August Wilhelm Iffland Der Spieler Ein Schauspiel in fünf Aufzügen Personen Personen. General Graf Bildau, Kriegsminister. Geheimerath von Wallenfeld. Baron von Wallenfeld, Neffe des Geheimenraths. Baronin von Wallenfeld, Gemahlin des Barons. Karl, ihr Sohn. Hofrath von Fernau, des Geheimenraths anderer Neffe. Lieutenant Stern, Vater der Baronin von Wallenfeld. Von Posert, vormals Hauptmann in genuesischen Diensten. Gabrecht, Haussekretär des Geheimenraths. Adjutant des Generals. Berger, Rektor des Lyceums. Jakob, Bedienter des Barons von Wallenfeld. Kammerdiener des Generals Lieutenant von Baum. Jean, Musikus, Stallmeister, Haushofmeister, Kammerdiener, Bedienter, in Diensten des Geheimenraths von Wallenfeld. 1. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Hofrath von Fernau. Jakob. schläft in einem Lehnstuhle. Das Nachtlicht brennt noch. tritt ein. Er sieht sich um, geht nach der Seite, bleibt vor der Thür unentschlossen stehen, kehrt zurück, will wieder gehen, sinnt nach, geht darauf zu Jakob, dem er auf die Schulter klopft. Jakob! Jakob! hört Er nicht? – he! springt auf. Ihr Gnaden – Sei Er so gut und – halb wach. Wollen Sie zu Bett gehen? – Den Augenblick – Greift nach dem Nachtlichte. Es ist ja heller Tag, mein Freund! So? Ist es schon. Hm – Sieht den Hofrath an. Ja so! – Komme Er doch zu sich. Verzeihen Sie, ich dachte, es wäre mein Herr. Ich habe lange bei dem Herrn von Posert auf ihn warten müssen – bin spät nach Hause gekommen, und – Reibt sich die Augen. wenn man in meinen Jahren ist – – Wie viel Uhr ist es denn? Sieben vorbei. Hm, hm! Löscht das Licht aus. Sein Herr ist wieder beim Spiel? Das weiß Gott! Wo wär' er sonst – Die arme Frau! Ja, ja! Arm sind wir geworden, das weiß die ganze Welt. Es hat ja so mancher treulich geholfen, daß der alte Onkel seine Hand abziehen mußte! – Es ist kein Wunder, daß die Desperation meinen Herrn zu wunderlichen Dingen treibt. Indeß – gebe Er der gnädigen Frau diesen Brief. Gibt ihm den Brief. Herr Hofrath – Was ist's? – Nehmen Sie mir den Brief wieder ab. Sein Sie so gut. Weshalb? Es ist Geld darin – und – und – nehmen Sie ihn wieder. Was denkt Er von mir? Daß mein Herr sonst von dem Geheimenrath als Sohn und Erbe angesehen wurde, daß er jetzt verstoßen ist – Daran ist seine Heirath schuld. Daß Sie jetzt für Sohn und Erbe dort passiren, daß – was weiß ich's – aber ich meine, es wäre nicht recht von mir, wenn ich von Ihnen einen Brief mit Geld annehmen wollte. Wie? Weiß Er denn aber nicht, daß Sein Herr alles verspielt hat? Alles? Lassen wir jeden das Seine verantworten. Da liegt Ihr Brief. Legt ihn auf den Tisch. So verantworte ich das Meine. Geht ab. Daß so ein erbärmlicher Mensch, als Wallenfeld geworden ist, noch einen solchen Freund erhalten kann! 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Hofrath. Frau von Wallenfeld. Liebe Cousine – Herr von Fernau, es befremdet mich, daß Sie sich zu uns wagen. Ist nicht Wallenfeld's Geburtstag heute? Wer in der Familie gedenkt des Tages ohne Verwünschungen über mich? Sie kennen den alten Onkel nicht. Er hat Stolz, es ist wahr, er ist eigensinnig – aber er ist großmüthig; ich kann Sie davon überzeugen. Mein armer Mann ist auf's Aeußerste gebracht! Das rasende Spiel! geht vor und sieht den Brief liegen. Was ist das? Herr von Fernau – Sie hat den Brief genommen und wundert sich. Wenn Sie meine Freundschaft zu erkennen würdigen – kein Wort über den Inhalt dieses Briefes. Kein Wort? – also geht er ungelesen zurück. Sie demüthigen mich, wenn Sie diesen geringen Beitrag nicht annehmen. Könnte ich selbst nur mehr, oder vermöchte ich jetzt schon mehr über den Onkel! Sie kennen mich nicht, Gibt ihn zurück. Herr von Fernau. Doch – doch, vortreffliche Frau. Aber – Sie – kennen Ihr Unglück nicht. Soll das ein Glückwunsch zu meines Mannes Geburtstage sein? Kann ich so viel Tugend und Edelmuth gleichgiltig zu Grunde gehen sehen? Lassen Sie uns davon abbrechen. Was soll aus Ihnen werden? Ich bin darüber nicht in Verlegenheit. Aus Ihrem Kinde? wendet das Gesicht. Aus Ihrem Manne selbst? trocknet sich die Augen. Von seinem Onkel enterbt – in der elendesten Gesellschaft, überall schuldig – verspielt er täglich große Summen, ohne daß er denkt – Ich bitte Sie, hören Sie auf. Niemals kann ich vergessen, daß die Treue, womit mein Mann mir sein Wort hielt, sein Unglück ward. Von seinem Onkel enterbt, weil ich arm und eine Bürgerstochter bin – Blieben ihm noch zehntausend Thaler; damit hätte er reichlich – Damit hätten wir glücklich sein können, es ist wahr. Er hat auch manches unternommen, Stellen und Verbindungen gesucht. Aber hat nicht seines Onkels Haß und Verfolgung ihm jeden Weg verschlossen? Verzweiflung, Gewinnsucht machte ihn zum Spieler. Er ist unglücklich. Ziemt es mir mit Vorwürfen sein Unglück zu vergrößern? Aber – Sie zwingen mich zu sagen, was freilich leichter ist, ungesagt zu lassen – Sie müssen am Ende doch leben! Aber auch nur leben. So oder anders, mir gilt das gleich. Muth zu leben habe ich wahrlich. Aber – lieber Gott! wo? Gleichviel – Hier – weiß ich nicht – hier – Lieber wo anders. Ich möchte freilich rathen, daß Ihr Mann noch einen Versuch bei dem Onkel machte. Glauben Sie nicht, daß er es thun wird? Ich vermuthe es fast. verlegen. Wirklich! – Sie können nicht glauben, wie es mich in Verlegenheit setzt, daß ich – eben ich, von dem Onkel so begünstigt werde. Sie sind nach meinem Mann der nächste Erbe. Auch ist er in mich gedrungen, die Heirath mit der Comtesse Bildau, die Ihrem Manne bestimmt war, zu schließen. Ich habe also nachgegeben. – Sagen Sie es doch Ihrem Manne, daß ich mit ihr verlobt werde. Sein Sie glücklich, ich wünsche es aufrichtig. O daran ist nicht zu zweifeln. Alles stimmt zusammen – Ihr Onkel und der Kriegsminister, der alte General Bildau. Der Herr war sonst Ihrem Manne recht gut: wird er nicht einmal zu dem hingehen? Weshalb? Er war ein Freund seines Vaters – er ist reich – sehr reich. Sollte er dort Almosen fordern? Was denken Sie? Nein! Ein Kavalier hilft dem andern. Ein Mensch hilft dem andern! Mein Muth ruht auf Menschlichkeit überhaupt. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Vorige. Jakob. Der Haussekretär des alten Herrn von Wallenfeld will mit der gnädigen Frau sprechen. Er kann kommen. geht ab. Mit mir? Das befremdet mich. Ein kalter, unangenehmer alter Mann. Er regiert die Seele des alten Wallenfeld, so wie seine Kapitale. Tröstliches möchte er Ihnen nicht viel sagen: indessen schonen Sie ihn; er ist sehr wichtig für Sie. Geht und drückt ihr den Brief in die Hand. Dies müssen Sie behalten. Herr Hofrath – tritt ein und verbeugt sich gegen den Hofrath, dann geht er vor. geht ab. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Frau von Wallenfeld. Sekretär. Seine Excellenz, mein gnädiger Herr, der Herr Geheimerath Baron von Wallenfeld, schicken mich her zu der Mamsell Stern – So war mein Name vor der Heirath mit Wallenfeld. Von der Heirath nehmen Se. Excellenz ein für allemal keine Notiz. Nicht? Das ist hart. Mein Herr, Sie sind in Jahren, sind, höre ich, Vater. Von vier lebendigen Kindern; der älteste war Lieutenant, und wird jetzt Hauptmann unter dem Regimente des – Wenn Sie väterliche Gefühle haben, so frage ich Sie – O ja. Wer hat die nicht? Ich frage Sie, ob Sie das Benehmen Sr. Excellenz gegen meinen armen Mann billig finden? Ich diene Hochdenenselben in die achtunddreißig Jahre, habe meinen Sold quartaliter richtig empfangen, thue, was Se. Excellenz mir befehlen, und gebe mich mit Meinungen über Hochdero Billigkeit nicht ab. Nicht? Nun – so – erwarte ich ohne weiters Ihren Auftrag an mich. Hier ist er. Gibt ihr Briefe. übersieht sie. Das sind Schuldforderungen an meinen Mann. An Herrn Baron Friedrich von Wallenfeld, Ihren angeblichen Ehegemahl. Und was soll ich damit? Was Sie irgend für gut finden. Jene, die Kreditores, sind theils mit Lamentationen, theils mit Pochen und Drohen von Inkarceration, oder sonst beliebigen Prostitutionen des Herrn Baron Friedrich, damit zu Sr. Excellenz gelaufen, welche aber davon nichts wissen, sondern solche zur Zahlung vom etwanigen Eingebrachten, an Sie, die Mamsell Stern, gewiesen haben wollen. An mich? Was repliciren Mademoiselle darauf? Daß meines Mannes Unglück, und auch – sagen Sie das Ihrem Herrn – und auch sein Unrecht gegen mich, mich nicht bereuen ließen, daß ich seine Frau bin. Ich bin arm, und habe meinem Manne nichts eingebracht, als ein Herz, das ihn liebt, und arbeitsame Hände. Hätte ich ihm Vermögen zugebracht, so würde ich jetzt damit den Namen von Wallenfeld auslösen; so wie ich mich freue, meinen Mann als ein redliches Weib durch meiner Hände Arbeit zu erhalten, da Seine Excellenz ihn verlassen. Mein Herr Sekretär – Sie verbeugt sich. steht noch da. Ich kann Ihre Antwort so nicht referiren: erstens ist sie etwas lang, zweitens nicht in currentem Deutsch gegeben. Was haben Sie breviter sagen wollen? Daß ich arm bin, aber nicht verzweifle. Se. Excellenz fragen nicht nach der Verzweiflung, sondern nach der Zahlung. Ich kann sie nicht leisten. Er will sie nicht leisten. So folgt denn die Verhaftnehmung mit angehängter Schmach. Wenn ich dem Herrn Baron zu rathen hätte – so sollte er morgen früh – aber verrathen Sie mich nicht – mit Thores-Aufgang – hm! hm! die Morgen sind jetzt noch lange dunkel – Sagen Sie Ihrem Herrn, es wäre heut meines Mannes Geburtstag. Wird, laut gnädigsten Befehls, seit der Mißheirath ignorirt. Herkömmlich habe ich die Ehre, mich zu nennen des dastehenden Frauenzimmers Diener, qua Frauenzimmer – indem ich gegen alle sonstige etwan gemacht werden wollende Familienbeziehung mich protestando verwahrt haben will. Geht ab. sieht in die Papiere. Auch das ist viel Unheil! Es geht indeß zu Ende. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Karl. Frau von Wallenfeld. Mama, ich kann meine Rede an den Papa jetzt ganz auswendig. Schön, mein Kind. Da ist sie. Gibt ihr ein Papier. Soll ich sie hersagen? Wenn dein Vater kommt. Dem Jakob habe ich sie vorgesagt, der hat geweint. Jakob ist ein guter alter Mann. Wie muß ich mich denn hinstellen, wenn ich die Rede hersage? Wie du willst, liebes Kind. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Vorige. Herr von Wallenfeld, blaß, mit herunter hängenden Locken. Bon jour, Marie! – Trocknet die Stirne. Ah, wie heiß! Schon auf, Kleiner? Schon seit vier Uhr. Wie viel Uhr ist es? Er setzt sich. Halb acht. Um sechs Uhr hat mich die Mama schon frisirt. sieht ihn flüchtig an. Es ist wahr, du bist ja geputzt. geht zu ihm, und küßt ihn auf die Stirne. Dein Geburtstag, lieber Fritz! Hm! So? – Er gibt ihr die Hand. Ich danke dir. zupft seine Mutter am Rocke. Mutter! soll ich jetzt – nickt mit dem Kopfe. stellt sich ein paar Schritte zurück. Heute ist der glückliche Tag, an dem du, lieber Vater, geboren bist. Wir freuen uns alle herzlich, und wollen – schnell und unlaunig. Was gibt's? legt ihre Hand auf seine Schulter. Freuen uns alle herzlich, und wollen – und wollen – Er sieht ängstlich nach seiner Mutter. Wollen dir immer mit Liebe – – Herzlich wollen – wollen immer – Schon gut! Steht auf. Ich bedanke mich. Es ist ganz gut so. bleibt auf seiner Stelle stehen. Ich habe alles recht gut auswendig gewußt. Aber – Scharmant, recht brav! Er sucht in den Taschen, und findet nichts. Ich will dir hernach – Warte – da! Er findet eine Spielmarke von Perlenmutter. Da ist ein kleiner Fisch für dich, gehe hin, spiele damit. Nein, ich darf nichts nehmen, ich habe es nicht gut gemacht. Er läuft fort. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Herr von Wallenfeld. Frau von Wallenfeld. Hättest du ihn doch ausreden lassen! Er hat sich so sehr darauf gefreut. geht unmuthig herum. Pah – Spielerei – Wenigstens ist das Spiel unschädlich. Bien obligé, Madame. Du bist unfreundlich gegen mich. etwas lebhaft. Du bist – Er hält inne, und geht umher. da er stehen bleibt, geht sie zu ihm, und sagt gutmüthig. Was bin ich, lieber Fritz? unmuthig. Zu freundlich. ist sehr betroffen, welches sie verbergen will, deshalb wendet sie sich etwas. Ich will noch eine Stunde schlafen; man soll mich nicht wecken. Geht ab. Geduldig! und Muth für härtere Prüfungen! Sie geht umher, und bleibt stehen. Er wird wieder verloren haben. Er hat ja nun nichts mehr zu verlieren. Vielleicht wird das sein Gewinn. Gebe es Gott! 8. Auftritt Achter Auftritt. Jakob. Hernach Herr von Posert. Vorige. eilig und mit verbißner Wuth. Gnädige Frau! Was ist's? Draußen ist er – Wer? Der Satan. Lassen Sie mich, ich will ihn erdrosseln – Komm doch zu dir – erhole dich doch – Wer ist da? Der Bankmacher – der alles hat was unser war. – Geld, Frieden und Freuden, Heil und Segen aus unserm Hause hat der Kerl alle Abend in seinem Hutkopfe heimgetragen. Er fragt nach dem gnädigen Herrn – Ich will ihn erwürgen – ich will – Jakob, um Gottes willen! Dann will ich mich den Gerichten übergeben; sie werden mir ein gnädiges Schwert zuerkennen; sanft und selig heißt das gestorben: denn der Kerl wird hier noch manches ehrlichen Mannes Sohn zum Lande hinaus treiben. 9. Auftritt Neunter Auftritt. Vorige. Herr von Posert. im grauen Oberrocke, einer schwarzen Binde über einem Auge, rundem Hut und Degen mit Porteépée. Ich höre denn doch sprechen – also – Geh' hinaus, Jakob! geht auf Herrn von Posert zu. Jakob! – Nun so laß ihm's der Böse wohl bekommen! Geht heftig ab. Was will der Kerl? – Der geberdet sich ja – wie – wie ein Verrückter. Setzt sich. Mit Erlaubniß. Er nimmt den Hut ab. Sie sind – Herrn von Wallenfeld's Frau. So, so? Sie pardoniren. Steht auf. Die junge Frau. Hm, hm! Lehnt sich auf den Stock in die Seite. Eine recht artige junge Frau! Gibt ihr einen Stuhl. Setzen Sie sich, liebe, schöne, gnädige. Verbunden, mein Herr. Ich bin etwas müde. Bedienen Sie sich Ihrer Bequemlichkeit. setzt sich. Es hat heute etwas lange gedauert mit uns. Spielt mit dem Stock am Munde. Ich bin denn ohnehin nicht zum besten auf den Beinen. Das Alter stellt sich ein. Man hat gedient, hat sich hie und da für das allgemeine Beste brauchen lassen. Er hustet. Der Lichter- und Tabaksdampf, Hustet. der Punsch und das ewige Acht haben auf die liebe Tafelrunde – ha ha ha ha! Er kommt aus dem Lachen in's Husten. Daß dich alle – Holt Athem. Ah sapperment! Dürfte ich um eine Tasse Thee – oder ein Gläschen Orgeade bitten? – Hustet. Ich will's besorgen. – Aber, mein Herr – Ihr Name ist – Von Posert, Hauptmann von Posert, ehemals in genuesischen Diensten. Hustet. In der That, Herr Hauptmann, Sie sollten sich Ruhe gönnen. O lieber Gott, wenn ich ein paar Stündchen geschlafen habe, geht es wieder gut. Ich habe aber eben jetzt niemand, auf den ich mich verlassen kann, muß also Hustet. bis auf den letzten Point aushalten. Da gibt's dann Faßt an den Kopf. so – Schwindel! Alle Tausend! und das immer hier ist auch etwas frisch – Erlaubten Sie nicht, daß ich mich bedecken dürfte? Mein Herr, Sie erlauben sich alles, also – setzt den Hut auf. Bitte ergebenst, liebe, schöne, gnädige – 10. Auftritt Zehnter Auftritt. Herr von Wallenfeld. Vorige. Was gibt's? Gelt, Er hat schon geschlafen? Ich nicht. Ich bin noch frisch. Er ist mir ein komischer Gast! Ei – bei allen Teufeln! – wer hat Ihm denn geheißen mit Seiner hektischen Börse – die Achte so höllisch zu poussiren? he? Das ist meine Gemahlin – Herr von Posert – Weiß schon. Zur Frau von Wallenfeld. Denken Sie nur selbst, Liebe, da hat er die Rage, immer eine und dieselbe Karte – nimmt ihm den Hut ab. Sie hat es ja erlaubt. Faßt an den Kopf. zu seiner Frau. Der Hauptmann Posert – Du hast Geschäfte mit dem Herrn – kann es sein – so endige sie. Geht ab. 11. Auftritt Eilfter Auftritt. Herr von Wallenfeld. Herr von Posert. Hernach Frau von Wallenfeld. setzt ihm den Hut auf. Nicht zu vergessen, daß meine Frau niemals mit pointirt hat. lacht. Da sehe mir eins die Leute an! Außer Hause – animables Libertins – so – was unsere Vorfahren Galgenschwengel zu tituliren pflegten. Zu Hause – Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn im feinsten Ton du Salon. Nun – mit pointirt hat sie freilich nicht persönlich, die Gnädige. – Aber ihr Magen hat scharf pointirt; denn der Hustet. hat es doch entbehren müssen, was auf meinem grünen Tische roulirte, ha ha ha! Hustet. Verfluchte Schwänke! Herr von Posert – Nun? – Geh'n Sie zum Teufel! Ich warte auf Thee, und – Geht in's Kaffeehaus. Und Geld. Denn das Spielen auf Borg an einer öffentlichen Bank ist doch insolent, wenn man nicht seiner Kasse gewiß ist. Zieht ein Souvenir heraus. Ich bekomme von Euch – Keinen Heller. Bei Gott nicht einen Heller. hustet und rechnet. 45 Dukaten! richtig. Steckt das Souvenir ein. Nun, wann zahlt Ihr? Ihr habt mein ganzes Vermögen gewonnen. gähnt. Glück, liebes Kind, pures Glück! Und Geschicklichkeit nicht? – so etwas Geschicklichkeit. Ei, bei Leibe! Nun – zahlt aus, friedlich, sonst beschimpfe ich Euch! Womit soll ich zahlen? ich bin der ärmste Mensch in der Stadt. Ach, geht doch! Ich habe keinen Heller, so wahr ich lebe. Wie möchte ich denn da – Uf – sticht es wieder in den verdammten Beinen. Habt Ihr auch schon so Stechen in den Beinen gehabt? – Uf – daß dich – uf – der Stich ist für den Bankier. Geht er in's Gewissen? reibt sich den Arm. – Das hat man von seiner Complaisance, andern Leuten sein bischen sauer erworbenes Gut zur Ergetzlichkeit zu offeriren! Man muß die Wachslichter und den grünen Teppich dazu schaffen, kriegt Flüsse, Schwindel, Podagra, und muß sich noch mit losen Reden zwicken lassen. Freundlich. Ach Barönchen – seid so christlich, schiebt mir doch den Stuhl her – schiebt ihn mit dem Fuße hin. legt das Bein darauf. Aber wie möchte ich denn da ohne Geld an eine Bank gehen, und – Rasend bin ich, daß ich es thue! ein erbärmlicher Kerl! Und spielen? he! denn wenn man – – Ein Räuber an Weib und Kind! Denn wenn man kein Geld hat, muß man nicht spielen. Keine guten Lehren aus Eurem Munde, das bitt' ich! ich möchte sie Euch fürchterlich heimgeben. Bei meiner Seele, wie ein desperater Student! Schämt Euch doch! Was habt Ihr denn so seit Jahr und Tag bei uns eingebrockt? Wie viel? – Achttausend Thaler. hustet. Ein rechter Bettel für einen Kavalier! Ein Königreich für einen Mann und Vater. Nun, und meine Zahlung? Ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht. bringt Thee, setzt ihn neben Herrn von Posert, und geht. Danke, danke. Eine nette Gestalt! Lieutenant ist ihr Papa? Ja! Ihr könnt also nicht bezahlen? Was wäre da zu thun? Schenkt sich ein. Was Ihr wollt. Verklagen? In Gottes Namen. Daß ich ein Narr wäre! Aber Er trinkt. es bekannt machen. geht umher. trinkt. Euch, wenn Ihr wieder an die Bank kommt, das Pointirbuch aus der Hand reißen. Trinkt. Mensch! Ihr seid also komplet im Misere? Ueberkomplet. Ha ha ha! Hab' ich's doch meinem Kleinen, dem Aron, gleich gesagt, wie Ihr das erste Mal bei uns gespielt habt! Gib Acht, Aron, sagte ich, der verbrennt sich die Flügel, ha ha! O das sehe ich gleich. Ich kenne meine Leute. Ich habe sie leider nicht gekannt! Mit dem Einen Auge sehe ich – o – durch ein Bret sehe ich. Hm! Jugend! heftiges Geblüt! – Nun – reden wir einmal ein ander Wort. Hört einmal – Ihr seid also ein abgerupfter Vogel? Nun! Hustet. Euch ist zu helfen. Zu helfen? Ja, ja! Setzt Euch daher – da zu mir. setzt sich zu ihm. Schenkt ein! thut es. Es ist mir Hustet. so trocken in der Kehle. Der alte taube Doktor stand so weit weg – habe entsetzlich kreischen müssen beim Abziehen. Laßt Euch sagen: Trinkt. ich schicke den Aron fort. Warum? Der Kerl hält so Nebenbänkchen, und ist ein unvorsichtiger Kerl. Bei mir hat der Strick so ein zehntausend Thaler gemacht, hat so Schulmeistern und Barbirern Bänke gehalten, die denn alle – Hustet und lacht. Das ist denn aber ignobel – wie gesagt, er ist unvorsichtig und – Lassen wir das! Wie wollt Ihr mir helfen? Ich komme darauf. Seht, Ihr habt eine hübsche Frau – steht auf. Was gibt's? Was soll meine hübsche Frau? Bei Gott! ich werfe dich aus dem Fenster, jämmerlicher Mensch! hustet. Bei Leibe! Nun meine ich so: Ihr seid Eurer Seits ein präsentabler Kerl, und, wie ich heute gesehen habe, ein Kerl, der Herz hat. Die ruinirten Spieler kriegen alle eine desperate Hartnäckigkeit – die denn endlich bare Contenance wird. Weiter! – Ich gehe jetzt von hier weg in die Bäder; da braucht unser eins witzige, galante, tournirte, feste Leute. Hier – seid Ihr fertig. Wenn Ihr mitgehen und anderwärts statt des Aron eintreten wollt – Als Kroupier? Infame Proposition! Geht von ihm. hustet. Bettelngehen ist schlechter. Trinkt. Wenigstens bei Eures Gleichen betteln. So wollte ich Euch gehörig instruiren – zur Vorsicht – versteht mich – nur zur Vorsicht – gegen reiche kecke Leute; denn bei mir Steht auf. geht sonst alles klar und bar zu; und wollte Euch, Hustet. Euch wollte ich, ohne daß ihr Euch um den Schaden oder Verlust der Bank nur im mindesten was zu bekümmern hättet, alle Abend um ein Zehntheil interessirt sein lassen. Nun? Das ist nichts. Ein Zehntheil? Ei du mein Gott! Mir ist es nur darum, daß ich manchmal, wenn's nicht stark besetzt ist, so um zwölf Uhr zur Ruhe gehen kann. Denn ich habe doch in der Welt was redliches gearbeitet, und es wohl verdient, daß ich nun Hustet. mein Leben genösse! he? Genießt es, und laßt mich betteln. Nun, und die Frau, die ist ein liebes junges Weibchen, die setzen wir so zu ihrem Amüsement mit einem Strickzeug an die Bank – hin – Schweig – Zum Zusehen. Und gesehen zu werden? Wie tief bin ich gefallen, daß ich das anhöre! Fort! Schatz, du steigst in der Welt einmal nicht mehr. Sieht nach der Uhr. Kalt. Dir ist der Hals gebrochen. Hustet. Ich fühle es. Enterbt bist du, schuldig auch. Leben muß du, und hast nichts. Die Schuldner lassen dich einsetzen. Die Frau bleibt freilich ledig, die nimmt man nicht gefangen: wenigstens thut es die Justiz nicht; wohl aber der Mangel. Denn der Mangel macht ein Kartätschenfeuer in die tugendhaften Grundsätze, daß sie rottenweise hingestreckt da liegen. Hustet. Ei, da ist's ja doch profitabel, Kroupier zu sein und sicher. Nun? Hört! Ihr seid fürchterlich. Kein Bußprediger hätte fürchterlicher in mich hinein reden können, als diese Eure christliche Liebe. Ich danke Euch wahrhaftig dafür. Ich verstehe Euch nicht. Hustet. Geht Ihr mit, so erlasse ich Euch die Schuld, und ist Euch mit ein hundert Louisd'ors gedient, so könnt Ihr sie haben. Aber morgen gingen wir schon zusammen fort. Geht Ihr nicht mit, und zahlt auch nicht, Gähnt. so beschimpfe ich Euch. Ich habe so viel an Euch verloren. Ich hätte auch an Euch verlieren können. Sagt mir – daure ich Euch? ruhig. Ach nein! Seht – beim Spiel muß keine Passion sein. Gewonnen, verloren, verloren, gewonnen: all eins. Abgenutzte Karten zu Livrets – ausgesogene Pointeurs zu Valets. Aber der Mensch – wenn er einmal einen Makel hat, behält ihn für immer. Die Karte unter den Tisch, der Mensch unter das Getümmel! Frisch gedeckt, andre Karten, andre Menschen! Hustet. Geht Ihr mit mir? Nimmermehr. Ich bleibe hier und halte aus. Das Gefängniß? Das Gefängniß – Die Schande? Ueberwinde ich mit der Ehre, Euer Anerbieten ausgeschlagen zu haben. Das soll eine Ehre sein, daß man sein Habe und Gut verspielt, und fremdes nicht gewinnen will. Hustet. Nun – überlegt es bis zwei Uhr. Ich will ein bischen ruhen. Der gestrige Fischzug war gut. Hustet. Bei Simoni ist großes Diner. Es ist ein Oberpfarrers-Sohn angekommen, hat eine reiche Erbschaft hier gehoben. Wollt Ihr ein Drittel von Papa's schwarzem Mantel, so kommt hin. Der Kerl ist dumm wie eine Latte. Geht ab. Nein, nein! in Ewigkeit nicht! Keine Karte mehr – 12. Auftritt Zwölfter Auftritt. Voriger. Frau von Wallenfeld. Bist du allein? Dein guter Geist ist bei mir, Marie! zärtlich. Lieber Fritz! Du hast viel Kummer! Ich begreife es wohl – nach einer Pause. Glaubst du denn – Marie – sei aufrichtig – hältst du es für möglich, daß ich wieder ein besserer Mensch werde? Manchmal zweifle ich an mir selbst. Ich denke mir dich wie eine unverdorbene Zierath unter vielem Schutt vergraben. Tief vergraben! sehr tief! zu tief! faßt seine Hand. Nicht doch. Wir wollen aufräumen – Karl und ich. Greift nach den Papieren. Laß mich anfangen. Wie heben wir diese Last? durchsieht sie, und sagt gepreßt. Ohne des Onkels Hilfe – nie! Wage den Versuch! Die Leute sind ungestüm. Ich will zum Onkel gehen. – Aber wovon wollen wir leben? Ich kann arbeiten. Deshalb bin ich unbekümmert. Ich nicht. Mich erzog man zum Reichthum. Du hast Anlagen, du bist jung – du kannst noch vieles thun. – Du bist Vater, welch eine Aufforderung für ein gutes Herz! Großer Gott! wie wird mir, wenn ich mir eine Zeit als möglich denke, wo Seelenunschuld und Friede wieder unter uns wohnen wird! 13. Auftritt Dreizehnter Auftritt. Vorige. Karl. Vater! – Jakob – hat mich meine Rede noch einmal gefragt. Wenn du nicht dazwischen sprechen willst, so kann ich sie jetzt gewiß ohne Anstoß hersagen. Darf ich? zieht seine Frau an sich und umfaßt sie. Ja, lieber Karl. stellt sich einige Schritte von ihnen gegenüber. Heute ist der glückliche Tag, wo du, lieber Vater, geboren bist. Wir freuen uns alle herzlich, und wollen dir immer mit Lieb und Treue entgegen gehen. Bleibe uns gut, und sei gern bei uns. Sollte dir etwas fehlen, so wollen wir alle arbeiten, daß dein Herz immer reich sei und bleibe. Wenn das ist, so wünsche ich und meine Mutter nichts, als daß dich Gott recht lange unter uns erhalte. Dann sind wir sehr reiche Leute. Verbeugt sich. geht haftig zu ihm, hebt ihn auf, herzt ihn, umfaßt mit dem andern Arm seine Frau. Diesen Reichthum habe ich – warum suche ich mehr? Diesen will ich verdienen lernen. Sie gehen in dieser Umarmung fort. 2. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Sekretär. Hofrath. trägt einen Lehnstuhl vor, setzt ein Tischchen mit Schreibzeug an die Seite desselben. Im Hintergrunde ist ein reiches Bett mit einer Gallerie vor demselben. tritt ein. Guten Morgen, Alter! Bringen Sie mir eine frische Prise Spaniol? Ich habe es nicht vergessen. Reicht ihm eine kleine blecherne Büchse. riecht daran. Kostbar – erquickend! wahrem Balsam! Wie hat der Onkel geschlafen? Gut! Nimmt eine Prise. Ach je – da – da ist ja Gold darin – drückt ihm die Hand. Der gute Tobak muß ja eine bessere Dose haben. Gar zu gnädig! Will die Hand küssen. Ei, Papa! wo denken Sie hin? Er umarmt ihn. Ich kann wohl sagen, daß ich Sie wie einen Sohn liebe; Sie. – Den Herrn Baron Fritz hingegen habe ich mein Tage nicht leiden können. Er taugt auch nichts. Mir hat er von Kindesbeinen an alle ersinnliche Possen gespielt – und bei dem alten Geheimenrath – ich sage Ihnen, wenn er nicht in Ungnade gefallen wäre – hätte er mich noch um mein Stückchen Brot gebracht. In Ungnade gefallen? Der Onkel wird sich doch früh oder spät seiner wieder annehmen. Gott bewahre! Wir kennen und veneriren alle den gewissen einzigen Erben. Mit einer Verbeugung. Da Wallenfeld doch einmal enterbt ist, so glaube ich selbst, daß ich es sein werde. Betreiben Sie nur die Heirath mit der Comtesse Bildau. Denn daran liegt ihm alles, wegen der vornehmen Verwandtschaft mit ihrem Onkel, dem General. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Geheimerath. Vorige. in der Thür. Gabrecht! Excellenz! Wer ist da? Teuerster Onkel – kommt. Ah! der gute Fernau. – Embrassez moi! Ihr Wohlbefinden, gnädiger Herr Onkel, ist mein erster Gedanke. zum Sekretär. Ist ein guter Mensch. O – was für ein Gemüth! Erlauben Sie mir, Ihnen etwas von den neuesten Musikalien vorzulegen. Ein Adagio – Von wem? Der Komponist bittet um Nachsicht. Selbst verfaßt? Eine Empfindung des Danks für den besten Onkel. Ich acceptire es. Wie geht es mit der Comtesse? Wenn der Herr Onkel erlauben – so erhalte ich unter Ihrem Segen heute das Jawort der Gräfin. Gott Lob! – Soll hier geschehen, bei mir. küßt seine Hand. Mein Vater! Sollt bei mir wohnen. – Gabrecht! Excellenz! Große Galla heute Abend. Nun bin ich so glücklich wie möglich. Aber mein armer Vetter! Wallenfeld? – Schlechtes Sujet. Seine Armuth! – Ich habe der armen Person, seiner Frau – nach meinen Kräften ein Almosen gegeben – Wenn der Herr Onkel noch etwas – – Nichts! War mein Erbe, sollte mit der Comtesse meinem Hause ein Lüstre geben; – hat ein Bürgerding genommen; ist ein liederlicher Spieler – Ja leider! und schickt alle Schuldner zum gnädigen Herrn Onkel – Brutalisirt mich! Und das Pasquill, das neulich gegen unsern besten Herrn an das Haus geklebt war, soll von ihm sein. Ah le traitre! Ich bin gewiß der Mann nicht, der jemand schaden will; aber das Devoir gegen meinen hohen Wohlthäter geht über alles. Vetter, Er muß meinen Namen annehmen. Ich adoptire Ihn – kniet nieder und küßt seine Hand. Der Himmel verlängere Ihre Jahre, damit ich Sie noch lange, lange meinen Vater nennen kann! Jetzt bringe Er der Comtesse meinen Gruß. – Es soll ein Bouquet nachkommen. Der Himmel verleihe mir ein Herz wie das Ihrige! Geht ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Geheimerath. Sekretär. Hernach der Kammerdiener. Das ist ein anderer Herr, als der garstige Spieler. Submiß, geschickt – Mitleidig – Hat er nicht der Kreatur Geld gebracht? Des Wallenfeld's seiner? Soll künftig wegbleiben. Ich sage es auch. Schickt sich nicht. Hat gar einen schlechten Ruf, die Person. Die gnädige Comtesse Braut könnten es ungnädig aufnehmen. Ist das Weibsbild auch eine Kokette? Schlimmer, Ihro Excellenz! Fi donc! – Ich wollte, der Herr Neveu wäre aus der Stadt. Die Schulden und das Lasterleben werden ihn wohl forttreiben. Eh bien! Setzt sich. Mein Haus! schellt. tritt ein. Die Leute – Und Jean mit der Geige. geht ab. Heute muß nichts gespart werden. Sehr wohl. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Vorige. Kammerdiener. Stallmeister. Haushofmeister. Jean mit der Geige und einem Notenpulte. Jean – hieher. stellt sich mit dem Notenpult an seine Seite. gibt dem Sekretär die Noten. Soll das exekutiren. gibt sie Jean. stellt sich in Positur. Haushofmeister! tritt vor. Man fängt an. geigt ein Adagio. nach einigen Takten. Bravo! Zum Haushofmeister. Kein Diner. – verbeugt sich. Nachmittags Spiel – Abendtafel auf dreißig Kouverts – Hernach Bal paré. – Das neue Silber. – Zu Jean. Noch einmal die Stelle – wiederholt sie. schlägt die Hände zusammen. Mon Dieu, que cela est touchant! Er trocknet die Augen. Zum Haushofmeister. Glace von Ananas! Winkt ihm zu gehen. tritt zurück. meldet etwas dem Kammerdiener. dem Sekretär. redet leise mit dem Geheimenrath. Nein! dem Kammerdiener. Nein! dem Bedienten. Nein! geht hinaus. Könnte betteln, ginge mich nichts an. hört auf zu geigen. Fortgefahren! geigt weiter. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Vorige. Herr von Wallenfeld. tritt heftig ein. Vergebung, lieber Onkel, daß ich hier mich eindränge. – applauirt. Bravissimo, die Stelle! Kennen Sie mich gar nicht mehr? Nein! tritt näher zu ihm. Gerührt. Einst war ich Ihr Liebling! Stallmeister! tritt vor. tritt zurück. Vormittag den Postzug von Grauschimmeln; fahre auf Sanspareil. Um vier Uhr der zweisitzige Staatswagen, Schecken, blau und silbernes Geschirr, Pferde eingeflochten. Bedeutet ihm zu gehen. tritt zurück. Unterschreiben! – rückt ihm das Tischchen vor. zu Jean. Ist genug! Sekretär gibt ihm etliche Dukaten. – Ist vom Herrn von Fernau. Er geigt es heute Abend bei der Fete. verbeugt sich, und tritt mit dem Notenpulte zurück. Herr Onkel! zum Sekretär. Wie geht es mit der neuen Eisenschmelze? Präsentire hier allerunterthänigst die geschlossene Rechnung. sieht in die Papiere. Zwölf hundert Thaler Ueberschuß? Gut! Kann noch ein Ofen angelegt werden? Da ist der Bauanschlag zu Hochdero Approbation. unterschreibt. Ist für Ihn. Wie? Für Seine Rechnung. – Treue Diener muß man lohnen. Diese Huld erkenne ich mit tiefster Verehrung. Tisch weg! – nimmt ihn weg. setzt ihn nach dem Bette zu. steht auf. trägt den Stuhl weg. Man geht hinaus. winkt. KAMMERDIENER, JEAN, STALLMEISTER, HAUSHOFMEISTER gehen ab. zum Herrn von Wallenfeld. Was gibt's? Herr Onkel, ich habe sehr gefehlt gegen Sie, ich fühle es. Gegen meinen Willen geheirathet. Noch mehr habe ich gegen Sie und mein Weib gefehlt – Mein Weib! – Weib! – Welche pöbelhafte Art sich zu exprimiren! Gegen beide habe ich gefehlt. – Bitte, mich nicht mit der Allervortrefflichsten in Eine Klasse zu rangiren. Ich habe sehr gefehlt in meiner Lebensart nach der Heirath. Weiter! Von Ihrer Großmuth auf dem glänzendsten Fuß erzogen, berechtigt zu den größten Erwartungen, habe ich mich vergangen, daß ich auf eine Art gelebt habe, die ich ehedem eher hätte entschuldigen können. Es ist unverantwortlich. Aber nun bin ich so elend – Ich zahle nichts. Ich werde beschimpft. Hat's meritirt. Ich bin bettelarm. Hat ja zehn tausend Thaler von Seinem Vater. beschämt. Ich hatte sie! Mein armes Kind – nur mein Kind dauert mich! Geht mich nichts an, das Kind. Herr Onkel, ich bin in Verzweiflung, wenn Sie mich verstoßen. Nur von der unmittelbaren Schande, bitte ich, retten Sie mich! retten Sie in mir den Namen, den wir beide tragen! Dann gehe ich fort von hier, und nie wage ich es wieder, auf Ihre Güte Anspruch zu machen. Ist schon über alles disponirt für Herrn von Fernau. Der heirathet die Comtesse, ist an Kindesstatt angenommen. Indeß, da Er sich von hier aus dem Staube machen will – Ich möchte von hier gehen können! Ich möchte es bald können. Gabrecht! Excellenz! nachdem er eine Weile leise mit ihm gesprochen, zu Wallenfeld. Der da wird Ihm meine Meinung sagen. – dringend. Herr Onkel – sein Sie – Der da – Nicht ein Wort des Mitleidens gönnen Sie dem Unglücklichen, den Sie einst Ihren Fritz, Ihren Sohn genannt haben? Fatigirt mich – das viele Reden. Adieu pour jamais! Geht ab. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Nun? Was soll ich hören? Pure Großmuth, wovon Ihro Excellenz – besessen sind. Dero angebliche Mariage ist ihm nun einmal absolut zuwider. Weiter! Wenn Sie nun diese durch eine förmliche Scheidung kassiren, und das erzielte Söhnlein unter dem Namen Monsieur Stern erziehen, so will er Ihre Schulden bezahlen, Ihnen auch noch ein für allemal ein Präsent auf die Reise machen. Daraus wird nichts: mein ehrliches Weib behält ihren Mann und mein Sohn seinen Namen. Hm! Ein vornehmer Name mit Pauvreté vergesellschaftet, ist nicht erklecklich! Nun, und die gnädige Frau wird es ja wohl auch zufrieden sein? Weshalb? weshalb die? Lieber Gott! – der Hunger thut weh. bitter. Allerdings! Und wenn man jung ist, und schön ist, und soll hungern, wo man doch essen könnte, und zwar reichlich, da entstehen Reflexionen – Bösartiger Narr! mit Grimm. Das verbitte ich mir! Zum Narren bin ich zu alt; habe auch Ihren Mißmuth nicht verdient, denn erst heute habe ich ihr eine Zubuße an Geld ausgemittelt – Wem? meiner Frau? Ja! Durch wen? Durch Herrn von Fernau. Ich will nichts von ihm. Hunger und Kummer sind – Erträglicher als sein Almosen und Ihr Mitleid. – Hat sie es angenommen? O Gott! – zu Dank – vergnügt. Es soll zurück! Er soll Sein böses Gewissen in Ansehung meiner nicht mit einem Almosen erleichtern, und ich will das meinige nicht mit einem schlechten Streiche gegen mein Weib vermehren. Sagen Sie das dem Onkel. Sagen Sie ihm, daß ich nichts mehr habe, nichts, daß ich verzweifle. Was aus mir wird, weiß Gott. Kann ich vom Schicksal noch etwas hoffen, so ist es dafür, daß ich jetzt mit der Ueberzeugung von hier gehe, eine heilige Pflicht gegen ein unglückliches Weib nicht verletzt zu haben. Hieher komme ich niemals wieder. Geht ab. Desto besser, desto besser! So können wir das Unsrige in Ruhe und Frieden genießen, mein Herr Baron Obenhinaus und Nirgendsan. Geht ab. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Im Hause des Herrn von Wallenfeld. Hofrath. Jakob. Hernach Frau von Wallenfeld. Was will denn die gnädige Frau? Ich bin sehr eilig. Sie wird gleich hier sein. Geht in's Kabinet. Vielleicht proponirt sie ein Auskunftsmittel. Vielleicht wollen sie endlich fort. Ich will gern etwas thun, wenn sie nur gehen. – Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind. Sein Sie so gut und nehmen Sie Ihren Brief zurück. Seinen Inhalt verlange ich weder zu besitzen, noch zu wissen. Nun – so setzen Sie sich selbst hintan. Aber – Sie haben einen Sohn. Ich sage Ihnen, retten Sie sich und das Kind. Ihr Mann ist durch seine unbegreifliche Aufführung verloren. Er wird arretirt werden. Was sagen Sie – Auf einen Wechsel von tausend Thalern. Eben jetzt wird er ihm zum letzten Mal präsentirt sein. Ich weiß es gewiß. Was kann ich dabei thun? Rathen Sie mir. Sich und das Kind retten, hier weggehen. Der Onkel gibt vielleicht was dazu. Und mein Mann? zuckt die Achseln. Der ist gar zu nichtswürdig – Wir sind fertig, Herr Baron. Wenn er nun eingesperrt ist, was nutzt es, daß Sie mit zu Grunde gehen? Sollte es Ihnen aber zuträglicher dünken, sich durch eine freiwillige Separation zu retten – mißt ihn mit den Augen und geht. Verflucht! Wenn das Weib nicht einen Streich macht, der ihn in der Desperation zum Teufel jagt, – so werden wir den Miterben nicht los. 8. Auftritt Achter Auftritt. Voriger. Rektor Berger. Dero Gehorsamster – Wer sind Sie? Godofredus Berger! Licei nostri majoris Rector. Guten Morgen, Herr Rektor! Geht ab. sieht ihm nach. Etwas unfein! Etwas rauh! Er muß ein Nordländer sein, die schon Tacitus in dem Traktate de moribus Germanorum so schildert. 9. Auftritt Neunter Auftritt. Voriger. Herr von Wallenfeld. rennt schnell herein, den Hut in's Gesicht gedrückt. Zwei Stunden – nur zwei Stunden sind mir noch übrig! Hier Schimpf leiden oder dort Niederträchtigkeit begehen. O Gott! nur Eins kann mich retten – Tod! Tod liegt in der Mitte! Tod rettet von beiden! – Aber – Er wirft sich in einen Stuhl. ich bin Vater! der ihm aufmerksam zuhört und unbeweglich da steht, tritt nun zu ihm. Dann liegt die Pflicht in der Mitte, Herr Landsmann. springt auf. Wer sind Sie? – Rektor Berger. Und Sie? – Von Wallenfeld. Ach! so bitte ich tausendmal Ihro Hochwohlgeboren, – – oder wie man Sie sonst titulirt – halb laut. Unglücklichgeboren, so kann man mich nennen, so. Da sei Gott vor! Das kann nicht sein. flüchtig hin. O ja. Nein, es wird niemand unglücklich ge boren. Astra regunt homines, sed regit astra Deus. Mein Herr, was verlangen Sie von mir? Sie sind doch derjenige gnädige – oder vielmehr gute Herr von Wallenfeld, – der auf dem englischen Kaffeehause bei der Spiel- und Schlachtbank eines gewissen einäugigen Korsaren einen jungen Menschen vom Abgrunde gerettet hat? Ja, es war ein junger Mensch da, der mit sichtbarer Angst und wenigem Gelde sehr heftig, unvorsichtig und keck spielte – Ist mein Sohn gewesen, der von meinem bischen Armuth schon sieben Stück Louisd'or verschleudert hatte, und ich bin gekommen, in Ihnen, der ihn vom Lasterwege gerissen hat, das Werkzeug der Vorsehung zu verehren. Nein, mein Herr, an mir ist nichts zu verehren. Diese kostbare Handlung an meinem Sohne – War Zufall – bloßer Zufall. Ich war schon ausgeplündert, stand müßig am Spieltische. Die Verlegenheit, die Jugend, das Gesicht des Menschen interessirte mich. Zufall! Mit nichten! Ich statuire keinen Zufall. Keinen Zufall? Nun, so sagen Sie mir, welche Vorsicht ließ mich, der ich Ihren Sohn heute gerettet habe, zum wüthendsten Spieler werden, der sich und Habe und Gut und Weib und Kind so hintangesetzt hat, daß er in diesem Augenblicke nicht über einen Heller Herr ist? nicht über einen Heller! – Lieber Herr, Sie setzen mich in Erstaunen. – Aber – Sie werden auf die Boten der Vorsicht am Wege, die da rufen: steh still! Sie werden auf die Tonnen bei den Klippen und Untiefen, die da warnen, nicht geachtet haben – Kann sein. Sondern sind im Lustrausch dabei vorübergegangen. Mag so sein, ja! Aber nun ist es geschehen. Was nun? Wenn Sie einem dankbaren Mann ein Wort erlauben wollen, so meine ich, Sie müßten gerade von der guten Handlung an meinem Sohne den neuen Lebenslauf anfangen – Damit ist kein fälliger Wechsel gezahlt. Mit christlichem Muthe fortfahren – Davon essen Weib und Kind nicht, die durch meine Schuld hungern. Hungern? So feine Leute! Standespersonen! – ei, ei! Nun, wenn dem so ist, so biete ich Ihnen aus schwacher Dankbarkeit, – wenn Sie es annehmen wollen, bis auf bessere Zeiten, fünf Louisd'or zum Darleh'n an. Ehrlicher Mann, das darf ich nicht annehmen; denn bei mir kommen keine bessere Zeiten. Keine bessere? Ja, ja! das ist Eure Lehre vom Zufall. Ich aber sage aus der Lehre vom christlichen Vertrauen, es wird besser mit Ihnen werden. So gehen Sie denn gefälligst mit mir. Ich habe von einem Buchhändler für eine Uebersetzung aus dem Griechischen zehn Louisd'or eingenommen, die meine Frau nichts angehen. Halbpart – ehrlicher, unglücklicher Mann! Herr Rektor, das ist freilich sehr gut gedacht; Er schlägt sich vor den Kopf. aber ich Elender, ach! So nehmen Sie denn meinen armen guten Willen an. Bei Occasion meines Sohnes und Ihrer, muß ich doch sagen, daß wir in Europa mit sammt unserer Kultur kuriose Leute sind. Wie das? Bedenken Sie selbst! – wir haben christliche Orden, welche für Gefangene betteln, die von denen Seesäubern genommen sind; dazu geben wir willig unser Geld her; wir fechten gegen die Seeräuber von Algier; gegen Diebe, welche bei Nacht einbrechen oder sonst rauben, bauen wir Galgen an jede Grenze; auch läßt die christliche Obrigkeit, andern zum Exempel, ihnen selbst aber zur wohl verdienten Strafe, sie ab und zu aufknüpfen: – dahingegen sehen wir ruhig zu, und sitzen daneben, wie bei angezündeten Kerzen ein Räuber und Karten-Pirate, mittelst eines geschickten Daumens, in großer Kompagnie – ein Christenkind nach dem andern auszieht, plündert, zur Verzweiflung treibt, oder zu einem Schelme macht! seufzt. Es ist wahr. Stiehlt ein armer Kerl ein paar silberne Schnallen – ei! da ist flugs die ganze Justiz auf den Beinen und hinter ihm her; muß aber Weib und Kind betteln, und stürzt sich einer, dem das grüne Tischchen alles abgenommen hat, in's Wasser, so stehen wir bei dem Leichnam, sagen: das Pharo hat ihn ruinirt, und jedermann geht ruhig heim. Der Räuber fährt in Equipage, die Bestohlnen nehmen demüthig die Hüte vor ihm ab, die Justiz sieht es, bleibt sitzen und denkt: das Pharo hat ihm geholfen. – Jedermann findet das alles ganz natürlich. Das ist denn doch aber sehr unnatürlich, und heißt die Lehre vom freien Willen sehr falsch expliciren. Ist mir nicht mehr zu helfen, so will ich andern helfen. Kommen Sie zu Ihrem Sohne. Ich will ihn warnen, ihm sagen, wie es jetzt mit mir steht. Das traurige Bild möchte mehr wirken, als alle Moral. Thun Sie es, um eines alten Vaters willen. Ich will es. Der Gedanke, daß ich diesen Menschen von dem Elend rette, worin ich bin, beruhigt vielleicht die Wellen, die in mir toben. Geht ab. 10. Auftritt Zehnter Auftritt. Vorige. Frau von Wallenfeld. Jakob. Lieber Mann! im Gehen. Ich komme gleich wieder. Mit wem geht er da, und wohin? – Gnädige Frau, es ist sehr weit mit ihm gekommen. Wo geht er hin? Gott weiß es; aber – verzeih' mir's Gott – ich wollte, er ginge in alle Welt! Draußen packen ihn wieder die Raubvögel an. Der alte Kerl mit dem Wechsel, und – Sie werden sehen – er läßt ihn hinsetzen. Was dann? Schande und Spott. Ehe ich das mit ansehen muß, möchte er lieber in Gottes Namen von hier fort gehen! 11. Auftritt Eilfter Auftritt. Karl. Vorige. Mutter! wann frühstücken wir denn? – Es ist ja schon spät, mich hungert so sehr. Bald – bald – Ach Jakob! – gibt ihm ein kleines Weisbrot. Da, Karlchen – gehen Sie nur zu der Köchin. – Sie ist ausgegangen. Es ist auch kein Feuer in der Küche, gewiß nicht! setzt sich und weint. mit unterdrückten Thränen. Nun – ich bringe Ihnen gleich Milch – nur voran gegangen – nur voran! – Wo soll ich denn hin? es ist ja niemand zu Hause – Ich will mitgehen. Er geht ein paar Schritte mit dem Kinde, läßt es stehen, geht zur Frau von Wallenfeld, küßt ihre Hand, und gibt ihr ein kleines Papier. Nicht böse werden, liebe, gnädige Frau – Komm, Karlchen. Er geht. wendet sich erschüttert nach ihm um. Jakob! im Gehen. Wir müssen die Milch besorgen. Ja wohl, ja wohl! Hüpft fort. 12. Auftritt Zwölfter Auftritt. Frau von Wallenfeld allein. Was ist das? Was will der ehrliche alte Mann? – Sie liest die Aufschrift. »An meine gute gnädige Frau.« Sie macht das Papier auf und liest. »Ich bitte Sie, beste, unglückliche Frau, daß Sie den Sparpfennig des alten Jakob's brauchen, bis es wieder anders wird. Wenn Sie mir das abschlagen, so gräme ich mich todt. Inliegend fünfzehn Thaler in Gold. Dero treuer Diener bis in den Tod. Jakob Stormann.« – Ja wohl treu! und treu in Noth und Elend. Ich nehme es an, obschon es mein Herz zerreißt. 13. Auftritt Dreizehnter Auftritt. Vorige. Lieutenant Stern. kommt herein, und umarmt Frau von Wallenfeld. zwischen Schrecken und Freude. Ach Gott! – Grüße dich Gott, Marie! Mein Vater! mein Vater! Sie fällt ihm um den Hals. hebt ihr Gesicht auf. Wir haben uns lange nicht gesehen. küßt ihn, dann seine Hand. O lieber Vater, wollen Sie uns endlich doch sehen? Es ist ja wohl nöthig, daß wir beide uns sehen und sprechen. Die Freude, die Ueberraschung läßt mich nicht sprechen. Es mag wohl deine erste Freude sein seit den fünf Jahren, die du von mir weg bist: denn ich weiß alles, ob du mich gleich in deinen Briefen nichts hast merken lassen. Fünf Jahre konnten Sie zubringen, ohne mich zu sehen? ohne Ihren Großsohn gesehen zu haben? Kommen Sie doch zu meinem Karl. Hernach, hernach, liebe Marie! Er umarmt sie. Gott segne dich! du weinst? – Je nun, es geht mir fast auch so. Ich will aber nicht weinen, ich will mich freuen, daß ich dich sehe und habe; ich habe ja auf der Welt nichts als dich, und will dich nun nicht mehr lassen. Bleiben Sie bei uns? Nein. Aber doch einige Zeit? Je kürzere Zeit, je besser ist es – ich bin müde, mein Kind! Er setzt sich. Setze dich zu mir. setzt sich zu ihm, und nimmt seine Hand. Gott Lob, daß Sie noch so gut aussehen! Noch mag es passiren; aber Eins wird mir das Herz brechen. Liebes Kind, du bist eine Bettlerin. Großer Gott! erbarme dich unser! Sie bedeckt sich das Gesicht mit dem Schnupftuche. Dein Mann, der gnädige Herr, ist ein schlechter Kerl. Sie sind strenge, lieber Vater. Als die Leidenschaft euch bethörte, dich und ihn, damals hätte ich strenge sein sollen, und dir befehlen, laß ihn ziehen. Aber du liebtest, weintest, sehntest dich; er winselte mit; Glücksträume trieben ihr Spiel mit meiner Vernunft, und ich sprach Ja zu deinem Elende. Vergib mir es. Ich will jetzt sehen, wie ich es noch wieder gut machen kann. steht auf. Mein Mann ist strafbar, aber er verdient einige Entschuldigung. Vor dem Gericht der Liebe, recht so. Du bist ein braves Weib. Aber vor dem Richterstuhl der Ehre soll er sich stellen, dem Vater soll er Rechenschaft geben. Hören Sie mich – Und wenn er da nicht besteht – Der Vater wird den Sohn väterlich richten. Gutes Weib! ich sage es noch einmal: ich habe auf der Welt nichts als dich und die Ehre. Meine Ehre ist oft genug von der Allmacht der Kriegsminister gekränkt – Ich bin viel gebraucht, zum Dank übergangen, gehudelt, wieder gebraucht, und immer wieder übergangen worden. – Nun ich habe die Zähne zusammengebissen, die Hand auf den Stich in die Brust gelegt, den der feindliche Karabinier mir versetzte, und gedacht: er hat allenfalls den Platz gezeichnet, wo das Ordensband liegen könnte – es liegt nicht da – auch gut! Das Gefühl von dem, was mir gebührt hätte, gelte für das Band, das ich nicht habe. Jeder Groll wurde verschmerzt, wenn ich an dich dachte. Nun ist aber dein Glück auch zerstückt: was soll mich nun trösten, da ich in meinen Jahren eben jetzt noch einmal übergangen werde? Wie? ist das möglich? Ja, mein Kind. Ein junger Bursche soll mein Hauptmann werden. Diese schändliche Hintansetzung meiner Ehre hat alle meine Wunden wieder aufgerissen, und deine Thränen brechen mein Herz völlig. Ich will Genugthuung als Offizier und als Vater: deshalb bin ich hergekommen; und nun laß mich nur machen. Lieber Vater, wollen Sie meinen Karl noch nicht sehen? Ja! – Pause. Sieht er deinem Manne gleich? Er hat viel Ähnlichkeit von Ihnen. Das Kind wird mich weich machen. Es wird für seinen Vater bitten. Aber fest bleibe ich doch; denn deine vereinten Augen, liebe Marie, klagen lauter, als das Kind bitten kann. Komm, führe mich zu ihm. Sie gehen. 3. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Herr von Wallenfeld. Frau von Wallenfeld. tritt hastig ein. folgt ihm. Was hast du? was ist dir begegnet? Du hast etwas gegen mich! Sprich, sei doch offenherzig! gefaßt. Nun ja denn. Nachdem er sie scharf angesehen hat. Dein Vater ist hier? Ganz unerwartet kam er vor einer halben Stunde hier an. lebhaft. Unerwartet? – Hm! Ei ja doch! Gleichgiltig. Wo ist er hingegangen? Ich weiß es nicht. nach einer Pause. Warum meidet er mich? Wie? Ich sollte nicht denken, daß er dich geradezu meidet – aber – freilich – ist er etwas aufgebracht über dich. Du kennst seine Grundsätze. Nun, Heftig. mit Einem Worte denn – Du hast ihn kommen lassen. Fritz! Zu Hilfe kommen lassen. Thu mir nicht weh. Du hast mich verklagt. Spricht Unmuth aus dir, so verzeihe ich dir gern. Ueberzeugung, – und Unmuth wegen der Ueberzeugung. Zwar habe ich es an dir verdient, daß du den Schritt gethan hast; aber doch habe ich es nicht erwartet. Ich habe es nicht erwartet. Wallenfeld, noch habe ich dich nicht eine Klage hören lassen, was ich auch durch dich gelitten habe. Ich habe die Nächte geweint, und bin fast erlegen, um dich am Tage kein verweintes Gesicht sehen zu lassen. Ich und mein Kind, wir sind heute dem Hunger ausgesetzt gewesen wie die Bettler auf der Straße. Ich habe dir nichts davon gesagt. Jetzt aber zwingst du mich, daß ich mich auf diese Geduld berufe, die mich deiner Frage und aller Antwort darauf hätte überheben sollen. Es ist wahr, und ich dürfte mein Auge nicht zu dir erheben, wenn ich diese Geduld für Ergebung und Liebe halten könnte. Aber, wenn es Leichtsinn wäre – und – man hat mir vorhin in meines Onkels Hause etwas gesagt – man hat mir gesagt, du habest von Fernau ein Geschenk an Geld angenommen! von meinem Räuber, von dem Heuchler, der mit Niederträchtigkeiten ohne Zahl meines Onkels Gunst stiehlt, der mein Glück, deines und des armen Kindes Glück wie ein gemeiner Räuber an sich gerissen hat! – O Marie! – wie konntest du das thun? Ich habe von Fernau einen Brief erhalten. Es war Geld darin. Ich habe ihn unerbrochen zurück gegeben. Was sagst du? Ist's wahr? Ich berufe mich auf dein eigenes Gefühl von mir, ob es mich einer Erniedrigung fähig hält. Ich weiß leider, daß gar kein Geld mehr da war – Ich sehe an den Anstalten für den Mittag, daß du welches hast; woher hast du es? gibt ihm Jakob's Brief. Daher. liest und wendet sich ab. Von dem ehrlichen Jakob habe ich es angenommen, von Fernau nicht. gibt ihr Geld. Bezahle den Jakob. – Was kann dir Fernau haben schreiben wollen? Wie konnte er dir Geld schicken wollen? Es müssen doch Dinge – Unterredungen – Vermuthungen vorher gegangen sein, auf welche er so etwas wagen konnte. Mein Freund – ich habe nur für mich gesprochen; Fernau habe ich nicht vertheidigt. Ich will ihm das Haus verbieten. Immerhin! thue es. Marie! Er betrachtet sie mit Bewunderung. kannst du mir vergeben? Wenn du so leicht den Glauben an mich verlieren kannst, wo sollen wir beide Frieden und Ruhe hernehmen? 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Vorige. Lieutenant. Da ist ja endlich der Herr von Wallenfeld! Lieber Vater, Will seine Hand nehmen. ich höre mit Freuden – wendet sich zur Frau von Wallenfeld. Laß uns allein, mein Kind. tritt zurück. Nicht gern. Lassen Sie mich da bleiben. Gehorche deinem Vater, liebe Tochter. sieht beide wehmüthig an, und geht ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Herr von Wallenfeld. Lieutenant. hat die Arme eingeschlagen, und sieht auf den Boden. nach einer Pause. Nun, Herr Baron, was hören Sie mit Freuden? niedergeschlagen. Daß Sie zu uns gekommen sind. Aber freilich ziemt es mir nicht, Sie zu empfangen. Mit tiefer Beschämung. Reden Sie, ich muß alles anhören. Ich darf nichts sagen, gar nichts. Sie sind ganz irrig, mein Herr. Ich werde Ihnen nur sehr wenig sagen. Halten Sie alles für verloren, was an mich gewagt wird? Wo die Bitten, die Thränen eines solchen Weibes nichts vermocht haben, wo der Anblick eines lieben guten Knaben nicht zu dem Herzen gesprochen hat, da ist völlige Verwilderung, und ein solcher Mensch ist in einem thierischen Zustande. Soll da der Schwiegervater noch winseln oder zanken? Pah! Unser Geschäft soll gleich abgethan sein. Ich verlange – Ich verdiene Ihren Zorn. Aber wenn Sie wüßten – Zorn? Nein, Herr! Züchtigung verdienten Sie; für den Zorn sind Sie mir nicht mehr gut genug. Wer Ehre und Vermögen verschleudert, Weib und Kind nach Brot schmachten läßt, seine letzten Groschen unter die Gauner bringt, statt zu arbeiten müßig geht, der – Kurz und gut: ich habe Sie nicht ermahnt, weil ein jedes Wort zu einem Spieler verschossen Pulver ist; ich habe abgewartet, bis Sie ein Bettler geworden sind. – Jetzt bin ich da, und nehme meine Tochter wieder zurück. Wie, mein Herr? Sie könnten die Unmenschlichkeit begehen? Es steht Ihnen wohl, dies Wort gegen mich zu gebrauchen. Wenn ich Marien verliere – Danken Sie Gott, daß ich sie mit nehme! Bleiben Sie mit sentimentalischem Wortkram weg. Deutlich gesprochen: wovon soll sie essen? Oder wollen Sie es erleben, daß Ihr Weib an den Spieltischen Zahnstocher und Devisen verkauft? – Ich selbst bin arm. Was nach meinem Tode aus ihr wird, weiß Gott. Nun, bis dahin lebt sie doch noch. Gott wird dann weiter helfen. Und ihr Kind – der herzensgute Knabe! Ach! – heute zum ersten Male kostet es mir eine Thräne, daß ich arm bin. Mann, dessen Blick ich mehr ehre und scheue, als alle Gerichte, gehen Sie barmherzig mit mir um. Ich stehe am Abgrunde, stoßen Sie mich nicht ganz hinab! Was wollen Sie? Haben Sie barmherzig gehandelt an Weib und Kind? Und ich – habe ich Rechenschaft gefordert von den schlaflosen Nächten, die Sie mir kosten? habe ich Rache gefordert für die zerschlagne Blüte, die ich gezogen habe? Was will ich denn? Mein Kind und meinen Enkel, – sonst nichts. Sie überlasse ich Gott. Morgen früh um sechs Uhr reise ich, meine Tochter und das Kind von hier ab. Gott befohlen. Halten Sie sich frei von aller Verantwortung, wenn die Verzweiflung mich zu einer schrecklichen That treibt? Ja! Meine tugendhafte Tochter geht von einem lasterhaften Schwiegersohne. Wenn mein gebessertes Leben – Niemals bessert sich ein Spieler. Wie? – Wer so gespielt hat, wie Sie, der hört nie auf. Aber wie, wenn er nicht mehr spielen kann; wenn Armuth es zur Unmöglichkeit macht, wie dann? Dann gebären Armuth, Habsucht, Gewohnheit, Geiz, Müßiggang, Verzweiflung und Rache aus einem nackten Spieler ein so wildes Ungeheuer, daß ein ehrlicher Vater seine Tochter lieber todt auf der Bahre sehen muß, als an der Seite eines solchen Menschen, den jeder Augenblick zum Räuber und Mörder stempeln kann. – Um sechs Uhr reisen wir. Geht. da er einige Schritte gegangen ist, geht ihm nach. Vater! Vater! Meiner Tochter. faßt seine Hand. Bestehen Sie darauf? Ja – Wagen Sie es? Ich wage es auf Gott! – Geht vor. Was sollen Sie? Vierundsechzig Jahre bin ich alt; fünfzig Jahre lang beschäftige ich mich beim Erwachen mit meinen Grundsätzen, und empfehle sie Gott; dann gebe ich mich getrost in die Weltwirbel. Hiermit sage ich Ihnen, meine Tochter geht mit. heftig. So sage ich Ihnen, daß ich mich – Halt da! Er droht ihm. Junger Mensch! Deutet gegen den Himmel. Nimm dich in Acht! Geht ab. Nein, das überlebe ich nicht! – Das kann ich nicht überleben! – 4. Auftritt Vierter Auftritt. Voriger. Frau von Wallenfeld. Hernach Jakob. Weißt du es? Nein, du kannst es nicht wissen. Dein Auge spricht Mitleid und Liebe. Du weißt es nicht, und kannst es nicht wollen. erstaunt. Was denn? Marie! – tritt zu mir her – sieh mich an. – Weißt du, was dein Vater mit mir gesprochen hat? Nein! So wahr ich bin, ich weiß es nicht. Du sollst mich verlassen. Sagt das mein Vater? Er will dich mit sich nehmen, dich und das Kind. Ich werde nicht mit ihm gehen – Ich kann dich nicht bitten, bei mir zu bleiben. Ich bin verstoßen, elend, beschimpft, ein Bettler. Dein Vater hat ganz Recht: ich weiß nicht, wovon ihr morgen essen werdet. Ich bin ein verächtlicher Mensch. Wenn du das Band zerreißest, das dich an Hunger und Jammer bindet – ich darf nicht murren: aber – Fritz! Aber schrecklich wäre es! schrecklich! Sieh, ich habe weder Vater noch Freund, alles wendet sich von mir. – Glück und Frieden sind auf ewig von mir geschieden. Wenn du von mir trittst, wenn mein Kind von mir scheidet, was wird dann aus mir? – O Marie, Marie! Ich habe schrecklich gesündigt; aber ich bin grausam gestraft! Dein Vater ist gerecht: aber die Gerechtigkeit ist kalt. Die Liebe ist es nicht. Liebst du mich, so sei barmherzig, verlaß mich nicht, da die ganze Welt mich von sich stößt. Er umfaßt ihre Knie. Höre mich an. Sei jetzt nicht gütig, – rede nicht sanft – ich bin zu tief verworfen, wenn du sanft bist. Entscheide nur, sprich Ja oder Nein – Ja? – dann laß mich gehen und Rettung suchen. – Nein? – so laß mich gehen, und frage nie nach, wo ich gestorben bin. Ja, ja, ja! Ich bleibe bei dir. Ich theile, was dich trifft – ich verlasse dich nicht. springt auf. Marie! – Ach, was kann ich dir anbieten? Armuth. Auch die Dürftigkeit hat ihre Freuden – Dürftigkeit und Tugend – Arbeit und Brot – Liebe und Treue – Liebe und Dankbarkeit sei unsre Losung! Nimm mich auf – du hast mich gerettet – dein sei mein Leben! – Ich will arbeiten. – Helfe mir Gott, daß du über der Zukunft das Vergangene vergessen könnest! Das werde ich, wenn du nicht mehr spielst. Nie mehr, nie! Täusche mich nicht. – Diese Hoffnung allein wird mich unterstützen. Spielst nie mehr? Nie! Gib mir dein Wort – seufzt. Ach, Marie! – gilt es dir denn noch etwas? Dein Herz gilt alles; dem habe ich mich gelobt; ich wage alles auf dies Gelübde. Wenn dich mein Herz betrügen kann – dann verlaß mich, nimm dein Kind – und geh ohne Abschied fort. Der Bund ist geschlossen. Sie umarmt ihn. Ich rede mit meinem Vater. Nie verlasse ich dich. Sie geht ab. Nun will ich dem Arrest nochmals entgegen arbeiten. Er schellt. kommt. Meinen Hut. Sehr wohl. Will gehen. Jakob! – Du ehrliche Seele! Du armer Dulder, lohne dir Gott! – ich kann's nicht. – Aber höre! – Ich bin besser geworden; ich spiele nicht mehr. Heute Abend wollen wir uns zusammen setzen und Rath halten, wie ich arbeiten und Geld verdienen kann. Sinne nach; dein Rath soll mir sehr werth sein. Trenne die Aufschläge von deinem Rocke; – du bist unser Hausfreund – wir wollen noch gute Stunden leben. küßt seine Hand. Herr! – ich kann nicht reden – lassen Sie mich hinaus. Wenn der Entschluß gut zu werden glücklich macht – was muß es sein, wenn man gut geworden ist! Laß mich – ich hole meinen Hut selbst. Ich will keinen Dienst mehr von dir; aber Freundschaft, Freundschaft wollen wir beide uns erweisen bis in den Tod! Er geht; an der Thür begegnet ihm Herr von Posert. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Vorige. Herr von Posert. Ah, Herr von Posert! – Ich wollte noch einmal nachfragen, wegen des beliebten Zehntheils. Comment? Ich gehe nie mit Ihnen – Nie! Mich soll Gott bewahren! Ach – was Sie sagen? Das ist determinirt gesprochen. Arbeit und Liebe sind mein Zweck, mein Lohn, mein Gewinn! Posert, Ihre Bank ist ein Bettelpfennig gegen den Reichthum in meinem Herzen. hustet, sieht ihn an und sagt ganz kalt. Sie sind sehr echauffirt. Jakob, geh zu meiner Frau, sag' ihr, was ich mit Herrn von Posert, der im englischen Kaffeehaus die Bank hält, gesprochen habe. Sag' ihr alles. Mit tausend Freuden, und Gott wird es Ihnen lohnen. Er geht ab. Hm! Setzt sich. Ein kurioser Umstand! Die enorme Fröhlichkeit, die wundert mich doch. Und nun lebt wohl. Vergebe Euch Gott, was Ihr mir abgenommen habt! Mich seht Ihr nie wieder. Kommt aber ein armer Teufel, toll wie ich, heißen Blutes wie ich, Mann und Vater wie ich – an Eure Bank, und setzt seine arme Seele auf ein Blättchen: so schiebt sein Geld weg, heißt ihn gehen. – Thut Ihr's nur an einem einzigen, – so sei Euch mein Geld gegönnt! Adieu! Er geht. wir sind geschieden. hustet. Wallenfeld! kommt zurück. Was soll's? Das ist eine absurde Proposition. Wo ist das an einer Bank erhört, daß man jemandes Geld abwiese? he? Macht's wie Ihr wollt. Geht. Adieu! He! und mein Geld? – Eure Schuld? Morgen – übermorgen – Den 17. anni currentis, im ewigen Leben? Er zieht die Uhr auf. Nein, nein! seid honnet – und bezahlt. Hustet. Ich kann nicht. Nicht? Hustet. Von dem höllischen Reichthum in Euerm Herzen möcht Ihr doch das Bröckchen in meine Bettelbank abwerfen. Versteht mich doch – Ich verstehe nur was klingt. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Vorige. Jakob. Gnädiger Herr – Er winkt ihm. geht zu ihm. Sie reden leise. Pause. Nun? Meine Zahlung – Geht zum Teufel! Denn wenn man hoch geht, muß man rasch auszahlen. Sonst ist's gefehlt. zu Jakob. Ich würde gleich selbst kommen. Sagt ihm das. Ich käme gleich. geht. geht nachdenkend auf und ab. hustet. Nun, wer ist denn draußen? Wie es scheint, Hustet. sind die Aktien gefallen. – Ha ha ha! der Seelenreichthum ist außer Kours gekommen! he? Seid Ihr ein Mensch, Posert? Ei ja freilich! Setzt Euch an meine Stelle. steht auf. Würde mich inkommodiren. Meine Stelle ist besser. Ich bin auf so gutem Wege. Nun so zahlt mich. Posert – ich bin in großer Verlegenheit – ich läugne es Euch nicht – ich habe Wechselarrest. Ja. Hustet. Wenn man nicht einhält, und – dabei noch so – so – capriciös ist – Wegen tausend Thalern – Und Gähnt. sonst so in miserablen Umständen ist – da geht es ordinär so. Geht einmal ab von Eurer Art, seid gut, wagt einmal auf die Karte von der Seligkeit einer ganzen Familie. Nehmt reine Dankbarkeit zum Zins – leiht mir tausend Thaler. Bewahre mich Gott! Mein – Posert – ich stehe am Abgrunde! Mein bischen Bares, das – Ihr habt ja mein ganzes Vermögen gewonnen – Das roulirt in der Bank, und – Von achttausend Thalern, die mein waren, die Ihr eingestrichen habt, leiht mir tausend. Und das muß ich Euch sagen, Ernstlich. darin habe ich Aberglauben: wenn ich etwas aus der Bank verborgte, so hätte ich mein Glück verborgt. Je nun denn – so gehe es, wie es kann! – Ich bin arretirt. Ich bin verloren. Gnädiger Herr! – Rede laut! – Es wird jetzt alles laut werden. Der Eigenthümer des Wechsels – ist – er ist sehr ungestüm. Er droht. – Ich kenne den Teufel. Er verlangt Personal-Arrest auf dem Thore. Wie? Man spräche in der Stadt, daß Sie flüchtig werden würden. Ja, das sagt man – Er verlangte deshalb, daß Sie eingezogen würden. So ist alles hin, und ich bin ohne Rettung. Ja, da hat nun jeder seine Mesures zu nehmen. Ich bin denn doch – mitleidiger. öffnet die Thüre, und sieht herein. Gleich, mein Herr – gleich! Nur einen Augenblick noch Geduld! macht zu. Jakob, geh zu meiner Frau, beschäftige sie nur einen Augenblick, daß sie nichts merkt. geht. Posert – um alles, was Ihnen jemals theuer war, beschwöre ich Sie. Freilich, Hustet. ist zu erachten, daß, wenn Sie einmal arretirt sind, die andern Schuldner auch aufstehen werden – Soll mein getreues Weib vor dem Gefängniß jammern? – – Nun da ist ja Hilfe – Zugegriffen! Wo ist Hilfe? Werdet mein Croupier, ich bin ein gutes Thier – so zahle ich den Wechsel, als Vorschuß auf Ihr Zehntheil – Nein, nein! in Ewigkeit nicht! Ich kann nicht, ich kann nicht. Dann zahle ich den Kerl – Lieber arretirt – Wenn Sie Ihren Part so ein zehn Jahre gezogen haben, Ihre eigene Bank etabliren können, und die Frömmigkeit chicanirt Sie dann noch – oder die Noblesse – was weiß ich, welche von beiden! nun – dann können Sie ein Waisenhaus bauen, und noch alljährlich, Hustet. sich eine Gedächtnißrede fundiren. Posert! eine gute Handlung lohnt sich so süß. Ein blankes Zehntheil, das ist doch gewiß eine freigebige Handlung! sieht herein, macht ganz auf, man sieht drei Mann Wache. ringt die Hände. sieht nach der Uhr. Je nun – Ihr wollt lieber in Arrest kriechen, und die Frau herum vagiren lassen. Meinetwegen! so macht Gedichte in der Gefangenschaft. Ich pränumerire auf zehn Exemplare. Ich will auch meine fünfundvierzig Dukaten noch zur Zeit stehen lassen. Es ist spät. – Adieu! Geht. Posert! – Was ist's? Kommt zurück. Posert! – Nein, nichts! Geht! – Ich bitte Euch – geht schnell fort – der Augenblick ist schrecklich – geht! Nun ja, ich gehe ja auch. Geht. verzweifelnd. Posert! Nun was wollt Ihr denn? reicht ihm die Hand. Da! Was soll das? – Nimm mich – habe mich – ich bin dir verkauft mit Leib und Seele; Gott wird es von dir fordern; ich kann nicht anders. – Jetzt zahl' aus! Seid Ihr mein Croupier? Ja doch – in's Teufels Namen! Ich bin's. Wer flucht denn so gottlos? – Zahl' aus! Gott verleihe uns Glück und Segen! Hustet. Ich will mit dem Manne reden – Zahlen! Gut sagen. Er kennt mich. Da zahle her – blank und bar. – Für eine Gutsage bin ich nicht feil: Geld will ich. Nun also heute Abend seid Ihr an der Bank? Und morgen in der Hölle? nicht? Allons Kamerad, Geld her! Heute Abend geht Euer Sold an. Ihr müßt aber aufpassen. Denn – schlägt sich an die Stirne. Ich bin gelehrig. Denn es kommen gewandte Herren an den Tisch. Nun – den Handschlag darauf! reicht ihm die Hand. Da denn – Nein! – die Hand nicht! Die habe ich meiner Frau gegeben – zu einem Tugendgelübde. Ach Gott! – Ach Marie! – Marie! – Marie! die Liebe – die Tugend – die Noth verkaufen mich an das Laster! – Da nimm beide Hände! nimm mich ganz! umarme mich! laß mich nicht mehr aus den Klauen – Aber nun gib Geld her! Da ist ein Ring von zwölf hundert Thalern, bis ich heim komme – den laßt ihnen zum Pfande. In einer Stunde könnt Ihr das Geld bei mir holen. Her damit! Er geht hinaus. So, jetzt habe ich meinen Mann. Nun kann ich doch, wenn es nicht stark geht, mich in Gottes Namen schlafen legen, wenn's zwölf Uhr ist. Und er ist ein Kavalier – es hat mehr Ansehen! – Es verhütet manche impertinente Frage. Er führt auch seinen Degen etwas kitzlich – da kann man denn doch, Hustet. die insolenten Nachfrager auch je zuweilen auf die Finger pochen. Man wird zwar dies und das gewohnt, und Gott Lob, ich habe mir eine lederne Stirne acquirirt: aber so ein Bursche ist jung, und steht besser vor dem Riß; wird schon anbeißen, wenn er nur erst einmal so ein reines Sümmchen eingestrichen hat! Zuerst wird er ein bischen generös sein wollen – hernach – verliert sich auch das. kommt wieder. Nun – der Schurke ist bezahlt. Unser Handel ist geschlossen; wann soll ich mein Gewissen abschwören? Ei Gott wolle uns gnädig sein! niemals. – Wenn mir nur der Kerl keine Steine ausbricht. Seid ruhig! Ihr habt eben einen guten Stein ausgebrochen. Jetzt sagt mir die ganze Höllen-Praktik auf einmal! Was muß ich lernen, um Euch nützlich zu sein? Kurios, Hustet. von der Tugend zu reden! Man kann doch nicht tugendhaft sein, wenn man nichts zu essen hat! Richtig! Gott ehre mir Eure Philosophie! Ich werde auch, bei Gott! nur darum ein Gauner, daß meine Frau Brot hat. hustet. Ich ärgere mich über solche Reden. Gebt mir noch Geld! Geld her! Wie? noch mehr Geld? Noch etwas auf die Seele. Ich will meiner Frau Presente machen, und meinem alten Diener. Ich will geweinte Thränen bezahlen, und Vorschuß auf Verwünschungen geben. Wie viel Geld wollt Ihr denn? Fünfzehn Louisd'ors. Einen? Mensch, biete mehr auf meine arme Seele. Nun – da habt Ihr drei! Fünfe, nicht einen Heller minder, oder ich sage Euch den Handel auf! Fünf Louisd'ors. Nun da denn! Hustet. Es ist aber schrecklich viel! Ihr kriegt auch viel! – Nun, daß ich Euch nicht betrüge bei unserm ehrlichen Handel, sagt mir gleich alles Gute, was ich noch ablegen muß – Steh uns Gott bei! Sollte man doch denken – Ich kennte mein Handwerk? Das wohl noch nicht. Ihr habt einen guten Fang gethan an mir. Es geht alles bei mir redlich und ordentlich zu. Hört, nehmt mich schnell in die Lehre. Heimlich. Wenn Ihr dann einen Onkel wißt, reich wie ein Nabob, kalt wie ein Stein, und räuberisch wie wir, – den liefert mir an die Bank. Ausplündern will ich ihn, daß er seinen Leichnam an uns verpfänden soll. küßt ihn. Je du närrischer Teufel – Weg da – die Stelle hat meine Frau heute geküßt – Aber wenn ein armer Teufel kommt wie ich – Posert – dann jagt mich von der Bank – Ich schreie ihm laut zu, fort von hier! wir warten auf deine Seele. Dann stehe ich auf, erzähle meine Geschichte – Er bedeckt sich das Gesicht. Allons, fort! Champagner her! – Champagner bis in die Nacht! So oft mein Gewissen sich regt – Champagner! – so oft mich an Eurer Seite ein Schauder ergreift, ströme der Feuertrank in mein Blut, und schwemme die armen Tugendreste weg! Raub und Champagner ist die Losung – Er erschrickt, sinnt nach. Ich habe zwar Weich. meiner armen Marie eine andere Losung gegeben – – Nichts, nichts! Sie hat mich nur gebe ten, Ihr habt mich gekauft – Raub und Champagner! das ist das Wort! Er geht, sieht seine Frau und erschrickt. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Vorige. Frau von Wallenfeld. Bist du da? Was willst du? Willst du mich noch einmal sehen, Marie? Du hast mir durch Jakob so herzliche Dinge sagen lassen – Nicht wahr? O das geht jetzt ganz anders! Ich bin reich geworden. Lieber Fritz – ist das wahr? Mich mußt du nicht ansehen. Das ist der Mann, der ist das Werkzeug; Er ergreift ihre Hand, und drängt sie nach ihm hin. der hat das Geld gegeben; der hat den Wechsel bezahlt. Denn ich sollte arretirt werden, mußt du wissen. Mein Herr, Ihre Güte verdient – – zieht sie hastig zurück. Still! danke ihm nicht – danke ihm nicht. Er läßt sie stehen und geht von ihr. Er hat dich unmenschlich bestohlen – Die gnädige Frau weiß ja nicht, was sie denken soll – Sie weiß nicht – Gott Lob! Aber sie wird es wissen, und dann – Adieu, Marie! Umarme mich! Fritz, – um Gottes willen, was ist dir? – Noch sind diese Hände rein von Uebelthat – noch weint niemand über mich als du. Einst wird es anders sein! – O Gott! Gott! die Noth hat mich hinein geführt, nicht mein böser Wille, nein, mein böser Wille nicht. ärgerlich. Hören Sie, ich habe es nun genug, und gehe fort. sammelt sich. Sie haben Recht, Herr von Posert – vergeben Sie mir. – Umarme mich, Marie, recht herzlich – nachdem sie ihn umarmt hat. Sollen wir denn von einander scheiden, Fritz? Ich gehe nicht fort. Was du einst thun mußt – hüllt das Schicksal noch in Finsterniß. Er fällt nieder und umfaßt ihre Knie. Tugend, empfange meine Huldigung! Er springt auf, und faßt Posert an der Hand. Fort, Kamerad! – Raub und Champagner! Sie gehen. Fritz! – Fritz! um Gottes willen, höre mich! Wenn dein Wort dir heilig ist, so höre mich! Ihm nach. 4. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Hofrath. Sekretär, beide nach Maßgabe festlich gekleidet. Was ich Ihnen sage, Wallenfeld hat den Wechsel bezahlt, und ist mit dem Posert in einem Engagement als Croupier, als Knecht an der Bank. Croupier, vom lieben Posert? Nun, so ist er schlecht genug, aber nicht arm genug. Posert will sich so eine Art von Ansehen mit Wallenfeld's Namen und Figur geben; der Kerl ist eitel. Wir können gleich erfahren, wie das alles zusammen hängt. Der Posert hat vorher einen andern Diebsgehilfen gehabt – einen gewissen Aron – den hat er nun von sich gethan; der zieht von hier weg, und wechselte heute früh Gold bei mir ein. – Wenn Sie den in der Geschwindigkeit ausforschen wollten – Der Kerl ist ohnehin von Posert disjustirt. Richtig gesehen, richtig! Ich kann zur Zeit nicht von hier weg, wegen der Solennität, die heute sein soll – Der Kerl wohnt im englischen Kaffeehause – Ich lasse ihn zu mir kommen. Unbeschwert gleich. Ist das alles wahr mit dem Baron, so läßt sich's drehen, daß ihn mein gnädiger Herr beim Kopf nehmen kann. Er hält auf den Namen seiner Familie. O da ist keine Gnade! Nur – wie bringt man ihn weg? Wenn der Onkel ihn arretiren läßt – Von der Polizei? Das thut er nicht. Der Name der Familie läßt das nicht zu. Sinnt nach. Hm! es müßte so ein – ein – wie will ich sagen – standesmäßiger Arrest sein – der müßte so – verstehen Sie mich – als wenn man ihn schonen wollte, ohne Untersuchung, auf einmal wie ein Donnerschlag kommen. Dazu könnte man sich an den Kriegsminister wenden, an den alten General; er haßt ihn ohnehin. Wenn man ihn als Verschwender und wegen unkavaliermäßigen Betragens könnte zur Korrektion auf einmal, in einer Kutsche, nächtlicher Weile, so – als von der Familie, auf eine Bergfestung bringen – der Onkel bezahlte die Kosten. Das geht, das muß so geschehen, das geschieht. – Es war so eine Art Schulkerl bei mir, der für ihn suppliciren wollte, den schicke ich zum Onkel. Ich sage, hier wäre Hoffnung – er sollte nur das Elend recht schildern. Wenn er es geschildert hat, dann lassen Sie mich nur einheizen. Gleich zur Sache, mein Lieber! Ja, so geht es an. Aber apropos! Da ist der Lieutenant Stern, der Vater der Wallenfeld, hier angekommen; ob das keinen Querstrich durch unsre Rechnung macht? Macht nichts. O lieber Gott! der trübt uns kein Wasser. Eilen Sie nur, mein Werther! Nur den Geheimenrath nicht aus der Hand gelassen, daß heute noch alles wegen der Erbschaft schriftlich in Richtigkeit gebracht wird. Ihre Erbportion, lieber Gabrecht, bemessen Sie nach meiner Dankbarkeit. Wir kennen uns ja. Adieu, Papa. Geht ab. Wäre mir sehr ungelegen, wenn dieser nicht Erbe würde. Der Herr Fritz, wenn er wieder zu Gnaden gelangen könnte, würde mich ehebaldigst aus dem Hause promoviren. – Hat wieder Geld? – Verflucht! – Er muß von hier weg, sonst habe ich keine ruhige Nacht mehr. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Sekretär. Lieutenant Stern. Bedienter. Wenn Sie mir nicht glauben wollen, da is unser Herr Sekretär, fragen Sie den. Was gibt's? Der Herr will nicht glauben, daß Ihro Excellenz nicht zu Hause sind. Jetzt können Sie es hören. Geht ab. Nun ein für allemal, er ist nicht zu Hause. Was ist's denn? – So warte ich hier, bis er kommt. Hm! kurios! Ich habe aber Geschäfte, kann mich hier nicht herstellen. – Sie belieben sich nicht stören zu lassen. Es ist auch nicht herkömmlich, daß man ohne Permission hier wartet. Wer ist der Herr? Lieutenant Stern. Ach so! – so, so! Der Herr Lieutenant? der Vater von der – Getroffen. mitleidig. Der Herr Lieutenant? Zuckt die Achseln. Ja du lieber Gott! – Setzen Sie sich, Herr Lieutenant. Braucht's nicht. Ja – das sind – so – traurige Umstände. – Die Kondolenz verbitte ich. So, so! Wollen Sie, so kann ich Ihnen – ein Gläschen Wein – schüttelt mit dem Kopfe. Etwas Malaga, oder – Ich erwarte hier nichts Süßes. Nein, im Ernst, ohne Façon! Façon werde ich nicht viel machen. So, so! was wünschen denn der Herr Lieutenant so etwa an Se. Excellenz auszurichten? Sie sind ein neugieriger alter Mann. Gar nicht. Aufgebläht. Aber es pflegt so hier im Hause alles durch meine Hand zu gehen. Das werde ich nicht. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Ein Bedienter kommt von der Seite, und öffnet die Mitte, dann folget der Geheimerath. Vorige. Das ist ja vermutlich der Geheimerath – Mein Herr Baron – zum Lieutenant. Pst, pst! jetzt nicht. Pst! bleibt stehen, starrt beide an. Was gibt's? Es ist – Ein Mann, der mit Ihnen zu reden wünscht. Mit mir reden? Geht vor. Gnädiger Herr, wir beide sind leider mit einander verwandt worden – sieht den Sekretär an. Verwandt? – Wüßte nicht. lacht. Lieutenant Stern. Sein Sie so gut, diese Menschen fortzuschicken. Wir müssen allein reden. verlegen. Allein? warnend. Ihro Excellenz! Oder nicht allein – wie Sie wollen. zu dem Bedienten. Geht! Zum Sekretär. Er bleibt da. Bedienter geht. Was soll's? Ihr Neveu prostituirt meinen Namen. Wie heißen Sie? Stern heiße ich, und der Name ist überall ehrlich, wo er aufgerufen wird. Ich habe meinen Neveu enterbt, nehme mich nun nichts mehr an. Ich nehme meine Tochter und meinen Enkel mit mir fort. Sie thun wohl daran. Ich komme auch nicht darüber zureden, sondern von Ihrem Neveu. Er taugt freilich nichts, muß aber doch leben. Ich bin arm. Sie sind reich. Werden Sie ihn betteln lassen? Ich gebe ihm nichts, gar nichts. Das ist ungerecht. Ei, ei! Ich bin des Bettelns überdrüssig. Ist aber Ihre Tochter separirt, und er kann dereinst noch durch eine standesmäßige Mariage sein Glück machen, so ist mir es lieb, aber dermalen thue ich nichts. Meine Tochter behält er nicht, und wenn er eine Million von Ihnen bekäme; aber Sie sind schuldig, ihn zu erhalten. zum Sekretär. Schuldig? Höre Er doch! Schuldig! Sie haben ihn zum Bettler erzogen. Was hat er gelernt? Reiten, fechten, tanzen, spielen, Musik, und eine Quittung falsch und unleserlich schreiben. – Hätte er Wissenschaft, so brauchte er jetzt Ihre Hilfe nicht. Adieu, Herr Stern! Der Monarch nennt mich Lieutenant. – Also geben Sie Ihrem Neveu nichts? Nein. Nun – machen Sie das mit Ihren Herzen aus. Jetzt habe ich für mich noch etwas mit Ihnen abzumachen, oder mit Ihrem Wapen. Mit meinem Wapen? Wer ficht das an? Sie! Sie selbst! Ich bin außer mir. Steht es einem Manne Ihres Standes an, durch Schleichwege einen alten, gut gedienten Offizier um einen längst verdienten militärischen Grad zu bringen? Wen habe ich darum gebracht? Mich. Wie? – Ein junger Mensch von hier, ein gewisser Gabrecht, ein Bursche von zwei und zwanzig Jahren, soll durch Ihre Protektion mein Hauptmann werden. Menagiren Sie sich, dieser Gabrecht ist mein Sohn. Herr Geheimerath, Sie kennen mich jetzt. Auf meinem Gesichte sehen Sie den Gram vieljähriger Zurücksetzung – und Gibt ihm Papiere. daraus können Sie sich von meinem Verhalten und von meinen Wunden überzeugen. Als ehrlicher Mann sind Sie schuldig, dem Kriegsminister, den Ihre Sollicitation für Gabrecht überrascht hat, zu unterrichten, daß Sie sich übereilt haben. Wie? Und dies bald, denn mein Unvermögen verstattet mir keinen kostbaren Aufenthalt. Um sechs Uhr morgen früh reise ich ab. Uebergeben Sie dem Herrn Minister meine Papiere. Sobald Sie mir diese Gerechtigkeit erwiesen haben, werde ich mich bei ihm melden. Uebergangen – wären Sie? – Sie sollen begreifen, daß mein hoher Gönner seine Protektion verleihen kann wem er will, ohne daß ein anderer darein zu reden hat. Ein vierundsechzigjähriger Lieutenant – Herr Baron! Herr Baron! zum Sekretär. Es ist freilich arg – aber – man müßte etwa mit Seinem Sohne reden, daß der – Ach nein! Was geht das meinen Sohn an? Es beliebe der Herr Lieutenant den gewöhnlichen Weg einzuschlagen, und zum Herrn Kriegsminister zu gehen. Ich will nicht den gewöhnlichen Weg einschlagen, das sehen Sie doch wohl! Ich bin lange genug darauf gegangen, bin vergessen und hintangesetzt. Der Name von Wallenfeld kostet mir Thränen und Galle genug. Der eine plündert mein Herz, der andere meine Ehre. Sie haben gefehlt; machen Sie es gut, oder ich stoße gegen Ihr Wapen, daß der Edelmann dem Kriegsmanne Genugthuung gebe; eins von beiden müssen Sie thun, welches wollen Sie? Gabrecht – was meint Er? Sehen Sie, Herr Lieutenant, Sie sind bei Jahren: wenn man Ihnen nun ein Stück Geld – zum Geheimenrath. Schaffen Sie sich doch für Ihr Geld ein besseres Organ, als dies alte Pennal da. Was soll ich denn? – Was wollen Sie? – Daß Sie gut machen, was Sie verdorben haben, oder daß Sie sich mit mir schießen. Du mein Gott! Ein Mordattentat gegen Hochdero Person! Das versteht der Herr nicht, der Herr Baron ist Kavalier. Ganz recht. Es ist schon spät – Ich gebe heute eine Fete, wo ich nicht wohl abkommen kann. Nun so mag es denn sein! Ja! – In Gottes Namen – ja, ich will den Fehler repariren. Ich danke Ihnen. Das ist ehrlich. Freilich bin ich ehrlich. Ich will mit dem Herrn Kriegsminister sprechen. Aber mein Sohn – Wann werden Sie mit ihm reden? In – in – ja – in einer Stunde. Gut. Nach einer Stunde werde ich mich bei dem Herrn Kriegsminister melden lassen. Der Herr Baron übergeben ihm meine Attestate. Hiermit haben wir kein Geschäft mehr mit einander. Geht ab. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Geheimerath. Sekretär. Gabrecht! Excellenz! Hat mich in eine enorme Transpiration gesetzt, der – So verwegen wie der Kerl war – Hat mir schlecht in der Sache gedient – Er. Das Vaterherz! Soll denn mein armer Sohn zurück stehen? Soll ich mich schießen? Gott wolle uns gnädig bewahren! Sein Sohn ist ja Soldat – Ja, in so weit – Kann's ja mit dem Lieutenant aufnehmen. Ach Gott! – Will Hauptmann sein: – muß auch einmal losschießen. Das Kind ist so zart gebaut – Aber ich dann? Ach Gott! ein wahres Heiligthum für uns! Bei Leib und Leben nicht! Aber muß denn der grobe Mann gewinnen? besinnt sich. Grob war er, glaube ich. Gegen so einen Herrn? Ist wohl wahr. Vorschreiben! Und hat er sich nicht mit sträflichem Mißtrauen gegen Se. Excellenz den Herrn Kriegsminister in den allerverfänglichsten Ausdrücken vergangen? Hat Recht! Die ich bezeugen kann. Er hat Sie herausgefordert. Haben wir nicht ein allergnädigstes Duell-Mandat? Freilich! Aber unsers gleichen – Einen Herrn in Ihren Jahren zu provociren! Ist zwölf Jahr älter als ich, der Lieutenant. Darum eben. Es ist ein Invalide. Was will der mit Beförderung? Sollte sich zur Ruhe setzen: das ist wahr. Mit Hauptmannscharakter. Darauf könnte man antragen; da hat Er Recht. Fahren Sie zum Herrn Kriegsminister, und thun das. Wird aber seine Dienstfähigkeit erweisen – und die Papiere hier, die Attestate, die ich selbst dem Minister produciren soll – Hm! – Sie könnten sie ja vergessen haben. – Habe meine Parole gegeben – Nun so reden Sie von seiner Brutalität. Das wohl. Hochdieselben beweisen einen Mordfrevel, ein Duell. Geht an. Dero hoher Name – und der Lieutenant dagegen ein Narr. Ein unruhiger Kopf. Ein Don Quischott. Ein gefährlicher Mann – Muß fort. Richtig! Vorfahren – Sogleich. Geht ab. trocknet sich die Stirn. Hat mir eingeheitzt – der verdrießliche Mann. Ist freilich arm. Nun – will ihm am Ende was schenken. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Voriger. Sekretär. Hernach Rektor Berger. Da ist ein braver, redlicher Mann – ein gewisser Rektor Berger, der flehet submissest und mit gehorsamster Devotion, ob er seine Aufwartung machen dürfe. Was will der Schulmeister? Er flehet so wehmüthig – Soll kommen. geht hinaus. Wird eine Kollekte sein. Er zieht den Geldbeutel. treten ein. Da, das sind Se. Excellenz – Nur beherzt gesprochen! – Nur frisch! Dero allergehorsamster – Eine Kollekte? Wäre wohl nöthig, wenn ich nicht Dero Menschenherz und angestammte Großmuth zuvörderst privatim aufrufen wollte. Der arme, unglückliche Mann – 6. Auftritt Sechster Auftritt. Vorige. Bedienter. Der Wagen ist vorgefahren. zum Rektor. Solche Leute machen immer lange Geschichten. – Brauche nichts zu wissen. Da ist Geld. Wenn Hochdieselben so zu geben pflegen, so pflege ich nicht so zu nehmen. Der arme unglückliche Mann ist Dero Herr Neffe, Baron von Wallenfeld. steckt das Geld ein. Der? Dem gebe ich nichts. Reden Sie mit meinem Sekretär. Muß ausfahren. Geht. Geruhen doch Ihro Excellenz noch zu verziehen. Es möchte eine Extremität bei der Sache sein. Ja! das höllische Feuer selbst ist bei der Sache. Reden Sie. Ach Sie christlicher Ehrenmann! Wie ist es denn mit dem Baron? Er ist in Desperation, hat sich aus Hunger und Kummer zu falschen Spielern gesellt. Da soll ja Gott sich erbarmen! Nun ja. Wenn Gott sich erbarmt, wie geschieht das? Durch Menschen, die helfen können. Hier, der Herr Geheimerath als Vaters-Bruder – Ihro Excellenz sind aber sehr aufgebracht, und das mit Recht. Aber die arme Seele geht ja bei dem verruchter Spieler verloren. Der Kerl, der ihn in Satans Namen in den Klauen hat, der Herr von Posert – ist einer von denen, die der Herr gezeichnet hat; und es wird eben der ganzen Teufelsrotte von der Polizei nachgespürt. Was Sie mir sagen? Ei Ihro Excellenz! von der Polizei! der hohe Name von Wallenfeld! Ach Gott, Gott! Es ist schrecklich! Was kann ich denn thun? redet leise mit ihm. sinnt nach. Meint Er? Ja! Denn sonst – Redet wieder leise mit ihm. nachdem er geredet hat. Das ist wahr. Es ist ein junger Mensch ausgeplündert worden, dessen Kurator die Sache anhängig machen will. Ich kenne den jungen Menschen und den Kurator. Der Handel ist schlimm – sehr schlimm! Da nun ich dem Baron Dankbarkeit schuldig bin, so bitte ich hier hoch und theuer, daß man ihn doch noch vorher da wegtreibe, und ihn rette. Nun, wir wollen sehen. – Wer ist denn ausgeplündert? Ein Pfarrerssohn, der hier eine Erbschaft für seinen Vater erhoben hat. Gegen den hätte man falsch gespielt? Das meint sein Freund, der Lizenziat Wieder. Und mein Neveu war dabei? Leider Gottes. Und wußte um den Betrug? Mein Sohn fürchtet es. Nun, Ihro Excellenz? Hat Recht, Er. Muß fort. Geht ab. Wer muß fort? Wohin? Wer? Ihro Excellenz fahren zum Herrn Kriegsminister. So? Und ich gehe dahin. Was? zum – Zum Herrn Kriegsminister. Ja, ja! Es ist hier bei der hohen Blutsfreundschaft sehr kalt hergegangen. Es möchte dort allenfalls desto heißer denuncirt werden. Ich aber habe die unsterbliche Seele retten wollen, ohne den Leib zu verderben. Deshalb will ich mich hinmachen – Ei, gehen Sie lieber an die Bank zum Baron – Da würde ich betrachtet wie ein abgegriffenes griechisches Lexikon. Nein, ich merke wohl, was mir sonst obliegen will. In Gottes Namen! Frisch daran! Es ist eine geistliche Patrouille gegen den bösen Feind. Er geht hastig fort. Die ist mir ungelegen. Hm, hm! Er denkt nach. Der Baron ist in Noth. – Ein Stück Geld, – so schafft er mir Ruhe, daß der alte Lieutenant uns nicht mehr turbirt. – Ich ängstige ihn mit der Festung, – hetze ihn aus dem Lande. So ist allen geholfen. Frisch! Es ist eine weltliche Patrouille für Habe und Gut. Er geht ab. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. In des Herrn von Wallenfeld's Hause. Jakob. Herr von Wallenfeld. packt im Hintergrunde an einem Koffer. tritt ein, den Hut verkehrt, das Halstuch weit gebunden, mit allen Zeichen von Weinlaune und Erhitzung. Heda! – Jakob – Jakob! Rasch, alter Knabe! komm her zu mir. traurig. Gnädiger Herr! Was gibt's da? Einpacken? Wer hat dir das befohlen? Der Herr Lieutenant. – Packe aus! Wach' auf, alter Träumer! sei gutes Muth's! Er wirft ihm einen Thaler hin. Da ist Geld! Wo ist mein Weib? Da d'rin. Sie läßt das Kind lesen. Rufe sie her! – Nimm dein Geld auf – Rufe sie her! Dein Geld sollst du da wegnehmen. thut es und geht. Jakob! Gnädiger Herr! Hole uns Champagner. Ach Gott! Champagner sollst du holen, Mensch! Ihr sollt trinken. Champagner mit Thränen? Ach! Thränen sind Thorheit: weg damit! Er küßt ihn. Glück und Champagner! Da ist Geld – fort – hole Wein! – Rühre dich! Der Jammer hat ein Ende. Fort! geht. ruft in's Kabinet. Marie! – Weib! Marie – komm zu mir, komm! 8. Auftritt Achter Auftritt. Frau von Wallenfeld. Karl. Herr von Wallenfeld. Hast du gegessen, armes Weib? Er hebt Karl'n auf. An meinen Hals, Junge! Da ist Geld, Marie! Da, Karl, da hast du Geld! laß dir Spielzeug holen. Lustig, Marie – lustig! Ich muß gleich wieder fort; ich habe euch nur erst einmal wieder froh sehen wollen. Da, Mutter, nimm du das Geld; du hast keines. Du sollst es behalten. Spiele damit, schenke es deinen Kameraden, laß dir Bilder holen – das Rad hat sich gedrehet. – Lauf hin, Junge, und sei fröhlich! Dein Vater ist lustig! Spring herum, Bursche, der Vater ist froh! Was ist das? Wie soll ich mir das erklären? Glück, Wein und Liebe! Das Glück hat Geld gebracht, der Wein Verstand gegeben, Er umarmt sie. die Liebe kröne beides! Morgen gehen wir nach Aachen. Deine Lustigkeit ist wild, sie erschreckt mich. Nichts davon! weg mit der Bedachtsamkeit! weg mit Wehmuth und Jammer! Wir werden reiche Leute. Der Wein hat mich klug gemacht, und gerecht gegen dich. Höre mich an. So lange du traurig warst – – Keine Moral! Sie macht Bettler, und zaghafte Bettler. Ich bin reich, seit ich fröhlich bin. – Seit wann bist du fröhlich? Darfst du es sein? Ob ich es darf? Seufzt. Marie! Er gibt ihr die Hand. Liebe Marie! Er sieht sie eine Weile an. Was hast du? Das mußt du nicht fragen. Jetzt nicht. Heftig. Aber das kann ich dir sagen, die Menschen sind Raubthiere. Alle, alle! – An mir haben sie genagt, so gierig, so grausam – daß du beinahe darüber verhungert wärest. Gutmüthig. Hast du denn gegessen, arme Marie? Es kommt gleich alles – es kommt auch Wein. – Wie geht dir's, armes Weib? Du hast also wieder gespielt? Ja, gespielt habe ich. Es war meine Pflicht. Ich muß wieder haben, was mein war. Ich und du und Karl. Er umfaßt sie. Deine Wangen müssen ihre Farbe wieder haben, Anmuth und Wohlleben müssen wieder Grübchen bilden, das Lächeln muß die tiefe Spur der Thränen ausgleichen. Er küßt sie heftig. Darum habe ich gespielt. Was hast du dagegen? Dein Gelübde. Der Hunger hat es gebrochen und die Schande. Sieh mich nicht zweideutig an. Die ganze Welt ist ein heilloses Kartenspiel, wo die gewinnen, welche die Karten ausgeben. Bei uns geht es nur geschwinder als im gemeinen Leben, das ist der ganze Unterschied zwischen dem Spieler am Pharotische und dem Spieler am Schreibtische. Da ist alles verloren, da ist keine Hoffnung mehr! – Weg mit der Hoffnung! da ist Geld! Habe es, ich bleibe arm, lasse dich, nehme mein Kind, und folge meinem Vater. Ich verbiete dir das. Was ich bin, ward ich um deinetwillen. Dir muß mein Opfer zu gute kommen. Ich bin dein Herr. Du sollst gehorchen. Der Ehre und Mutterpflicht gehorche ich und verlasse dich. Du darfst nicht von der Stelle. Mein armer Vater hatte nur zu sehr Recht, ein Spieler wie du hört nie auf. Ich unglückseliges Weib! Hier ist Geld, und du sollst noch mehr haben – aber keine Thränen mehr! – Ich hasse die Thränen – wegkaufen will ich sie. Marie – erhebe dich zu meiner Stimmung – erhalte mich im Fluge – denn wenn ich jemals matt werde, so sind wir alle verloren. Woher dieses Geld? Keine Frage! kein Nachdenken! immer fort! immer weiter! – Es lebe Posert und der Reichthum! 9. Auftritt Neunter Auftritt. Vorige. Sekretär Gabrecht. Hernach Jakob. Mein Herr Baron – Hinaus, falscher Spieler! Wie? Sieh, Marie, neben diesem bin ich ein Engel. Das ist einer von den falschen Spielern am Schreibtische. Er geht ehrbar einher, er betet, und würde um die Welt keinen Groschen auf einen Pharotisch legen. Doch hat er mich um die Erbschaft gebracht. Still davon! Ja alter Mensch, du hast mir verdammt falsche Karten gegeben. Ich verstehe nicht – Es thut aber nichts, sollt Ihr wissen. Bald bin ich so reich wie Ihr. – Das wäre wohl zu wünschen – Nein, beim Teufel, das ist es nicht. Aber nöthig ist es – nöthig! Denn seht, hungern kann ich das Weib nicht lassen, verhungern kann mein armer Karl nicht. Hunger bricht alle Dämme, Hunger ist allmächtig! Das habt Ihr wohl gewußt, mein braver Vetter Fernau und Ihr. Zur Sache! Was wollt Ihr? Eine menschenfreundliche Proposition thun; allein Sie lassen mich nicht zum Worte kommen. So redet denn! Der Herr Lieutenant Stern sind über mich aufgebracht, weil mein Sohn ihm vorgezogen ist und Hauptmann wird. – So soll er Euch todtschlagen, oder Euren Sohn. bringt Wein. Ich habe Ihnen proponiren wollen – ob Sie nämlich – Gib Acht, jetzt mischt er die Karte. Da Sie doch nicht in guten Umständen sind – Ihr lügt – Hier ist Geld. Ob Sie zu Ihrem Besten, und für Frau und Kind – Setze nicht auf diese Karte, Marie. Ob Sie – Schenk ein, Jakob! Ob Sie von mir etwas an Geld annehmen wollten; dagegen aber – Wein her! bringt ihn. Dagegen aber den Herrn Lieutenant disponiren, daß er Lieutenant bleibe, und meinen guten Sohn, ohne sich an ihm zu reiben, zum Hauptmann avanciren ließe? Nein. Ich wollte das Geld gleich zahlen. Nein, sage ich! Wir spielen um Geld, aber nicht um Ehrenstellen. Wein her! – Der Herr Lieutenant ist ein alter dürftiger Mann, dem mit der Hälfte von dem Gelde gedient wäre. Wer für Ehre dient, will Ehre. Ehre könnt Ihr meinem Schwiegervater nicht geben; wollt Ihr sie ihm nehmen, so breche ich Euch den Hals. Hm! mein gnädiger Herr, werden Sie nur nicht böse. – Sie treiben doch jetzt allerlei Hantirung. Dank's Ihm und dem Onkel sein böser Geist! – Aber sage Er Seinem Sohne, wenn er sich meinem braven alten Schwiegervater vordrängen wollte – so würde ich ihn aus dem Wege werfen. Fritz! Herr Baron – Sie nehmen sich ja des Herrn Schwiegervaters gewaltig an. Sein Kind habe ich ihm geraubt, und alle Vaterfreuden! Er steht am Grabe, und greift nach dem Schattenbilde der Ehre – Dies soll ihm werden, und sollte ich einen Gang auf Leben und Tod gegen den Räuber wagen, der ihm vorgreifen will. Fritz – ich verzeihe dir alles! Sie umarmt ihn. Laßt Euch am Wucher genügen, und plündert nicht im Gebiet der Ehre. Die Tochter weint Freudenthränen, der Schmerz der Gattin sei vergessen! Fritz, dein Herz ist doch gut. Nie will ich diesen Augenblick vergessen. Sie will ihn umarmen. Ich gelobe – dir – hält sie zurück. Schwöre nichts – ich will dich nicht betrügen – fromme Seele. Wenn der Herr Baron anders noch zu der Pharotafel gelangen sollten, wo eben der reiche Pfarrerssohn in Compagnie ausgeplündert ist – Hinaus! Aus diesen Händen soll das arme Weib den Giftbecher nicht nehmen – Fritz, Fritz! Um Gottes willen, was ist das? Ja, ja! Der Anwalt des jungen Menschen ruft wirklich die Polizei zu Hilfe; – und wenn des Herrn Onkels Excellenz noch barmherzig dazwischen treten sollen, daß das Skandal mit der Festung ein Ende hat – Hinaus, barmherziger Mörder! Ich habe mein Weib und Kind nicht geschont, wer hält mich, daß ich deiner schone – schließt ihn in ihre Arme. zu ihr. Sei ruhig. In einer Stunde reisen wir, Posert und ich – da ist Sündengeld. – Leert die Taschen auf den Tisch aus. Nimm es – nimm es nicht – folge uns – oder geh voraus – oder thu' es nicht – ich kann dir nicht rathen, kann dich um nichts bitten. Ich darf es nicht. Ach gerechter Gott! geht ab. Mit Fröhlichkeit habe ich dich hier wegschmeicheln wollen – ich habe dich betrügen wollen – es ist jetzt am Tage, du bist vielleicht dadurch gerettet. – Rathe dir nun selbst – ich darf es nicht – Aber mich laß fort; denn nun du alles weißt, kann ich deinen Blick nicht mehr ertragen. Will fort. hält ihn auf. Bleibe – höre mich. Gib das Geld zurück – Nein. Laß mich es zurück geben. Nein. Ich bin dein Weib, ich bin Mutter, höre meine Bitte! Fritz, dein guter Engel redet durch mich – Er ist von mir getreten. Nein, nein, nein! Er faßt dich, er hält dich am Abgrunde, tritt zurück! Und bettle? Erhalte dich bei der Tugend, erhalte deinen Sohn bei einem ehrlichen Namen. Sage, wohin soll ich das Geld tragen? Sprich! Der Augenblick ist fürchterlich. Rede! Wir wollen arm sein. – Ich bin ja reich genug, wenn ich dich als einen Tugendhaften umarme. Es ist zu spät. – Mein Name ist unter den guten Menschen ausgestrichen. Hier nur; aber die Welt ist groß, das Vaterland der Armen ist überall, und mit reinem Gewissen bringen wir an jeden Ort ein Kapital. Wem gehört das Geld? wohin soll ich es tragen? O rede doch, rede! Ich vergehe vor Angst. Ein entsetzlicher Augenblick hat das Los geworfen; ich habe mich selbst losgerissen von dir; fliehe mich, aber nimm das Geld. Wohin soll ich es tragen – wohin? Ich habe dich retten wollen – und habe dich zu Grunde gerichtet – vergib mir, und laß dann das Schicksal seine Streiche vollenden. Er umarmt sie. 10. Auftritt Zehnter Auftritt. Vorige. Lieutenant Stern. Weg da – Bösewicht! tritt zurück. Wagst du es, dein Lasterherz an diese tugendhafte Brust zu drücken? Großes Unglück, Marie, fordert Entschlossenheit. Laß ihn und folge mir. Ich kann nicht – Wie? Ich darf nicht. Marie, du weißt nicht, wer er ist. Ich weiß es. Es tritt jetzt alles von ihm zurück; er ist nun ganz allein; er ist in die weite Welt hinaus geworfen, wo keine Stimme ihm mehr zuruft: wie kann ich ihn verlassen? Du bist Mutter – Und Frau! erschüttert. Marie, folge deinem Vater – Er ist gerecht, ich verdiene deine Liebe nicht. So nimm mein Mitleiden an. Ich will dich nicht mehr sehen, wenn es sein muß – Wenn Ihr ernstes Wort mein Gelübde zerreißt – und wenn du dich losreißen kannst – so will ich mich trennen; aber erst will ich dich retten! Vater, das ist Menschenpflicht – Er achtet keine. Aber er Bedarf ihrer. Fritz, rette dich – Mit diesem erstatteten Gelde ist das Verbrechen von deiner Seele genommen: eine Narbe bleibt in der Erinnerung, und diese hüte dich, daß du nie wieder fallest. Vater, muß ich mich von diesem Himmel ausschließen? Sie kennen den Menschen – entscheiden Sie – ich wage es nicht – kann ich Marien Besserung geloben? Marie, wenn du ihm folgst, wenn du selbst deine Ehre zweideutig machst – was soll die Welt von dir und mir denken? Aus dir weint weichliche Liebe – aus meinen alten Augen drängen Ehre und Tugend heiße Tropfen herab – du hörst mich nicht? Nun, so baue denn dein Heil auf Spiegelgelübde, gib mir dein Kind, und laß mein Herz brechen über dem Verlust deiner Ehre! Nein, Marie! Lebe wohl! Er geht; indem begegnet ihm Karl. 11. Auftritt Eilfter Auftritt. Karl. Der Adjutant. Vorige. Da sind sie alle. Da ist der Vater – hebt ihn an sich. Karl! Und der da, ist der Großvater. will gehen. Wohin wollen Sie, mein Herr? Ich weiß es selbst nicht. Sie werden nicht fortgehen. Sie begleiten mich zum Herrn Kriegsminister. Weshalb? Ordre! Ich verlasse Sie nicht mehr. – Und Sie sind der Herr Lieutenant Stern? Ja. Geben Sie mir Ihren Degen. Bin ich Arrestant? Ja. Weshalb? zuckt die Achseln. Ah bei Gott, es ist der würdigste Mann, der den Degen des Monarchen trägt. Ihre Ordre, mein Herr. Sie haben Zweifel? – Ich suche Zweifel. Hier ist die Ordre. Zeigt sie. liest, gibt sie zurück, schlägt mit der Hand vor die Stirn, macht den Degen los. Hier ist mein Degen. Will den Degen hinlegen, behält ihn aber noch. Zwar kostete es mir bei Minden einige tiefe Risse in die Haut, weil ich dich nicht hergeben wollte; zwar wurde er mir noch niemals abgefordert – indeß – da ist er. zum Herrn von Wallenfeld. Gehen wir, Herr Baron! Nur ein Wort noch zu diesen – Zur Frau von Wallenfeld. Vergiß mich! – sei Witwe; aber verachte mich nicht! Er führt Karl zu ihr. Bleib bei deiner Mutter. Gott mit euch allen! – Kommen Sie, Herr Adjutant. Sie gehen. 12. Auftritt Zwölfter Auftritt. Frau von Wallenfeld. Lieutenant Karl. Wo geht denn der Vater hin? Vater! lieber Vater! – Sie wirft sich an seine Brust. zu ihr. Keinen Mann! Keine Ehre! – Er faßt an seine Seite. Und ich keinen Degen! Zurückgestoßen von Staat und Menschheit, was bin ich denn noch? Er sieht das Kind an. Großvater! ja, diese Charge hat die Natur gegeben, und kein Reglement darf sie antasten. Komm, Karl, Er zieht ihn zu sich. wir wollen mit einander spielen. Lieber Großvater, ich möchte gern mit deinem Degen spielen, nun hast du ihn aber weggegeben. Ach, Marie! Das ist schmerzhaft! Heftig. Keinen Degen mehr! Eine Schaufel will ich nehmen, und den Boden umgraben, zur Nahrung für dich und dein Kind. Das ist eine nützliche, gesegnete Armatur. Sei nicht böse, lieber Großvater. Junge, lerne das Feld graben, Korn bauen, erwirb dir Brot, ein Dach und Frieden hier, hier! Auf das Herz deutend. Der übrige Tand, um den die Menschen sich balgen, ist nicht werth, daß du deine Hand darnach ausstreckst. 5. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Adjutant schreibt. Sekretär Gabrecht tritt ein. Habe ich die Ehre in Ihnen den Herrn Adjutanten Sr. Excellenz des Herrn Generals gehorsamst zu begrüßen? Ich bin Adjutant bei dem Herrn General. Se. Excellenz, mein gnädiger Herr, der Herr Geheimerath Baron von Wallenfeld, schicken mich an des Herrn Generals Excellenz – Sie können jetzt nicht vorkommen. Der Herr General ist dringend beschäftigt – Das wissen wir wohl. Mit unserm Neveu? Ja. Ach Gott! Das Unglück! Mein armer Herr ist ganz von sich. Eben deswegen bin ich geschickt, daß doch der verehrungswürdige Herr General die Sache zu beschleunigen gnädigst geruhen möchten. Der Herr General untersucht die Sache genau. Er ist freilich sehr aufgebracht. Nicht wahr? So eine himmelschreiende Bosheit von einem so jungen Herrn! Und ist von so einem scharmanten Hause! Eben da meinen mein gnädiger Herr, der Herr General möchten sich nur nicht etwa von ihm erweichen lassen, indem er gar ein böses Mundwerk hat, nicht viel untersuchen, da ja ohnehin leider alles Schlechte von ihm nur zu gewiß ist, sondern den gott- und ehrvergessenen Spieler ohne weiters bei Nacht und Nebel gebetener Maßen auf eine Festung packen lassen. Er wollte zu den Spesen des Unterhalts das Seine betragen. Möchten Sie dies nicht gefälligst dem Herrn General berichten? 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Vorige. Kammerdiener. Lieutenant von Baum ist mit dem Herrn von Posert unten. Soll sich nur in's kleine Speisezimmer begeben, und dort warten, bis der Herr General befiehlt. Sehr wohl. Der Herr Lieutenant möchte ihm aber nicht von der Seite gehen. – Doch – ich werde das selbst besorgen. Geht ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Sekretär. Kammerdiener. Ist der Posert auch herbei geholt? Nun – da wird es was absetzen. Kann sein. Der Herr General sind streng; da wird sicher ein Exemplum statuirt. Hat der Bösewicht, unser Baron, schon eine Wache vor der Thür? Noch nicht; der Stabsauditor ist bei ihm. So wird er doch seinen Mann kriegen, da er nicht etwa echappiren kann. Wenn's der General befiehlt. Ist noch nichts penetrirt, was der Herr General so wohl finaliter mit ihm anfangen wird? Der General ist sehr zornig. Ah – das wäre also doch gewiß? 4. Auftritt Vierter Auftritt. Vorige. General. Adjutant und Rektor Berger. Sagen Sie Ihrem Herrn, mit dem Souper und Ball könnte es von Seiten der Comtesse und meiner für heute nichts werden. Ich müßte bitten es auszusetzen. Ach Gott! das wird ein Leidwesen verursachen. Ich ersuche den Herrn Geheimenrath zu mir zu kommen. Ich mag in der schändlichen Sache nicht ohne ihn verfahren. O! was das anlangt, belieben sich des Herrn Generals Excellenz gar nicht zu geniren. Ich erwarte also den Herrn Geheimenrath. Dürfte ich fragen – wie es mit meinem Sohne, dem Hauptmann, steht – da der Herr Lieutenant Stern sich meldet? Er bleibt Hauptmann, Ihr Sohn. Gott segne Ihro Excellenz zeitlich und ewig! Ihr Diener. empfiehlt sich. Ich danke Ihnen für das Zutrauen, mein Herr Rektor, womit Sie sich an mich gewendet haben. Geruhen Dieselben zu erwägen, daß er in das Lasterleben erst heut, und aus Noth eingetreten ist. – Pfui! keine Vertheidigung! Auch will ich als Kavalier und Gouverneur nur bewirken, daß er der öffentlichen Polizei entgehe, aber wahrlich nicht seiner Strafe. Falsch spielen! – Die Galle läuft mir über – Der Advokat meint, der bösartige Posert hätte die Karten bezeichnet. Genug! Gehen Sie zu dem Advokaten, sein Sie so gut, geben Sie ihm dies Papier. Ich stehe dafür, daß sein geplündeter Klient die Summe wieder bekommt. Er soll bis auf weiters sich ruhig verhalten. Herr General, der Baron hat doch meinen Sohn gerettet, soll denn ich ihn in's Verderben gestürzt haben? Für jetzt gehen Sie zu dem Advokaten, dann kommen Sie zu mir wieder her. Ach Gott! So habe ich ihn dann zwischen Scyllam und Charybdin geführt? Nun ich will den Gang thun, aber gleich wieder da sein, und bitten und flehen. Geht ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. General. Adjutant. geht auf und ab. Verdammte Geschichte! Was macht er denn, der heillose Mensch, der Wallenfeld? Er ist in sich gekehrt und finster. Den Unteroffizier habe ich vor der Thür gelassen. Gut. Heult der Bursche etwa? Nein. Bestellen Sie, daß in zwei Stunden eine Kutsche und vier Dragoner an der hintern Thorfahrt bereit sind. Sehr wohl. Man hat doch dem Posert bedeutet, daß er seine Kasse mit herbringt? Ja. Jetzt will ich den Lieutenant Stern haben. Ich will mit ihm allein sein. geht ab. nimmt Papiere aus der Tasche und liest. »Schanze erobert – Rückzug gedeckt – Liest still weiter. Sich in diesem gefährlichen Paß acht Stunden ohne Soutien gegen den überlegenen Feind gehalten, und dadurch alles für den glücklichen Erfolg des entscheidenden Tages vorgearbeitet, selbst dabei vier Blessuren erhalten« – Hm! Und doch noch Lieutenant? Das ist stark. 6. Auftritt Sechster Auftritt. General. Lieutenant Stern. Ihro Excellenz haben mich herbescheiden lassen – ich erwarte Ihre Befehle. Sie sind ein unruhiger, heftiger Mann, Herr Lieutenant. Hat man Ihro Excellenz meine Papiere überreicht? Hier sind sie. So hoffe ich, daß ihr Inhalt Dero Frage eines Theils beantwortet. Diese Papiere, denen ich vollen Glauben zu geben mehr als Eine Ursache habe, besagen, daß Sie brav gedient haben – und sehr brav. verbeugt sich. Sie müssen oft übergangen worden sein. Ja, sehr oft. Wie ist das zugegangen? Man hat meiner nicht geachtet. Das war ungerecht. Dafür habe ich es gehalten. Warum haben Sie sich nicht gemeldet? Das habe ich niemals gewollt. Warum nicht? Das ist Eigensinn, und den liebe ich nicht. Eigensinn entstellt das Verdienst. Ein eigner Sinn ist darum nicht Eigensinn, und mag wohl von Jahren und Ehrgefühl unzertrennlich sein. Der Kriegsminister bleibt bei dem besten Willen doch nur ein Mensch. Wenn er Mensch bleibt, so gewinnt die Armee. Ein Mensch kann aber vergessen. Wer ein Ganzes zu versorgen hat, übersieht manchmal den Einzelnen. Manchmal! Das hat nichts auf sich. Nur wenn es oft geschieht, ist es ein merklicher Fehler. Sie sind oft vergessen? Bei allen Gelegenheiten. Das ist abscheulich! Das verunglimpft den Monarchen und den Dienst. Lebhaft. Ich sage es noch einmal, Sie hätten sich melden sollen. mit edler Wärme. Ihro Excellenz, wenn bei den Obern solche Dienste vergessen werden können, als ich das Glück hatte, dem Vaterlande zu leisten, so ist es unter der Würde dessen, der geleistet und gelitten hat, sich anzupreisen. Dann gibt das Selbstgefühl uns den Charakter, welchen der Staat verweigert. Man wetteifert hernach, vor den Augen des Kriegsministers eben so unerschüttert dazustehen, wie vor den Batterien der Feinde. Das ist stolz gesprochen. Zu entbehren wissen, ist die Eigenschaft, die den Krieger macht: hat man es darin weit gebracht, so artet diese Tugend leicht in Stolz aus. Sie haben durch Ihr Schweigen Ungerechtigkeit erlitten, und haben mich Ungerechtigkeit begehen lassen. zuckt die Achseln. Nun, da Sie alt sind, da Sie Ehre und Vortheil die kürzeste Zeit noch zu genießen haben, nun melden Sie sich! nun werden Sie heftig! Das Alter macht wankend in den Grundsätzen, die Gefühle werden nagender, die Schwäche bricht aus in Heftigkeit. Dann Kleine Pause. bin ich auch Vater! – geht ein paar Schritte, tritt dann zu ihm, und sagt mit Gutmüthigkeit. Sie sind kein glücklicher Vater, Herr Major. Ihro Excellenz – ich bin Lieutenant. Ach – das schickt sich jetzt nicht mehr! Nun, Sie sind kein glücklicher Vater, – Herr Major. betroffen. Ihro Excellenz. – Im Vorbeigehen, ich werde mich selbst bei dem Monarchen wegen meiner Vergeßlichkeit anklagen. Vielleicht habe ich sonst hie und da etwas nicht vergessen, deshalb er mir sie verzeiht. Mein Unrecht gegen Sie in etwas wieder gut zu machen, wird er gewiß meinen Vorschlag genehmigen, der Sie wegen Ihrer Erfahrung, Ihrer Geradheit, Ihrer Festigkeit, und wegen Ihrer geleisteten Dienste zum Major bei unserm Kadettenhause bestimmt. Der Monarch ist gerecht und gut. Gott erhalte ihn, das ist er! Ich habe seinen guten Namen nicht nur auf seinem Degen getragen, sondern auch im Herzen. Daher habe ich niemals viel gesorgt, was mir dieses Gute einbringt. Auch jetzt noch fühle ich mich reich genug als Soldat; aber als Vater bin ich arm. Ich weiß es. Als Vater bin ich heftig geworden, und bin als Mensch gegen eine Ungerechtigkeit – verzeihen Sie mir es – zu Felde gegangen, die ich, alt, verstoßen und unglücklich, nun endlich nicht mehr ertragen dürfte, wie ich glaube. Sie haben den Geheimenrath gefordert – Weil er Ihro Excellenz eine Ungerechtigkeit abgelistet hat. Deswegen habe ich Ihnen, so bald ich einen Blick in Ihre Papiere gethan hatte, Arrest gegeben. Ich habe nicht gewollt, daß eine Heftigkeit Ihre gute Sache verderben sollte. Das ist menschlich – wie ich Sie überhaupt finde, und sehr davon gerührt bin. – Mein Gott! bin ich denn anders bekannt? Nein, wahrhaftig nicht! Nun so frage ich noch einmal, warum haben Sie sich nicht längst bei mir gemeldet? Aus zwei Ursachen. Ich wünsche sie zu wissen. Ihro Excellenz befehlen das? Ich verlange es. Mein Schwiegersohn war ehedem bestimmt, Ihro Excellenz Niece zu heirathen – Und weil er Ihre Tochter genommen hat, fürchteten Sie, ich möchte üble Laune gegen Sie haben. Hm! Sie kennen mich nicht. Ja, Ihro Excellenz, ich habe Sie früher gekannt, vor langer Zeit schon – Sie? mich? Wo? Wann? Ich hatte das Vergnügen, Ihnen damals einen Dienst zu leisten, und mehr das, als jene Heirath, ist die eigentliche Ursache, weshalb ich mich nie bei Ihnen gemeldet habe. Ich habe nicht wegen der Erinnerung der früheren Kameradschaft befördert sein wollen, sondern wegen des Verdienstes, und in der Reihe. Wo, wann haben wir uns gekannt? Vor vierzig Jahren. Ihro Excellenz kamen als Volontär in Dienste. Ich war kurz zuvor von Jena in Dienste gekommen, und wurde eben als Unteroffizier angestellt. Es war vor Prag, wo Sie Abends in Ihr Zelt rannten, außer sich nach Pistolen griffen, um den Proprietär Ihres Regiments, von dem Sie beleidigt waren – Wie? Sieht ihn an. Stern? Stern? Indem es ihm schnell einfällt. Ach, mein Gott! Unteroffizier Stern! – Ja – ich weiß – ich sehe es noch – Sie schossen meine Pistolen in den Boden, umklammerten mich, – hielten mich, bis ich, von konvulsivischem Zorn erschöpft, ohnmächtig in Ihren Arm niedersank! Ohne Sie hätte ich den Proprietär erschossen, wäre nach den Kriegsrechten – – Und der Mann geht mir aus dem Wege? Dem Zufall wollte ich nichts verdanken. Stern – Stern! Herr Major! – Mann! wo wäre ich ohne Sie? – Kamerad – Mensch – Bruder – Freund! komm an mein Herz, und laß dir danken. Er umarmt ihn. Ihro Excellenz – Weg mit dem Titel, wo eine kostbare Menschenhandlung das Verhältniß unter zwei Herzen bestimmt hat! die Handlung und der Mensch war nie vergessen; nur den Namen hat leider die Zeit ausgelöscht. Stern! als Mensch dem Menschen will ich Ihnen vergelten, nicht als General. Nein, Ihr feines Ehrgefühl soll befriedigt werden; die Menschen sollen an Ihnen und mir nichts aussetzen können. – Ihre Tochter ist unglücklich, nicht wahr, Herr Major? – Da ist nicht mehr zu helfen – Es kann sein, ich fürchte es fast. Aber dann muß man thätig zu trösten suchen. – Wir wollen aber sehen! Adieu für jetzt! Gehen Sie nicht aus meinem Hause. Unruhig. Vielleicht – vielleicht auch nicht – – wir wollen sehen! Gibt ihm die Hand mit brüderlicher Herzlichkeit. Gehen Sie zu meinem Adjutanten. Lassen Sie mich machen. Wir sehen uns wieder. der sie herzlich schüttelt. Alles Gott und dem Freunde befohlen! Geht ab. geht heftig auf und ab. Wie ist das zu machen? Er steht still. Noth kann man heben – aber Ehre – die kann man nicht wiedergeben – und ohne diese ist dem Ehrenmann nicht geholfen. Er geht nachdenkend umher. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Voriger. Adjutant. Es ist alles nach Ihro Excellenz Befehl besorgt. Gut! recht gut! Aber das paßt nicht mehr, ist alles nichts. Keine Kutsche, keine Dragoner. Bestellen Sie alles ab. Eine ganz andre Lage, ganz andrer Zweck, ganz andre Mittel. Kann ich dazu meine Dienste anbieten? O ja! Gehen Sie zu der Frau von – – Nein, das ist nichts. Lassen Sie mich nachdenken. Er hält die Hand an die Stirne. Ich finde nichts. Die Sache steht schlimm. Der Mensch ist zu tief gesunken. Ich fürchte er taugt gar nichts. Doch sei es gewagt! – Ein glücklicher oder unglücklicher Augenblick entscheidet oft in solchen Dingen. Sagen Sie dem verruchten Posert – Nein! – ich muß ihn selbst sprechen. Ich muß mir das erst recht deutlich aus einander setzen. Nicht wahr, mein Freund, Sie wissen nicht, was Sie aus mir machen sollen? Ich sehe Sie in einer außerordentlichen Bewegung – 8. Auftritt Achter Auftritt. Vorige. Kammerdiener. Geheimerath von Wallenfeld, und Baron von Fernau. – Nur herein. gebt ab. Empfangen Sie die Herren statt meiner. – Ich habe nur als Kavalier handeln wollen; damit ist nichts abgethan. Als Vater muß ich handeln; das ist ein schwer Stück Arbeit, und ich will mich gleich dazu anschicken. Geht ab. Ich begreife ihn nicht. Es muß etwas Sonderbares vorgegangen sein. 9. Auftritt Neunter Auftritt. Adjutant. Geheimerath. Hofrath. Der Herr General werden gleich hier bei Ihnen sein. Sehr wohl. Vernimmt er etwa den Scelerat? Es ist sehr großmüthig, daß Se. Excellenz die böse Sache von der Polizei weg an sich gezogen haben. Ja wohl. Sehr schonend für meinen gnädigen Onkel. Ja. Es ist freilich zwar doch nun schon alles derangirt. Allerdings muß es dem Herrn Geheimenrath sehr schmerzlich sein – O, denken Sie nur selbst! – Da ist das Souper abgesagt, der Ball – alles. Es wird Aufsehen machen. Wann wird er denn fortgebracht? Und wohin, Herr Adjutant? Davon weiß ich nichts. Je eher man so etwas in Vergessenheit bringt, je besser ist es für die Familie. Oui. Nur weit weg! zum Adjutanten. Den Unterhalt auf der Festung wollen der Herr Geheimerath die Gnade haben, gänzlich zu übernehmen. Zum Gedächtniß seines Vaters, meines lieben seligen Bruders. Der ein ganz anderer Mann war. O Gott! – von der nobelsten Conduite! Ein Christ! Ein aufrichtiges Gemüth! – Wollten Sie nicht unbeschwert dem Herrn General sagen, oder sagen lassen, daß ich sehr um Beschleinigung der Sache bitte? Sehr gern. Geht ab. 10. Auftritt Zehnter Auftritt. Geheimerath. Hofrath. Einen Stuhl, Vetter! bringt ihm einen Stuhl. Gnädiger Herr Onkel – setzt sich. Ah mon Dieu! Wie ist Ihnen? Was macht mich das schlechte Sujet heute so viel reden! – Ja wohl! Kann's vor Gott nicht verantworten, der Traitre. Was wird die Welt sagen? Wird ihn detestiren – Ach! man kommt nicht zu sich. – Nun – der Gabrecht bleibt Hauptmann? Ja wohl! Das war vorher zu sehen, daß der General Sie nicht kompromittiren würde. Freilich! – Hä! hä! hat ihm Arrest gegeben, dem alten Rumormacher. Er hat sich auch insolent betragen. Wird nun wohl merken, wer ich bin. Hä hä! Meine Verlobung müßte man aber doch nun gleich betreiben. Man könnte morgen – Nein, morgen nehme ich Medicin. Uebermorgen? – Ist Sonntag. Das sieht so gemein aus. Montag? – Oui. Montag kann es sein. 11. Auftritt Eilfter Auftritt. Vorige. General. Verzeihung, meine Herren. Bitte unterthänigst – Ihro Excellenz Gnade rettet den Namen der Familie. Das wollen wir erst sehen. Auf was für eine Festung kommt er? Wollen Sie ihn auf eine Festung haben? Im Ernst? Freilich. Denn so ein Mensch bessert sich nie. Das ist streng abgesprochen. Ich zahle den Unterhalt, des Tages einen Gulden. Habe ich dafür Ihr Wort? Ad dies vitae. Nun! – wollen sehen, was zu thun ist. Haben Sie die Güte, zu meiner Nichte zu gehen; sie erwartet Sie. Wir machen hernach noch eine Partie zusammen. Scharmant! Der Hauptspieler, der – Posert heißt er – Ist ein durchtriebener Schurke! Er ist weder Offizier, noch Baron. Ich habe genaue Auskunft über ihn; er kann es nicht läugnen. Sollte Karren schieben – – der – Wir wollen sehen wie es schicklich sein wird. Kommen Sie, gnädiger Herr Onkel. A revoir. Müssen sich mit dem Taugenichts nicht viel mehr abgeben. Sie gehen. Meritirt es nicht. schellt. kommt. Der Herr Adjutant! geht. Das sind zwei kalte herzlose Menschen! – Es ist doch seines Bruders Sohn! – Der böse Feind hat mich geplagt, meine Nichte an die Schätze solcher Menschen zu verschleudern! 12. Auftritt Zwölfter Auftritt. General. Adjutant. Hernach der Kammerdiener. Sein Sie so gut, den Posert herein zu schicken, und bleiben hernach im Vorzimmer. Sehr wohl! Geht. Der junge Herr von Wallenfeld läßt Ihro Excellenz ersuchen, ihm die Gnade eines Gehörs zu verstatten. Ich würde ihn schon rufen lassen, wenn ich ihn haben wollte. Er geht auf und ab. geht ab. 13. Auftritt Dreizehnter Auftritt. General. Herr von Posert. Adjutant, der gleich zurückgeht. sehr verlegen. Ihro Excellenz haben – befohlen, daß ich – daß ich mich unterthänigst produzire. sieht ihn eine Weile an. Sie sind ein Herr von Posert? hustet. Vormals Hauptmann in genuesischen Diensten – unterthänigst aufzuwarten. So sagt der Thorzettel. Sollten Hochdieselben Zweifel haben, so kann ich – Sie halten Bank? Aus – aus – Ich bin erst seit – ernst. Halten Sie Pharobank oder nicht? Ja. Der junge Baron von Wallenfeld ist Ihr Valet – Croupier – Knecht – wie nennen Sie es? Das heißt – ich habe ihn aus Mitleid – aus – aber es ist erst heute gestehen – Ist er Ihr Croupier? Ja, weil ich das Unglück habe, nur mit Einem Auge zu sehen, so – Es ist wahr, Sie haben nur Ein Auge. hustet, und bejaht es mit Achselzucken. Wo geschah der Verlust? Zu Spaa – Ein malitiöser Mensch hat sich unterstanden – In Spaa? So? Sollte man Hochdenenselben aus malhonneter Verleumdung von mir etwas eingeredet haben? – Wollen Sie mir eine Gefälligkeit erzeigen? Ach Gott, bestimmen Ihro Excellenz alles, was ich thun soll. Für Sie wollte ich gleich hier mein Blut fließen lassen, daß es – daß es gleichsam – Hustet. O Gott! – Ich habe eine kleine Gesellschaft bei mir, lauter gute Freunde – sein Sie so gut – und halten für uns jetzt eine Bank in meinem Saale. Ach Gott! Diese Ehre ist an sich sehr groß, sehr groß. Aber – ich weiß doch nicht recht – ob ich – ernsthaft. Wie? ob Sie? Ob ich mein bischen Armuth vor so einem Herrn auslegen darf. Der Tisch ist bereit. Ihre Kasse haben Sie bei sich – Auf Dero Befehl – Trocknet sich die Stirne. Aber, wie gesagt – ich weiß nicht – wie ich – mich dazu anschicken soll – laut. Herr Adjutant! tritt ein. Ihro Excellenz – ängstlich. Mein Herr General! – Ach Gott! ich bin ja zu allem so bereit als willig. – sehr kalt zu Herrn von Posert. Hoffe das auch. Zum Adjutanten. Der junge von Wallenfeld – geht. Ist der auch hier vorhanden? Er gehört ja zu der Bank. Er wird hier Ihre Geschäfte machen – wie vorhin auf dem englischen Kaffeehause. Bei so einer Compagnie ist das nicht nöthig. Ei ja doch. Bei so einer – – einer – überaus excellenten Compagnie – ganz unnöthig. Ueberhaupt, wenn mir eine gehorsamste Einwendung erlaubt ist – Nein! ins Teufels Namen! nein! Ich bequeme mich, Ihro Excellenz. 14. Auftritt Vierzehnter Auftritt. Vorige. Baron von Wallenfeld. Adjutant, der zurückgeht. schlägt die Augen nieder. Ihro Excellenz – Wie lange haben wir beide uns nicht gesprochen? leise. Es sind – jetzt – sechs Jahre. Wie? Seit sechs Jahren. Hm! Er fixirt ihn. Sie haben sich verändert. Damals war ich – rasch und laut. Das ist der Herr von Posert, den Sie kennen. bejaht es mit einer Verbeugung. Sie werden so gut sein, vermöge Ihrer Verbindung mit dem Herrn, Ihr Emploi in seinem Dienste bei der Bank zu machen, die er gleich für uns in meinem Saal halten wird. verzweifelnd. Herr General! Ja denken Sie nur, Herr Baron, so wollen es Se. Excellenz. Was auf dem englischen öffentlichen Kaffeehause Ihnen nicht unschicklich dünkte, ist auch wohl schicklich in meinem Zimmer. Ach liebster Gott! – Ja, ja! – Nur – Also – bereiten Sie Ihren Tisch, wir kommen Ihnen nach. Auf Wiedersehen, meine Herren. Ich bitte, daß ich zwei Worte allein mit dem Herrn General reden dürfe. Voran gegangen, Herr Hauptmann von Posert! – Herr Adjutant! tritt ein. Lieutenant von Baum zeigt dem Herrn Hauptmann den Saal, und bleibt ihm zur Gesellschaft. Ihro Excellenz! Hochdieselben sind als ein zu gnädiger Herr – als ein wahrer Menschenfreund bekannt – Deshalb habe ich Sie holen lassen, mein Herr! Voran, Herr Hauptmann, voran! trocknet sich die Stirne, hustet, und geht mit dem Adjutanten. 15. Auftritt Fünfzehnter Auftritt. Herr von Wallenfeld. General. Adjutant. Zuletzt der Kammerdiener. Kurz, mein Herr; denn ich bin nicht bei der besten Laune; kurz! Herr General, ich bin verloren. Kann sein. heftig. Ich bin ein Mensch. Das hoffe ich. Der eine Entehrung nicht überleben will! bei Gott, nicht! Tragen Sie Pistolen bei sich? Nein. Wem aber das Leben eine Last ist, dem zerschlägt die nächste Mauer das Gehirn, wenn ihm andere Mittel fehlen! Sie haben doch Weib und Sohn! Wer so unglücklich war, daß er das schändlich vergessen konnte, der häufe nicht Schande auf Schande! Sie werden jetzt Ihren Dienst haben; gehen Sie. Nein, Herr General, nein! Wollen Sie – daß statt meiner die Polizei mit Ihnen rede? nach einigem Kampfe. Sie mag mich härter strafen, wenn sie nur schnell straft! Haben Sie studirt? Nein. In welcher Wissenschaft haben Sie es weit gebracht? Ich – Er zuckt die Achseln. Ich – war leider bestimmt, meines Onkels einziger Erbe zu werden. Und jetzt sind Sie – Vater und – Deckt das Gesicht. – Herr General, Sie sind ein Mensch, ein edler Mensch, die Welt ehrt Sie; so – sein Sie es auch gegen mich. Sein Sie strenge; nur bringen Sie mich aus dem Gesicht der Menge. Gleichviel wohin – nur dahin, wo ich vergessen werde. ernst. Das wird sich finden – Jetzt gehen Sie an die Bank. Herr Adjutant! tritt ein. verzweiflungsvoll. Herr General! streng. Gehorsam! – Zum Adjutanten. Sie begleiten den Herrn von Wallenfeld in den Saal. In den Tod! Geht mit dem Adjutanten. schellt. tritt ein. Sage Er meiner Nichte in's Ohr, sie soll sich bei dem Geheimenrath entschuldigen, und nicht in den Saal herunter kommen. Dann sage Er dem Geheimenrath und Baron Fernau, daß ich sie hier erwarte. geht ab. 16. Auftritt Sechzehnter Auftritt. General. Rektor. Ihro Excellenz, ich war bei dem Advokaten. Das ist besorgt. Aber was wird nun hier mit dem jungen Baron? Die Angst um ihn läßt mir keine Ruhe. Bleiben Sie unten. Fragen Sie nach meinem Sekretär, ich bedarf Ihrer hernach noch. Ich habe es mit dem jungen Herrn so gut gemeint, ich bin so ehrlich hergekommen – Das lohne Ihnen der Himmel! Nun ist er doch noch hier in Verhaft. Sollte ich ihn denn in sein Elend geliefert haben? Wenn er es verdient – ja. Er hat doch meinen Sohn gerettet. – Ich bin in einer wahren Seelenangst. kommt. Gehen Sie zu meinem Sekretär. Auf Wiedersehen! geht ab. 17. Auftritt Siebzehnter Auftritt. General. Geheimerath. Hofrath. Die liebe Comtesse ist indisponirt? Ich bedaure von Herzen – Machen wir dennoch unsere Partie. Ich habe viel Last mit Ihrem Neveu. Dagegen wollen wir uns, wenn Gott will, einen guten Abend machen. Ich bin weiter nicht mehr alterirt. Der Mensch ist zu schlecht. Ist er fort? Versprechen Sie mir, unsere Spielpartie zu halten, wie ich sie rangire? Mit Vergnügen. Geben Sie mir Kavalier-Parole darauf – daß Sie das Spiel so eingehen, wie ich es rangire? Kavalier-Parole. Nun so wollen wir sehen, wie wir den Abend zubringen. Zu gnädig. Bei Gott nicht! Nicht zu gnädig. Es wäre auch nicht wohl angebracht. Gehen wir – Er geht mit dem Geheimenrath. Der Hofrath folgt nach. 18. Auftritt Achtzehnter Auftritt. Die Bühne verwandelt sich in einen großen Saal mit Lustern und Spieltischen, hinten steht ein Pharotisch mit Wachslichtern. Herr von Posert rangirt seine Kasse und die Karten. Herr von Wallenfeld steht daneben und schlägt die Arme ein, ohne auf alles, was vorgeht, Acht zu haben. Neben ihm der Adjutant. Lieutenant von Baum steht neben Posert. Es sind zwei Bediente im Zimmer. Ist die Einrichtung so nach Ihrem Wunsch, Herr von Posert? Ach, Gott ja! Mir ist alles recht. Verlangen Sie die Tische anders rangirt? trocknet sich die Stirne. Etwas mehr vor. – Es ist da Zug; es ist so nahe an der Thür. deutet den Bedienten, die Tische vorzutragen. tragen Tische und Stühle vor. indeß das geschieht. Ein recht schöner Saal! Er ist nach gutem Geschmack gebaut. hustet. Nobel! Sehr gut! Spielen Se. Exellenz oft Pharo, Herr von Wallenfeld? geht vor. Ich weiß es nicht. Niemals. Was Sie sagen! und eben heute wollen sie – Heute scheint es ihm sehr interessant. Kurios! Er trocknet sich das Gesicht. Zum Bedienten. Ein Glas Wasser, mein Freund! Louis! Limonade für den Herrn – Bitte um Wasser. Zum Adjutanten. Sagen Sie mir doch, Er trocknet sich die Stirne. ist – ist – hm – ja – das habe ich vorhin schon fragen wollen, sind der Herr General vermählt? Er ist deutscher Herr. in Gedanken. Deutscher Herr? – Hm! Nach einer Pause. Mit wem sind sie vermählt? Er ist deutscher Herr, sagte ich –- Ja so – deutscher Herr! So, so! hm, so! Sie sind zerstreut, mein Herr – Etwas, etwas. Er trocknet. zum Adjutanten, den er schnell bei Seite nimmt. Sie sind jung, Ihr Auge verräth Gefühl, Ihre ganze Bildung ein menschliches Herz: lassen Sie mich fort. Ich fühle mit Ihnen – aber Sie kennen die Pflichten meines Standes. Ja, ich kenne sie: Ehre ist Ihre Seele. Bei Ihrem Gefühle und Ihrem Stande beschwöre ich Sie, schicken Sie mir eine geladene Pistole. Was denken Sie? Tod! nichts als Tod! Um Gottes willen eine geladene Pistole! Diese langsame Marter ertrage ich nicht. der indeß mit dem Lieutenant, dem er ein Spiel zu zeigen schien, am Pharotische war, zum Bedienten. Noch ein Glas, lieber Mann! Nun, Herr Baron, setzen wir uns – Thun Sie, was Sie wollen. Die vornehme Gesellschaft wird wohl bald eintreten? Meinen Sie nicht? Ich höre sie die Gallerie her kommen. O Gott! bringt Herrn von Posert Wasser. Trinkt. Kostbares Wasser! Hustet. Kostbar! So wahr ich lebe, wie Hustet. wie Kristall! 19. Auftritt Neunzehnter Auftritt. Vorige. General mit dem Geheimenrath und Hofrath. sieht den Pharotisch. Comment? – da ist ja – der Mensch – Gleichviel! es ist meine Gesellschaft! Zudem – ich habe Ihr Ehrenwort – zum Hofrath. Machen wir gleich eine Partie Piquet. Geht nach einem Seitentische. faßt ihn bei der Hand. Ich habe Sie zum Pharo engagirt, Herr Geheimerath! Zu den Herren von Posert und Wallenfeld. Nun, meine Herren! setzt sich. Ihro Excellenz haben es huldreichst so befohlen – Zum Herrn von Wallenfeld. also muß man – Folge leisten. hat krampfhaft an den Tisch gefaßt, ohne um das übrige sich zu bekümmern, eingewurzelt, darauf niedergesehen, und sagt dumpf. Fangen Sie an. setzt sich an den Tisch und nimmt Karten. steht über ihm an seiner Seite und thut dasselbe. zum Geheimenrath, der mit seiner Tabatiere unwillig spielt. Belieben Ihro Gnaden? gibt dem Geheimenrath Karten. Allons donc! – Nun, mein Herr von Posert – zieht ab. So eben. haben Karten besetzt. Sept et valet – hat verloren, wirft sein Geld in die Bank, und setzt eine neue Karte. Roi et dix – Hui et cinq. Dix a gagné! Macht sein Spiel. hat sein geballtes Tuch am Munde. Neuf et dame. verliert und zahlt in die Bank, setzt dann wieder. Sept et as. Sept a gagné! zahlt aus. Neuf louis? Oui. winkt dem Adjutanten. geht hinaus. Quatre et roi. Six et quatre. verliert, setzt wieder. Dame et valet. Er zahlt den Hofrath aus. 20. Auftritt Zwanzigster Auftritt. Vorige. Adjutant. Major Stern. Frau von Wallenfeld und Karl. Sie treten ohne Geräusch ein. Six et cinq. Nur näher! Zu den Herren von Posert und von Wallenfeld. Je mehr Spieler, je besser für die Bank. Zu den Kommenden, der Frau von Wallenfeld, dem Major Stern und seinem kleinen Enkel. Nur zu uns her! steht auf und ruft unwillkürlich. Marie! Platz genommen, Frau Baronin. holt ihr einen Stuhl, setzt ihn neben den General, aber nicht an den Tisch. halb laut, zum General. Ich habe sie ja nicht anerkannt! Aber ich. Und – Kavalier-Parole, Herr Geheimerath! – Ausgehalten, Herr von Fernau! Zu Herrn von Posert. Weiter, mein Herr! Zu Herrn von Wallenfeld. Die Gesellschaft wird größer; geben Sie Acht, Herr Croupier. Ihro Excellenz, ich beschwöre Sie – Was gehen die Bank ihre Gäste an? Was geht den Bankier die Welt an? Die Bank ist seine Seele und Ehre und Seligkeit – weiter also; nicht wahr, Herr von Posert? Wenn – wenn – Hustet. zur Frau von Wallenfeld. Da, meine gnädige Frau, setzen Sie sich zu mir her. Es gilt Ihr letztes Glück! – Herr Major – nehmen Sie eine Karte – Und du Kleiner, probire dein Heil. Komm her, zu mir her. führt ihn zum General, setzt sich und bedeckt das Gesicht mit dem Tuche. Hast du Geld, Kleiner? Der Vater hat mir welches geschenkt. Nun, wir wollen sehen, was dein Vater für dich thun kann. Gib mir alle dein Geld. Er nimmt eine Karte. Setze das Geld hieher – hier, auf diese Karte. Er führt ihm die Hand, und setzt seinen Thaler, den das Kind in der Hand hat, auf die Karte. Die Karte gehört deinem Vater. Willst du mein Geld wieder haben, Vater? Herr General! Es sind mehr Thaler da auf dem Tische, die dein gehört haben, guter Junge! Heftig zu Herrn von Posert. Fortgefahren! ernsthaft. Deux et trois. Gewonnen! Bravo, Herr von Posert! Gewonnen, lieber Kleiner! – Nun es gilt! Du soll einmal jetzt dein Glück und Heil poussiren. Er biegt ein Paroli in Karl's Karte. Huit et dame! Er zahlt den Geheimenrath aus, der nicht wieder setzt. Trois et sept. Verloren, armer Knabe! Nimmst du mir mein Geld wieder weg, Vater? stößt einen Ausruf des tiefsten Jammers aus. Du hast nichts mehr? Armer Spieler! – Mache es wie dein Vater. Hat der kein Geld mehr, so setzt er sich selbst, und Weib und Kind, Ehre und Leben. Er hebt das Kind auf den Tisch. Der Vater ist schon verloren, ich setze den Sohn! Abgezogen! – es gilt eine Seele – wer wird gewinnen? springt hin, reißt das Kind in seine Arme. Karl! Barmherzigkeit, Herr General! – Das geht über Menschenkräfte; – ich halte es nicht aus. steht auf. tritt vom Tische weg, der Geheimerath und Fernau auch. Weib – Mutter – Vater – die Rinde um sein Herz ist gesprengt – tretet zu ihm. Laß sehen, was er thun will, euch wieder zu gewinnen und sich selbst. setzt das Kind nieder. Wo soll ich hin? Wer rettet mich vor mir selbst? vor dem Gefühl, das mich zermalmt! diesem gräßlichen Gefühl! geht zu ihm. Dies Gefühl ist die Tugend, die niemals ganz von dir gewichen war. In dieser Angst, in diesen Thränen behauptet sie ihre Gewalt. Diese Zernichtung deines ganzen Wesens ist dein Fürsprecher bei mir, bei der Welt, bei dir selbst. Davon hoffe ich Rückkehr. Dies Gefühl rufe ich jetzt auf, schenke deinem Sohne einen Vater wieder. Ich bin ja Fluch für dich und ihn! Was kann euch durch mich werden, als Schande und Mangel? Laßt mich fort! Laßt mich gehen! Tretet zurück! Nur Eine Genugthuung kann ich euch geben – meinen Tod. Laßt mich von hier weg, um Gottes willen, laßt mich fort. faßt ihn auf. Lebe in Handlungen; dann gibst du Genugthuung. Ich nehme dich wie du jetzt bist, und baue alles auf diesen Augenblick. Marie! – Vater! – Karl! – Können Sie von mir noch hoffen? Kannst du mir vergeben? Nein, nein! stark. Es ist genug! – Frau von Wallenfeld – Hoffnung und Vergebung! die ihn in ihre Arme schließt. Beides in der Umarmung deines Weibes, das dich ja nie verlassen hat. Herr von Posert – dies Band ist geschlossen. Das Band mit Ihnen zerreiße ich im Namen der Ehre und der Tugend. Ihro Excellenz – Die deutschen Herren waren vor Alters verbunden, gegen Räuber zu kämpfen. Nun dann – Kampf gegen dich, Räuber, vom deutschen Manne! – Herr Adjutant! hier sind die Papiere gegen ihn. Nun fort mit ihm! Wie ich befohlen habe, stark und kurz! Ihro, Ihro – Fort! gehen ab. Ich muß sagen – Was wollt' ich doch sagen? Ihro Excellenz handeln bei Gott sehr edelmüthig! Erschüttert ist Ihr Schwiegersohn: das hat die Gewalt der Natur bewirkt. – Aber er ist arm, durch Thorheit und Unglück arm. Was ist nun zu thun? Er muß leben. Wovon soll er leben? – Wer gibt ihm zu leben? – – Keine Antwort? Junger Mensch, dein stärkster Schuldner ist insolvent geworden, du dauerst mich. Mir ist Niemand schuldig – Dein Onkel ist dein Schuldner; durch Reichthum hat er dich verwahrloset: darf er dich also wohl in Verzweiflung verschmachten lassen? Verwahrlost? Ich habe ihm alle Maitres gehalten, eine Edukation gegeben – Hätten Sie ihm statt der ritterlichen Erziehung eine menschliche gegeben, so brauchte er jetzt weder Sie noch mich. Zum Hofrath. Und Sie, warum haben Sie Gläubiger und Polizei hinter ihm gehetzt? Das muß vor der Verlobung mit meiner Nichte erst klar werden; sonst fällt sie weg. Ich? Ich sollte etwas – 21. Auftritt Einundzwanzigster Auftritt. Vorige. Adjutant. Er gesteht, daß er nicht Herr von Posert ist, sondern ein Galanteriekrämer aus Ulm, und heißt Mosel. Er soll dem Pfarrerssohne sein Geld restituiren, dann wird ihm sein Kram nachgeschickt. In zwei Stunden muß er aus dem Thore sein, sonst lasse ich ihn auf das Thor setzen. geht. geht. Gute Nacht, Ihro Excellenz. folgt. Ein ehrlicher Schulmann hat ihn gerettet; Zu Herrn von Wallenfeld. und Er? hat dessen Sohn gerettet. Es ist also noch Fond bei ihm da, und ich will in Gottes Namen darauf bauen mit Vorsorge und – mit Geld, da die Andern nicht wollen. Mensch – Held – Vater – mein Engel! Er stürzt zu seinen Füßen. Karl, hieher! Er zieht das Kind zu sich. Umfasse seine Knie mit deinen Händen – dieser Dank einer schuldlosen Seele, einer erretteten Nachkommenschaft, sei die Belohnung des Menschenfreundes! der sich abwandte, eine Thräne unbemerkt zu trocknen. Nicht so! Er hebt ihn auf. Auf recht, aufrecht, junger Mensch! Ich habe ein kleines Gut, dreißig Meilen von hier, zwischen Bergen, Klippen und Waldströmen; es trägt mäßigen Vortheil, wenn es emsig behandelt wird; aber man kann davon leben; das soll dem Knaben gehören. Dort lerne arbeiten, dort bessere dich. Thust du es nicht, weint Schwiegervater und Frau ferner um dich, so wirst du geschieden, und kommst Zeit Lebens auf die Festung. Mein Ehrenwort darauf! Mein Wohlthäter! Mein Erretter! Sie küssen seine Hand. Zu eurem Vater geht, ihm saget Dank! Von allem, was euch jetzt geschieht, hat er schon vor vierzig Jahren den baren Werth als Vorschuß gegeben. umarmen den Major. Vater! gerührt und mit lauter Freude. Mann! – Kinder! – O Gott! – Bist du zufrieden, Kamerad? – Nun dann – Er eilt in seinen Arm, und sagt mit lautem Entzücken. Revanche Prague!