündenfall Die gleiche Lüg' allüberall! Verbirgt das Gesicht in den Händen. tritt näher, betrachtet ihn und schüttelt den Kopf. Sie wollen abgelebten Zeiten Ein Auferstehungsfest bereiten. Sie glauben, scheint es, noch zur Stund' An Gottes und des Menschen Bund. Doch jede Zeit hat ihre Art; Die unsre schreckt nicht Höllenfahrt, Altweiberfurcht, Verdammniswahn – Ihr erst Gebot ist: Sei human! blickt auf. Human! Jawohl, dies schlaffe Wort Kennt heut der Erde letzter Ort! Mit dem macht jeder Tropf Dich still, Wenn er nichts schaffen kann und will; Mit dem schmückt jeder Wicht sich jetzt, Wenn er nur Halbes wagt und setzt: Von dem beobdacht bricht man heut Jedwed Gelübd', gleich feig bereut; – Geht's nach Euch Zwergenseelen, ist Bald jeder Mensch ein Humanist! War Gott human zu Jesu Christ? Hätt's damals Euer Gott gelenkt, Er hätt' ihm wohl sein Kreuz geschenkt – Und aus dem ganzen Heilswerk sacht Ein Diplomatenstück gemacht! Verbirgt seinen Kopf und sitzt in stummer Trauer. leise. Ras' aus, ras' aus, du Herz im Sturm; – Am besten wär's, du könntest weinen. ist auf die Treppe herausgekommen und flüstert bleich und erschrocken dem Doktor zu. Komm schnell! O Gott! So aufgeregt! Was ist Dir, Kind? Ein Sorgenwurm Hat kalt sich mir ums Herz gelegt –! Was ist denn? zieht ihn mit sich. Komm zu unserm Kleinen! Sie treten ins Haus, ohne daß es Brand bemerkt. still vor sich hin. Tod ohne Buße. Tod wie Leben. Ist da nicht Gottes Fingerzeig? Von mir will er den Zins erheben, Den sie zu zahlen sich begeben, – Nun zehnmal weh' mir, wich' ich feig! Erhebt sich. Ihr Sohn, will ich, auf Heimatsgrund, Unwandelbar von dieser Stund' An kriegen, Gottes Kreuzvasall, Für Geistes Sieg in Fleisches Fall. Gott gab mir seiner Zunge Erz, Glomm seine Zornglut mir ins Herz; – Nun steht mein Wille hoch in Halmen, Nun darf, nun kann ich Fels zermalmen! begleitet von Agnes, tritt eilig auf die Treppe hinaus und ruft Brand zu. Ihr Haus beschickt und fort von hier! Und bebte die Erd', ich trotzet' ihr! So ist Dein Kind des Todes, Mann! Mein Kind! Mein Alf! Was ficht Sie an! Sie reden irr! Will ins Haus. hält ihn zurück. Nein, bleiben Sie! – In dieser finstern Felsenkluft Mit ihrer eisigen Nordpolluft, Mit ihrem Nebel, naß und schwer, Nur einen Winter noch, – und nie Erblickt Ihr Kind die Sonne mehr. Nur Flucht, Brand, rettet Ihren Sohn, – Doch bald, am liebsten morgen schon. Heut abend, gleich, noch diese Stund'! Stark werd' er wieder und gesund! Kein Gletscherhauch, kein Küstenwind Mach' seine kleine Brust mehr wund. Wieg' sanft in Schlaf ihn, – und geschwind Dann fort aus diesem Grabesgrund! O Agnes, Todesnähe spinnt Ihr graues Garn um unser Kind! Wohl ahnt' ich zitternd die Gefahr, Doch nicht, daß sie so nahe war. zum Doktor. Sie schwören mir, daß Flucht ihn rettet? Wen Vaterliebe sorgsam bettet, So Tag wie Nacht, – er ist gefeit. Sei'n Sie ihm alles, und die Zeit – Getrost! – der Heilung ist nicht weit! Dank! Dank! Zu Agnes. Einhüll' ihn dicht in Daun; Den Fjord lang weht schon nächtlich Graun. Agnes ins Haus ab. betrachtet schweigend Brand, der unbeweglich durch die Tür hineinblickt, geht darauf zu ihm hin, legt ihm die Hand auf die Schulter und sagt. Wo's andre gilt, so amtsgewichtig, – Und mit sich selber so nachsichtig! Viel oder wenig zählt bei jenen Gar nicht, nur alles oder nichts ; Doch selber weint man Weibertränen, Gefällt's der Fordrung des Verzichts – Sich auf uns selber auszudehnen. Was meinen Sie? Der Mutter dort Scholl des Gesetzes steinhart Wort: Verdammt! Legst du nicht alles ab Und schreitest nackend in dein Grab! Und dieser Ruf scholl oft genug, Wo bang ein Herz und angstvoll schlug. Jetzt treibt man selbst in Schiffbruchsnot Auf schicksalssturm-verschlagnem Boot, Jetzt ist auf umgekehrtem Kiel Ein Schuldbrief plötzlich Last zuviel; – Und jenes Buch, das zentnerschwer Die Brüder schlug, rutscht flugs ins Meer; – Sonst wär's am End' im bösen Wehn Ums eigne liebe Kind geschehn. Geflohn aus dieser Sturmregion! Der Mutter Leiche selbst geflohn! Geflohn Bestimmung, Seelsorg', Haus! Jetzt setzt der Pfarr die Predigt aus! greift sich verzweifelt an den Kopf, wie um seine Gedanken zu sammeln. Bin jetzt ich blind? War ich's zuvor? Sie lieh'n dem Vater in sich Ohr. Ich schelt' mit nichten, was Sie tun; – Für mich rückt der Gebrochne nun Weit über den Titan empor. – Ade! Nun bot ich Ihrer Seele Den Spiegel. Sehn Sie seufzend draus: So sieht ein Himmelsstürmer aus! Ab. starrt eine Weile vor sich hin; plötzlich mit Leidenschaft. Jetzt oder einst, – wann griff ich fehle? Agnes tritt aus der Türe, den Mantel über den Schultern und das Kind auf dem Arm; Brand sieht sie nicht. Sie will reden, aber das Wort bleibt ihr erschrocken in der Kehle stecken, da sie den Ausdruck seiner Züge bemerkt. In demselben Augenblick kommt ein Mann eilig durch die Gartentür herein. Die Sonne geht unter. Hör', Pfarr, Du hast hier einen Feind! preßt die Hand gegen die Brust. Ja, hier . Nimm Dich vorm Vogt in acht! Du hattest viel' um Dich vereint, Bis sein Gered' uns irr gemacht. Verleumd'risch trug er hin und her, Der Pfarrhof ständ' in kurzem leer, Und Du, Du kehrtest uns den Rücken. Nun Deine reiche Mutter tot. Und wär's nun so –? Nein, seiner Tücken Ursach' errät sich ohne Not. Stehst wider ihn und seinen Bund, Hast ihm den Nacken nie gebogen –: Das ist der Nachred' wahrer Grund. unsicher. Er tat Euch wohl – die Wahrheit kund. So hättst Du allzumal belogen! Hätt' ich –? Wie oft hast Du erzählt, Daß Gott selbst Dich zum Streit erwählt; Daß unter uns die Heimat Dein, Daß hier Dein heil'ger Krieg soll sein, Daß jeder, der Berufung treu, Der Flucht Schand' mehr als alles scheu'! Und Du, Du bist berufen! Tiefst Nährt mancher, was Du mahnend riefst. Das Ohr der Menge hier ist taub; An dürrem Holze grünt kein Laub. Das weißt Du besser; – manch ein Herz Blüht nun voll Hoffnung himmelwärts. In zehnmal mehren herrscht doch Nacht. Du bist wie Licht, das helle macht. Doch wie's auch mit der Menge steh', – Aufs Zählen kommt hier wenig an; Denn hier steh' ich, der eine Mann, Und sage: Wenn Du kannst, so geh! Zwar Bücherwissen hab' ich keines, Doch ist mein Herz so voll wie eines; Du gabst mir Deine Hand zu fassen, – Du darfst mich jetzt nicht fallen lassen! Du kannst es nicht; ich halte fest; Versagtest Du, so wär's mein Rest! – Leb' wohl! Du wirst mir nicht zu Spott. Mein Pfarr verläßt nicht mich noch Gott. Ab. schüchtern. Weiß ist Dein Antlitz, bleich Dein Mund, Als schrie' Dein Herz im tiefsten Grund. Jed' klangvoll Wort, das ich hier sprach, – Die Bergwand hallt's anklagend nach. macht einen Schritt vorwärts. Ich bin bereit! Bereit? Wozu? kraftvoll. Zu tun, was eine Mutter tu'! Gerd läuft draußen auf dem Wege vorüber und macht an der Gartentür halt. klatscht in die Hände und ruft mit irrer Freude. Hörtet Ihr's? Fort flog der Pfarrer! – Tief vom Hügel, hoch vom Berg Wimmeln Troll und Draug und Zwerg, Schwarz und wüst und groß und klein, – Hu, wie hieb die Bande drein! – Haben mir mit wilden Bissen Aug' und Herz halb ausgerissen! Pah, Ihr plumpen Menschennarrer, – Gerd kann gern die Hälfte missen! Kind, was reimst und träumst Du da! Steh' ich denn nicht vor Dir? Ja – Du ! Du wohl, doch nicht der Pfarrer! Jäh herab vom Schwarzen Horn Schoß mein Habicht. Wild von Sporn, Zaum und Sattelzeug durchschnitt Er den Dust, der Nachtdurchstarrer, Und der Mann, der auf ihm ritt, – Sieh, das war, das war der Pfarrer! Leer steht jetzt der Dorfkirch' Raum, Vorgelegt ist Schloß und Baum; Ihre Zeit wird nimmer kehren; Jetzt kommt meine Kirch' zu Ehren, Wo mein Pfarrer Predigt hält, Hoch im weißen Meßgewand, Wie's ihm webte Winters Hand; – Willst Du 'n hör'n, komm hinterher; Eure Dorfkirch' steht ja leer; Wenn er seinen Text bestellt, Schallt es über die ganze Welt! Wer hieß, Arme, Dich, mit irren Götzenfabeln mich verwirren? kommt durch die Gartentür herein. Was sind das für Narreteiden: Götzen? Ei, was wird das sein? Einmal groß und einmal klein, Immer gülden, bunt und seiden. Götzen!? Hörst Du, siehst Du sie? Regt sich's nicht im Tuche hie Wie von Kinderhänd' und -beinen? Diese Windel, fein und seiden, – Sag', was mag sie wunders kleiden? Wohl ein Kind in Schlummerruh'? Da erschrickt sie, – deckt es zu! Götzen? Mann, da siehst Du einen! zu Brand. Hast Du Bitten, hast Du Tränen? Mich hat Grausen ausgebrannt. Weh! Dies Wesen, möcht' ich wähnen, Hat ein Höherer gesandt! Horch! jetzt läuten all die Glocken Droben auf dem wilden Grat! Sieh, wen sie zum Kirchgang locken, Welche Spukgemeinde naht! Tausend Zwerg- und Trollgestalten, Die der Pfarr ins Meer geknechtet, Brachen ihrer Grüfte Riegel: Nimmer lassen sie, geächtet Unter seines Fluches Siegel, Sich von See und Sarg mehr halten; Wimmelnd nahn die nassen, kalten; – Kinder, scheintot, sieh, mit Greinen Berglawinenschutt entstreben. Vater! Mutter! schreit's im Chor; Männer, Weiber stürzen vor; Dörfler wandert mit den Seinen, Wie ein Vater, söhn'-umgeben, Dörflerin hat ihrem toten Kind die Mutterbrust geboten; War sie je so strack zu sehn, Wann sie mußt' zur Kindstauf' gehn? Da der Pfarr geflohn, ward Leben! Weich von mir! Fast zeugt die Nacht Schlimmern Spuk noch – Horch! Er lacht, Er, der längs des Weges sitzt, Wo er auf zur Höhe flitzt; Treulich bucht er Seel' um Seele Aus des Tals verlaßner Kehle; – Hei, er zählt nicht viele Lücken; Leer ist ja der Dorfkirch' Raum, Zugesperrt mit Schloß und Baum, – Fort der Pfarr auf Habichts Rücken! Springt über den Gartenzaun und verliert sich in den Felsen. Stille. nähert sich Brand und sagt mit gedämpfter Stimme. Es ist Zeit; wir wollen gehn. starrt sie an. Welchen Weg? Zeigt zuerst auf die Gartenpforte, dann auf die Haustür. Den? – Oder den? weicht schaudernd zurück. Brand, – Dein Kind! folgt ihr. Was war ich erst? Priester oder Vater? weicht noch weiter zurück. Wärst Gott Du selbst, der also fragt', – Liess' ich dies doch ungesagt! folgt ihr wieder. Sprich als Mutter! Soll ich fort? Du hast hier das letzte Wort! Dein Gemahl bin ich; – entscheide! Dein Gebot gilt für uns beide. will sie am Arm ergreifen. Nimm den Kelch der Wahl von mir! weicht hinter den Baum zurück. Hieß' ich dann noch Mutter Dir? Daraus blitzt ein Urteilsstrahl! stark. Bleibt Dir überhaupt noch Wahl? Daraus blitzt es abermal! Fühlst Du Dich als Auserwählten? Ja! Greift sie fest um die Hand. Und nun schenk' mir gestählten Mutes Leben oder Tod. Folge Deines Gotts Gebot! Pause. Es ist Zeit; wir wollen gehn. tonlos. Welchen Weg, Brand? Brand schweigt. zeigt auf die Gartenpforte und fragt. Den? zeigt auf die Haustür. Nein, – den! hebt das Kind auf ihren Armen hoch empor. Gott! Was ich Dir hier gegeben, Darf ich stolz zum Himmel heben! Schweige nun auch Du mir nicht! Ab ins Haus. starrt eine Weile vor sich hin, bricht in Tränen aus, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, wirft sich nieder auf die Treppe und ruft. Jesus, Jesus, gib mir Licht! 4. Akt Vierter Akt Weihnachtsabend im Pfarrhaus. Die Stube liegt in Dunkel. Die Ausgangstür befindet sich in der Hinterwand; ein Fenster auf der einen, eine Tür auf der anderen Seite. Agnes steht in Trauerkleidung am Fenster und starrt ins Dunkel hinaus. Immer noch nicht! Immer noch nicht! O, wie Stund' um Stunde leer ist! Und zu sehen, er kommt doch nicht, Wie das Herz auch sehnsuchtsschwer ist! Sacht fällt Schnee auf Berg und Wald; Selbst das Kirchlein alt ist bald Wie mit weißem Lein verhangen – – Lauscht. Horch! Die Zauntür ist gegangen! Tritte! Fester Mannesfuß! Eilt zur Tür und schließt auf. Lieber, Einziger, bist Du's? Brand tritt ein, beschneit, in Reisetracht, die er während des Folgenden abwirft. schlingt die Arme um ihn. O, wie lange warst Du draußen! Geh nicht von mir, weich' nicht von mir! Bin ich einsam, läßt der grausen Nachtgespenster Reich nicht von mir! Was sank alles auf uns nieder Diese Tage, diese Nacht! Kind, nun hast Du mich ja wieder. Zündet ein einzelnes Licht an, das einen schwachen Schimmer über die Stube wirft. Du bist bleich. Und überwacht. Hab' gesehnt mich all die Stunden, – Dann ein wenig Grün gebunden, – Wenig nur! Doch selbst gehegtes, Noch vom Sommer her gepflegtes, Längst zum Christbaumputz geweihtes. Ihm bestimmt hatt' ich den Strauch; Nun, – als Kranz bekommt er 'n auch! Bricht in Tränen aus. Gott im Himmel! Und nun schneit es Auf ihn – – auf dem Kirchhof drüben. O, dies Wort! Du mußt Dich üben, Es zu hören. Ja; doch quäle Mich nicht so; sieh, meiner Seele Wunde blutet noch zu stark; Krank ward meines Willens Mark; – Aber erst aus diesen Tagen, Will ich nimmer, nimmer klagen, Soll sich's rasch zum Bessern kehren. Heißt das Gottes Festtag ehren? Nein –; doch mußt Du mir vergeben! Denk, – noch vorig Jahr welch Leben! Dann des Fiebers bang Geflacker! Und jetzt auf dem – Schaudert vor dem Wort zurück. fest. – Totenacker! schreit auf. Nicht dies Wort! Aus vollen Lungen Dies Wort, das Dich ängstiget! Dieses just, daß es gesprungen Kommt, wie Brandung an ein Brett! Selber zähmst Du kaum das Gären, Das dies Wort in Dir entfacht; Deine Stirne steht in Zähren Von dem Schweiß, den es Dir macht. Diese Tropfen auf der Stirne Sind vom Fjord nur salzige Lauge. Und der Tropfen auch im Auge Nur geschmolzen Eis vom Firne? Nein! Der brennt wie rinnend Erz! Dessen Urquell ist Dein Herz. Agnes, Weib, wir wollen beide Stark sein, wollen, Eifers voll, Mit vereinter Kraft dem Leide Land abringen Zoll um Zoll. Ha, war ich ein Mann da draußen! Sturzseen brausten klippenüber, Schreckstumm schoß die Möve drüber, Hagelwetter kam uns zausen Mitten im empört'sten Gischte, Mast und Tauwerk kracht' und zischte, 's Fock zerriß, doch keiner fischte Nach den Fetzen, die's verjagte, Jeder Nagel schrie und klagte; – Wieder vom Gebirg und wieder Donnerten Lawinen nieder; Ratlos saßen die acht bleichen Rudrer vor mir wie acht Leichen. Ha, da wuchs ich auf am Steuer, Meine Worte wurden Feuer, – Und zu meinem schweren Werke, Fühlt' ich, lieh Gott selbst mir Stärke. Leicht, zu trotzen Sturmeswehn! Leicht, Gefahren zu bestehn! Aber sieh mich an: ich sitze Hier in dieser Felsenritze, Wo mir nichts den toten Frieden Meiner Sperlingssorgen nimmt; Sieh mich, die, weltabgeschieden, Nicht der Taten Feu'r durchglimmt; Sieh mich an, der Gott hienieden Wenig nur zu tun bestimmt! Hätt'st Du hier gleich mir gesessen, Sprächst Du nimmer von Vergessen! Dir, Dir läg' nichts ob, zu tun? Niemals Größeres denn nun! Hör', – vielleicht wird Dir für Deinen Schmerz aus meinem ein Gewinn. Oft wird mir das Aug' voll Weinen, Still der Geist und weich der Sinn; – Als ob Gott ein Glück dem gönnte, Der recht weinen, weinen könnte. Da wird Gott mir offenbar, Denk Dir, Kind, wenn ich so weine, – Offenbar wie nimmerdar, Klar, daß ich ihn vor mir meine. O, mich dann an seiner warmen Brust von allem zu befrein Und von seinen Vaterarmen Ewiglich umfaßt zu sein! Brand, o, sieh ihn immer so, – Seiner Nähe bleibe froh, – Sieh den Vater, nicht den Herren! Darf ich ihm entgegenstehn? Darf ich ihm die Wege sperren? Stark und groß muß ich ihn sehn, Weltengroß, – just danach schreit Diese selbst so kleine Zeit. Aber Du, Du darfst ihm nahn, Seinen Vaterkuß empfahn, Dich an seiner Lieb' erquicken, An ihm ausruhn, bist Du müd', Von ihm scheiden, trostdurchglüht, Seinen Glanz in Deinen Blicken, Kannst mit seinem Widerschein Mich zu neuem Schaffen weihn. Siehst Du, Agnes, – so zu teilen, Ist der Ehe Kern und Wesen; Eins soll Kampf und Streit erlesen, Eins soll alle Wunden heilen; Dann erst hat sich offenbart, Daß aus zweien eines ward. Da Du's wagtest, von der Welt Abgetrennt und mir gesellt, Dir Dein eigen Los zu dichten, Brachtest Du mir dies als Gift: Ich sollt' kämpfen, wie es trifft, Keinen Sonnengluten weichen, Keine Nacht noch Kälte scheuen, – Du wollt'st mir den immer neuen Labetrunk der Liebe reichen, Wollt'st der Güte Hermelin Weich mir untern Panzer ziehn, – Klein ist dies Dein Tun mit nichten! Was ich Dir auch zu vollbringen Trachte, nichts will mir gelingen. All mein Denken, Planen, Meinen Kehrt zurück zu jenem Einen. Alles ist noch wie ein Traum. Tränen werden's überwinden, – Und ich werd' mich wiederfinden Und der Pflicht gewissen Zaum. Brand, heut Nacht, indes Du drauß, Kam es durch die Kammertür Blühend und gesund herfür, Und in seinem dünnen Flaus Lief's mit Kinderschritt, wie früh'r, An mein Bett, hob seine süßen Ärmchen mir entgegen, spähte Nach mir, lächelnd mich zu grüßen, – Doch als ob's um Wärme bäte! Ja, ich sah's! Und fuhr empor –! Agnes! Ja, – das Kind, es fror! Und wie wollt' es auch erwarmen In der Bretter kalten Armen! Laß den Leichnam unterm Schnee; Alf weilt in der Engel Runde. weicht vor ihm zurück. Wühle nur in meiner Wunde, Schonungslos im tiefsten Weh! Magst Du hart ihn Leichnam nennen, Mir ist Alf noch heut mein Kind . Leib und Seele soll ich trennen? Ich vermag nicht so geschwind Zwischen diesen zwein zu scheiden; Eins noch sind für mich die beiden; Alf, der hier liegt, schneeverstoben, Er ist auch mein Alf dort oben! Manche Wunde muß noch bluten, Eh' Dein krankes Herz genest. Wenn Du sacht zu Werke gehst, Leitest Du mich leicht zum Guten. Reich' mir Deine starke Hand, Sprich so mild wie möglich, Brand, Du, von dem es heißt, es wohne Donnersturm in seiner Rede, Ficht ein Herz die große Fehde Um die eigne Lebenskrone, – Könnt'st nicht mit Schalmeientönen Bitterlichsten Schmerz versöhnen, – Fändst kein Wort in Deiner Tiefe, Das zu Licht und Leben riefe? Den Du mir gelehrt, Dein Gott, ist Wie ein Fürst, gehüllt in Erz; Ach, ich fürchte, nur ein Spott ist Ihm mein armer Mutterschmerz! Glaubst Du günstiger zu fahren Mit dem Gott aus frühern Jahren? Nein, nein, nimmermehr zurück! Und doch ist mir oft, als breite Sich vor mir das alte Glück, Und es lockt so lichte Weite. Leicht zu heben, schwer zu tragen, – Wie die alten Lehren sagen. Deine Wege, sie zerfleischen Mir den Fuß; zu groß, zu groß Ist Dein Wollen, Wirken, Heischen, Dein Beruf, Dein Ziel, Dein Los, Dies Gebirg, das uns umerkert, Dieser Fjord, der uns verkerkert, – Einsamkeit, Erinnrungspein, – Nur die Kirche ist zu klein. betroffen. Nur die Kirche? Der Gedanke Liegt wohl hier in Land und Luft? Und warum –? schüttelt schwermütig den Kopf. Was weiß das kranke Herz von Gründen? Wie ein Duft, Windverweht, begehrt oft eine Stimmung in ihm Unterschluft. Woher kommt sie, wohin geht sie? Gleichviel, mein Gemüt versteht sie, Und ich fühle klar und rein: Unsre Kirche ist zu klein. Welch ein Geist in der Gemeine!? In wie vieler Bitt' und Klage Trat der Wunsch nicht schon zutage! Selbst bei ihr, die wahngetrieben Umgeht, stand er klar geschrieben. »Dort ist Tod, dort ist's zu enge!« Rief sie. Und auch diese Kunde Kam aus keinem klaren Grunde. Wie viel Weibern fiel's nicht ein: Brand, die Dorfkirch' ist zu klein! Wenn aus all der Weiber Munde Eine große Sehnsucht klänge, – Die zu stillen mir gelänge?! Agnes! Agnes! Mich zu führen, Hat der Herr Dich hergesandt; Still und sicher, wie im Blinden, Stets den rechten Weg zu finden, Wenn ich seine Spur verkannt. Nie mocht' Dich ein Lockruf rühren; Gleich am Anfang offenbartest Du mein Reich mir und bewahrtest Den, der Gott sich schon verglichen, Vor des Dädalus Geschick, Kehrtest ihm den strengen Blick Innerwärts zum Innerlichen. Agnes, abermals nun schlug Deines Wortes Blitz mich klug, Trug Gewißheit in mein Los, Goß Erleuchtung auf mich aus; – Klein ist unsres Herrgotts Haus, – Gut, so zimmern wir es groß! Nie hab' ich so hell gesehen, Wie Du alles Lichtes Bronn mir; Und so nimm zurück Dein Flehen: Geh nicht von mir! Geh nicht von mir! Sei denn, Trauerhaus, versiegelt, Werde denn für alle Zeit Der Erinnrung Burg verriegelt Wie ein Grab. Vergessenheit Trenne meerestief und -breit Fürder dieses Grab und mich! All mein arm und töricht Denken Laß mich in dies Meer versenken Und nur Gattin sein für Dich! Aufwärts geht der Weg, zum Großen. Fordre kein zu steiles Klimmen! Durch mich fordern höhere Stimmen. Gott wird, wie Du selbst gelehrt, Heißes Wollen nicht verstoßen, Ward ihm auch kein Sieg beschert. Wendet sich zum Gehen. Wohin, Kind? lächelt. Des Hauses Pflege Ruft, wenn je, heut abend doch. Letzten Christ, – Du schaltst mich noch, – Ging ich fast zu reiche Wege. Licht in jedem Leuchterringe, Tannengrün voll bunter Dinge, Spielzeug, Backwerk, Zuckersachen, – Ei, das war ein Lust und Lachen! Wieder strahl' nun Kerz' an Kerze Ihren Heilsgruß uns ins Herze; Wieder schmück' ich unser Nest Nun zum stillen, großen Fest. Lugt dann Gott zur Tür herein, Schau' er die gestraften Kinder Sich dem Fest demütig weihn, Sehe, wie sie nicht in blinder Trauer, weil sie ihn nicht fassen, Es zu heiligen unterlassen. – Hab' ich mich nun in Gewalt? drückt sie an sich und läßt sie wieder los. Kind, mach' Licht! Das ist das Deine! lächelt schwermütig. Und nicht wahr, Du baust mir meine Große Kirche! Aber bald! Ab. blickt ihr nach. Willig, willig stets beweist sie Übermenschliche Geduld; Weicht die Kraft, verläßt der Geist sie, Trägt ihr Wille keine Schuld. Hilf ihr, Herr, in Deiner Huld; – Und mir nimm der Fordrung Kelch, Grausamer Gesetzeswut Grimmem Geier kalt zu winken, Sie zu packen, – welch, ach welch Zarten Herzens Flut zu trinken! Ich hab' Kräfte, ich hab' Mut; Gib die Last mir von uns beiden, – Laß nur sie nicht so viel leiden. Es klopft an die Flurtür. Der Vogt tritt ein. Hier grüßt Sie ein geschlagner Mann. Geschlagner Mann –? Jawohl, so sagt' ich. Sie wissen wohl, im Sommer wagt' ich Bedrohlich mich an Sie heran, Wollt' Ihnen hier den Grund abgraben Und gab für Sie nicht so viel mehr! Nun ja? Doch reut mein Trotz mich schwer, Heut streck' ich schlankweg das Gewehr. Warum? Weil Sie die meisten haben. So? Wär' das etwa nicht der Fall? Sie sucht man jetzt von überall. Hier herrscht seit kurzem, ganz entschieden, Ein Geist, der, weiß der liebe Christ, Nicht Geist von meinem Geiste ist, – Woraus ich klüglich folgern darf: Durch Sie weht jetzt der Wind so scharf. Hier meine Hand; wir schließen Frieden! Ein Krieg wie unsrer endet nicht, Eh' nicht des einen Schwert zerbricht. Was setzt' ihm besser Damm und Deich Als Fried' und gütlicher Vergleich? Ich mag nicht widern Stachel löcken – Ich bin ein Mensch wie andre auch – Und lobe mir das Waffenstrecken Vorm Speer des Feinds als guten Brauch. Kein Stecken hilft mir aus der Not, Wenn mich ein spitzer Spieß bedroht. Vereinsamt man in seinem Streben, So ist's am schlausten: nachzugeben. Wenn Sie die Lag' nur nicht verkennen! Sie mögen mich den Stärkern nennen, In Mehrzahl sehn – Und ob! Ja, jetzt Vielleicht noch; aber wenn's zuletzt Das große, ernste Opfer gilt, – Wen hebt das Volk dann auf den Schild? Ein ernstlich Opfer? Das zu sehn, Wird Sie hier nimmer überraschen. Woraus wird's bestenfalls bestehn? Die Leutchen öffnen mal die Taschen. Die Zeiten sind human und wollen Nichts Bessres mehr als Opfer zollen. Doch was mich schier zum Rasen brächte, Ist, daß ich selbst aus derer Zahl, Die das Humane hier empfahl Und so den Opferwillen schwächte. Ich gab damit voll Unverstand Den eignen Vorteil aus der Hand, – Ja, – in gewisser Weise – band Ich selbst damit mir eine Rute – Mag sein; allein bei Ihrem Mute Und Ihrer Kraft gibt man das Spiel Doch nicht so kurzer Hand verloren. Das mit der Rute sagt nicht viel, – Ein Mann ist seiner Tat geboren, Das Paradies sein höchstes Ziel. Und ob zum wilden Meere schwölle, Was ihm ans Ziel zu kommen wehrt, – Wie? Dürft' ein Mann drum rufen: Kehrt! Weit näher ist's doch hier zur Hölle?! Ich sage dazu ja und nein; Man will doch mal aufs Trockne kommen, Und sieht man seine Müh' nicht frommen, So schlägt man andre Wege ein. Wir wollen nun einmal Erstattung Für Arbeit jeder Art und Gattung; Gewinnt man nichts durch grade Stärke, So geht man eben krumm zu Werke. Doch schwarz wird deshalb nie zu weiß . Mein lieber Freund, wem macht das heiß! Was hilft's dem weiß wie Schnee Geglaubten, Wenn alle: schwarz wie Schnee! behaupten? Und Sie wohl mit? Nun nein, – genau Besehn, nicht eben schwarz , doch grau . Die Läufte sind human; die Massen Nicht mehr so herrisch anzufassen. Dies Land ist frei – und um den Preis: Daß jedes Wort gleich gültig schalle. Wie darf da einer wider alle Entscheiden über schwarz und weiß? – Kurzum, da Sie die meisten haben, Ist mir zunächst mein Grab gegraben. Doch statt nun fromm mich einzusargen, Spring' ich auf Ihren Kutschentritt, Und nur ein Narr wird mir verargen, Daß ich nicht bis aufs Messer stritt. Man hält, vom neuen Geist beseelt, Mein Tun für falsch nun und verfehlt. Man meint, daß man jetzt Größres lernte, Als wie man jährlich besser ernte. Nicht willig mehr, wie vordem, rührt Das Scherflein sich, wo sich's gebührt, – Und mag kein Mensch mehr weiter trecken, So bleibt der Karren eben stecken. 's ist schmerzlich, – wenn Sie's überlegen, – Den Plan zu so viel Weg- und Stegen, Zur Austrocknung von Sümpfen, Watten, Und mehr, stillschweigend zu bestatten. Doch, lieber Gott, was soll man machen! Nachgeben ist das Los der Schwachen, Die Gegenwart geduldig schlucken Und bis zur Zukunft klug sich ducken. Nun, – ich verlor des Volkes Gunst, Wie ich sie mir erwarb. Die Kunst Ist jetzt, durch anderweit Beginnen Den Posten wiederzugewinnen. Des Volkes Gunst, – so also heißt Der Pol, darum Ihr Streben kreist? Mit nichten, das weiß Gott! Nein, nein! Ich wollte das gemeine Beste, Das Volkswohl einzig und allein. Womit denn freilich eine feste Erwartung auf Entgelt für brav Getanes Werk zusammentraf. Das ist mal so: ein rühriger Mann, Der, was er soll, versteht und kann, Will seiner Taten Früchte sehn, Nicht nur für höhere Ideen Durch Mühsal und Entsagung gehn. Du kannst nicht, selbst beim besten Willen – Hast Du im eignen Topf kein Huhn – Stets alles nur für andre tun, Wenn Du im Ehejoche knurrst! Man hat ein Weib und viele Töchter; Da gilt es erst den Hunger stillen; – Ideen löschen keinen Durst, Ideen machen keinen satt, Wo man, wie ich, das Haus voll hat; Und käm' mir einer drum und möcht' er Mir an, ich spräch': Die nicht so sind, Sie sorgen schlecht um Weib und Kind. Und Ihre Absicht nun –? Zu baun. Zu baun? Ich hab' zu baun im Sinn, – Zu meinem wie des Volks Gewinn. Zuvörderst wär' neu aufzubaun Mein Ruf, den ich im Schwinden spüre; – Die Wahlen stehen vor der Türe; Und glückt's, die Mißgunst mir zu staun Und auf was Rechtes zu verfallen, So werd' ich Hahn im Korb bei allen Und kann auf Wiederwahl vertraun. Nun hab' ich so gedacht, – man kann Sich ja dem Zug der Zeit bequemen. Das Volk will jetzt Erhebung, heißt es; Dazu bin ich zu kleinen Geistes; Ich helf' ihm höchstens auf die Beine: Doch wie das tun, wenn die Gemeine Es wider mich hält wie ein Mann? Mich drum nicht noch mehr zu verfemen, Entschloß ich dreist mich, – ging' es an, – Die Armut hier aufs Korn zu nehmen. Und auszurotten? Nein; das läßt Sich nicht; sie ist nun mal der Brest Jeder Gesellschaft – und zu leiden; Doch läßt sie sich in Formen kleiden Mit etwas Witz und streng bezirken, Sofern zurzeit wir auf sie wirken. Man weiß, der Armut Unrat ist Der Sünde bester Düngermist; – Man soll nicht länger in ihm waten! Was woll'n Sie tun? Ob Sie's erraten? – Ich bau' zur Lösung des Konflikts, Zu Nutz und Frommen des Distrikts, Der Armut hier ihr eigen Pesthaus; Ja, Pesthaus sag' ich, absichtsvoll, Weil's Ansteckung verhüten soll. Mit diesem dacht' ich mir im Bund Als zweiten Flügel ein Arresthaus: So sitzt die Wirkung samt dem Grund Im selben Schloß- und Riegelfrieden, Nur durch die Zwischenwand geschieden. Und da ich nun einmal im Schuß, So denk' ich mir zum guten Schluß Noch unterm selben Dach 'nen Saal, Teils zu Gelagen, teils zur Wahl, Zu ernsten Dingen, wie zu Festen, Mit Rednerpult und Raum zu Gästen, – Kurzum, ein schmuck politisch Festhaus. Was gilt's, Sie haben stets ein voll Haus! Doch Eines brauchten wir noch mehr. Ich weiß, Sie denken an ein Tollhaus? Ja, freilich brauchten wir das sehr. Ich dacht's zuerst als erstes Drittel; Doch nach so manchem Hin und Her Verwarf ich's doch als schönen Wahn. Denn woher nehmen wir die Mittel Zu einem solchen Riesenplan? Und, glauben Sie, ein solcher Kasten Erheischt ein Kapital von Rang, Will jeder, der da Wert und Drang Beweist, in seinen Mauern gasten. Man muß dem Lauf der Zeit vertraun, Und nicht nur für sich selber baun. Jetzt geht ja alles wie der Blitz, Vorm Jahr entsprechend, dies Jahr minder; – Und da mit jedem Jahr geschwinder Jedwed' Bedürfnis wächst und wächst, Und Kräft' und Gaben, rein verhext, Auf Siebenmeilenstiefelsohlen Jn jedem Fach sich überholen, So würd' 's doch ein zu teurer Witz, Dem Nachwuchs so 'nen Edelsitz Zu baun für sich und Weib und Kinder. Drum sag' ich: Mag das nur noch ruhn; Der Zahn soll uns nicht wehe tun! Und macht mal wer zu arg Skandal So hat man ja den großen Saal. vergnügt. Gewiß, der ist ja meist geschlossen! Da liegt der Vogel abgeschossen! Ersteht der Bau nach meinen Datis, So haben wir das Tollhaus gratis – Und unter einem Dach gesellt, Von einem Wimpel überwellt, Die Elemente, die vor allen In unserm Kreis ins Auge fallen. Wir haben die ohn' Hab' und Gut, Dazu der Sünder Satansbrut, Dazu die Narr'n, die ohne Hut Bislang gehaust und ohne Zucht; Des weitern unsrer Freiheit Frucht: Wahlkampf und weiser Reden Flucht; Dazu 'nen Ratssaal, zu beschließen, Zum Wohl des Kreises, das und dies; Dazu 'nen Festsaal, zu begießen, Daß unser Urahn Bele hieß. Geht also alles bloß nach Lust, Bekommt der Berge Sohn ja just, Was, recht sich selber auszuleben, Sein billig Sehnen ist und Streben. Wir sind nicht reich hier im Gebirg'; Doch steht erst dies Gemeindehaus, So ruft wohl jeder Kenner aus: Welch wohlgeordneter Bezirk! Allein die Mittel –? Ja, die hapern In dieser wie in jeder Sach'; Die Lust zu Leistungen ist schwach, Und kann ich Sie nicht für mich kapern, So kommt nichts unter Dach und Fach. Doch stützen Sie mit Wortes Macht Mein Werk, so fallen die Beschwerden, – Und hab' ich's gut zu End' gebracht, Soll Ihrer nicht vergessen werden. Das heißt, Sie kommen, mich zu kaufen? Wie Sie gleich immer überlaufen! – Ich meint', es müßt' mir damit glücken, Den Zwietrachtschlund zu überbrücken, Der zwischen uns bisher geklafft Und keinem Teil Gewinn geschafft. Da kamen Sie zur falschen Stunde – Ach wohl; ich weiß, – der große Schmerz –! Die Ihnen jüngst geschlagne Wunde –! Doch Ihre Fassung gab mir Herz – Und dann Ihr Einfluß in der Runde – Das Auge trocken oder naß, – Ich stehe, – gilt's, – bereit für jeden. Jedoch ein andrer Grund will, daß Sie diesmal doch vergebens reden. Und welch ein Grund –? Ich selbst will bauen. Was? Baun? Sie stehl'n mir die Idee? Nicht ganz. Zeigt zum Fenster hinaus. Vogt, sehn Sie dort im Schnee –? Dort? Ja. Den großen grauen Stall Fürs Pfarrvieh, – dort am Wasserfall? Daneben den; – den kleinen grauen. Die Kirch'?! nickt. Sie will ich größer bauen. Das soll, den Teufel, nicht geschehn! Dran soll mir einer sich getrauen! Sie haben's auf mich abgesehn! Mein Plan ist fertig und hat Eile; Doch Ihrer schießt mir meine Pfeile Vorweg. Nein, nein! Ich will nicht leben, Wenn ich – Ich hab' nie nachgegeben. Sie müssen! Baun Sie mein Arresthaus Und Pesthaus und politisch Festhaus, In Summa, kurz gesagt, – mein Tollhaus, Wen schiert dann noch das morsche Dachwerk Der Kirche? Bricht, weiß Gott, das Fachwerk Doch nun schon Jahr und Tag nicht ein! Wohl möglich; doch sie ward zu klein . Ich sah mein Lebtag noch kein voll Haus! Nicht eine arme Seele fände Mehr Raum im Zwinger dieser Wände. schüttelt verwundert den Kopf. Wodurch, bedünkt mich, eben diese, Wie not ein Narrenhaus, bewiese! Verändert den Ton. Die Kirche fällt nicht, eh' ich sterbe. Ich möcht' mich niemals von ihr trennen, Die wir mit Recht ein Erbstück nennen, Jawohl, ein unverletzlich Erbe, Trotz allen Ihren Fechtersprüngen! Ja, wird mein Plan des Teufels Beute, So werd' ich in der Gunst der Leute, Ein Vogel Phönix, mich verjüngen! Ich trete, Hand am Schwertesknauf, Für unsrer Küste Denkmal auf! Denn früh schon schmückte diesen Strand Ein Opferstein für unsre Väter, – Worüber dann die Kirche später Aus frommer Helden Raub entstand. Verklärt in ihrer simplen Pracht, Geweiht in ihrer alten Tracht, So ragt sie bis in unsre Tage – Doch was gezeugt von frührer Macht, Ist nun wohl längst zur Ruh' gebracht – Und alles nur noch fromme Sage. Just eben dies! Sie ist so alt, Daß sich kein Span mehr finden läßt; Doch zu Großvaters Zeiten galt Ein Loch noch in der Wand als Rest! Ein Loch? Groß wie drei Maltersäck'! Doch sie, die Wand?! Ja, die war weg. Und deshalb muß ich rundweg sprechen: Der Kirche Sturz ist unausführlich. Es wär' ein schmählich, unnatürlich, Barbarisch Tun, sie abzubrechen. Und dann das Geld, – ich wette, keiner Wird Ihr Bedürfnis danach stillen Und seinen Beutel ziehn um einer Unausgetragnen Laune willen, Wenn statt so vieler schwerer Millen Ein Nichts sie so noch auf dem Damm hält, Daß sie sich unsre Zeit noch stramm hält! Doch sehn Sie selbst, wes Krug sie netzt, – Ich weiß, ich lache doch zuletzt. Das neue Haus für meinen Gott Macht keines Bettlers Hand bankrott. Aus eignen Mitteln will ich bauen; – Ich hab' all mein ererbtes Geld In dieses Werkes. Dienst gestellt. Nun, sind Sie immer noch der Held, Mir meine Tat nicht zuzutrauen? mit gefalteten Händen. Jetzt platzt die Welt an allen Nähten! So was geschieht ja kaum in Städten; – Und hier, – wo jeder sein Metall, Eh' daß er's dem Gemeinzweck lieh', Lieber vergräbt, – hier öffnen Sie Freigebig einen Wasserfall, Der blinkt und funkelt, sprüht und schäumt –? Nein, wie gesagt, mich dünkt, mir träumt! Ich hab' mich meines Erbteils längst Vor mir entäußert – Derlei Reden Vernahm ich oft; doch wies ich jeden Zurück mit einem: »Was Du denkst! Wer wär' zu opfern wohl gewillt, Wo's nicht gewissen Vorteil gilt?« Doch das ist Ihre eigne Sach'; – Gehn Sie voran; ich folge nach. Sie können handeln, stehn in Flammen, Ich wirk' im stillen, mehr gemach. – Brand, baun die Kirche wir zusammen ! Sie wissen rasch sich abzufinden! Und ob ich's weiß, und ob ich's tu'! Torheit, hier Widerstand zu leisten! Wem pendelt wohl die Menge zu, Will einer stopfen, mästen, feisten, Ein andrer melken, scheren, schinden? Ja, Tod und Teufel, tu' ich mit! Ich bin von Ihrem großen Schritt Bewegt, ergriffen, schier gerührt; Ein Glücksfall, traun, hat mich just heute Nach diesem Pfarrhof hergeführt; Denn – darf ich sagen – ohne mein Geplan' kam Ihnen Ihr's kaum ein, – Kam jedenfalls nicht vor die Leute. Und prangt ein Neubau nächsten Winter, Steckt eigentlich der Vogt dahinter. Doch jene ragende Ruine Der Vorzeit muß geopfert sein. blickt hinaus. Betrachtet hier im Doppelschein Von Neuschnee und von Neumond, schiene Fürwahr ihr weitrer Beibehalt Vom Übel! Wie? Sie ist zu alt! Es ist mir völlig unerklärlich, Daß ich den ganzen Abend schlief, – Doch steht der Hahnenbalken schief; – Sein fernrer Brauch wär' höchst gefährlich. Und wo ist Stil, Architektur? An Wand und Dachstuhl keine Spur! Wie soll man solche Bogen nennen? Ein Fachmann würde sagen: greulich! Und recht hat er; sie sind abscheulich. Und dieses Moosdach wird wohl schwerlich Noch König Beles Zeiten kennen. Nein, Pietät geht leicht zu weit! Das muß dem größten Enthusiasten Einleuchten, daß der alte Kasten In Summa eine Unmöglichkeit. Wenn aber nun die Leute sprechen: Wir weigern uns, ihn abzubrechen –? Will niemand andres, so will ich . Vertraun Sie mir, ich werd' beizeiten Die Sache glatt in Wege leiten, Zum Fest schon, bis auf Punkt und Strich. Hei, werd' ich eifern, wiegeln, schreiben; – Allein, Sie kennen mich ja, – Schnack! Und kann ich aus dem dummen Pack Nicht Hilfe gnug zusammentreiben, So greif' ich selbst zu Axt und Hack', Ihn Stock- um Stockwerk zu entleiben. Und müßten meine eigne Frau Und eignen Töchter auf den Fleck, Er soll, bei Tod und Teufel, weg! Was für ein andrer Ton, schau, schau, Als der, in dem Sie jüngst geschmäht! Vielseitig sein, mein Freund, das rät Die Lehre der Humanität; Und als da sagt der Dichtersmann, So ist just das ein köstlich Ding, Daß Flügel unser Geist empfing, – Mit andern Worten – fliegen kann. – Ade! Nimmt seinen Hut. Ich muß zu meiner Bande. Zu wem? Wir griffen heut am Rande Des Dorfs, selbzweit, – was sagen Sie! – Zigeuner, häßlich wie die Schande. Jetzt liegt das Volk, wie Federvieh Verschnürt, im Nachbarhaus am Strande. Indes der Teufel soll mich holen, Wenn sich nicht zwei, drei fortgestohlen – Man läutete doch Weihnacht ein. Was läßt uns dann die Brut nicht sein! Doch allerdings, in einer Weise Gehört sie der Gemeinde an – Lachend. Ja Ihnen selbst! Wenn Rätselspeise Sie lüstet, – stehn Sie Ihren Mann! Nun wohl! Es leben Leute: Die sind Kraft derer da, kraft derer Sie sind, Und sind doch wieder, schlecht und recht, Weil sie aus anderem Geschlecht! schüttelt den Kopf. Ach Gott, der Rätsel sind so viele. Man tappt – und kommt zu keinem Ziele. Dies Rätsel ist doch leicht geraten. Sie hörten von dem Teufelsbraten Wohl schon das ein' und andre Wort – Dem armen Burschen hier am Ort, – Im übrigen ein heller Schädel! – Der einst um Ihre Mutter warb – Was weiter? Um ein steinreich Mädel!! Worauf ihn denn die Ungerührte Zum Blocksberg schickt', wie sich's gebührte. Jedoch was tat nun unser Freund? Er nahm, verhärmt, halb von Verstande, Ein ander Weib, aus einer Bande Zigeuner, – und bevor er starb, Ließ er dem Trupp sein Blut zum Pfande, Das nun in Sünd' und Elend sträunt. Ja, eins von diesen Kebsweib-Trollen Ward richtig uns hier einbeschert, Daß wir des Kerls gedenken sollen – Und das ist wer? Die junge Gerd! mit gedämpfter Stimme. Die Gerd! munter. Was? Macht das Rätsel Staat? Sein Blut lebt doch kraft derer, die Sie, Brand, geboren und gesäugt; – Denn hätt' er Ihre Mutter nie Geliebt, so hätt' er's nie gezeugt. Vogt, wissen Sie mir keinen Rat, Was diese Seelen retten könnte? Der find't sich hinter Zuchthaustoren. Die sind mit Haut und Haar verloren; Wer ihnen helfen wollt', mißgönnte Dem Teufel, was just selben schiert Und davor schützt, daß er falliert. Sie hatten doch zu baun gedacht, Der Nächsten Wohl so warm erwogen! Der Antrag ward, kaum eingebracht, Schon wieder auch zurückgezogen. Und ging' es noch –; wär's jetzt zu spät –? lächelnd. Das ist ein andrer Ton, schau, schau, Denn der, in dem Sie jüngst geschmäht. Klopft ihm auf die Schulter. Was tot, ist tot und abgetan; Entschlossen Handeln ziert den Mann. Ade! Ich darf nicht länger fackeln, Ich muß nach meinen Kücken gackeln, Den ausgerissnen, und ihr Nest Aufspüren. Also, frohes Fest! Ade! Und grüßen Sie die Frau! Ab. nach gedankenvollem Schweigen. Endlose Schuld, wohin ich schau'. – So wirr, so bunt verschlingen sich Des Schicksals Fäden, Stich um Stich; So stecken Sünd' und Frucht der Sünde Sich an im trübsten aller Bünde, Daß du erkennst, es ward aus Recht Und blutigem Unrecht ein Geflecht. Tritt ans Fenster und blickt lange hinaus. Mein Kind, Du fielst, schuldloses Lamm, Für meiner Mutter Trotzenwollen; Ein Irrgeist bracht' die Mahnungsflamm' Vom Throner überm Wolkenkamm Und hieß den Schicksalswürfel rollen; – Und dieser arme Nachtgeist wird , Weil meine Mutter einst geirrt. So hält der Herr mit dem Ertrage Der Schuld Recht und Gesetz die Wage, So schleudert er vom Himmel nied Heimsuchung bis aufs dritte Glied. Weicht entsetzt vom Fenster zurück. Ja, dem Gesetz muß gnug geschehn! Erst müssen gleich die Schalen stehn. In unserm Opferwillen lebt Die Macht, daß sich der Weiser hebt. Doch darf die Zeit das Wort nicht nennen; Denn alle scheun sich, es zu kennen. Geht lange auf und ab in der Stube. Und beten? Beten? Hm, – gar rund Entrollt dies Wort der meisten Mund; Bei hoch und niedrig schallt sein Ruhm – Und heißt: wenn's blitzt und stürmt, um Gnade Winseln zum Herrn verborgner Pfade, – Betteln um Christi Mittlertum, – Die beiden Händ' gen Himmel recken – Und bis zum Hals in Zweifeln stecken. Haha, wär' das des Rätsels Kern, So wagt' ich's wohl, wie mancher Christ, Und hämmert' an das Tor des Herrn, Den es »ein Graun zu preisen« ist! Hält inne und versinkt in Gedanken. Und doch, – als er mir Alf entrückte, Als er des Schmerzenskelches Grund Mir bot, – mein Kind einschlummert' – und Dem bängsten Kuß von Muttermund Kein Lächeln mehr zu wecken glückte, – Was war das –? Betet' ich da nicht? Wo kam der süße Rausch da her, Der mich wie Sphärensang entzückte? Was hob mich da zum Himmel? Wer Durchwob mich da mit Glut und Licht? Hab' ich gebetet da? War Er Mein Beichtiger in jener Stunde? Sah Er da meines Herzens Wunde Und führte sanft mich zum Verzicht? – Was weiß ich! Alles ist verhängt Und aber Nacht um mich gesenkt, – Und kein, kein Funke Licht zu finden – –. Doch, eine sieht selbst noch im Blinden! Ruft angstvoll. Licht, Agnes, – Licht von Deiner Hand! Agnes öffnet die Tür und tritt mit den angezündeten Festkerzen ein. Ein heller Schein fällt über die Stube. Licht! Siehst das Weihnachtslicht Du, Brand? leise. Das Weihnachtslicht! stellt die Kerzen auf den Tisch. Sag', Teurer, blieb Ich lang? Nein, nein! Und alles Holz Verkohlt! Du frierst ja! stark. Nein! lächelnd. Dein Stolz Will nicht einmal den schlichten Trieb Nach Wärm' und Licht! Legt im Ofen nach. geht auf und ab. Hm, will nicht! still vor sich hin, während sie die Stube aufputzt. So, Hierher den Leuchter. Gott, wie froh Er vorig Jahr zum Kerzenglanz Die Ärmchen hob und, Staunen ganz, Von seinem Stühlchen aus die Frag' Tat: Ist das eine Sonne, sag'? Verschiebt den Leuchter ein wenig. Jetzt fällt des Lichtes volle Flut Hinaus, – hinüber, – wo er ruht. Jetzt grüßt ihn durch die Scheiben just Die Wand, davon er fortgemußt; Jetzt kann er durch des Schneesturms Wehn Sein Weihnachtsstübchen schimmern sehn. – Doch 's Fenster ist wie tränenblind; – Wart', wart'; ich hab' ein Tüchlein seiden – Trocknet das Fenster ab. ist ihr mit den Augen gefolgt und sagt leise. Wann stürmt auf diesem Meer von Leiden Der letzte wühlerische Wind! Es muß zur Ruhe. für sich selbst. Sieh, wie hell! Die Scheide fiel, und lieblich schnell Wuchs seinem Glanz das Zimmer nach – Und ward die böse, kalte Erde Mit einem Mal ein traut Gemach, Daß süß und hold sein Schlummer werde! Was tust Du, Agnes? Still doch, Brand! nähert sich ihr. Du zogst den Vorhang auf! Nun schwand Der Traum; nun bin ich wieder wach. Im Traum wird leicht der Beste schwach. Mach' wieder zu! flehentlich. Brand! Zu! Dicht zu! O Du! Sei nicht so grausam, Du! Zu, zu! zieht die Laden vor. Jetzt ist gut zugemacht. Gott hat gewiß mir nicht verdacht, Trank ich auf kurze Traumesfrist Am Trostesquell – Nein, nein! Er ist Ein Richter, der mit einem weiten Gewissen Deine Akten führt; Wenn auch in Deiner Brust zu Zeiten Ein Fünkchen Götzendienst sich rührt! bricht in Tränen aus. So sag', wann je Dein Fordern endet! Entblättert liegt mein Lebenskranz. Ich habe Dir gesagt: Verschwendet Ist jedes Opfer, das nicht ganz . Doch mein's war ganz ; nichts ist geblieben! schüttelt den Kopf. Hat's Dich zu weiteren getrieben? lächelt. Versuch' der Armut Mut in mir! Gib! Nimm! Was wär' noch unerschwungen! Dein Schmerz, Deine Erinnerungen, – All Deiner Sehnsucht sündige Gier – verzweifelt. Mein Herz samt seinen Wurzeln, – hier! Da! reiss' es aus! Was Du auch beust, Versinkt im Abgrund allzumal, Sobald Du den Verlust bereust! schaudert. Dein Weg zu Gott ist steil und schmal Der Wille kennt nur diesen einen – Und Gnade schweigt –? abweisend. – aus Opfersteinen. starrt vor sich hin und sagt erschüttert. Jetzt ziehn uralte Nebel fort – –! O Wort der Schrift! Die Tiefe wirbt Und tut sich auf – Was für ein Wort? Daß, wer Jehovah siehet, – stirbt. schlägt die Arme um sie und drückt sie dicht an seine Brust. Verbirg Dich! Sieh ihn nicht! Versprich! Sieh nicht! Nicht? läßt sie los. Nein! Hör' nicht auf mich! Du leidest, Brand! Ich liebe Dich. Dein Lieben schmerzt gar sehr. Zu sehr? Dein Weg ist mein Weg. Frag' nicht mehr! Wie! schied ich denn aus eitlen Grillen Dein junges Herz von Spiel und Tanz, – Wie! flocht ich einer Halbheit willen Dir Deiner Leiden Dornenkranz? Weh uns! Was hätt' es dann für Wert Gehabt, daß wir den Kelch geleert! Du bist mein Weib, Du mußt Dein Leben, – Das heisch' ich, – ganz dem Herrn ergeben. Ja, ja; doch geh nicht von mir, Du! Vergib mir, mich verlangt nach Ruh'. Bald soll die neue Kirch' erstehen – Mein altes Kirchlein sank in Staub. Hat's Deinen Götzendienst gesehen, So ward's mit Recht der Winde Raub. Umfängt sie wie in Angst. Gott segne Dich – und schließ' auch mein Geschick in seinen Segen ein! Geht nach der Seitentür. Brand, wärst Du bös, wenn ich ganz sachte Das Fenster wieder freier machte? Ein Spaltchen nur? Brand, darf ich? in der Tür. Nein. Geht in seine Kammer. Alles, alles mir zu wehren! Jeder Laden zugezerrt! Gramvergessen, Seufzer, Zähren, Himmel, Grab verwehrt, versperrt! Fort! Mein Blut kann hier in diesen Einsamkeiten nicht mehr fließen! Fort? Wohin? Sehn nicht von droben Strenge Augen jeden Schritt? Führt' ich, fliehend von hier oben, Wohl des Herzens Habe mit? Könnt' ich aus dem tauben Schweigen Meiner Furcht je talwärts steigen? Horcht an der Türe zu Brands Stube. Er liest laut. Und seinen Ohren Meine Stimme nimmer naht. Keine Hilf'! Kein Trost, kein Rat! Selber Gott ist heut verloren In sein Lauschen, was der reichen, Kinderreichen, glückesweichen Menschen Dank ihm singt und lacht. Heut, in seiner Weihenacht, Schenkt er keinen Blick mir, keinen Einer einsamen Mutter Weinen. Nähert sich vorsichtig dem Fenster. Öffn' ich wohl den strengen Laden, Lass' der Kerzen hellen Schein Seinen schwarzen Schlummerschrein Alles Grausens lauter baden? – Nein, mein Alf ist nicht da drinnen. Heut ist ja der Kinder Fest; – Ob ihn Gott wohl kommen läßt? Ach, vielleicht schon steht er außen, Pocht in seinem weißen Linnen Ans verschlossne Fenster draußen. – Schluchzte es nicht eben nun? Alf, ich weiß ja nicht, was tun! Horch, Dein Vater schloß das Zimmer; – Alf, ich darf nicht öffnen heut! Tun wir denn, wie er gebeut! Wir gehorchten ja noch immer. O, flieg heim zum Himmel wieder; Dort ist Glanz und dort ist Freud', Tanzen Reigen, tönen Lieder. Aber zwing die Tränen nieder, – Sag' nicht, daß er 's Haus verrammelte, Da Du kamst, nach uns zu sehn. Kleines Kind kann nicht verstehn, Was für Weg' wir Große gehn. Sag', wie er vor Trauer stammelte; Sag', wie selbst dies Grün er sammelte Zu dem schmucken Kränzlein hier. Kannst Du's sehn? Das wand er Dir! Lauscht, besinnt sich und schüttelt den Kopf. Ach, ich träume. Weitaus treuer Trennt uns eine andre Wand. Erst im großen Läutrungsfeuer Fällt in Trümmer ihr Gemäuer, Stürzt die Wölbung, knarrt der Riegel, Springt der Kerkertüre Siegel, Birst des Schlosses ehern Band! Viel noch, viel noch muß geschehen, Eh' wir zwei uns wiedersehen. Füllen will ich, Scholl' auf Schollen, Seiner Forderungen Schacht, Werde hart sein, werde wollen . – Aber heut ist Weihenacht. Freilich, dies Jahr fehlt das Beste –! Halt! Ich hol' hervor zum Feste, Was von ihm mir noch gelassen, Und des grenzenlosen Wert, Seit mein Glück von mir gekehrt, Nur ein Mutterherz kann fassen. Sie kniet vor der Kommode nieder, öffnet eine Schublade und nimmt verschiedene Dinge heraus. Im selben Augenblick macht Brand die Tür auf und will sie anreden; aber da er ihr Vorhaben bemerkt, besinnt er sich und bleibt stehen. Agnes sieht ihn nicht. leise. Ewig dies zum Kirchhof Schielen, Ewig dies am Grabe Spielen! Schleier, Kleid und Mäntelein, Drin mein kleiner Schatz getauft ward – Hält das Kleidchen in die Höhe, betrachtet es und lacht. Gott, wie über alle Maßen Süß dies Kleidchen ist! Ja, mein Prinzchen war gar wunderfein, Als wir so im Kirchstuhl saßen. – Sieh, die Schärp' hier und das Röckchen, Drin er mir das erste Jahr An die Luft gedurft. Es war Derzeit, als es ihm gekauft ward, Viel zu lang; doch wie im Fliegen Wuchs er draus. – Das mag hier liegen. – Handschuh', Söckchen, – potz! die Söckchen! – Und sein neues Seidenhäubchen Für den Winter; – noch kein Stäubchen Hat an seinem Glanz gerührt. – O, und hier die Reisestücke, Drein ich ihn auf Brands Gebot Eingemummt und eingeschnürt; – Als ich wieder sie zurücke Legte, war ich müd' zum Tod. ringt die Hände in Qual. Gott, – ich kann's nicht! Soll sie ihren Letzten Trost durch mich verlieren? Bürd' es einem andern auf! Da sind Flecken; – weint' ich drauf? – Welch ein Reichtum! Perldurchsträhnet, Schmerzzerknittert, angstbetränet, Glanzumstrahlt vom Graun der Wahl, Heilig! Seines Opfertages Krönungsmantel! Tröst' Dich, zages Herz, noch reich in aller Qual! Es pocht heftig an der Flurtür; Agnes wendet sich mit einem Aufschrei um und erblickt zugleich Brand. Die Tür wird aufgerissen und ein Weib , in zerrissener Kleidung, tritt, ein Kind auf dem Arm, eilig ein. sieht die Kindersachen und ruft Agnes zu. Reiche Mutter, teil' mit mir! Du bist zehenmal so reich! Ha, Du bist den andern gleich; Leere Worte dort und hier! nähert sich ihr. Sag', was hast Du hier im Sinn? Nichts mit Dir, dem Pfarrer! Besser Wieder in des Eiswinds Messer, Als zu hör'n Dein pfäffisch Unken; Lieber totgehetzt, ertrunken Auf 'ner Klippe faulen hin, Als Dir, Schwarzrock, Red' zu stehen, Der mich heißt, zur Hölle gehen! War's, zum Teufel, mein Versehen, Daß ich die ward, die ich bin? leise. Diese Stimme, dies Gesicht Füllen mich mit Ahnungsgrausen! Rast' Dich, wenn Dir matt zu mut ist. Bist Du hungrig, hehl's uns nicht – Der Zigeuner darf nicht hausen, Wo es hell ist, wo es gut ist. Unser Heim sind hohle Stämme, Schluchten, Straßen, Bergeskämme; Müssen ziehen, müssen wandern, Haus und Herd sind für Euch andern. Schon zu lang' hier halt' ich Rast; Sie sind hinter mir wie Hunde! Wenn mich Vogt und Amtmann faßt, Sitz' ich auch zur selben Stunde. Hier soll's keiner wagen. Hier? Wo mich Dach und Wand begraben? Nein, der Nachtwind, sag' ich Dir, Wird uns beide besser laben. Doch ein Fetzen Kleid fürs Kleine! Denn mein Ält'ster, dieser Dieb, Stahl dem eignen Bruder seine Lumpen, drein ich ihn gewickelt; Schau', halb nackt ist er, die Beine Blau wie Eis, die Haut zerprickelt Vom Gestöber, das uns trieb. Weib, laß ab von ihm – und gib Uns ihn, seinem Heil zulieb! Laß ihn nicht bei Dir verkommen, – Und der Fluch wird ihm genommen – Ja, Du weißt es gut wie einer! Solch ein Wunder tut Dir keiner, – Soll's nicht einmal! Krieg, jawohl, Euch, durch die mein Jung' verloren! Weißt Du, wo ich ihn geboren? An der Straßengrabenkante, Unter Trinken, Spiel, Gejohl'. Tauft' ihn aus 'ner Pfütz', einbrannte Mit 'ner Kohl' ihm 's Kreuzeszeichen, Tat ihm meine Schnapsflasch' reichen; – Und just als ich ihn gebar, Stritt um mich die halbe Schar – Bessre Gott die Missetäter! –, Wer der Vater, – wer die Väter! Agnes! Ja. Tu Deine Pflicht. voll Entsetzen. Brand! Ihr! Nimmermehr! Das nicht! Gib, gib! Gib mir, was Du hast! Seidenzeug und alten Prast! Nichts ist mir zu schlecht, zu gut, Wärmt's nur sein erstarrtes Blut. Stirbt er auch noch heut, so sei's Doch in Schweiß und nicht in Eis. zu Agnes. Höre dieses Zeichens Zunge! Darbt Dir drum Dein eigner Junge? Nein! – So gib denn dem, der fremd, Lebenskleid und Totenhemd! Weh', wer sich dem Gipfelschwunge Seiner Pflicht entgegenstemmt! Gib! Das heißt am Toten drüben Schändung, Leichenraub verüben! Unnütz ward er hingegeben, Bleibst Du an der Schwelle kleben. gebrochen. Nun, Dein Willen, er geschehe. Herz, zerbrich! Was gilt Dein Wehe. Weib, wohlan, – da ich denn muß, – Teilen wir den Überfluß – Gib! Gib! Teilen ? – Agnes; teilen ? Eher mag mich Tod ereilen, Als ich noch mehr gebe. Stiehl Mir nicht alles ! Freu' sie der Hälfte sich! Sie braucht nicht mehr! War das Ganze auch zu viel, Als für Dein Kind es gekauft ward? gibt dem Weib ein Stück ums andere. Komm, hier nimm das Mäntelchen, Das er trug, als er getauft ward. Hier sind Schärpe, Kleid und Röckchen, – Das hält warm bei Nacht und Wind, – Hier das Häubchen, hier die Söckchen, – Darin tut kein Frost ihm weh; Nimm den letzten Fetzen denn – Gib, gib! Gabst Du alles , Kind? gibt von neuem. Hier sein Krönungsmantel, als wir Ihn geopfert! So! Jetzt seh' Ich nichts mehr. Wenn auf dem Hals mir Nur nicht Vogt und Amtmann sind! Ich bekleid' ihn auf der Treppe, – Und dann fort mit dem Geläppe! Ab. steht in starkem inneren Kampf; endlich fragt sie. Sag' mir, Brand, wär' es wohl billig, Fordertest Du jetzt noch mehr? Sag' mir Du erst: Schrittst Du willig Zu dem Opfer, herb und schwer? Nein . So war's zum Spiel geschehen, Und die Ford'rung bleibt bestehen. Wendet sich zum Gehen. schweigt, bis er an der Tür ist, dann ruft sie. Brand! Was gibt's? Ich hab' gelogen, – Dich um ein Ding noch betrogen. Brand, vergib! Ich widersetzte Mich: ich gab noch nicht das Letzte. Nun! zieht ein zusammengefaltetes Kindermützchen aus dem Busen. Eins blieb undargebracht. Dies? Betränt von meinen Schmerzen, Feucht vom Schweiß der Sterbenacht, Lag's bis jetzt an meinem Herzen! Bleib in Deiner Götzen Macht! Wendet sich zum Gehen. Halt! Was willst Du? O, Du weißt es. Reicht ihm das Mützchen hin. tritt auf sie zu und fragt, ohne es zu nehmen. Willig ? Willig! Ja. nimmt das Mützchen. So heißt es Eilen; sonst entfernt sie sich. Ab. Selbst dies letzte Band, das mich Noch am Staub hielt, – er zerreißt es! Steht eine Weile unbeweglich; nach und nach geht der Ausdruck ihres Antlitzes in hell strahlende Freude über. Brand kommt zurück; sie fliegt ihm jubelnd entgegen, wirft sich ihm an die Brust und ruft. Ich bin frei! Brand, ich bin frei! Agnes! Alles ist vorbei! Nacht und Graun, die mich gebunden Wie ein böser Traum und Krampf, Ruhn im Abgrund überwunden! Sieg beschließt des Willens Kampf! Alle Tränen sind vergossen, Alle Wolken sind zerflossen; Hinter kurzen Todesnöten Schimmern ewige Morgenröten! Totenacker, Totenacker! Keiner Seel' Irrlichtgeflacker Lockt mich mehr, Dich anzuklagen; – Alf ist himmelan getragen! Ja! Jetzt hast Du überwunden! Überwunden hab' ich, traun! Überwunden Grab und Graun! Blick' empor! Alf ist gefunden! Siehst Du, wie er, neuerweckt, Lächelnd von des Thrones Stufen Seine Ärmchen nach uns streckt? Hätt' ich jetzt auch tausend Stimmen, Wüßte, Gott würd' nicht ergrimmen, Hielt' ich dennoch mich versteckt, Ohn' ihn wieder heimzurufen. O, welch tiefer Weisheit Bronn: Gott entreißt mich, streng mich von Meinem köstlichen Kleinode Trennend, sichrem Seelentode. Ich bekam's, daß ich's verlöre – Und nach seinem Himmel fröre! Dank Dir, Freund an meiner Seite, Treuer Helfer mir im Streite! O, ich sah wohl Deine Qual. Jetzt stehst Du im Tal der Wahl; Hilf Dir selbst nun angesichts Deines Alles oder Nichts ! Kind, was willst Du damit sagen? Ist der Streit nicht ausgetragen? Du vergißt, was uns verdirbt: – Wer Jehova siehet, stirbt! weicht zurück. Weh mir, welch ein Licht entbrennst Du! Nein! und tausend Male nein! Meine starken Arme kennst Du, – Und so laß mich nicht allein! Mag sich alles von mir kehren, Jedes Lohns kann ich entbehren, Aber nimmer, nimmer Dein! Wähl', Du stehst am Scheidewege! Lösch' das Licht, – und das Gespenst, Du Weißt, es wird von neuem rege; Tilg' der Weihnachtslichter Helle; – Horch, sie sitzt noch auf der Schwelle; – Laß mich zu den himmlisch blinden Tagen wieder heimwärts finden, Stoss' mich, wiederum entmündigt, In den Staub, drin ich gesündigt, – Alles kannst Du; wandle mich; Was vermag ich wider Dich; Schneid entzwei der Flügel Sehne, Gieß mir Blei in jede Vene, Mach' mich mit derselben Hand Klein, die mich zu heben strebte, Laß mich leben, wie ich lebte, Da ich noch in Nacht mich wand. Willst und kannst Du dies, so bleib Ich wie ehedem Dein Weib; – Wähl', Du stehst am Scheidewege! Weh', wenn ich noch überlege! Und doch winkten fern von hier, Heilend jede Herzenswunde, Leben Dir und Licht im Bunde . Kläng' Dir nicht aus Grabesgrunde Stets dann ein »Du gingst von mir«? Würd'st Du dann den tausend Seelen, Deren Hort Du hier, nicht fehlen, – Die zu liebendem Umfassen Gott Dir gab in Heg' und Pflege? Wähl', Du stehst am Scheidewege! Mir ist keine Wahl gelassen. wirft sich an seine Brust. Dank für alles – und dies Letzte! Treulich halfest Du der Schwachen! Wenn es naht, das mir Gesetzte, Wirst Du treulich bei mir wachen. Schlaf'! Dein Tagwerk ist zu End'. Aus, – ja; und das Nachtlicht brennt. Ach, mich hat des Kampfes Macht Ganz von aller Kraft gebracht; O, doch leicht sind Gottes Strafen! Brand, gutnacht! Gutnacht! Gutnacht! Dank für alles! Und nun – schlafen! Ab. preßt die Hände gegen die Brust. Herz, bleib treu dem höchsten Richter! Sieger werden nur Verzichter . Erst Verlornes wird Erworbnes; – Ewig lebt Dir nur Gestorbnes! 5. Akt Fünfter Akt Anderthalb Jahre später. Die neue Kirche steht vollständig fertig und zur Einweihung geschmückt. Der Bach rinnt dicht vorbei. Es ist früher nebliger Morgen. Der Küster ist dabei, vor der Kirche Kränze aufzuhängen; bald darauf kommt der Schulmeister hinzu. Schau', schau', schon auf? Tut not genug! Helft mit! Hier zwischen diese Stangen Soll Laub als Gasse für den Zug. Beim Pfarrhaus wird was aufgehangen, – Das schließt mit einem runden Rahmen – Ei wohl, ei wohl! Zu welchem End'? Ein Ehrenschild, wie man es nennt, Soll da hinein, mit seinem Namen. Ja, heut wird's bunt in der Gemeine! Sie kommen aus dem ganzen Kreis; Von Segeln ist der Fjord schier weiß. Ja, jetzt sprang alles auf die Beine; Zu seines sel'gen Vorfahrs Zeit War Fried' und Eintracht weit und breit; Da schlief man selbst, da schlief der Nachbar; – Ich weiß nicht, was da mehr mitmachbar. Das Leben, Freund, das Leben! Gut! Doch uns versehrt es nicht das Blut; Wie kommt das wohl? Weil ich und Ihr Uns plagten, bis der Nachbar schlief; – Nun, da er wach ward, schlafen wir; – Denn niemand wünscht uns mehr aktiv. Doch leben hätte mehr Verstand? So sagt Herr Propst und Pfarrer Brand; Ich selber sage ganz das gleiche, – Doch, wohl zu merken, damit reiche Ich nur der großen Zahl die Hand. Uns aber gilt ein Hirtenbrief, Der nicht wie Sonn' und Mond zu sehen; – Die wir hier als Beamte schalten, Wir müssen stramm dawider halten, Ein Hort der Kirchenzucht und Wissenschaft sein, Zur Leidenschaft stets zu gewissenhaft sein, Kurz, über den Parteien stehen. Jedoch der Pfarrer steht nicht drüber. Das ist just eben, was er sollte. Wißt, seine Vorgesetzten sind Zu seinem Tun durchaus nicht blind; Und wenn ihn nicht das Volk so wollte, – Längst hätt' er seinen Abschiedsstüber. Doch er ist fein, er riecht den Pfeffer, Er kennt die Welt und seine Treffer. Er baut die Kirche. Jeder Zahn wird Hier stumpf, sobald nur was getan wird. Was da getan wird, wenig wiegt es; Daß was getan wird, – seht, da liegt es! Wir heißen sicher einmal Spätern Ein einziges Geschlecht von Tätern. Ja, Ihr, die Ihr im Reichstag wart, Ihr kennt das Volk und seine Art. Doch einer, der durchs Kirchspiel reiste, Just als es wach ward, kurzum, preiste, Wir wär'n aus Schläfern, hier im Norden, Ein Volk nun von – Gelobern worden. Ja, das Geloben liebt's und übt's, Dies Volk, ein Volk, gelobend baß, Ein Volk, so rasch entwickelt, daß Bald Jeder Dolmetsch des Gelübd's. Um Euch studierten Mann zu fragen, – Was ist – mein Grübeln zu belehren – Ein Volksgelübde, sozusagen? Ein Volksgelübd'? Schwer zu erklären, Wie leicht, als seiend zu bescheinigen. Das ist was, drin sich alle einigen Kraft einer einigen Idee; Das Volk will, daß ein Werk gescheh' – In seiner Zukunft notabene. So; schön; das leuchtet mir nun ein; Hingegen ist mir noch nicht klar – Ich meine, – ja, – um welches Jahr – Sprecht ruhig aus! Wann bricht nun jene Zeit, die man Zukunft nennt, herein? Die Zeit kommt niemals! Niemals? Nein! Und das ist ganz in seiner Art; Denn kommt sie, ist sie Gegenwart Geworden, – ist nicht Zukunft mehr. Hm, das begreift sich nicht zu schwer; Nur darin fehlt mir noch die Klarheit: – Wann wird dann solch ein Volksschwur Wahrheit? Ich hab' Euch doch gesagt: solch Schwur Bezieht sich auf die Zukunft nur; Nun also: in der Zukunft! Ja, – Doch sagt, wann ist die Zukunft da? leise. Das ist ein Küster! Laut. Liebster Mann, Soll ich's aufackern wiederum, – Daß Zukunft niemals da sein kann; Denn wenn sie da ist, ist sie um! Hm! Hinter jedes Dings Begriff Verbirgt sich eine Art von Kniff. Jedoch es ist kein Kniff dabei, Das heißt, für männiglich, – so sei Bemerkt, – so weiter zählt als drei. Gelübde heißt im Grund Gelüge, Sei gleich, wer's ablegt, völlig ehrlich; Bislang galt Halten für beschwerlich, – Doch mag's dreist gelten für undenkbar, – Sofern man ist von Logik lenkbar. Doch lassen wir die hohen Flüge. Hört, sagt mir –? Pst! Was ist das? Still! Es spielt, wie mich bedünken will, Wer auf der Orgel. Das ist er. Der Pfarrer? Freilich. Hol' mich der –! Was den so früh schon hergeführt hat! Ich glaube kaum, daß er die Nacht Sein geistlich Bett auch nur berührt hat. So! Ja, das geht noch schlimm, gebt acht! Man merkt, wie's heimlich an ihm frißt, Seitdem er nun verwitwet ist. Wohl wahr; er sagt Euch nie ein Wort! Doch bricht's hervor, bald hier, bald dort. Da spielt er. Hört nur, hört! Man meint, Daß er um Frau und Söhnchen weint. Schier daß man Stimmen unterscheidet – Und eine tröstet, eine leidet – Ging's an, ich würde gleich gerührt! Ja, wenn man nicht Beamter wär'! Und eingezwängt und eingeschnürt Von Rücksicht auf die Standesehr'! Ja, bliese gleich des Satans Nüster Auf all den Bücherlug und -trug! Und wär' man nicht so suppenklug; Und dürft' man einmal fühlen , Küster! Freund, niemand sieht uns, – laßt uns fühlen! Das schickte sich, so in der Sphäre Des Volkes sich herumzusühlen! Ein Mann such', nach des Pfarrers Lehre, Niemals in Zweiem seine Ehre; Selbet wer da will, kann nicht auf ein Mal Mensch und Staatsbeamter sein; Man mag sich nur in allen Stücken Das Bild des Vogts vor Augen rücken. Just seins? Nun, nehmt zum Gegenstand In der Vogtei die Unglücksnacht, – und Wie das Archiv herausgebracht und Gerettet ward! Das war ein Brand! Wie da der Mann zu helfen strebte! Es war, als ob er zehnfach lebte! Der Teufel aber stand im Zimmer; Sein Weib – ihn sehn! und ein Gewimmer –: »Dein Seelenheil! Dein ewig Teil! Der Schwarze will Dir an den Kragen!« Da ruft der Vogt, beherzt wie immer: Mein Heil? Zur Höll' mit meinem Heil! Helft mir bloß das Archiv wegtragen! Der Mann ist Vogt, seht, ganz und gar, Mit Leib und Leben, Haut und Haar, Und wird auch einst dahin gelangen, Wo Lob und Lohn ihn laut empfangen. Und das ist wo? Gegebnerweis': In guter Vögte Paradeis. Mein kluger Freund! Was gibt's? Es tagt Da hinter allem, was Ihr sagt, Von Zeichen, daß die Zeit in Gärung; Denn Gärung ist hier, ganz gewiß; Das kündet schon der große Riß, Den's zwischen Alt- und Neuem gab. Was schimmelt, muß hinab ins Grab, Was fault, dient Frischem zur Ernährung; – Die Brust der Zeit höhlt Schwindsuchtsfieber; Und hustet sich der Hals nicht Luft, – Dann nur gleich alles in die Gruft! Ja, Gärung, Gärung ist hier, Lieber; Das schmeckt der schlechtste Karrenschieber. Als unser altes Kirchlein sank, Da war's, als würd' nun alles schwank, Drin unser Leben bis zur Stund' Sein Heim gehabt und seinen Grund. Da fiel ein Schweigen auf die Menge. Erst hatte sie: Reißt ein! geschrien, Doch hielt das Schrei'n nicht auf die Länge, Und manchem wurd' doch schwül und schien Doch der Verlust schier unersetzlich. Man sah: nun war's mit all dem aus; Und plötzlich klang's, das alte Haus Wär' eigentlich doch unverletzlich. Doch fühlte sie so lang' sich noch In des vergangnen Geistes Joch, Als nicht das Schloß der neuen Zeit Nach Fug und Recht war eingeweiht, Und merkte drum mit Angst und Harren Auf jeden frischgefügten Sparren Und sah gespannt dem Tag entgegen, Der alter Fahnen Niederlegen Und neuer Fahnen Hissen fände. Allein schon wie der Turm anstieg, Wurd' bang und bänger man – und schwieg; Und jetzt – ja, jetzt stehn wir am Ende. zeigt nach der Seite hinaus. Seht nur die Masse! Weit und breit ist Herbeigeströmt. Zu Tausenden! Wie still es ist! Und doch: wie wenn Das Meer vor einem Sturm dumpf dröhnt! Das ist des Volkes Herz, das stöhnt, – Ein Herz, das nun wohl bald so weit ist, Zu würdigen, wie groß die Zeit ist. Ist's nicht, als ob zum Thing sie führen, Sich einen neuen Gott zu küren! Wo blieb der Pfarrer? Mir ist kraus; Ich wollt', ich säß' versteckt zu Haus! Ich auch, ich auch! In solcher Stund' Erpeilt man nicht den eignen Grund; Tief geht's und immer tiefer nieder; Man sinkt, man sträubt sich, sinket wieder – Freund! Bruder! Hm. Nun –? 's ist vergeblich –! Ich glaub', jetzt fühlen wir buchstäblich! Was? Ich nicht! Mit Verlaub, auch ich nicht! Ein Zeugnis fällt uns sicherlich nicht! He, sind wir Weiber, so zu kohlen?! Die Schule wartet. Gott befohlen! Ab. Jetzt bin ich wieder kühl im Kopf Und zugeschraubt wie'n Eisentopf. Was träumt' ich da, ich Narr, ich blöder! Fort an die Arbeit, dummer Tropf! Müßiggang ist des Teufels Köder. Nach der andern Seite ab. Die Orgel, welche während des Vorhergehenden gedämpft geklungen hat, erbraust mit einem Male mächtig und endet mit einem schneidenden Mißlaut. Bald darauf tritt Brand aus der Kirche. Nein! die Orgel will nicht klingen, Läßt sich nicht zum Sprechen zwingen, Jeder Laut wird Qual und Pein; Bogen, Wölbung, Wände legen, Stemmen starr sich mir entgegen, Hammern hölzern alles nieder, Klemmen, klammern meine Lieder, Wie ein Sarg sein Opfer, ein. Welche Stimmen ich auch lockte, Sich das Werk nur mehr verstockte. Laut auf sang ich mein Gebet, Doch zerbrach's am Deckenpfosten, Wie von Glocken, alt und rosten, Dumpf, hohlbrüstig Stöhnen geht. Und mir war's, Gott selber stand Auf dem hohen Chor anklagend, Mit ergrimmter Richterhand Mein Gebet zu Boden schlagend. Groß gebaut werd' Gottes Haus, Schwor ich einst, erregten Blutes; Fällte, rodete, riß aus, Allzu selbstgewissen Mutes. Heute reut mich fast des Baus. Alle ziehn die Häupter bloß, Jeder schreit: Wie groß! Wie groß! Ob man's besser dort verstehn kann, Als ich hier, der ich's nicht sehn kann? Ist sie groß? Sind diese Wände, Was ich war zu baun gewillt? Hat dies Holz der Sehnsucht Brände, Die nach ihm gelechzt, gestillt? Gleicht dies Haus dem Tempelbild, Das mein Geist sich hehr erhöhte, – Jenem Weltdom aller Nöte? – Hm, wär' Agnes noch am Leben, Wär's nicht so. Im kleinsten Kleinen Sah sie noch des Großen Flamme, Mochte meine Zweifel heben, Erd' und Himmelszelt vereinen Wie ein Laubdach überm Stamme. Bemerkt die Anstalten zum Fest. Kränze, Fahnen überall; Aus der Schule Liederschall; Alle sind auf mich erpicht; Vor dem Pfarrhaus staut sich's brausend, – Prahlt mein Nam' in Gold dort nicht? Gott, gib Kraft, – sonst stürz' mich tausend Klafter unters Tageslicht! Bald nun schlägt des Festes Stunde; Ich bin jetzt in aller Munde, Und in aller Herzen ich nur! Was sie denken, o, ich weiß es; Ah, wie ihr begeistrungsheißes Loblied, das auf mich nur lauert, Mir das Herz wie Frost durchschauert! Könnt' man sich, o könnt' man sich nun In des tiefsten Dickichts Hecken Wie ein wildes Tier verstecken! kommt in voller Uniform und grüßt, vor Freude strahlend. Da brach der große Tag herein, Der Sabbath nach dem Wochenlauf, Jetzt holen wir die Segel ein Und ziehn den Sonntagswimpel auf Und gehn vorm Strome, sanft und sacht, Und sehn, wie alles gut gemacht. Viel Glück, Sie edler, großer Mann, An dem das Land sich freuen kann! Viel Glück! Ich fühl' mich ganz gerührt Und doch auch wieder schrecklich froh! Mir ist der Hals wie zugeschnürt. Ei, Bester, das ist bald gewichen! Nur immer tüchtig losposaunet, Und 's Maß dem Volk recht voll gestrichen! Die Resonanz ist hier ja so, Daß jeder, den ich fragte, staunet, Baß staunet – So? Der Propst sogar Erfand sie jedes Tadels bar. Und welch ein Stil voll Harmonie! Und in den Formen ausnahmslos Welch großer Zug – Das merkten Sie? Was merkt' ich? Daß ihr Anschein groß? Nicht bloß ihr Anschein, – daß sie's ist , Von welchem Punkt man sie auch mißt. Sie ist es? Schmeicheln Sie nicht bloß –? Zum Donnerwetter ist sie groß, – Zu groß für unsern Nordlandsort! In andern Ländern, wo man's kann, Da legt man höhern Maßstab an, Doch hier, wo – zwischen Wellen dort Und Bergen da – des Spatens Stoß Auf Fels nur klirret, kläglich Los, Hier ist sie groß, mein heilig Wort! Ja, ja, so ward die alte Lüge Durch eine neue nur ersetzt. Was nun? So fühlt das Volk sich jetzt, Statt durch der Vorzeit morsch Gefüge, Durch ein modern Getürm ergetzt. Einst scholl's im Chorus: Wie ehrwürdig! Jetzt brüllt der Chorus: Schaut, wie groß, – Welch Prunkstück fiel uns in den Schoß! Mein lieber Freund, ich sag' nur dies: Wer sie noch größer wollt', wär' würdig, Daß man's als Hochmut ihm verwies'. Doch jedem werde reiner Wein: Die Kirch', wie sie hier steht, ist klein; – Das einem hehlen, hieße lügen. So seines Lohns sich zu betrügen! Potz Grillen! Tut man das in Acht, Was man mühselig selbst gemacht? Der schlichte Mann ist so zufrieden; Mit offnem Munde steht er da, Weil er noch nie dergleichen sah; – So bleib' ihm doch sein Glück beschieden! Warum den armen Teufel wecken Und ihm durchaus ein Licht aufstecken, An dessen Schein ihm gar nichts liegt? Nein, was sein Glaube sagt, das wiegt. Das kommt im Grund auf eins hinaus, Ob Gotteshaus, ob Hundehaus, – Genug, wenn Seel' für Seele bloß Des Glaubens lebt: Das Haus ist groß. Allüberall die gleiche Lehre! Zudem sind an dem heutigen Feste All diese Seelen unsre Gäste, Wobei's höchst ungebührlich wäre, Bespeisten wir sie nicht aufs beste. Ja, Ihrethalben selbst, des weitern, Wär's widersinnig, ließe man Die Beule jener Wahrheit eitern. Was heißt das? Hören Sie mich an. Erst wird von unserm Vorstand Ihnen Ein silberner Pokal verehrt; Zerstör'n Sie nun der Kirche Wert, So wird die Inschrift harlekinen; Sodann das Festlied, das gedichtet, Die Rede, die ich halten wollte, Sie wären beide gleich gerichtet, Wenn dieser Bau nicht groß sein sollte. Sie sehn, Sie müssen sich wohl fügen. Die Ohren steif, es wird schon gehen! Ich seh' nur, was ich oft gesehen, – Ein Lügnerfest zum Preis von Lügen. Davor bewahr' der Himmel jeden; – Was führen Sie denn da für Reden! Doch die Geschmacksfrag' hab' ein End'; Ich habe noch ein Argument; – War jenes Silber, dies ist Gold; Denn, wie Sie nun einmal ein Schnitter Im Weingeländ' des Glücks sind, rollt Auch diesmal – – kurz: – Sie werden Ritter! Sie soll'n noch heut als Ordensmann Das Kreuz auf Ihre Rockbrust steppen. Ich hab' ein schwerer Kreuz zu schleppen; Nehm' das von mir, wer mag und kann. Was nun? Sie freun sich wohl im stillen ? Rührt Sie denn nicht dies Gnadenzeichen? Sie sind ein Rätsel ohnegleichen! Bedenken Sie, um Gottes willen – stampft auf. All dies Geschwätz ist eitler Kram; Ich geh' davon, so klug ich kam. Sie haben nichts von dem entdeckt, Was hinter meinen Worten steckt. Die Größe schafft mir wenig Gram, Die Euch nach Fuß und Zoll bezahlt wird, – Was unsichtbar zurückgestrahlt wird, Uns kalt durchschaudert, heiß durchzittert, Mit jedem hohen Traum umwittert, Wie nächt'ger Sternenglanz durchglüht, – Das, das –! Ah, gehn Sie! Ich bin müd'; Und lehr'n und tun Sie, was Sie wollen – Geht nach der Kirche hinauf. vor sich hin. Wer rettet sich aus diesem tollen Gewirr? Was sagst du, lieb Gemüt, Zu Größe, die zurückgestrahlt wird, Die nicht nach Fuß und Zoll bezahlt wird? Und nächtiger Sternglanz? – Faule Fische! Er kam doch nicht vom Frühstückstische? Ab. kommt den Platz herab. So einsam hab' ich nie gestanden Im wildesten Gebirg wie hier; – So läßt man jede Frage mir Im seichtesten Gewäsch versanden. Blickt nach der Richtung, in der der Vogt verschwunden ist. Zudrosseln möcht' ich ihm die Kehle! So oft ich seinen dumpfen Sinn Emporziehn will, Narr, der ich bin, Speit er mir seine stinkende Seele Frech mitten vor die Augen hin. O Agnes, warum bliebst Du nicht! Wie mir dies Spiel die Kraft zerbricht, Wo Flüchtling keiner, keiner Sieger –. Ja, fruchtlos kämpft ein einsamer Krieger. tritt auf. Omeine Kinder, meine Lämm –! Ich wollte sagen – Amtskollege! Verzeihung! Doch das Fest – hem, hem – Die Predigt – ist in einem rege. Ich bracht' sie gestern schon zu Kopf, Doch steckt sie mir noch frisch im Kropf. Doch nun vor allem meinen Dank! Sie brachen hier mit männlichem Vertraun sich Bahn durch Rank und Zank, Sie wagten Altes zu zerschellen, Um Würdigeres hinzustellen. Da fehlt noch viel. Das sollte doch –! Ich dächte – nur die Weihe noch? Was frommt ein Neubau, fehlt darin Der neue Geist, der reine Sinn! Das kommt, mein Freund, ganz nebenbei. Der Decke saubre Schnitzerei, Der helle Raum, – ei, das erzieht, Daß auch das Volk mehr auf sich sieht. Und gar die schöne Resonanz, Die jedes Wort zu zweien macht, Was meinen Sie! verhundertfacht In jeder Brust des Glaubens Glanz. Wir stehn hier, traun, vor Resultaten, Wie sie sogar in großen Staaten Nicht besser zu erzielen wären. Und all das spricht zu Ihren Ehren. Umschwebe Sie denn auch mein steter Amtsbrüderlicher Dank, dem später, Am Mittagstisch, von jüngern Kräften Des Stifts (aufstell' ich die Bilanz) In Ihren Ruhm- und Ehrenkranz Manch Lorbeerblatt noch anzuheften. Doch, lieber Brand, Sie taumeln schier –? Schon längst wich Kraft und Mut von mir. Begreiflich! So viel Mühn und Plagen! Und alle ganz allein getragen! Doch sind sie jetzt ja überwunden; Getrost! schon winken bessre Stunden; Bald wird der Himmel wieder klar. Von mehren Tausend eine Schar Ist aus den Sprengeln rings erschienen; Nun frag' ich Sie, wer nimmt's mit Ihnen An Geist und Rednergaben auf? Sehn Sie, der Amtsgenossen Hauf' Empfängt Sie nun mit offnen Armen, Und die Gemeind' läßt ihrem warmen Gefühl für Sie ergriffen Lauf! Und dann das Werk selbst, – wie's geglückt ist! Und dann, – wie alles schön geschmückt ist! Und dann des Tages Text, – wie groß! Und dann der Festschmaus, – beispiellos! Just als ich durch die Pfarre flitzte, Sah ich, wie man das Kalb aufschlitzte. Beim Himmel, Brand, ein köstlich Tier! Das mocht' nicht leicht sein, sagt' ich mir, Solch leckern Braten aufzutreiben, In diesen Läuften, ernst und schwer, Da wir das Pfund vier Kronen schreiben. Doch lassen wir nun diese Bilder. Mich führen and're Dinge her. Nur los geschlitzt, gehackt, zerfetzt! Mein Vorgangsmodus, Freund, ist milder. Doch bündig; – denn wir sind gehetzt; Es ist ein kleiner Punkt, worin Sie sich von heut ab ändern müssen, – Ein Leichtes, wie ich sicher bin. Ja, ich vermute fast, Sie wissen Schon, wo wir nicht zusammenpassen: Darin, wie Sie Ihr Amt auffassen. Sie kümmern sich nicht einen Hauch Um das, mein Freund, was Schick und Brauch; Und Schick und Brauch, das ist, ich meine, Denn doch im Grund das Allundeine. Du lieber Gott, ich will nicht schelten, Da man noch nicht Erfahrung hat, – Auch kommt man aus der großen Stadt Und findet hier ganz andre Welten. Doch jetzt, mein Freund, jetzt wird es wichtig, Sie stell'n die Segel endlich richtig. Man fand bisher mit Recht, Sie lägen Zu sehr der Einzelseele ob. Der Fehler – unter uns! – ist grob. Man muß sie massenweise wägen. Man scher' sie all' mit einem Kamm, So fährt am besten Hirt wie Lamm. Erklären Sie sich näher! Nun, Sie schenkten uns, in frommem Tun, Die Kirche hier, als wie ein Kleid Der Friedlich- und Gerechtigkeit. Der Staat sieht in der Religion Den besten Weg zum guten Ton, – Den Hort, dem er sein Heil empfahl, – Kurzum, die Richtschnur der Moral. Sehn Sie, der Staat ist knapp gestellt; Er will Valuta für sein Geld. Ein Christ, – so heißt's, – ein Patriot. Der Fiskus wirft sein Geld doch nicht Gott und den Leuten ins Gesicht; Umsonst, mein Freund, ist nur der Tod. Nein, nein, der Staat ist nicht so toll. Und bald wär's Land von Elend voll, Wenn er nicht, von erhabner Stätte, Sein Aug' auf alles Leben hätte. Doch dies gelingt dem Staat nur kraft Pflichtwilliger Beamtenschaft, Hier also: seiner Seelenhirten. Jedwedes Wort ist Weisheit! Nur Ganz kurz noch. Also, Sie bewirten Ihn mit der Kirche, sozusagen, Und wünschen folglich beizutragen Zu seiner Stärkung und Kultur. In diesem Sinn möcht' ich das Fest, Das wir heut feiern wollen, deuten, In dem, wie man die Glocken läuten, Den Schenkungsbrief verlesen läßt. Mit diesem Brief zugleich geloben Sie, auf mein Fordern einzugehn – Ich wär' nicht ich, wenn ich dies tät'! Ja, jetzt, mein Freund, ist es zu spät – Zu spät? Zu spät! Das möcht' ich sehn! Ich bitte Sie, wozu dies Toben? Kalt Blut! Ich lache schier! Je nun, Sie soll'n doch gar nichts Schlimmes tun! Kein einziger fährt minder gut, Weil auch dem Staat dabei genug wird; Sie dienen, wenn Ihr Sinn nur klug wird, Zwei Herren unter einem Hut. Den Jakob oder den Johann Zu retten, ist nicht Ihres Amtes; Ihr Ziel muß sein, daß Ihr gesamtes Kirchspiel am Heilsquell trinken kann. Und trinkt der ganze Kreis sich Heil, Wird auch dem einzelnen sein Teil. Der Staat ist, dünkt Sie das auch spanisch, Aufs Härchen halb republikanisch. Die Freiheit haßt er bis aufs Blut; Die Gleichheit aber schmeckt ihm gut; Doch Gleichheit kann nicht sein, bevor Nicht, was uneben, glattgebohnt wird. Und hierin hau'n Sie 'n übers Ohr, – Indem von Ihnen das Unebne Und nie bislang Bekanntgegebne Im Gegenteil gerad' betont wird. Einst war der Mensch der Kirche Glied, Heut pfeift er sein persönlich Lied; Dabei dem Staat ein schlechter Knappe; Weshalb es denn auch heut so schwer ist, Den Gleichheitsbeitrag abzuführen, Nebst all den sonstigen Gebühren, Indem die Kirche heut die Kappe Für alle Köpfe längst nicht mehr ist. O, welche Fernsicht öffnet sich! Nur nicht verzagt, nur nicht erkaltet; Obwohl unleugbar ist, hier waltet Ein Wirrwarr, der ganz lästerlich. Doch Hoffnung ist, wo Leben ist; Und nach dem Schenkungsakt bemißt Sich Ihre Pflicht, in Zukunft enger Zum Staat zu stehn, nur um so strenger. Nur Maß und Regel führt zum Ziel, Soll nicht versprengter Kräfte Spiel, Als wie ein Rudel rüder Fohlen, Der Überliefrung Grenzmarkzeichen Zerstörend nahen und entweichen. Aus jeder Ordnung Fundament Ist ein Gesetz emporzuholen: Das, was die Kunst als Schule kennt, Und unser Kriegerstand, so viel Mir noch bewußt, Tritt halten nennt. Ja, dies , mein Freund, dies ist das Wort! Dort liegt des Staates Ziel, nur dort. Den Springmarsch wär' er gerne quitt; Marsch auf der Stelle g'nügt ihm nit; – Für jeden Fuß den gleichen Schritt, Den gleichen Takt für jedes Knie, – So will's des Staats Philosophie. Dem Aar die Gosse – und dem Volke Der Gänse Berg und Wetterwolke! Der Mensch ist, Gott sei Dank, kein Tier; – Doch braucht es Poesie und Fabel, Versieht uns wohl die Bibel. Ihr Belegstoff reicht. Sie wimmelt schier Von Genesis bis Offenbarung Von Bild und Gleichnis und Parabel. Zum Beispiel, ich erinn're bloß An den geplanten Turm zu Babel! Was ward der guten Leute Los? Welch höchst trübselige Erfahrung! Und das warum? Nun, sie entzweiten Sich, schwammen nicht in einem Strom, Verfochten jeder sein Idiom, Kurz, wurden zu Persönlichkeiten. Das ist der eine von den Kernen, Die dieser Fabel Schale birgt: Wer sich von andern will entfernen, Der hat sein Heil schon halb verwirkt. Wem Gott mißgönnt vom Freudenquell, Den schafft er individuell. In Rom hieß es sothanen Falles: Die Gottheit nahm ihm den Verstand; Doch toll und einsam, eins ist alles; Und drum kein Mann auf eigne Hand, Dem nicht die gleichen Lose drohten, Die der, den David einst als Boten Absandte, – die Uria fand. Wohl möglich; aber, was auch droht, Ich schau' nicht Untergang im Tod. Und halten Sie für festgesetzt, Daß jenen Bauenden zuletzt Mit gleicher Sprache, gleichem Sinne Geglückt wär', ihres Turmes Zinne Bis in den Himmel aufzurichten? Bis in den Himmel? Nein, mit nichten; Denn der wird keinem Menschen inne. Das ist der andre von den Kernen, Die dieser Fabel Schale birgt: Ein Bau hat schon sein Recht verwirkt, Will er hinauf bis zu den Sternen. Doch Jakobs Leiter übertürmt sie; Und jeder Seele Sehnsucht stürmt sie. Auf die Art! Soll mich Gott bewahren! Da läßt sich alles weitre sparen. Gewiß, der Preis des Himmels steht Auf rechtem Wandel und Gebet. Doch Glaub' und Leben zu verquicken, Das hieß' nur beide schlecht beschicken; – Sechs Tage der Geschäfte Führung, Den siebenten des Herzens Rührung! Was gäb' die Kirche, werktags offen, Der Sonntagspredigt noch zu hoffen? Es schwächt des Wortes Läutrungskraft, Verschänkt man's nicht als seltnen Saft. Religion sowohl wie Kunst Verfliege nie zu breitem Dunst. Sie sehn Ihr Ideal genau Von Ihrer Kanzel Vogelschau, – Doch tun Sie's ab, samt Ihrer Tracht, Sobald die Kirchtür zugemacht. Für alles gilt nun mal der Satz, Der Hauptsatz: Lerne Dich beschränken. Und daß Sie dies recht in sich tränken, Erschien ich heut hier auf dem Platz. Nun denn, in diese Seelenbütten Des Staats weiß ich kein Korn zu schütten. Ich kam zu umgekehrten Schlüssen. Nur ist Ihr Feld hier nicht. Sie müssen Empor – Wozu, als Vorstuf', not, Daß man hinabstößt mich in Kot? Erhöht wird oft, wer sich erniedert; Kein Star spricht, der nicht erst entfiedert. Ihr müßt, wen Ihr gebraucht, erst töten! Da sei Gott vor; – Sie meinen, Brand, Ich wollte Sie –? Ja! Immer röten Sie erst an meinem Blut die Hand! Man paßt nur noch als fahl Skelett Auf Euer Faul- und Fäulnisbett! Ich lass', weiß Gott, nicht einer Katze Zur Ader – und nun Ihnen gar! Ich dachte nur, es wär' am Platze, Stellt' ich den Lauf des Weges dar, Der einst mein Weg zum Glücke war. Und wissen Sie, was Sie da sagen? Ich soll, beim ersten Hahnenschrei Des Staats, verleugnen das, wobei Mein Herz bis heute hoch geschlagen! Verleugnen, Freund? Wer davon spricht! Ich wies Sie nur auf Ihre Pflicht. Sie soll'n die Weltverbessrungs-Mucken, Die niemand frommen, in sich schlucken. Bewahr'n Sie sie zum Selbstgenuß, – Doch unter luftdichtem Verschluß! Meinthalben schwärmen Sie inwendig, Doch niemals offen vor der Menge. Mein Freund, es straft sich auf die Länge, Beträgt man starr sich und unbändig. Ja, Furcht vor Strafe, Gier nach Lohn Kainszeichnen Deine Stirn und klagen Dich an, daß Du, in Eintagsfron, Den Abel in Dir längst erschlagen. für sich. Jetzt sagt er, meiner Seel', gar »Du«; Das geht zu weit! Laut. Nun denn, wozu Noch länger streiten! Sie verstehn, Daß ich Sie bitte, einzusehn, – Gesetzt, Sie wollen vorwärtskommen, – In welchem Land, in welcher Zeit Sie leben; denn es kam nie weit, Wer störrisch widern Strom geschwommen. Sehn Sie die Künstler, die Poeten Dem Geist der Zeit entgegentreten? Ziehn unsre Krieger aus den Scheiden Je Säbel, die da wirklich schneiden? Niemals! Denn ein Gebot dich heißt: Schick' dich in deines Landes Geist. Sein Ich soll keiner frei entfalten, Noch sich erhöhn, noch ab sich spalten, Vielmehr sich schlicht im Haufen halten. Human sind, sagt der Vogt, die Zeiten: Was hätten Sie für Möglichkeiten, Verständen Sie sie bloß human! Drum erst die Kanten abgeschroten, Und abgehobelt Knorr' und Knoten! Erst wenn Sie glatt sind, wie die andern, Und nie mehr Sonderwege wandern, Wird, was Sie tun, zu Nutz getan. Fort, fort von hier! Ja, das ist wahr; Ein Mann wie Sie ruft offenbar Nach einem bessern Wirkungskreis; Doch müssen Sie, verständiger Weis', Ob groß nun Ihr Gebiet ob klein, Erst in die Zeitmontur hinein. Vom Korporalstock muß den Herden Der Marschtakt eingeprügelt werden; Denn unser Führerideal Ist heutzutag der Korporal. Wie dieser rottenweis' die Seinen Zur Kirche führt, so machen Sie's Als Hirt, und führen die Gemeinen Gemeineweis' zum Paradies. Der Glauben ist's, worauf zu baun ist, – Sie haben doch Autorität, Die wiederum auf Studium steht, Weshalb ihr blindlings zu vertraun ist. Und wie der Glaube darzustellen, Erhellt doch aus dem Rituellen. Mein Bruder, – all dies ist so leicht; Ich seh', noch eh' viel Zeit verstreicht, – Nur Mut! – Sie alles glatt erledigen. – Ich will nur in der Kirche drüben Mich noch im lauten Sprechen üben; Die Resonanz ist fast gênant, – Sie ist so selten hierzuland'. Auf Wiedersehn! Ich werde predigen Vom Zwiespalt in der Menschenbrust Und von des Gottesbilds Verwischung. Jetzt spür' ich aber wahrlich Lust Auf eine kleine Herzerfrischung. Ab. steht eine Weile wie versteinert in seinen Gedanken. Verschlang dies Werk nicht all mein Los Wie eine reißende Lawine? Da gellt Eintagsdrommetenstoß Und zeigt mir, welchem Gott ich diene. Ha! Noch seid Ihr um mich betrogen! Die Kirche dort hat Blut gesogen; Mein Glück, mein Leben ward ihr Kitt; Doch mich bekommt Ihr selbst nicht mit! O, fürchterlich, zu stehn alleine, – Wohin ich blicke, winkt mir Tod; O, fürchterlich: man reicht mir Steine, Und ich, ich hungere nach Brot. Wie sprach er grauenvolle Wahrheit, – Und doch, was ward da aufgedeckt! Weh, Gottes Taube sitzt versteckt; Weh, nie noch brachte sie mir Klarheit. O, ein Herz nur, im Glauben gleich, Wie würd' ich ruhig, stark und reich! Ejnar, bleich, abgezehrt, schwarzgekleidet, kommt des Wegs vorüber und bleibt bei Brands Anblick stehen. schreit auf. Du, Ejnar! Ja, so ist mein Nam'. Du weißt nicht, wie ich dürstet' just Nach einem Menschen in meinem Gram! O, komm, komm, komm an meine Brust! Bedarf es nicht; ich bin im Hafen. Du nährst noch Groll um das Geschehne, Da wir zuletzt uns trafen – Nein; Du hast nicht Schuld. Du griffst allein Als das vom Herren ausersehne Werkzeug in meine Weltlust ein. zurückweichend. Welch eine Sprache? Die der Ruhe, – Die einer lernt, wenn er die Schuhe Der Sünde auszog und bereute. Verwunderlich! Was mir die Leute Erzählten, war ganz unverblümt Das Gegenteil – Lang' war ich Beute Von Hochmut, Trotz auf eigne Stärke. Die Welt und ihre eitlen Werke, Die Kunst, die man an mir gerühmt, Mein Singsang waren lauter Schlingen, In Satans Frondienst mich zu bringen. Doch Gott behielt mich im Gesicht; Sein schwaches Schaf verließ er nicht; Er half mir fort zum rechten Ziel. Auf welche Weise? Ich verfiel. Verfielst? In was? In Trunk und Spiel. Er schob mir Wein und Würfel hin. Das, meinst Du, war des Herren Sinn? Es war der erste Schritt zum Heile. Dann ward ich leidend nach 'ner Weile; Verlor zum Zeichnen Lust und Hand; – Mein Hang zur Munterkeit verschwand; – Ich wurd' ins Hospital gesandt, – Lag krank, – die Fiebergrade stiegen, – Sah mich in allen Stuben liegen, Sah Tausende von großen Fliegen; – Kam wieder auf und ward bekannt Mit Schwestern, drei an Zahl, wie deren Im Sold des Himmels gehn und lehren: Welch Kleeblatt und ein Theolog Mich ganz dem Joch der Welt entzog, Aus Sünd' und Schuld den Weg mir wies Und Gottes Kind mich werden hieß. So also. Ja. So läuft ein Pfad Im Tal, ein Pfad auf schmalem Grat. Und dann? Dann? Zog ich weit und breit Und predigte Enthaltsamkeit; Doch läuft man da zu oft Gefahr, Versuchungen ins Netz zu gehen; So ließ ich den Beruf denn stehen Und reise jetzt als Missionar – Wohin denn? Nach den Nilquellseen. Doch lassen wir das Reden sein. Ich will – Bei unserm Feste fehlen? Wir feiern heut – Nein, danke, nein; Mein Platz ist bei den schwarzen Seelen. Leb' wohl! Wendet sich zum Gehen. Und kein Erinnrungsschimmer Durchzuckt Dich hier und läßt Dich fragen –? Wonach? Nach ihr, der dieser Riß, Der Einst und Heute scheidet, Klagen Entlocken würd' – Du denkst gewiß An jenes junge Frauenzimmer, In dessen Sündennetz ich hing, Eh' ich des Glaubens Bad empfing. Nun, fand sie noch den Weg zum Lichte? Sie war mein Weib in all den Jahren. Das ist unwesentlich; ich richte Mein Augenmerk nicht auf derlei, Will nur das Wichtige erfahren. Freud' kam und Leid; wir wurden drei – Und sahn das Dritte wieder gehen – Das ist unwesentlich. Ach ja; Es war ja Lehen mehr als Gabe, – Und tagt doch einst ein Wiedersehen. Doch ihr ging der Verlust zu nah, – Da drüben grünt nun Grab an Grabe. Das ist nicht wesentlich. Auch nicht? Von all dem heisch' ich nicht Bericht. Sag' mir, wie ging sie in den Tod. Mit Hoffnung auf ein Morgenrot, Mit all des Herzens reichem Glanz, Mit Willen, bis zum Letzten ganz, Mit Dank für, was das Leben gab Und nahm, – so ging sie in ihr Grab. Wortflitterkram, das insgesamt. Wie war ihr Glaub' in seinem Kern? Wie Gold. An wen? An Gott, den Herrn. Nur den; ja, dann ist sie verdammt. Verdammt –? Verdammt, ja, tut mir leid. ruhig. Geh, Wicht! Und Dich wird, seiner Zeit, Der Höllenfürst wie sie verderben; Du wirst wie sie auf ewig sterben. Du Elender verdammst zum Tod! Und lagst jüngst selber noch im Kot. Es klebt kein Fleck auf meinem Kleid; Im Glaubenswaschtrog ward ich blank; Ab rieb sich jeder Kotgestank Am Waschbrett echter Heiligkeit; Das Klopfholz der Erwecktheit schlug Mein Adamslinnen rein genug; Weiß wie ein Chorhemd hält mich stets Die Seifenlauge des Gebets. Pfui! Gleichfalls. Schweflig riecht die Welt Hier schon; auftaucht schon Urians Horn. Ich bin ein himmlisch Weizenkorn, Du bist im Sieb des Richters – Spelt. Ab. blickt ihm eine Weile nach, mit einem Male leuchten seine Augen auf, und er bricht in die Worte aus. Der mußt' kommen, mich zu retten! Jetzt fiel'n ab die letzten Ketten; Eigne Farben will ich führen, Und ob alle Tod mir schwüren. tritt eilig auf. Teurer Pfarrer, sputen, sputen! Mehr Geduld noch ist dem guten Volk unmöglich zuzumuten – Mag es kommen. Ohne Sie! Sputen Sie sich heimwärts. Die Prozession drängt anzufangen; All die guten Leute wollen Wie ein Bach, vom Schnee geschwollen, Nach dem Pfarrhof, flehn, verlangen, Schrein: Wir woll'n den Pfarrer sehn! Hör'n Sie nur, da ruft man Ihnen! Schnell! Sonst macht das Volk noch Mienen, Inhuman zu Werk zu gehn! Meine freie Stirne soll Nimmer unter diese Menge; Hier verbleib' ich. Sind Sie toll? Euer Weg ist mir zu enge. Aber wird er denn, je weiter Die Gemeinde vordringt, breiter? Potz! Da stürmen sie! Da haben Wir's! Der Propst, der Amtmann steht Halben Leibs im Straßengraben. Los, drauf los! Autorität! Mit der Peitsche, wenn's vonnöten! Ha, zu spät! Die Schranken weichen, – Und die Prozession geht flöten. Die Menge strömt herein und bricht sich in wilder Unordnung durch den Festzug hindurch nach der Kirche hinauf Bahn. Brand! zeigen empor nach der Kirchentreppe, wo Brand steht, und rufen. Seht, dort! Gib's Anfangszeichen! eingeklemmt im Gedränge. Vogt, so stau'n Sie doch die Leute! Wie denn! Ich bin machtlos heute. zu Brand. Ein erlösend Wort nur, Brand! Sieh, der Sturm nimmt überhand. Sag' uns, was bereitet sich: Gutes oder Schlimmes, – sprich! O, so geht denn durch die trägen Wolken doch ein dumpfes Rollen! Hört's! Ihr steht an Scheidewegen! Ganz müßt Ihr das Neue wollen, – Allen Schutt erst aus Euch fegen, – Eh' Ihr bau'n dürft, Zoll um Zoll, Was Euch neu umwölben soll! Rast der Pfarrer? Ist er toll? Ja, ich war's, im Wahn, daß meist und Gernst hier jeder doch im Geist und In der Wahrheit wandelte! Und ich war's, indem ich dachte, Daß ich Gott Euch gnädig machte, Wenn ich mit ihm handelte! Seht, so wollt' ich ihn betrügen: Unsre Kirche ist zu klein; – Doppelt denn! Das schlägt wohl ein! Fünffach denn! Das muß genügen! So wich ich vom Weg des Lichts, Floh sein »Alles oder Nichts!« Auf dem Weg der Kompromisse. Doch er hat mich wach gerüttelt, Die Posaune des Gerichts Scholl in meine Finsternisse, Daß ich lauschte, angstgeschüttelt, Klein, wie David stand vor Nathan, Zitternd, auf sein Donnerwort; – Jetzt sind alle Zweifel fort. Kompromiß heißt unser Satan! in wachsender Gärung. Jagt sie fort, die uns geblendet, Steinigt sie, die uns entnervt! Für Euch selbst den Blick geschärft! Auf Euch selbst den Zorn gewendet! Eure Kraft habt Ihr vermarktet, Euer Selbst habt Ihr zerklaubt, Und anstatt daß Ihr erstarktet, Füllt nun Flachheit Euer Haupt. Kommt Ihr etwa, weil Ihr glaubt? Nein, Euch lockt nur all der Klingklang, Orgellärm und Küstersingsang Und der Kitzel einer Predigt, Die da recht nach aller Kunst Lispelt, säuselt, Wolken schürzet, Blitzt, kracht, Schlossenschauer stürzet Und zuletzt verweht in Dunst! für sich. Damit ward der Vogt erledigt. ebenso. Den Hieb muß der Propst verschmerzen. Nur den Schein der neuen Kerzen Wollt Ihr, keine tiefre Brunst. Und dann wieder heim in Dumpfheit, Heim zu Sorg' und Plag' in Stumpfheit, Leib' und Seel' in Werktagsschuhen, Und im tiefsten Grund der Truhen Wohlversargt das Buch des Lebens Bis zum nächsten Fest! Vergebens All die Träume, die ich nährte, Als den Opferkelch ich leerte! Groß die Kirch' ich türmen wollte, Ihre Wölbung schirmen sollte Nicht bloß Glauben, nicht bloß Lehre, – Schirmen alles , dem im Leben Gott Gedeihensrecht gegeben, –: Arbeitstages Eintagsdust, Abendmuße, nachtbang Träumen, Jugendblutes frische Lust, Alles, was nur Menschenbrust Mocht' an Freud' und Leid umsäumen. – Baches niedersiedend Schäumen, Wasserfalles Schluchtdurchbäumen, Stimmgewirr aus Sturmeslungen, Meeresbrandens Donnerungen Sollten, geistgebannt, verschmelzen Mit der Orgelwogen Wälzen Und dem Lied der Menschenzungen. Des Werks hier sag' ich mich los! Nur in Lüge ist es groß; Schon im Geiste reif zu fallen, Würdig Eurer Willenskleine. Das ist jedes Wachstums End', Daß Ihr Gott und Erde trennt; Sechs der Tage holt Ihr sein Himmelsbanner ängstlich ein, Und am siebenten alleine Sieht man es gen Himmel wallen. Führ' uns! Laß das Banner fliegen! Führ' uns, und wir werden siegen! Hört ihn nicht, er ist kein Christ, Lebt nicht in dem rechten Glauben! Brav! Da lehrst Du selbst den Tauben Unsern unheilbaren Zwist, Und woran's am meisten fehle. Denn kein Glauben ohne Seele . Und nun sag', wer eine ist, Wer die Blume, die ihn würzte, Nicht seit jenem Tag vermißt, Da er taumelnd vorwärts stürzte. Lustbetört, auf wüstem Pfade, Jedes Rattenfängers Raub, Macht Ihr Euch dem Leben taub; Ausgebrannt erst, dürres Laub, Tanzt Ihr vor die Bundeslade. Haben Krüppel dann und Tröpfe Ausgeschmeckt die letzten Töpfe, – Hei, dann ist es Zeit, zu beten, Zeit, den Heilsweg anzutreten. In nichts mehr vom Tier verschieden, Da sich jed Gepräg' verlor, Pocht Ihr an der Gnade Tor, Sucht Ihr Gott, – als Invaliden! Darum muß sein Reich vereisen. Kann er wohl mit Seelengreisen Seines Zepters Macht erweisen? Heißt es nicht: Als Kind allein, Wenn des Blutes Wellen rein Noch und kräftig in dir kreisen, Taugst du ihm zum Himmelserben, Wirst du einst das Reich erwerben? Alles Markten ist vergebens. Kommt mit frischen Kinderwangen, Männer, Weiber, denn gegangen In den großen Dom des Lebens! Aufgeschlossen denn! schreit wie in Angst auf. Nicht diese! Unsre Kirche hat kein Ende. Estrich ist die grüne Wiese. Matte, Aue, Meer und Fjord, Und allein des Himmels Wände Wölben sich darüber fort. Dort soll all Dein Werk geschehen, Allgehört und allgesehen; Sorg' nicht, was Du auch bereitest, Daß Du sie damit entweihtest. Sie soll alles decken, grade Wie den ganzen Stamm die Rinde; Glaub- und Lebenszwist verschwinde. Sie soll mit des Tags Befleißen Lehre und Gesetz verschweißen. Da soll Tagwerk eins Dir heißen Mit des Herzens Sternpfadtraume, Kindes Spiel am Weihnachtsbaume, Festtanz vor der Bundeslade! Es geht wie ein Sturm durch die Menge, einige weichen zurück; die meisten scharen sich dicht um Brand. Wie ein Stern ist uns erschienen: Eins ist: Leben – und Gott dienen! Alles folgt ihm! Männer – Weiber –! Helft, Vogt, Amtmann, Küster, Schreiber! leise. He, bin ich ein Ochsentreiber, Mich mit ihm herumzustoßen? Mag er sich nur erst verboßen! zu der Menge. Ist hier Gott? Kann er hier sein? Nein! Drum auf nach seinem großen Reich voll Freiheitssonnenschein! Sperrt die Kirchentür zu und nimmt den Ring mit den Schlüsseln in die Hand. Hier bin ich nicht Pfarrer mehr, Widerrufe meine Gabe, Und aus meinen Händen habe Niemand diesen Ring als – der ! Wirft ihn in den Bach. Lockt's Dich, Sklav' des Staubs, nun noch, Steig hinein durchs Kellerloch, Krümm' und bück' den mürben Rücken, Laß im Dunkel Deinen siechen Seufzer längs dem Boden kriechen, Schlaff wie einen Schwindsuchtshauch! leise, erleichtert. Hui, da ward sein Orden Rauch! ebenso. Und der Bischof läg' in Stücken! Kommt, Ihr Jungen, kommt, Ihr Frischen, Laßt des Lebens Hand den Tal- Staub Euch von der Stirne wischen! Gebt die Stunde nicht verloren! Ihr erwacht ja doch einmal; Müßt doch einmal, neu geboren, Mit dem Kompromißgeist brechen. Auf aus Euren niedren Schwächen, Auf aus all dem halben Streben; – Jagt den Feind aus Euren Toren, Dräut ihm Krieg auf Tod und Leben! Ich verles' die Aufruhrsakte! Lies! Ich brech' mit jedem Pakte. Weis den Weg! Führ' uns von hinnen! Übers Meer der Gletscherzinnen! Wandern woll'n wir durch die Lande, Lösend alle Seelenbande, Die das Volk gefesselt halten, Läutern woll'n wir, neugestalten, Von der Trägheit Schlaf befreiend, Männer seiend, Priester seiend, Prägend neu den matten Stempel, Wölbend unser Reich zum Tempel! Die Menge, worunter der Küster und der Schulmeister, schart sich um ihn zusammen. Brand wird auf die Schultern der Männer emporgehoben. Groß sind diese Zeiten! Große Dinge ruhn in ihrem Schoße! Die Menschenmasse strömt durch das Tal empor; wenige bleiben zurück. zu den Fortziehenden. Weh, Verblendete, was wollt Ihr? In des Satans Fangnetz rollt Ihr, Wenn Ihr seinen Reden traut! He! Kehrt um! Umkehren sollt Ihr! Juckt Euch gar so sehr die Haut? Leutchen, bleibt, – Ihr geht zugrunde! Hm, sie hören nicht, die Hunde! Wollt von Haus und Hof Ihr gehn? Größer wird all das erstehn! Aber wie der Not begegnen – Ohne Felder, ohne Vieh? Gott der Herr ließ Manna regnen, Da sein Volk um Hilfe schrie! Hört, wie Eure Weiber klagen! von fern. Wir verleugnen, die versagen! Eure Kinder schrein: Bleibt wegen uns ! Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns! sieht ihnen eine Weile mit gefalteten Händen nach und sagt dann verzagt. Ohne Herd', voll Angst: Was wird nun? Steht der alte Seelenhirt nun, Bis aufs Hemde ausgezogen! droht Brand nach. Schütz, paß auf, jetzt bricht Dein Bogen! Geh, und mach' Dein Testament! dem Weinen nahe. Testament? – Die sind verloren –! Mut, Herr Propst, nur nichts verschworen, Wenn man seine Schafe kennt! Folgt den Leuten. Sollt' er wirklich? Traun! Er rennt Hinterher, der Wackre, Gute! Ha, mir wird ganz neu zu Mute. Ich will auch hinauf. Am End' Halten wir ihn noch, den Troß. Legt den Sattel auf mein Roß; – Schafft 'ne berggewohnte Stute! Alle ab. Bei der obersten zum Dorf gehörigen Saeterhütte (Sennhütte). Die Landschaft steigt im Hintergrund an und geht in große und öde Gebirgsplateaus über. Es ist Regenwetter. Brand, von der Menge – Männern, Weibern und Kindern – begleitet, kommt den Berg herauf. Blickt vorwärts; vor uns liegt der Sieg! Das Dorf schwand unserm Höherstieg, Und drüber hin, von Wand zu Wand, Hat Nebeldunst sein Dach gespannt. Nun, allem Dust und Düster fern, Flieg frei, flieg hoch, Du Volk des Herrn! Mein alter Vater kann nicht mehr. Seit gestern ist mein Magen leer – Ja, stärk' uns erst zu unserm Werk! Erst vorwärts, vorwärts übern Berg! Auf welchem Weg? Das gilt gleichviel, Führt er nur grad' und rasch zum Ziel. Hier, kommt! Hier geht's zu steil hinauf; Wir machen's nicht vor Nacht, paßt auf! Wenn einer in die Eiskirch' stürzte –! Der steilste Weg ist auch der kürzste. Mein Kind ist krank! Mein Fuß ist wund. Herr, meine Zung' ist dürr wie Zunder! zu Brand. Gib ihrem Glauben neuen Grund! Brand, tu ein Wunder! Tu ein Wunder! So stahl Euch Knechtschaft alle Stärke; Ihr wollt den Lohn schon vor dem Werke. Auf, werft die Todesschwachheit ab, – Wo nicht, kehrt um in Euer Grab! Traun, er hat recht; erst die Beschwerden; Und unser Lohn wird uns ja werden! Er wird's, so wahr ein Gott die Hand Gereckt hält über Meer und Land! Er prophezeit! Er prophezeit! Hör', Pfarrer, – wird's ein heißer Streit? Und wird er lang? Und wird er blutig? Sind unsre Feinde stark und mutig? leise. Ich wag' dabei doch nicht mein Leben? Was wird mein Teil am Siegeslohn? Mir stirbt doch etwa nicht mein Sohn? Ist uns vor Dienstag Sieg gegeben? blickt sich verzweifelt um im Haufen. Was fragt Ihr da? Was wollt Ihr wissen? Zunächst: wie lange währt der Streit? Dann: was wird uns durch ihn entrissen? Und endlich: unsres Siegs Gewinn! Das fragt Ihr mich? Jawohl; vorhin Bekamen wir nicht recht Bescheid. empört. Ihr sollt ihn haben! rottet sich dichter zusammen. Rede! Sprich! Wie lang der Streit währt, fragt Ihr mich? Nun, bis an Eures Lebens Ende, Bis jedes Opfer Ihr gebracht, Von jedem Pakt Euch frei gemacht, Bis Euer Willen Euch die Wende Jedweder Flucht ward angesichts Der Fordrung: Alles oder nichts! Was Euch entrissen wird? Nun wohl! Jedwedes üppige Faulheitsbette, Jedwede goldne Sklavenkette, Jedweder Halbheit hohl Jdol! Und der Gewinn? Des Willens Reinheit, Des Glaubens Kraft, des Geistes Einheit, – Ein Opfermut, der, furchtgestählt, Mit Jubel selbst das Schwerste wählt, – Um jede Stirn die Dornenkrone, – Seht, das wird Euch zuletzt zum Lohne! unter rasendem Schreien. Verrat! Er hat sein Wort gebrochen! Nie hab' ich anderes versprochen. Du hast uns Sieg gelobt und Ehren; – Jetzt willst in Opfer Du's verkehren! Ja, Sieg gelobt' ich, – und Ihr sollt Auch Sieger sein, wenn Ihr nur wollt. Doch wer im ersten Gliede schreitet, Muß fallen können, wenn es gilt; Wofern solch Kampf ihm widerstreitet, So mag er abtun Schwert und Schild. In Feindeshand die Fahne fällt, Die zagen Mannes Wille hält; Wen Furcht anfrißt, das bleiche Gift, Der ist gezeichnet, eh's ihn trifft! Er kürzt uns unser Lebensrecht Für ein noch ungezeugt Geschlecht! Nur als ein Heer zum Tod Bereiter Erreicht ein Volk sein Kanaan. Durch Fall zu Sieg! So, Mann für Mann, Aufbiet' ich Euch als Gottes Streiter! Wenn man's bedenkt, die Lag' ist heiter! Im Dorf sind wir in Acht und Bann – Ins Dorf zurück –, das geht nicht an. Und wer will weiter? Wer will weiter? He, schlagt ihn tot! Wer blieb' uns dann Als Oberhaupt in all den Wirren? weisen erschrocken den Weg hinunter. Der Propst! Hu! Laßt Euch bloß nicht kirren! von einigen der Zurückgebliebenen begleitet, tritt auf. O, meine Kinder! meine Lämmer! Hört Euren alten Hirten doch! zur Menge. Wir hausen nicht mehr dort im Dämmer; Am besten gehn wir übers Joch! O, konnt' ich so in Euch mich irren! Könnt Ihr mich so verwunden! Schlug Er Euch nicht Wunden Jahr um Jahr? Hört nicht auf ihn! Mit Lug und Trug Verlockt er Euch. Und das ist wahr! Doch wir sind milde, wir vergeben, Wo wir aufricht'ge Reu' erleben. O, blick' doch in dich, lieber Christ, Und sieh, mit welcher schwarzen List Er Herz und Geist dir aufgewiegelt! Was hat er uns nicht vorgespiegelt! Und dann, – wen hofft Ihr aufzuklären, Ihr, Volk, im Winkel hier geboren? Seid Ihr zu Großem auserkoren? Wird ein Gebundner durch Euch frei? Ihr habt Eu'r Werktagskleinerlei; Was drüber ist, das kann nicht währen. Was könnt Ihr auf der Walstatt nützen? Ihr mögt Eu'r niedrig Hüttlein schützen. Fühlt Ihr Euch Weltenüberwinder? Was wollt Ihr zwischen Falk und Weih? Was wollt Ihr zwischen Wolf und Bären? O, meine Lämmer, – meine Kinder! Ja, weh uns, – wahr ist, was er sagt! Und doch, da wir den Schritt gewagt, Verschlossen wir der Hütten Tür; – Nein, dort ist keine Heimstatt für. Nein, nein, er hat das Volk bemündigt, Hat ihm gezeigt, wo es gesündigt; Nun ist's des Schlafens endlich über; Und was da drunten Leben heißt, Unleben heißt's erwachtem Geist – Ach, glaubt mir, das geht bald vorüber Und legt sich in die alten Falten, – Nur ein klein wenig still gehalten! Der Ort – mein Wort will ich Euch geben – Wird bald wie vordem friedlich leben. Wählt, Mann und Weib! Wir geben's auf! Zu spät; zu spät! Den Berg hinauf! kommt gelaufen. Ein Glück, ein Glück, daß ich Euch finde! Ach, Bester, sei nicht aufgebracht –! Ach was! Jetzt kommt nur! Macht nur, macht! Jetzt hat's ein Ende, das Geschinde; – Ich sag' nur das: Ihr seid noch heute Vor Abend alle reiche Leute! Wie das? Ein Fischzug füllt den Fjord! Millionen stehn sie an Millionen! Was? Jeder Fußtritt kann sich lohnen! Womöglich treibt ein Sturm sie fort. Sie zogen vordem nie hierher; – Jetzt, Freunde, kommt's an unsern Ort, Jetzt hungern wir so bald nicht mehr! Wählt zwischen Gott und diesem hier! Folgt Eurem einfachen Verstand! O, ist dies nicht ein Wunder schier, Ein Fingerzeig von Gottes Hand? Ich schaut's im Traum schon klipp und klar, Doch glaubt' ich stets, mich äfft' ein Mahr; – Nun sehn wir hell, worauf's gezielt – Ihr würft Euch selbst weg, wenn Ihr fielt! Ein Fischzug! Millionen Fische! Für Weib und Kind gedeckte Tische! Ihr seht, die Zeit ist schlecht gewählt, Daß Ihr in leerem Streit Euch quält, Zumal mit einer Übermacht, Die selbst Herrn Propst zu ungeschlacht. Jetzt überlaßt es ruhig Dümmern, Um fremde Händel sich zu kümmern; Der Herrgott hilft sich schon allein; Die Feste fällt so bald nicht ein; Nur jetzt geschwärmt nicht und gehimmelt, Wo drunt' im Fjord der Hering wimmelt! Werft Euer Netz nur unbeirrt; Da braucht's nicht Mut und Blut; das wird Ein Sieg, der keinen fortbeordert, Noch, daß er selbst sich opfre, fordert. Just dieses Opfers Fordrung brennt Mit Flammenschrift am Firmament. Ach, wer da opfern will, den trennt Von mir nur eine kleine Reise. Kommt nächsten Sonntag beispielsweise! Ich werd', weißgott – ihm das Wort abschneidend. Ja, ja; ja, ja! leise zum Propst. Behalt' ich meinen Küsterposten? ebenso. Bleib' ich, nach dem, was heut geschah? mit gedämpfter Stimme. Laßt Ihr's Euch hier ein Wörtlein kosten, So trifft Euch wohl kein streng Gericht – Kommt, kommt; verliert die Zeit doch nicht! Dies Zögern wird Euch nur zum Fluch! Und unser Pfarrer –? Laßt ihn laufen! Spricht nicht in diesem Heringshaufen Der Herrgott wie ein offen Buch? Dem Mann wird nur, was ihm gebührt; Er hat Euch lang' g'nug nasgeführt – MEHRERE Er log uns vor! Er ist kein Christ; Er hat nicht 'mal cum laude, wißt! Was hat er? Niedrigen Charakter! Das sehn wir klar, daß dem so ist! Die eigne alte Mutter plackt' er In ihres letzten Stündleins Pein! Sein Kind hat er schier umgebracht. Sein Weib auch! Pfui, so ein Vertrackter! Ein schlechter Vater, Mann und Sohn! Spricht das nicht aller Lehre Hohn? Er riß uns unsre Kirche ein! Er sperrt die neue, als zu klein. Er warf uns auf 'ne Plank im Sturm! Er stahl mir meinen Narrenturm. Ich seh' das Mal auf Eurer Stirn, Ihr folgt mir über keinen Firn. brüllend. Mag er allein von dannen ziehn! Auf, auf, und steinigt, steinigt ihn! Brand wird mit Steinwürfen die Felseneinöde hinaufgetrieben. Nach und nach kehren die Verfolger zurück. O, meine Kinder, meine Lämmer! So kehrt Ihr einig denn zurück In Eurer Hütten traulich Dämmer; O, glaubt, es dient zu Eurem Glück. Der liebe Gott ist ja so gut, Er fordert kein unschuldig Blut; Und die Regierung ist desgleichen So mild, wie kaum in andern Reichen; Und Eure Obrigkeit – vor allen Der Vogt – wird Euch nicht lästig fallen; Und ich such' in nichts anderm Ruhm Als in humanem Christentum; – Wir Obern haben nur ein Streben: In Fried' und Freud' mit Euch zu leben. Doch find't sich wo ein fauler Fleck, Das ist gewiß, so muß er weg. Sind wir erst über diesen Tag, So wähl'n wir eine Kommission, Die, inwieweit die Religion Schadhaft geworden, prüfen mag. Sie mag aus Geistlichen bestehn, Die Propst und ich dazu ersehn, – Sowie, beruhigt das die Geister, Aus Küster und aus Dorfschulmeister, Samt wem Ihr sonst Vertrauen gönnt, So daß Ihr ohne Sorg' sein könnt. Dank Euch, im Herrn geliebte Brüder, Daß Eurem alten Seelenhüter Doch noch ein Ton entgegenklang. Das stähl' Euch auf dem neuen Pfad, Daß Gott ein Wunder für Euch tat! Lebt wohl! viel Glück zu Eurem Fang! Ja, das sind wahre Christenseelen! Die können mehr als bloß krakehlen. Die sind so freundlich und so fein! So richtig mit dem Volk gemein! Die können uns nicht bloß zertreten. Und mehr, als Vaterunser beten. Die Schar zieht den Berg hinab. zum Vogt. Paßt auf, wie dies uns Frucht und Lohn trägt! Jetzt steigt im Hui das Wetterglas; Denn, Gott sei Dank. es gibt etwas, Das die Bezeichnung »Reaktion« trägt. Das war mein Werk, daß der Spektakel Sich, kaum erregt, auch schon zerschlug. Das meiste tat wohl das Mirakel – Mirakel? Nun, der Heringszug. pustet. Das war natürlich Lüge! So? Was wollt' ich machen; ich war froh, Daß mir just dies vom Munde fuhr; – Man könnt's wohl tadeln, hätte nicht Die Lage – Da ist nichts zu rechten; Im Notfall läßt sich's wohl verfechten. Und streckt dann, eh' ein Tag verstreicht, Sich alles wieder nach der Decke, – Was tut's da, ob wir unsre Zwecke Durch Wahrheit oder Trug erreicht? Mein Freund, ich bin kein Rigorist. Blickt in die Felseinöde hinauf. Ist das nicht Brand, der dort so trist Sich hinschleppt? Freilich! Ob er's ist! Ein einsamer Ritter auf seiner Fahrt! Nicht ganz; ein Knappe, scheint's, bewahrt Ihm Treue noch – Herrje, die Gerd! Die beiden sind einander wert. munter. Wenn einst sein Opferdurst geletzt, Sei dies als Grabschrift ihm gesetzt: Hier ruhet Brand, sein Tun ward wirr! Sein Lohn ein Mensch, – und der war irr! den Finger an der Nase. Zwar wenn man's recht bedenkt, so sehn wir: Es richtete – im besten Wahn – Das Volk doch etwas inhuman. zuckt die Achseln. Vox populi vox dei. Gehn wir! Ab. Oben auf den weiten Hochebenen. Das Unwetter wächst und jagt die Wolken schwer über die Schneefelder; schwarze Zinnen und Gipfel treten hier und dort hervor und werden vom Nebel wieder verschleiert. Brand kommt blutig und zerschlagen des Wegs. bleibt stehen und blickt zurück. Tausend folgten meinem Rufe; Keins gewann die höchste Stufe. Aller Herzen wohl verschönt der Drang nach einer größern Zeit. Wohl durch aller Seelen tönt der Feldruf: Auf zum heiligen Streit! Doch die Walstatt selbst bleibt stille; Opfer weigert zager Wille; – Einer starb für aller Schwächen, – Feigheit heißt nicht mehr Verbrechen! Sinkt nieder auf einen Stein und blickt sich scheu um. O, wie oft erschrak mein Kinder- herze, sträubte sich mein Haar, Stand ich, wann Verstecken war, Und der Hund just anschlug, in der Dunklen Stube voll Gespenster. Aber ward die Angst am größten, Mußte der Gedanke trösten: Draußen lacht ja Tag und Licht, Nacht ist ja dies Dunkel nicht, – Laden sind ja nur vorm Fenster. Sorg' nicht! Bald wird unbegrenzter Sonnenschein, als Überwinder All der Nacht, durch Tür und Fenster Seinen Einzug halten in der Dunklen Stube voll Gespenster! Ach, wo blieb der Sonne Segen! – Pechschwarz schlug mir nacht entgegegen, – Und da saß ein stumpf hinbrütend Volk von greisem Blick und Haar, Längstgestorbne Träume hütend, –: Dumpf so wider 's Schicksal wütend, Hielt der König Jahr um Jahr Wacht an Schneefrieds Totenbahr', Legt' ihm 's Ohr an magre Rippen, Hielt ihm Flaum vor blasse Lippen, Hofft', noch einmal blühten roten Blutes Rosen aus dem Toten. Keiner, gleich ihm, wahnbetört, Gab dem Grab, was ihm gehört. Keinem will die Wahrheit ein: Leichen träumt man nicht ins Leben, Leichen müssen untern Stein; Neuen Saaten Wuchs zu geben, Dies ist ihr Beruf allein, Nacht, nur Nacht – und aber Nacht! Keiner hat der Wahrheit acht. Hätt' ich Blitze zu entsenden, Eures Strohtods Schmach zu enden! Springt auf. Nachtgesichte seh' ich jagen, Schwarzem Höllenschoß entgoren! Eine Zeit im Panzerkleide Fordert Opfer bis zum Grab, Heischt geschwungnen Stahl statt Stab, Reißt die Klingen aus der Scheide; – Vettern seh' ich Schwerter zücken, – Brüder scheu sich seitwärts drücken, Tarnkapp' über Aug und Ohren; Seh' mein eigen Volk verloren An ein Übermaß von Schande; – Mann und Weib, da's gilt, versagen Sich den Bittenden, wehklagen Feig, einritzend sich den Namen Armen Fischervolks vom Strande, Volks aus Gottes schlechtstem Samen, – Hoffend, daß sie so, gesenkten Haupts, ihr Los am besten lenkten. Fahne! Maitagregenbogen! Wo, wo blieben deine Farben? Wo dein Blau-Rot-Gold? Verdarben Sie, die einst so stolz ausrollten, Als des Volks Gesang umschwoll den Königlichen Ideologen, Bis er Zung' und Schlitz dir schnitt? Weh, dein Züngeln ward Geprahl, Weh, kein Drachenzahn wuchs mit, Als sie dir den Rachen schenkten; – Daß doch still geblieben wäre Volk wie königliche Schere! Die mit den vier Friedensecken Langt vollauf als Notsignal, Fängt ein Kutter an zu lecken! Schlimmre Bilder, schlimmre Lose Tauchen aus der Zukunft Schoße! Eine schwarze Wolkenwand, Naht der Kohlenqualm des Britten; Was da frisch und grün, befleckend, Jeden Keim mit Ruß bedeckend, Kommt er giftschwer angeglitten, Stiehlt den Tag von allen Wegen, Rieselt, wie ein Aschenregen Des Vesuv, auf Stadt und Land. Häßlich sind die Menschen jetzt; – Zu der Grubenhämmer Klopfen Gluckt's wie Sang von Wassertropfen; Krüpplig Volk die Meißel wetzt, Erzes Geister zu entbinden, – Bucklig Leib und Seel' zuletzt, Gierverzerrt die Zwergenzüge Nach des Goldes blanker Lüge. Ohne Lachen, ohne Weinen, Ohne brüderlich Empfinden, Ohne Selbst-sich-Überwinden Hämmert's, münzt es, feilt es; – keinen Lockt die Sage mehr vom Licht; Keiner mehr von all den Blinden Sagt sich, daß die Pflichten nicht Enden, wo die Kräfte schwinden! Schlimmre Bilder, schlimmre Lose Tauchen aus der Zukunft Schoße! Eitlen Klügelns Wolfesrachen Will der Lehre Sonne morden; Helft uns! schreit's empor zum Norden: Aufgebot von Berg zu Berg! – Stur und störrisch zischt der Zwerg: Was soll ich bei diesem Werk? Mögen starke Völker wachen, Andre sich zum Sturmbock machen, Wir gehören zu den schwachen, – Wir, das kleine Land, verlieren Auf solch heiligen Turnieren, Stell'n für unsern Bruch vom Heil Nicht des Volks Gemeinwohl feil. Nicht für uns hat er gelitten, Hat ein Zahn vom Dornenkranze Seine Schläfen ihm zerschnitten, Ward gerannt die Römerlanze Dem Gestorbnen in die Seiten, Ward gebohrt durch Fuß und Hand ihm Spitzer Nägel Feuerpfeil. Wir sind klein, sind kaum bekannt ihm, Spür'n zu helfen, keinen Trieb. Nicht für uns ward 's Kreuz getragen. Ahasveri Knieriemhieb, Purpernd des dem Tod Geweihten Schulter, bleibt zu allen Tagen Am Passionswerk unser Teil. Wirft sich in den Schnee nieder und bedeckt sein Antlitz; nach einem Weilchen blickt er auf. Hab' geträumt ich? Bin erwacht nun? Alles grau, verweht in Nacht nun! War ein Zug Gesichte nur, Was da jäh vorüberfuhr? Hat des Menschen Seele dessen, Der nach sich ihn schuf, vergessen, Ganz dem Abgrund sich verdungen –? Lauschend. Horch, der Sturmwind spricht mit Zungen! im Sturme sausend. Nimmer wirst Du, Mensch, ihm gleichen, – Denn aus Staub bist Du gemacht; Magst ausharren oder weichen, Immer stürzt Dein Pfad in Nacht! wiederholt die Worte und sagt leise. Weh! Fast will es wahr mir scheinen! Stieß er nicht vom Kirchenchore Mich zurück mit meinen Peinen, Riß mich los von all dem Meinen, Schloß vor mir des Lichtes Tore, Hieß mich bis zum Letzten kriegen, Ließ mich endlich unterliegen! stärker über ihm tönend. Nimmer wirst Du, Wurm, ihm gleichen, – Denn dem Staub bist Du entstammt; Magst nachfolgen oder weichen, Immer bleibt Dein Tun verdammt! vor sich hin. Weib und Kind und lichte Tage, Tage voll beglückten Strebens, Tauscht' ich wider Kampf und Klage, Riß die Brust mir wund, – vergebens Warf ich alles in die Wage. mild und lockend. Träumer, nie wirst Du ihm gleichen, Was Du ihm auch dargebracht; Wähne nie, je zuzureichen; – Denn als Mensch bist Du gemacht! bricht in leises Weinen aus. Agnes, Alf, o, kommt zurücke! Einsam sitz' ich hier und sehne Mich auf öder Bergeslehne, Spukumgraust, nach einst'gem Glücke –! Er blickt auf; ein dämmerheller Fleck öffnet und erweitert sich im Nebel vor ihm; eine weibliche Gestalt steht da, in lichtem Gewande, einen Mantel über den Schultern. Es ist Agnes. lächelt und breitet die Arme nach ihm aus. Sieh mich Dir zurückgegeben! fährt verwirrt auf. Agnes! Du bist noch am Leben! Alles war ein Fiebertraum! Nun soll sich das Übel heben! Agnes! Du! Will ihr entgegeneilen. schreit auf. Nicht hier herüber! Siehst Du nicht des Abgrunds Saum? Nicht des Wasserfalles Schaum? Mild. Nein, es ist kein Traum, kein trüber, Kein Gesicht mehr, was Dir droht. Brand, Du sahst, in Wahnsinnsnot, Alles wie mit Nacht verhängt, – Träumtest, daß wir Dich verließen. – O, daß Du noch lebst! Gepriesen –! schnell. Später! Jetzt kein Wort von diesen! Folg' mir, komm; die Stunde drängt. O, doch Alf? Ist auch nicht tot. Lebt! Ja, lebt, gesund und rot! All Dein Leid war Traum und Trug, All Dein Streit ein leerer Spuk. Alf sitzt auf Großmutters Schoß; Sie genas, und er ward groß. Auch die Kirch' steht noch wie einst; Bau' sie größer, wenn Du meinst; – Drunten mühn im Dorf die Leute Still sich hin, wie einst so heute. Einst –? Ja, einst, – da Friede war. Friede! Brand, wie lange säumst Du! Ach, ich träume! Nein, nicht träumst Du. Doch bedarfst Du Ruh' und Pflege – Ich bin stark. Das hat noch Wege; Noch zu nach ist die Gefahr. Wieder wirst Du wie ein Schatten Mir und meinem Kind entjagen, Wieder wird Dein Geist ermatten, – Willst Du die Arznei nicht wagen. O, gib her! Du hast in Deiner Hand sie, Du allein, sonst keiner. Nenn sie denn! Der Arzt, der alte. Den so manches Buch belehrt, Der so klug, wie selten einer, Fand drei Wörtlein als den Herd Deiner Krankheit, deren kalte Schauder Dich mit Wahnsinn schlagen. Denen mußt Du ganz entsagen, Die aus dem Gedächtnis bleichen, Die von jeder Tafel streichen. Die sind all des Schreckgesichts, Das Dich anfiel, anzuklagen; Die vergiß, soll Deiner reichen Seele Siechtum endlich weichen! Sag' sie! » Alles oder nichts .« zurückweichend. Ist es das? So wahr ich lebe, Und so wahr Dir Tod gesetzt! O, so hängt in dräuender Schwebe Über uns das Schwert noch jetzt! Brand, bei mir ist Lieb' und Lust; Flieh, Dein Weib an starker Brust, Fort zu wärmern Himmelsstrichen – Meine Krankheit ist gewichen. Ach, doch kommt sie wieder, Brand. schüttelt den Kopf. Nein, ich fühl's, das Fieber schwand Träume noch, wer träumen mag, Ruft des Lebens lichter Tag! – Lebens? Folg' mir! Dein Entschluß Ist –? Vollbringen, was ich muß: Leben , was bis jetzt geträumt , – Endlich tun , was noch versäumt . Ha, unmöglich! All die Qual Deiner Kämpfe –! Noch einmal! All die grausen Traumeswehen Willst Du wach und frei bestehen? Wach und frei. Dein Kind verlieren? Es verlieren. Brand! Ich muß. Noch einmal mein Blut gefrieren Machen, bis des Todes Kuß Mich von Dir erlöst? Ich muß. Alles Licht mit Nacht zerdrücken, Nie Dein Herz an Tag beglücken, Nie des Lebens Früchte pflücken, Nie Dein Leid im Lied ertränken? Ach, ich muß so vieler denken! Wär' ich ich , wenn ich mich schonte? Du vergißt, wie man Dir lohnte! Äffte doch am Ziel ein Trug Dich; Man verließ Dich, Brand, man schlug Dich! Nicht für mich hab' ich gelitten, Nicht für eignen Sieg gestritten. Für ein Volk in Grubengängen! Einer kann viel Nacht verdrängen. Für gerichtete Geschlechter? Viel vermag oft ein Gerechter. Denk der ältesten der Fehden! Wessen Zorn trieb uns aus Eden? Nimmermehr geöffnet werden Pforten, die der Arm zutat! Offen blieb der Sehnsucht Pfad! verschwindet unter donnerähnlichem Getöse; Nebel wälzt sich über die Stelle, wo sie stand, und ein Schrei, grell und schneidend wie der eines Flüchtenden, ertönt. Stirb! Was willst Du hier auf Erden; steht eine Weile wie betäubt. Es ist fort! Den Nebelschlund Flog's hinein mit schwarzen Schwingen, Wie ein Habicht. Ha! Der Grund Jener Fordrung waren Schlingen, Mich noch jetzt zu Fall zu bringen –! Kompromiß, da sprach Dein Mund! kommt mit einem Stutzen. Sahst Du dort den Habicht fliehn? Ja, Du; diesmal sah ich ihn. Schnell, beschreib mir, wohin strich er! Heut will ich's an ihm vollziehn! Schwerlich; der ist kugelsicher! Ob er schon an mörderlicher Ladung oft zu enden schien, – Schoß, just da den Todesstich er Haben sollt', flugs hinter mich er – Und fing an aufs neu' zu fliehn. Hier den Renntierstutzen raubt' ich, – Lud mit Stahl und Silber; – viel Minder toll bin, als Ihr glaubt, ich, – Wartet nur! So triff Dein Ziel! Wendet sich zum Gehen. Hinkst ja, Pfarr? Was ist geschehn hier? Bist gestürzt? Das Volk verwies mich Meines Amts. näher. Blutstropfen stehn Dir Auf der Stirn! Man schlug und stieß mich. Deine Stimm', einst so metallen, Raunt nur mehr, wie Wind im Laube! Alle – Alles – Nun? Verließ mich. sieht ihn mit großen Augen an. Jetzt erst merk' ich, wer Du bist! Nicht der Pfarr, wie erst mein Glaube; – Pah, des Pfarrers und des Allen! Du bist, – der am größten ist. Dem Wahn fiel ich fast zum Raube. Laß mich Deine Hände sehen! Wozu das? Die Nägelmale! Rote Perlen um die fahle Stirn, den Blutbiß scharfer, böser Dornenzähn' ins Fleisch geschlagen! Dich hat ja das Kreuz getragen! Vater sagt' einst oft zu mir, Wie dies wär' vor lang geschehen, Weit von hier – und nicht von Dir; – Doch ich seh', das waren Sagen, – Ja; denn Du bist der Erlöser! Weiche! Soll ich niederfallen Und anbeten? Fort von hier! Du vergossest ja das Blut, Das da helfen sollt' uns allen! Brauchte selber Hilf' zu gut. Laß mich still mein Haupt verhüllen! will ihm den Stutzen geben. Töte die verruchte Brut –! schüttelt den Kopf. Nein, ich muß mein Los erfüllen. Sprich nicht so; Du, als Erlöster, Weisest Deine Wunden her; – Du bist aller Menschen Größter! Der Geringste ist es mehr. blickt hinauf, wo die Wolken sich lichten. Weißt Du, wo Du stehst? starrt vor sich hin. Ich steh' Tief am Fuße steiler Wände, Leib und Seel' gleich wund und weh. wilder. Weißt Du, wo Du stehst, sag'! Mir Ist, als ob der Nebel schwände – Wohl, er tat's: Das schwarze Horn Dort zerriß ihn wie ein Dorn! blickt auf. Schwarzes Horn? Eiskirche! Ja! Ist der Kirchgast endlich da! Tausend Meilen fort von hier! – O, wie ich nach Licht mich härme! Wie verlangt mein ganzer Wille Nach des Friedens Kirchenstille, Nach des Lebens Sommerwärme! Bricht in Tränen aus. Jesus, Dich hab' ich genannt; Niemals wolltest Du mir nahn, Folgtest dicht mir auf dem Fuße, Ungegrüßt, doch nah zum Gruße; Laß mich nun vom Heilsgewand, Feucht vom Wein der wahren Buße, Nur noch ein arm Eckchen fahn! bleich. Wie? Du weinst ja! Du, der Seher! Warm, daß Deine Wange glüht, – Daß des Gletschers Grabtuch leise Tropfend in den Abgrund sprüht, – Daß in Tränen mein Gemüt Auftaut wie aus ewigem Eise, – Daß der Schneetalar, entbreitet, Von dem Eisberg-Prediger gleitet –! Bebend. Mann, was weintest Du nicht eher! hellen Auges, strahlend, wie verjüngt. Im Gesetz erfriert die Seele, – Ohne Licht kein Blühn auf Erden! Galt's bislang, die Tafel werden Gottgegebener Befehle, – Will ich nun, ein Mensch, zu meinen Brüdern in die Sonne treten. Sie besiegt mich. Ich kann weinen, Ich kann knieen, – ich kann beten! Sinkt in die Knie. lugt nach oben und sagt leise und scheu. Sieh, da setzt er sich, der Böse! Siehst Du seinen Schatten schwanken! Sieh, wie er des Gipfels Flanken Mit den breiten Schwingen schleißt! Wenn das Silber jetzt nur beißt, – Daß uns dieser Schuß erlöse! Reißt den Stutzen an die Wange und schießt. Hohles Dröhnen, wie von rollendem Donner, antwortet hoch oben von der Bergwand. fährt auf. Ha, was tust Du! Gut getroffen! Er verliert den Halt, – er fällt; Horch, da schreit er, daß es gellt! Sieh nur, sieh, sein halb Gefieder Flockt wie Schnee die Bergwand nieder; – Immer mehr wird's – immer mehr –! Hei, er stürzt am End' hierher! sinkt zusammen. Mitgeboren, mitverloren! So nur wird die Schuld beschworen. Steht das weite Himmelszelt, Seit er fiel, nicht doppelt offen? Sieh, er rollt, er überschlägt sich, – Pah, Dein toter Zorn erträgt sich; Bist ja weiß wie eine Taube –! Schreit entsetzt. Hu, was für ein wild Geschnaube! Wirft sich nieder in den Schnee. krümmt sich unter der herabstürzenden Lawine und ruft empor. Sag' mir, Gott, im Todesnahn! Wiegt vor Dir auch nicht ein Gran Eines Willens quantum satis –? Die Lawine begräbt ihn und erfüllt das ganze Tal. antwortet durch den Donner. Gott ist deus caritatis!