Karl Immermann Tulifäntchen In drei Gesängen An Michael Beer Tulifäntchen kommt und spricht: »Aus dem Stübchen, eng, umgrünet Von der Linde, der Akazie, Aus dem Stübchen, das die Malve Anlacht mit dem runden, roten Vollgesichte, schickt der Vater Mich zur großen Stadt Paris. Daß ich in den langen Gassen Mir nicht selber komm' abhanden, Gab er mir an dich Adresse. Schütze du mit deiner Weisheit Vor Verführung, Trug und Unstern Meine unerfahrne Jugend In dem Sündenlabyrinth!« Tulifäntchen kommt und spricht: »Von dem Vater soll ich melden, Er sei ganz und gar der alte Grillenfänger, unter strengem Zauberbanne Wechsel duldend, Jetzt in trostlos-öde Wüste Hingeschleudert, und zurücke Dann mit einem Schlag geschmeichelt In das jüngste Paradies. Manch ein Edler will ihn anders, Er will manchen Edeln anders, Er bleibt er, sie bleiben sie , Und so leben Welt und Dichter In dem wunderbarsten Einklang.« Tulifäntchen kommt und spricht: »Ich bin nur ein winz'ger Bursche, Ich bin nur ein armes Garnichts, Mein Verdienst, vom Sonnenstäubchen Wird es weidlich überwogen. Doch der Vater sprach, mir solle Nicht das Herz darob erkranken. Jeder zeige hierzulande Sein Gesicht, krumm oder grade, Wie's gewachsen sei, er frage Nicht danach, ob seinem Nächsten Krämpfe vom Aspekt entstünden. Darum soll' auch meines herzhaft Ich nur weisen allen Leuten, Denn mir habe keiner jemals Was geschenkt, so hab' ich keinem Deutschen Landsmann was zu danken, Und wer nicht mich ansehn wolle, Lass' es bleiben immerhin.« Tulifäntchen kommt und spricht: »Noch ein Gleichnis gab beim Scheiden Mir der Vater auf den Weg mit 'Lieder sind wie junge Vöglein, Welche flattern flügg' vom Neste; Nahe lauscht ein dummer Jammer, Schlägt mit seiner plumpen Keule Nach den leichten, doch die Schwingen Tragen unverletzt sie fürder. Flatternd spähn sie da und dorten, Bis sie ruhn auf wackern Händen, Auf dem Knie der schönen Frauen, An der Brust geliebter Mädchen. Dann die Kehlen öffnend, gießen In den Äther sie die Seele, Daß der Dichter, schleicht er eben An so guter Statt vorüber, Wundernd fragt beim feinen Schalle: Ist das meine Brut, der tausend! Die dort singt so nett und süß?'« Tulifäntchen kommt und spricht: »Zur Genüg' ist nun geplaudert. Nimm mich auf die Hand, du Wackrer! Wollen sehn, ob ich den Schnabel Auch dann öffne zu dem bißchen Melodie, das sich im kleinen Körper einquartieren konnte! Viel ging freilich nicht hinein.«