6. Die Botschaft Auf der Elfenwiese, duftig, An dem Hügel, erlengrün, Wo das Bächlein plaudert lieblich, Lacht und scherzt das heimlich muntre Fest der zarten, goldnen Fee. Denn heut ist Johannisnacht, Wo der Gnom aus seinem Stollen Schlüpfet, und von Kapp' und Leder Ab den Katzenglimmer bürstet, Auszuruhn vom sauren Pochwerk, Sitzet auf der Felsenkante. Wo hinuntersteigt der Mondmann Zu der Erd' und auf dem Dach tanzt Mit Nachtwandlerinnen lustig, Wo der Salamander buhlet Feurig um das Fräulein Irrlicht In dem Torf- und Mooresgrunde, Wo an jeder Lindenblume Fröhlich sich ein Sylphchen schaukelt, Wo den schilf'gen Strom hinabwärts Schwimmt der Nix mit Floß' und Schuppe, Base Meerweib zu besuchen. An dem Hügel, erlengrün, Auf der Elfenwiese, duftig, In dem Kelch der roten Tulpe Saß die zarte Fee Libelle, Saß das goldbeschwingte Wunder. Äußerst glänzend war das Fest! Zu der Tulpe Füßen spielte Der tonkundigen Zikaden Auserwählteste Kapelle Stücke von den besten Meistern. Ernsthaft standen Exzellenzen Feuerwürmer, mit den glüh'nden Ordensternen, in der Runde, Flogen dann und wann galant Zu den Damen, die in Lüften Schwebten strahlend, reichgeputzet, Zu den lieblichen Libellen. Diese sind des Tages nur, Nachstellungen zu entgehen Von des Menschen ew'ger Tücke, Argverzaubert in die Leiber, Die wir sehn um Wässer flattern. Nachts, wenn anbrach Geistertag, Werden Jungfräulein sie alle, Schön und rosig, glanzgeauget, Leichte, bunte Flügelelfen. Kleine Päg'lein präsentierten, Gnomenknäblein guter Herkunft, Blütenpunsch in Maienglöcklein; Alles lacht und scherzt und tändelt, Alles glüht und funkelt, schwirret Um den Thron der zarten Kön'gin, Um den roten Tulpenthron. Heiter sprach das goldne Wunder: »Nun beginnt der Nacht geweihten Reigen, euren Tauperltanz!« Alsobald in Ordnung stellten Sich die lieblichen Libellen, Faßten sich im Kreis geschlungen, Tanzten nach dem frohen Takte Der tonkundigen Zikaden Auf des Taues Perlen munter Ringelreigen um die Kön'gin, Um den roten Tulpenthron. Sicher, ohne je zu fehlen, Hüpften sie von Perl' zu Perle. Keine Perl' zerfloß erschüttert, Nicht einmal erbebt' ein Perlchen Von dem Druck der Lilienfüße, Seht, so leicht sind die Libellen! Doch die glüh'nden Exzellenzen Feuerwürmer, gingen ernsthaft, Rund in dieses Reigens Mitte, Fackelträgerdienst versehend. Aber als der Reigen kreiste Nun zum drittenmal mit Jubel Auf den mondbeblinkten Perlen, Kam geritten hoch am Himmel Auf dem Wind, dem schnellen Roß, Jetzt die silberblüh'nde Wolke. Also rasch war sie geritten, Daß der Wind selbst außer Atem War gekommen, und zur Erde Sank ins Gras mit kranker Lunge. In den Kreis des Festes trat sie, Und zur Fee, zur goldbeschwingten, Sprach die silberblüh'nde Wolke: »Wie? du feierst frohe Feste? Wie? du schaust den Tauperltanz? Und dein Held, Don Tulifäntchen Steckt im Vogel-Messingkäficht, Eingesperrt von der Gemahlin, Der lavendelduft'gen Fürstin! Auf und eile! Rett ihn! Fliege! Er beschloß im tapfern Herzen, Stürzen will er in den Abgrund Seinen Leib, ich hört' es selber.« Sprach's. Da klagten alle Geister, Denn beliebt ob seiner Tugend, Hochbeliebt ob seiner milden, Adeligen, feinen Sitten, In dem ganzen Ginnistan War der Held, Don Tulifäntchen. Dunkel wurden vor Betrübnis Alle glüh'nde Exzellenzen. Die Zikaden machten Pause, Zagend standen die Libellen. Doch die Jüngste fiel erbleichend Und mit leisem Schrei in Ohnmacht. Rosalindchen hieß das weiche Schöne Kind voll Sympathie. Nur die zarte Fee Libelle Blieb gefaßt. Emporgerichtet In der Tulpe, sprach sie also: »Von dem Fest etwas ermüdet, Flög' ich wohl nicht rasch genug Zu der Rettung meines Helden. Auf ihr Pagen, sagt dem Kutscher, Sagt dem rauchen Bärenvogel, Er soll gleich die Equipage Mit den sechs Hirschkäfern schirren!« Sprach's. Es rannten fort die Pagen Nach der Fee gewölbtem Marstall, Der im Wurzelwerk der Erle War erbaut zu ebner Erde. Aus dem Kelch der Tulpe hob sich Jetzt die Fee, bedient von wieder Glüh'nd gewordnen Exzellenzen, Wand ein grünes Kränzlein, schwebte Zu dem Ort, wo Rosalindchen Lag in Ohnmacht, weckte sie, Sprach süßlächelnd: »Unsern Helden Retten wir heut aus dem Kerker, Und auch aus dem Arm der Gattin, Der lavendelduft'gen Fürstin. Nun, so gilt's, ein andres Bräutlein Ihm zu geben, das wohl besser Stimmt zu seiner Art und Größe.« Sprach's. Das Kränzelein, das grüne, Drückte sie dem weichen Kinde In die blonden Ringellöckchen, Flüstert' ihr zwei Wort' ins Ohr. Rosenröt' im Angesichte, Blickte zu der güt'gen Fee Auf die kleine Rosalinde. Lang schon ihre stille Liebe War der Held, Don Tulifäntchen. Aber alle Gnomenpäg'lein Kamen sehr bestürzt und riefen: »Fürstin, ach, der alte Kutscher, Ach, der rauche Bärenvogel Hat sich gänzlich übernommen In gestohlnem Blütenpunsche, Liegt und schnarcht im Stall, er ist, Fürstin, zum Exzeß betrunken.« Rief die zarte Fee Libelle: »Er ist morgen aus dem Dienste! Tausendmal warnt' ich den Schlemmer, Endlich muß ich stiften Ordnung.« Und zur silberblüh'nden Wolke Sprach das goldbeschwingte Wunder: 'Sieh, so geht es mir, Kusine. Hättest du vielleicht die Güte, Dieses Mal mich zu befördern?« »Meine teuerste Kusine«, Sprach die silberblüh'nde Wolke, »Dir zu dienen, mich entzückt es. Komm mit deinem ganzen Hofstaat, Platz für alle hat mein Roß.« Wind, dem schnellen Rosse, rief sie. Wind sprang hergestellt empor, Drehte sich nach Westen schleunig. Auf den Rücken sprang die Wolke, Alle glüh'nde Exzellenzen Klammerten sich an den Schweif, Alle liebliche Libellen Schwangen sich empor zum Halse, Gnomenpägelein, Zikaden Saßen bei den schönen Fräulein, Doch im Schoße der Kusine Saß die zarte Fee Libelle, Und das mitleidsvolle Bräutlein. Also, wie ein Pfeil, nach Westen, Nach der prächt'gen Micromona, Ritt die silberblüh'nde Wolke.