5. Die Wolken Eine Wolke hoch am Himmel, Schwebend überm Dach des Schlosses, Sah des Helden Jammerstand. Aber still! Erst muß ich sagen, Was mir gegen Morgen, schwätzend, Jüngst ein leichter Traum verkündet Von der Wolken Art und Ursprung. Wolken sind nicht taube Dünste; Nicht aus dem gemeinen Wasser Lockt der Glutenblick der Sonne Diese launenhaften Rätsel. Wolken sind der Seufzer Kinder! Aus den Seufzern, die den Menschen Abpreßt unsres Lebens Kargheit, Ballt sich der Luftfahrerinnen Wunderlicher Zauberchor. Aus der Kindlein kleinem Ach Um versagtes buntes Spielwerk, Werden die gereihten Schäfchen, Perlenrund und perlenblank, Weiße Flöckchen, die verschwinden, Wie sie kamen, lockerzart. Aus dem Seufzer der Kokette Um der Liebestauber Flucht, Aus der Eiteln siechem Stöhnen Um geschwundne Gnad' und Gunst, Spinnen sich die langen Streifen, Die ihr alle oft am Himmel Stehen saht so fahl und töricht, Daß sie euch zu sagen schienen: Selber wissen wir nicht recht, Was wir wollen und bedeuten. Wenn zerfleischte Unschuld seufzt Aus der Brust, bedrückt von Unbill, Aus den Lippen, deren Rot Welk gemacht des Frevels Pesthauch, Steigen auf die grimmigschwarzen Wolken, blitz- und donnerdrohend, Die, den Schoß entladend, zorn'ge Feuerungeheu'r gebären, Und dem Schelm im goldnen Saal Pred'gen Millionen Teufel, Einen Gott dem Frommen pred'gen. Nun kommt ihr daran, ihr dicken Durchgesognen Jammerschläuche! Graue Tonnen, wasserschwere, Die, ein unermüdlich Regnen, Unsern Tag zum Tropfenbade Schaffen, unsre Welt zur Pfütze. Euch erzeugten Seufzer, öde, Über unsre Alltagspein, Über Not mit dummer Klugheit, Und mit sittlichen Gemütern. Aber weg von solchem Elend Zu den guten, schönen Wolken, Zu den Fürstinnen der Luft! Blank mit Silberstreifen säumt sie Ein der Mond, die Sonne stickt sie Reich mit purpurroten Rosen, Und der Himmel hält mit ihnen Tiefes, heimliches Gespräch. Aus den holdesten und liebsten Seufzern woben sich die Schönen, Aus den Seufzern keuscher Mädchen, Wenn sie schreckt des Bades Spiegel Mit den eignen süßen Reizen, Aus den Seufzern hoher Frauen, Stürzt' ein heil'ger Kampf ins Blut Reine jugendblüh'nde Helden; Aus den Seufzern edler Dichter Über Leiden, die so lieblich, Daß sie selbst dem treusten Freunde, Ihrem Lied, sie nicht vertraun; Dichterseufzer, Mädchenseufzer, Hoher Frauen heil'ge Seufzer Schaffen jene prachtgeschmückten Königinnen, hoch im Äther. Solche gute, schöne Wolke, Silberblüh'nd im reinen Mondlicht, Sah die Not des Helden, hörte Seines großen Herzens Klage. Und sie sprach zu sich: »Hier gilt es Nicht verweilen! Zu der Fee Eil' ich, seines Lebens Schütz'rin, Künd' ihr an des Helden Jammer. Wind, mein schnelles Roß, wo bist du?« Kam herangeschnoben, pustend, Wind, der Hengst von feur'ger Rasse. Damenhaft schwang sich die Herrin Auf des Gaules breiten Rücken. Auf, davon, durch alle Himmel Jagte sie mit ihrem Rosse, Also, weit nach Osten, pfeilschnell Ritt die silberblüh'nde Wolke.