Das Gericht von St. Petersburg Tragödie Personen Personen. Zar Peter. Alexis. Katharina. Euphrosyne. Menzikof. Gordon. Tolstoi, Staatsrat. Jaguschinsky, Generalprokurator, Ostermann, Vizekanzler, Schaphirow, Generalpostmeister, Theophanes, Bischof von Pleskow, , Beisitzer des Gerichts über Alexis. Oberst Schepelew, Kommandant der Festung zu St. Petersburg. Mons de la Croix, Kammerherr Katharinens. Therese, seine Schwester, Anna Cramer, , Hoffräulein. Danilow, Abgeordneter der Stadt Moskau. Aaron, Archivar von Moskau. Ein Arzt. Costa, Hofnarr Peters. Zwei Türsteher. Ein Bote. Abgeordnete Alt-Russischer Städte. Generale, Senatoren, Geistliche, Soldaten. Sekretäre, ein Dentschik. 1. Akt 1. Szene Erste Szene Ein Kirchhof unweit Moskau. Die Gräber der Bojaren. Morgenröte. Danilow Deputierter der Stadt Moskau. Viele andre Deputierte russischer Städte. Sie treten nacheinander herein. Sind die von Wladimir da? Ja Danilow. Von Twer, von Tula, Nowgorod, Smolensk? Wir stehn für diese Städte. Ich für Räsan. Ich für Kiew. Frag doch nicht einzeln nach. Du riefst, wir kamen, sind bereit, vors Antlitz Des Herrn zu treten, und den Sohn zu fordern. Alt-Rußland steht auf diesem Gottesacker. Alt-Rußland steht auf einem Gottesacker, Und über Toten seufzen Sterbende! Hier schlafen die Bojaren, unsre Schirmer. Wie anders tönte jetzt aus ihrem Mund Gerechten Anspruchs Wort! Sie sind erwürgt, Und Waisen müssen reden statt der Väter. – Wir haben schlimmen Weg; das Sprichwort sagt: Bedenk' Dich hundert Stunden, eh' Du klopfest Ans Tor des Zaren. – Geheimnisvoll. Aber Sachen gibt's Absonderliche, gegen Schmach und Pein. Brech' jeder einen Zweig von diesen Gräbern! Er bricht ein Reis von der Staude auf einem Grabe. Einer Ist so ein Zweig ein Amulett? Er ist's. Wer einen Zweig vom Grab gemordeter Unschuld, Ja nur ein Gräslein, Hälmlein bei sich trägt, Ist hiebfest, stichfest, schußfest, flammenfest. Sie sagen – ich versteh' nicht, ob's so recht? – Der Herr hab' einen Engel angestellt, Der drüber wachen müsse, daß kein Blut Schuldlos vergossen werde auf der Erde. Ist's doch geschehn, so sitzt bei Nacht der Engel Trau'rvoll auf solchem Grabe, härmt sich sehr, Und taut auf Strauch und Rasen milde Tränen. Gras, Reis und Staub, von Engeltränen feucht, Sind dann geheiliget. Das Schwert sinkt furchtsam, Der Pfeil fleucht seitwärts, Feuer lischt erschrocken, Nahn Schwert, Pfeil, Flammen dem geweihten Ding, Woran ein Tropfen Himmelszähre hing. Ihr legt mir aus, was ich nicht wußt' zu deuten! Ich selber sah bei Nacht beglänzte Gräber, Wenn ich im Handel meines Pfades zog Vorüber an dem Richtplatz oder Kreuzweg, Wo sich ein Hügel hob, begrast und alt. Und schluchzen hört' ich auch an solchen Stätten; Es klang so herzlich und so wehmutsvoll, Daß mir die Brust von seltnem Schauder schwoll; Was leucht' und schluchze, hab' ich nicht gesehn, Ich scheute mich, den Plätzen nah zu gehn. – Laßt uns die Zweige brechen von den Gräbern Der hingeschlachteten, großmächt'gen Herrn! Sie brechen Zweige von den Gräbern. Da kommt der Alte, der die Schriften aufhebt Von Moskau und dem Reich, der Archivar, Aaron, der Greis. Die Urkund' bringt er uns Der Wahl Mikaila Romanows; daraus Erweisen wir's dem Zar. 2. Szene Zweite Szene Aaron ein achtzigjähriger Greis, tritt auf. Er trägt ein Buch, in Purpursammet gebunden, mit goldnen Buckeln und Spangen. Vorige. Später: Ein Bote. Guten Morgen, Kinder! Mein alter Vater, scheut Ihr nicht die Kühle? Ihr hättet Euren Diener schicken solln. Das liebe Frühlicht ist mein Augenbad, Der Tau im Gras erquickt den welken Leib. Wofür siehst du mich an? Hältst mich so schwach? Wie'n Vogel, der im Käficht hüpft von Stänglein Zu Stänglein, springt ein alter Archivar In dem Gewölb von einer Sproß' zur andern, Das hält ihm frisch die Füße. Er schaut sich um. Meine Kinder, Es freut mich, zu erleben, daß die Wackern Der alten Städte Rußlands sich geeinigt, Und wolln nicht dulden, daß ein großer Frevel Beflecke dieses Land vor Gottes Blick. Einlegen wollt ihr, wie sich's ziemt, Protest, Verwahren uns und unsre Enkel. – Noch Gibt's also russisch Volk, noch sind nicht alle Gleichgült'ger Straßenpöbel worden. Wandert! Mein Segen geht mit euch. O meine Guten, In achtzigjähr'gem Leben merkt' ich stets: Gewalttat, wüchse sie auch stolz zum Himmel, Hat keine Wurzeln. Nur was billig, bleibt. Das Äußerste versucht er jetzt. Das kommt Davon, daß wir so lange stillgehalten. Wie gut und löblich war. Rein Schild ist Notwehr. Ohn' das soll keiner rechten mit dem Herrn, Den Gott ihm gab. nach den Gräbern zeigend. Und wer erweckt die Toten? Sie ruhn in Frieden! – Wenn der Zar ein Übles An ihnen tat, hast du es zu verbessern? Wird's dir zu Last gestellt? Warst du ihr Vogt? Sie konnten sich verteid'gen; fielen sie, Was gilt das uns? Die Mauern eurer Städte Bestehn, wenn auch ihr Wappen brach. Allein Der Sohn, der Großfürst, der geborne König Mit dem ist's anders. Der gehört uns, der Ist unsres Friedens Bürge. Bruderteilung, Zersplitternd Erbgesetz war Rußlands Fluch; Wer zählt die Fürstentümer, all die Fetzen Von Ruriks Mantel? – Lest's, wenn ihr's vor Tränen Vermögt, in meinen Pergamenten, wie Das große Reich zerfiel, wie sich die Vettern Gemordet! Unordnung allüberall! Und dies schandbare Wirrsal wegzutilgen, Vertrugen unsre Väter sich im Kloster Ipatzk, und legten's in die eine Hand, Daß nun von Sohn zu Sohn geruh'ger Herrschaft Bestimmte Sonn' uns leuchte. – Ihn vermachten Die Männer uns von Sechszehnhundertdreizehn, Heilig ist dieses Eigentum, der Pakt Knüpft uns an ihn. Gib mir das Buch. Nimm's hin. Es ist der Anker des gemeinen Wesens; Am Herzen trag's, leg's unter deinen Hauptpfühl, Streckt seine Hand ein Räuber danach, gib Das Leben ihm, doch nicht das Buch! Ich liefr' es Euch unverletzt zurück. Ich kann's nicht geben! Hab's sechzig Jahr' hindurch bewahrt; ich stand Dabei, wenn es besehen ward, es hat Kein fremder Finger daran rühren dürfen. Wär' es mir aus den Augen, ich verging' Vor Unruh. Ich will mit euch. Ei, mein Greis Bedenk, die Reis' ist schwer. Ihr macht sie leicht. Ihr habt gewiß ein Rößlein für den Alten, Ein frommes Tier; bequemen Sattel habt ihr Legt auch, das weiß ich schon, dem Graukopf gern Zu nächt'ger Rast die wärmste Decke hin, Und schafft ihm seine Nahrung. Ein Bote tritt auf. Auf! Stadthäupter! Spornt eure Rosse, daß sie windschnell fliegen! Unbill ist rasch, laßt Tugend rascher sein; Vom Norden spreng' ich her, sie zimmerten Dem Zarewitsch die Schranken. Wehe über Die Richter, ihre Kinder, ihre Enkel Bis in das vierte Glied! Sie soll'n verdorr'n An Ehre, Gut und Leib! Weh über sie! Auf, Rußlands Söhne! Eile kürzt die Straße! Da bricht die Sonne siegreich durch den Duft. Bei ihrem Licht! Ich habe guten Mut, Zu retten unser junges Fürstenblut, Wir fechten ja in einer festen Burg, Kommt, Ruriks Kinder, kommt nach Petersburg! Sie gehn. 3. Szene Dritte Szene St. Petersburg. Audienzsaal. Zar Peter auf dem Throne. Jaguschinsky. Menzikof. Ostermann. Schaphirow. Tolstoi. Theophanes. Viele Generale und Senatoren. Gordon im Hintergrunde. Ins Reich zurückgelangt, bedachten wir Zuerst, die Ruhe heimzuführen, welche Böswillig eine gottverhaßte Rotte Aus ihrem stillen Sitz gescheucht. Wohl war Hier Festigkeit vonnöten. Trifft das Feu'r Auf Stein und Eisen, ist's von selbst gedämpft; Wer aber hemmt die Flamme, faßt sie Zunder? Noch voll des Zunders war das Land. Dies hielt Fern unser Aug' bisher von andern Dingen, Wodurch wir, will es Gott, das Volk der Russen Aus seiner Nacht zu dem glorreichen Tag Hinanzuleiten streben, den wir ahnend In unsrer Seele schaun. Von Osten ging Das Licht aus, so die Welt erleuchtete, Und wanderte gen Abend bis zum Fels Des Herkules. Der Ratschluß aber ist, Daß es, zurückekehrend, ewig weile Bei uns im Ost. Ich hab' den Schluß erkannt, Und will der Mann sein, ihn ins Werk zu richten. Ihr Diener meines Willens, meldet mir, Was ihr getan. tritt mit einem Hefte vor. Ich hab' den Wald gelichtet Für deine schöne Pflanzung. Kein Gedeihn, Wo Aberglaub' und Priesterherrschaft dunkeln. Ich sag' es, selbst ein Priester. Überall Fand ich die Städte blühnd, die Menschen fleißig, Wo fromme Könige dem Volk gewährt, Soviel des Glaubens dienen mag dem Volk. Des Landes Herr sei auch der Kirche Herr, Ejus religio, cujus regio! Es ordn' ein heiliger Synod das Heil'ge, Sei du des heiligen Synodes Haupt. Zu Füßen leg' ich Eurer Majestät Der neuen Einrichtung Plan und Entwurf. Er legt das Heft auf die Stufen des Throns. Bischof von Pleskow! So sei Gott mir gnädig, Als ich ihn ehr' und fürchte. Mein Gewissen Erlaubt mir zu empfangen, was Ihr bietet. Ich rief es heftig einst, nun sag' ich's sanft: Hier habt Ihr Euren Patriarchen! tritt mit einem Buche vor. Das erste Gut des Menschen ist sein Recht. Es weiht das Irdisch-Flücht'ge zum Bestand, Und wer's dem Menschen rasch gibt, gibt es doppelt. Mit einem Seitenblicke auf Tolstoi. Obgleich denn mancher meint, es büß' etwas Von seiner Würde ein, wenn es nicht schleiche. – Erhabner Zar, gerechtester Monarch, Wirf einen gnäd'gen Blick auf dies Gesetzbuch, Das deinen Russen künftig weisen wird, Was Rechtens, bündig, klar und kurz. Er legt das Buch auf die Stufen des Throns. So lieb' ich's. tritt mit einer Zeichnung vor. Rußland führt unter einem Haupt zwei Leiber. Durch Asien streckt der eine sich, der andre Bedeckt Europa. In jedwedem Leib Strömt eine Ader: Don und Wolga. Beide Sind jetzt verbunden. Von dem Europäer Rollt brüderlich das Blut zur Asiatin. Schau' es im Bild. Er legt die Zeichnung auf die Stufen des Throns. Du bist ein tücht'ger Werkmann. tritt mit einer Zeichnung vor. Ich kann nicht flüssig asiatisch reden. Mein Zar, ich bleibe lieber auf dem Trocknen Zu ebner Erde. Dort hab' ich gebaut Die Straße von St. Petersburg nach Asow. Sieh's abgerissen hier. Er legt die Zeichnung auf die Stufen des Throns. Ich mag in Worten Den Scherz, wenn man, wie du, den Ernst betätigt. Doch was bringt Ostermann? tritt mit einem Dokumente vor. Die Frucht des Glücks, Des Zufalls, der Gelegenheit, der Waffen, Nicht meines geringen Verdienstes. Herr, den Frieden! Auf Insel Aland haben Der Baron Görtz und ich die Punkt' entworfen. Er eilte nach Stockholm. Nicht zaudern wird Ulrik' Eleonore. Nach des Königs Unvorgesehnem Hintritt ist das Land Geteilt, bestürzt, verworren. Gerne gibt Die Hälfte sie, den Rest zu retten. Er entfaltet das Dokument. Wiborg, Kexholm, Karelien, Livland, Ingermanland, Estland samt Reval werden unser. – Reservaten Hab' ich hinzugefügt, woraus noch mehr Ansprüche bei gelegner Zeit zu folgern. Was alles klärlich steht im Instrument, So ich zu höchster Bill'gung niederlege. Er will das Dokument auf die Stufen des Throns legen. Nicht dahin, Ostermann! In meine Hand! Er nimmt es. So halt' ich's denn! Was wir mit Blut gekauft, Ist endlich nun urkundlich unser. Endlich Steh' ich auf meinem Grund und Boden hier! Nach zwanzig heißen Jahren! Wieviel Leichen Sind in ihr Grab gelegt, damit dies Blatt Beschrieben werden konnte! – Ostermann, Senk nicht den Blick zu Boden, wie du pflegst, Sieh frei empor zu deinem Zar. Du darfst es. Du hast die Bürgerkrone dir verdient. Graf Ostermann, der erste dieses Namens, Wir sind mit Euch zufrieden. Gern gestehn wir, Wir hätten's nicht so gut zustand gebracht. Ihr seid auf dem Papier ein bessrer Feldherr, Als Admiral Peter. Er steht auf. Zu Theophanes, Jaguschinsky, Menzikof, Schaphirow. Nehmt die Sachen auf. Sie nehmen das Niedergelegte von den Stufen des Throns. Der Zar kommt vom Thron herab. Euch allen danken wir. Es ist doch anders Bei uns geworden. Asiens Stoffe bringt Auf deiner ebnen Straße, Schaphirow, Uns das Kamel der Bucharei. Das Schiff Fährt, Menzikof, auf Fluten, die du lehrtest Zu unsrem Vorteil strömen. Neu Gesetz Schirmt, Jaguschinsky, unser neues Volk. Der Schwärmer dumpfes Brüten tilgtest du, Theophanes. Und Ostermann schuf Frieden, Daß wir das alles auch genießen mögen. Nach menschlichem Begriff steht's wohl um uns! Man soll von jenen sieben Wundern nicht In meiner Gegenwart mehr reden, denn Es gibt kein Wunder. Nicht ohn' euch wär' mir's Gelungen. In dem schlichten Wort empfangt Des Zaren Herz. Nicht Zar mehr! Großer Herr: Volk, Heer, Senat flehen zu dir durch mich, Du wollst, weil du erneu'st der Römer Weltreich, Ein Kaiser sein, Selbstherrscher aller Reußen, Vater des Vaterlands dich grüßen lassen. Heil Kaiser Petern! Heil dem Selbstherrscher aller Reußen! Des Vaterlandes Vater lebe hoch! Vater des Vaterlands! – Ein schöner Name, Der Vatername! Dank noch einmal, Freunde! Ihr seid entlassen. Tolstoi! Alle bis auf den Zar und Tolstoi ab. 4. Szene Vierte Szene Zar Peter. Tolstoi. Du schwiegst. Hast du mir nichts zu melden? Nichts, o Herr, Was neben Gaben, die dir andre brachten, Sich nennen ließe. Unser eng Geschäft Fließt, wie der Bach, in unberühmten Ufern, Derweilen frei're Tätigkeit, gleich Strömen Dahinrauscht, und den Mann verklärt. Daß wir In unsren Grenzen bleiben, ist, was man Von uns verlangt. Man malt nicht ohne Grund Die Themis blind und sitzend. Ja, sie darf Die Schönheit dieser Welt nicht sehn. Sie muß Inmitten der unendlichen Bewegung Starr auf dem Flecke bleiben. Wie weit seid Ihr? Auf morgen steht die Sache zur Verhandlung. Es sind doch alle einberufen, die Ich dir genannt? Wie du befohlen hast. Ganz Neu-Rußland wird in dem Hofe sitzen. Auch Ostermann? Sobald der Graf ans Land Gestiegen war, empfing er dein Patent. Ich will, daß niemand fehle, dessen Name Erklang in diesen letzten zwanzig Jahren, Nicht einmal Menzikof; des Beispiels halber. – Ist dir verstattet? ... Es ist nicht geboten, Daß öffentlich Gericht verheimlicht werde. – Nach einer Pause. Der Zarewitsch ist schuldlos. lebhaft. Wirklich? lauernd. Ist's. – Verhör und Zeugen, Gegenzeugen, alles Beweist, daß die Bojaren ihn zum Werkzeug Gebrauchen wollten, daß ein hoher Sinn Die Wahrheit ihn gelehrt, und daß er rein In jenem Labyrinthe blieb. Er denkt Von dir verschieden. Dafür fehlt die Strafe. In unserem Gebiet büßt nur die Tat. Unschuldig ist der Prinz. Auf deinen Zorn Wag' ich's, zu wiederholen. finster. Wer gibt Euch Die Leucht' in meine Brust? Ew. Majestät, Wir sind in schlimmer Lage. Dein Gericht Hat nur die Wahl: zu morden, oder aber Geschehn zu lassen, daß das Vaterland Mit Blut und Wunden seinen Spruch verklage. Wieso? Du sprachst von ausgelöschtem Feu'r. Nein, Ew. Majestät vergeb', die Flamme Ward erst entzündet in Bojarenblut. Das Volk, emporgerüttelt, schwärmt für die, Die's lebend nicht zu schützen wagte. Freunde Und Vettern, Söhne, Brüder schüren zu. Um Fetzen schlägt man sich von ihren Kleidern, Vor ihren Bildern brennen Lichter sie, Als wären's Heilige gewesen. Wahn Bestärkt die Bosheit; einen Namen hätt' ich Zu nennen, der dir bitter-schmerzlich ist. Der Seher starb, die Seherin erstand. Sie sprüht aus ihrem Dunkel Weissagungen, Vernichtungsträume übers Reich. Das Volk Glaubt, tröstet sich, befestigt sich im Starrsinn. Zwei Geister gehen um: Der Haß, die Liebe. Die Liebe ruft mit letzter Kraft: »Alexis!« Und wen der Haß ruft, brauch' ich nicht zu sagen. Nur weiter. Selbst der Angeklagte birgt Uns seinen Ingrimm nicht. Die Folg' aus allem? Schon trieb man mich, drang in mich, schalt auf mich, Weil auch in dieser Sach' mit des Gesetzes Ernstem gemeßnem Gang ich Schritt gehalten; Bedachtsam war ich, und ich schien verdächtig. Es ist die Eigenheit des Menschen, daß er Sich leicht für unentbehrlich hält. Sein Unglück Muß gleich dem Staat ein Mißgeschick bedeuten; Und um von dem den großen Schlag zu wenden, Hilft man sich selbst vorerst, gut oder übel. Anklagen ist des Jaguschinsky Pflicht, Des Legislators! Nicht die meine. Doch Nach dem, was ich gehört, aus Winken schloß, Mein' ich, es gibt ein seltsames Gericht; Und alles eher, als die Schuld des Prinzen, Wird morgen uns beschäft'gen. Das sagt Tolstoi? Ich bin erstorben für den Braus der Welt. Fiat Justitia et pereat mundus! Ich werde dies Symbol vertreten. Aber Mein Amt erheischt, umfassend zu berichten. Gern wend' ich Schaden ab, vermag ich das; Ich fürcht' auf jede Weise schlimmen Ausgang. Denn siegst du nicht, o Herr, in dem Prozeß, So unterliegst du nicht bloß in den Kosten, Was weiteren Beweises kaum bedarf. Und deshalb bitt' ich dich, nimm diesen Handel Aus meiner Hand zurück. Entscheide du! Noch ist es Zeit. Zu hoch für Untertanen Ist Herrschers Streit mit Herrschers Erben. Erben? Er hehlt es nicht, daß – Eure Majestät Verzeihe mir das freie Wort – der Zwang Niemand verbinden könne, daß, gedrungen Von Eurer Drohung, er verzichtet habe, Und daß der Anspruch auf die Krone nie Für den verjähre, der ihn einst besaß. Wie? Spricht er so? Ist dies nicht Todes wert? Tolstoi Nein, Eure Majestät, es ist 'ne Meinung. Welch' Ihr zu teilen scheint! – Nach einer Pause. Im übrigen Mag ich dir wohl vertraun, sinkt er darum Bei mir nicht tiefer. Einmal, nur einmal War er mir ganz zuwider. Wenn du sagst, Es sei gewesen, als er aufgab, was Mikaila Romanow vom Volk empfing, Trafst du vielleicht das Richtige. – Es gibt Verschiedne Wege, die zur Achtung führen In meinem Herzen. Steht's denn zwischen Vater, Sohn, So löse der Vater diese Frage. Heut Bist du nicht glücklich, Tolstoi! Im Rat Findst du ja sonst so ziemlich dich zurecht. Er wollt's! Ich hab's verstattet, weil dem Arzte Zu folgen ich entschlossen bin. Der sucht Für eigne Schäden nicht bei sich die Mittel. Nein er, der Tausenden geholfen, heischt sie Von einem zweiten selber sich. Dies ist Ein Schaden, nächst am Herzen mir; darum Berief ich Euch zur Heilung. Nun bewährt Euch. Ihr, Tolstoi, müßt die flücht'gern Geister leiten, Denn Ihr seid kalt und unerschütterlich. Denkt hoch von Eurem Amt! Schöpft Ihr das Urteil, Das ohne Ansehn der Person, nicht achtend Auf die Gewalt der Majestät, die Luft Des Volks, von lautrer Überzeugung blinkt, Dann, Tolstoi, erfochtet Ihr den Sieg, Nicht kleiner, als die andern, so der Schwede, Und die Natur uns lassen mußten. Bin Ich wahrhaft unbeschränkt? Dein Stab erteile Die Antwort dir. Du fragst nur, um zu fragen. Ihr sollt hier handeln, als gelt' es die Sache Des ärmsten Bürgers. Sterb' er, wenn er muß, Und sprecht den Prinzen frei, sofern Ihr dürft. Ihr seid die Herrn und Meister Eures Saals. Vergeßt, ich will's ausdrücklich, daß ein Zar, Der Peter heißt, regiere. Denkt Ihr meiner, So denkt an mich als den, der vom Hochbootsmann Sich bis zum Admiral emporgedient. Er geht. 5. Szene Fünfte Szene allein. Es könnte kommen, daß ich des gedächte! – Dies Großmannstun muß auch sein Lehrgeld zahlen, Es war mir lang' schon widrig. Gleich sei alles! Nun, was ich heute mit dir vorgehabt, Gelang ja schon. Ich habe dich erforscht, Und deine schwache Seite zubereitet. Da wir vor deiner Gnade sicher sind, Ist dem Alexis seine Gruft gehöhlt. Zwar ich entdeckte nichts. Nichts? Ist er doch Ein Mensch! Und unser Menzikof spürt wacker. In vierundzwanzig Stunden haben wir So eine Art von Schuld. Ich weiß das schon; Ich fühl' es in der Luft und an der Witt'rung. Warum denn haß' ich ihn? Er tat mir ja Nie was zuleide. – Ei, er ist ein Mensch! Gibt's einen Titel, welcher dringender Auf zur Vertilgung forderte? Es soll Nichts leben, was mir in die Hände fällt, Denn nichts ist lebenswert. – Die Erde ist Ein abgeschmackter Haufen Staub, der Himmel Lügt sein gehaltlos Nichts zur Saphirdecke, Und nur der Tod ist wirklich. – Nein, auch der nicht! Er ist nur wieder Leben andrer Art. Aus welchem irgend haltbar'n Argument Schleppt sich nun wohl so'n Dasein, wie das meine, Durch Dinte, Moder, Wust und Pergament? Ohn' Weib, ohn' Kind, ohn' Freund, ohn' Lust, ohn' Aussicht? Von Geistern sagen sie, die gierig sind Nach Blut. Dann wärmt ein kurzes, falsches Feuer Die öden Schemen aus. Das ist kein Märchen! Doch will ich's suchen nicht mit Dolch noch Klinge, Nein aus Gesetzen wirk' ich dir die Schlinge. Er geht. 2. Akt 1. Szene Erste Szene Ein Saal Katharinens. Anna Cramer. Therese Mons de la Croix. Beide mit Stickerei beschäftigt. Wie spät, Anna? Eilf Uhr. Die Zarin schläft lange. Wer den Hahnenschrei im Bett hört, vernimmt die Mettenglocke nicht. Hat sie wieder so lange gewacht? Ich hörte sie leise weinen bis nach Mitternacht. Dann schlummerte ich ein, und erwachte wieder von ihrem Rufen. Sie stöhnte im Schlaf. Die Lampe warf einen schrägen Schein. Ihr Antlitz hatte einen sonderbaren Ausdruck. Die Frau! Sie kann es nicht verwinden, daß der Zar ihr zürnt und sie meidet. Meinst du? Und davon träumte sie. Davon? Wovon sonst? Sie dauerte mich. Ich trat zu ihr, und berührte ihre Hand, sie zu wecken. Sie ergriff die meinige und lispelte: Bist du's? O wenn du mir nur bleibst! Da meinte sie den Zaren. Wirklich? Und glaubte, er habe die Moskauer Geschichte vergessen, und den Vorfall auf dem Schiffe, und kehre versöhnt zu ihr zurück. Bei der Nacht? Nun ja, im Traume. – Wie kannst du so etwas denken? ... Was? Laß mich. Ich muß die Stiche zählen. Therese! Anna? Sieh mich an. Ich kann nicht. Die Rose macht mir zu schaffen. Eine glühende Rose. Ihr Widerschein liegt auf deinen Wangen. Nehmt euch in acht. In acht nehmen? Wer? Du und dein Bruder. Du wirst unerträglich. Wie jede aufrichtige Freundin. Ihr seid Franzosen. Ihr hüpft und hüpft wie die Vögel immer näher der Falle, bis sie über euch zusammenschlägt. Was tun wir denn? Verachte nur meine Warnungen. Das ist kein Boden, auf dem muntre Händel gedeihn. Ich bin ein paar Jahre länger an diesem Hofe als du. In diesen Gemächern ist manch ein Seufzer, manch ein Schrei der Verzweiflung erschollen. Wenn die Tapeten reden könnten! Arme Hamilton! springt auf. Leichenseherin! Es ist nicht zum Aushalten. Draußen nichts als Staatsgespräche, oder das Lallen des Rausches, hier hocken wir, wie die Mumien in den Pyramiden. Und wird einmal etwas laut, ist's so ein Eulengesang. Ich wollte, ich wär' wieder in unsrem kleinen Hause, da litten wir knappe Not, aber wir lachten und scherzten. Sie geht zu Annen und liebkost ihr. Was soll ich tun, dich zu begütigen? Soll ich schwören, soll ich mich vermessen? Herz! Geliebte! Murrkopf! Bei allen Liedern der Gascogne; wir sind unschuldig, der Bruder und ich! Das glaub' ich gern. Als ob man hier schuldig sein müßte, um unglücklich werden zu können. 2. Szene Zweite Szene Katharina blaß und verweint. Die Vorigen. Guten Morgen, Mädchen! Die Fräulein küssen ihr die Hand. Sie streichelt Theresens Wange. Wie das leichte Rot Auf diesen Wangen scherzt und spielt! Das Blut Der reinen Jugend kommt, und grüßt den Tag, Indes ein schuldiges Gemüt ums Herz Der kranken Purpur wogen Flut versammelt, Dem Licht sie zu entziehn. – War niemand hier? Nein, gnäd'ge Frau. Dein Bruder auch nicht? Nein. Niemand! Niemand, Eur' Majestät. Nennt mich Nicht Majestät! Die Majestät verkündet Der Schwarm, die Anbetung. Die Königswürde Hört auf in Wüsten. Nennt mich Martha, wie ... St! Habt dies nicht gehört! O, ich schlief schlecht! ... Matuschka, soll ich dir ein Liedchen singen? Wird mich dein Liedchen heiter machen, Kind? Musik erhöht die Freude, schärft den Schmerz; Ein Dämon, mächt'ger als des Menschen Geist, Lau'rt in den Tönen. – Laßt uns sticken, Mädchen. Anna bringt ihr eine Arbeit. Sie setzt sich. Wir wollen Blumen schaffen mit der Nadel, Indes das Herz von Dornen starrt. Man sieht So einem Werk von Frauenhand nicht an, Wie viele Tränen, Seufzer, Bangigkeiten Hineingefädelt wurden. – Plaudert, Mädchen! Denkt, ich wär' eure Mutter, und wir stickten Ums liebe Brot. Vertreibt mit Stadtgeschichten Der Mutter ihre Zeit! 3. Szene Dritte Szene Mons de la Croix. Die Vorigen. Verzeihung, Höchste Frau, dem Lässigen! Ich hab' im Dienst gefehlt. Die trägen Gärtner Sind schuld an dem Verzug. Die Gärtner, Mons? Du liebst den Hügel an der Newa Bord, Der auf die Wiesen schaut, das Birkenwäldchen, Und auf dein Schweizerdorf. In duft'ger Ferne Blaut der Ladoga. Aber kahl und steinicht, War er nicht würdig, meiner Fürstin Fuß Auf seinem Haupt zu tragen. Jetzo wirst Du grün und blumig diesen Hügel finden, Beschattet von Platanen. Ein Kiosk Beut dir sein Sälchen, drin zu ruhn, beliebte Dir ein Spaziergang nach der Wiesen-Aussicht. So woll'n wir dies Geschäft denn gleich beend'gen. Mons stutzt. Anna lächelt. Therese sieht den Bruder fragend an. Katharina zu den Damen. Ich hab' zu rechnen mit dem Kammerherrn. Die Fräulein ab. 4. Szene Vierte Szene Katharina. Mons de la Croix. Mons! Mons! Bist du erzürnt? Ihr seid zu kühn! Weil ich ein Gartenplätzchen dir geschaffen? Unschuld liebt, das Geschick herauszufordern, Ist keck und spielt mit Messern. Wär' es möglich, Daraus Verdacht ... Verdacht!? – Kalt und streng. Herr von Croix, Was kostet die Anlag' auf dem Hügel, die Durch Euch ich machen ließ? Ihr? Sie? Durch mich? Besinnt Euch, zieht's zusammen. Vor dem Hofstaat Werd' ich die Rechnung fordern. Mons steht betreten. Ihr, ein Jüngling, Gewandt und zierlich, fein und ... liebenswert, Und kennt gewisse Anfangsgründe nicht? – Genug von jenem Blumenstück! – Erzählt mir, Erzählt mir etwas! Baut man Schiffe? Lästern Sie viel auf meine Rechnung? Sprich doch, Karl! Wieg' mich mit Märchen ein! Ach immer Märchen, Eins bunter, als das andre; bis man schliefe Von Arabesken überlaubt ... Das wäre – Ja, das wär' Seligkeit! Wie seid Ihr nur? Wie seid Ihr heute grad? Ihr steht so stumm, So kalt, so teilnahmlos mir gegenüber. Gereut's Euch, hier zu sein? O daß ich alle, Die sich mir nahn, unglücklich machen muß! Geht, lieber Mons, gebt dem Zeremonienmeister Ein gutes Wort, laßt Euch ablösen. Fügsam Ertrugt Ihr lang genug den Seelenkrampf, Die Seufzer der verfallnen Katharina, In diesen düstern Wänden! Düster sind sie, Wenn deine Strahlen im Getümmel hier Der Schranzen sich verlieren! Mons begehrt Nur dich zu sehn, und haßt, was zwischen deine Und seine Blicke tritt. Ein fühlend Herz Sucht die Gesellschaft nicht in der Gesellschaft. Lang dient' ich dir, und meine Eitelkeit Empfing von dir das Zeichen mancher Gunst, Ich zierte mich damit, ich zeigt' es jedem; Kalt sah mein muntres Aug' zu dir empor. Doch an dem Tag, da ich dich fand, gekränkt, Vom Schlag, der dich getroffen, überwunden, Das schöne Haupt, das sonst so stolz geblickt, Gleich einer kranken Blume niedersenkend, Seit diesem Tag ... bin ich nicht eitel mehr, Und deine Gaben hab' ich all' verborgen! So muß man elend sein, Euch zu gefallen! Zerbrochen sein, daß Ihr Euch ganz empfindet, So wollt Ihr Eure Kraft in unsrer Schwäche Bespiegeln nur! Liegt nicht der Sonne Gold Am reizendsten auf Wolken? Glüht die Rose Je herrlicher, als wenn der Tau sie säumt? Ist Liebe nicht ein tiefes, stilles Mitleid, Ein zartes Grämen, lächelndes Erbarmen? Wird mich die Königin bestrafen, daß Ein leidend Weib mich inn'ger rührt', als sie? Die Königin wird gnädig sein, sie ist Nicht neidisch auf das leiderfüllte Weib. – Wie lindernd weht der Hauch der Huldigung Um Wunden, die ein rohes Schwert gerissen! Wir wähnen uns geheilt, und alles Glück Ist ja ein Wahn! O sah' ich dich geheilt, Geheilt in Wahrheit! Wer darf fröhlich sein, Bist du es nicht ... Fröhlich! – Das Wort klingt mir Aus weiter Ferne zu. So fällt verschallend Des Hochzeitreigens letzter, schwächster Ton In den entlegnen Kerker des Gefangnen. Dich trösten möcht' ich ... ach, du ahnest nicht, Was dieser Trost mich kostet! All mein Glück Entblühte diesen Schmerzen ... bald, ja bald Wird Mons vergessen sein! Doch sei's gesagt: Ist's möglich, daß des Herren Laune, kurz, Wie sie zu währen pflegt, den starken Geist, Das edle Herz so beugen kann? Und wenn Nun dieser Geist, dies Herz in finstern Tagen Gesucht sich hätten, und gefunden nichts Als eine große Leere? Mons! Vor dir Möcht' ich mich nicht beschuldigen ... Vertrau mir! Die Einsamkeit ist eine grause Göttin, Wenn alles um uns schweigt, schweigt auch die Täuschung. Und wirklich ist man oft, was man vor andern Zu scheinen sich bestrebte! – Laß das, Mons! Du bist so reich ... An Einbildungen reich, An Kräften arm! Ich bin des Schicksals Spielball, Ein Lamm in eines Geiers Fängen! Scherze Mit großen Dingen in Gedanken, bin Den Dingen selbst ein Scherz! Ach Mons, ich bin Ein ganz gewöhnliches, hülfloses Weib, Zu lieben fähig, hätt's mein Stern gewollt – Doch so? Was bin ich nun? Torheit im Prunk, Erhabne Posse, buntgeschminkte Angst, Bin die gekrönte Sklavin des Tyrannen! 5. Szene Fünfte Szene Therese tritt eilig auf. Die Vorigen. Später Zar Peter. Ach! Eure Majestät ... Die Überraschung ... Was hast du? Nun? Wie bin ich denn? Was ist's! Der Zar wird Euch besuchen. Mich? Der Zar? Kommt Tolstoi gleich mit? Nein, er ist mild. So bin ich überflüssig! Mons! Da ist Der Zar! Zar Peter tritt ein. zu Theresen. Du wildes Reh! Muß ich dir folgen Bis in das Zimmer? Wann, mein Fräulein Mons, Erhalt' ich die versprochne Stickerei? Behandelt Ihr die Freier, wie den Zar, Wird man Euch tadeln, Fräulein. verlegen, auf Katharinen deutend. Herr ... Die Zarin ... Ah sieh, Katharina! Wohnst du jetzo hier? Mons! Welch Gesicht? Was sucht Ihr dort am Boden? Verlort Ihr etwas? Ich war immer hier. Du? Wer? Therese? Hier? Wer fragt danach? Du hier! Du warst nicht hier. Der Bruder kam Soeben erst zu Ihrer Majestät. Dann müßt' er vor mir hergegangen sein. Er betrachtet die Anwesenden mit zweifelhaften Blicken. zu Therese und Mons. Geht! Therese und Mons ab. 6. Szene Sechste Szene Zar Peter. Katharina. Nun Katharina ...? Was befehlt Ihr, Herr? Ich wünschte, deine Zunge spräch' ein Wort – Ihr habt dergleichen Wort' in Eurem Munde ... Das diese Schatten niedersänge! Schatten? Siehst du sie nicht? Wie lautete der Fluch Der sterbenden Bojaren? Nein, so weit, So weit wird's doch nicht kommen! Welches Wort Verlangt der Herr von seiner Dienerin? Wenn ich dir's sage, wird's bei dir zur Kunst; Ihr selber müßtet's finden, Katharina. Das war ein wunderlich Gerede, Frau, Womit ich hier empfangen ward. Was soll Ich davon denken? entschlossen. Alles, wenn Ihr wollt. Was nennt Ihr alles? Denkt, daß ich Euch trüge, Therese die gedungne Hehl'rin sei, Und daß die armen Seelen, die vor Angst Nicht wissen, was sie reden, sehn sie Euch Mit flammendem Gesicht, im Schuldgefühl Verworrnes Zeug dahergestammelt! Denkt das! Malt Euch ein üppig Bild von dem, was Ihr Nicht saht! Es tön' in Euer horchend Ohr Ein lüsternes Geflüster! Tötet mich! Werft Monsens Leich' und seiner Schwester Leiche Auf meinen toten Leichnam! Wart; ich will dich reizen, daß du's bald tust, daß wir bald Vereint im Grabe ruhn! Wie sollt' er mir Nicht mehr gefall'n, als du? Wer seid Ihr beide? Maitag ist er, du bist Novembernacht; Er opfert mir sein Leben, du verlangst Von mir das Opfer meines Daseins; zwar Bist du ein großes Haupt ... Wir aber woll'n Das Spielzeug in der Liebe. Deine Taten Was sind sie einem Weib? reicht ihr die Hand. Du hast's getroffen. Der Zar von Rußland, und die Eifersucht Von einem Hausmann! Nein, dazu wart Ihr Zu ernst und wichtig, meine Tage, daß Ihr schlösset mit 'ner Geckenlaune. – Pfui! Ein böser Geist lau'rt unsrer Freude auf, Ich kam in Fröhlichkeit zu dir, mich trieb's. Allein, wie Herkules Arbeiten soll ich nur, und nicht genießen. Ei, weg damit! Setzt Euch, Frau Katharina. Katharina setzt sich mit Zeichen des Widerstrebens zu ihrer Arbeit. Der Zar setzt sich zu ihr. Der Vormittag darf nicht verdorben sein. Weißt du es schon? Ich bring 'ne Neuigkeit. Sie machten mich zum Kaiser. – Gelt, ich hab' Mich in die Höh' gedient! Vom Schiffs-Capitain Zum Kaiser, geht schon an. Siehst, das hab' ich voraus Vor meinen Herren Brüdern in Europa: Sie gehören nur zum Zepter, und zu mir Gehört der Zepter. Nicht? Drei neue Kronen Hat Ostermann zu Füßen mir gelegt; Wir werden Frieden mit dem Schweden haben. Was ich gewollt, wonach ich rang, erfüllten Dein Menzikof und meine Diener mir Am heut'gen Tag. Es sind doch tücht'ge Männer, Nun, Gott erhalt' sie mir! So war der Morgen Gleich einem Wiegenfeste. Die Bescherung Wollt' ich dir zeigen, meine Katharina. Heil allem, was Ew. Majestät beginnt! Du sprichst ja feierlich, wie ein Minister. Da ist noch was im Hinterhalt. Wo steckt's? Er hebt ihr Angesicht auf. Vergaß der Mund, wie oft er mich geküßt? Oh, das Vergessen lassen wir den Männern. So herb! Vergaß ich dich? Auf Eurem Schiff Habt Ihr nicht sanft mit mir gekost. Seitdem Sah ich Euch nicht. Seitdem hätt' ich dich nicht Gesehn? Ihr wart gewiß so sehr beschäftigt. Das war ich; ja. Ei, hat dich das gekränkt? Du dachtest wohl, ich zürne dir? Nein, Liebe, Ich mußte nur des Beispiels wegen dröhn. Dies stete, gegenseitige Vertreten Von dir und Menzikof, es darf nicht sein. Es schmeckt nach 'ner Faktion, zeugt falschen Einfluß! Doch zürnt' ich nicht im mindsten dir. Natürlich. Für deinen Zorn bin ich zu unbedeutend! Du sollst nur wieder heiter sein! Ich geh' nicht, Bis du gelächelt hast. Was? Unerbittlich? Geruh' Ew. Kaiserliche Majestät Von einer Stunde, allergnädiglichst Dem rauhen Seemann zu vergeben. Herr! Neu-Rußland macht die alte Fabel jung. Wie Herkules bei Omphalen gesessen, Sitz' ich bei dir. Nicht wahr, wir beide haben Zusammen was erlebt? Zu Land, zu Wasser, Siegreich und auf der Flucht, in Hütten, Wäldern, Du meine immer treuliche Gefährtin! O Ihr könnt wunderstark sein, wollt Ihr's sein. Noch faß' ich's nicht, wie dir der Mut gekommen Damals am Pruth. Das war 'ne böse Nacht. Ja, was ich sagen wollte. Dieser Mons, Ich selbst – nicht wahr? – gab dir den Kammerherrn? Hätt' ich ihn sonst? Bist du mit ihm zufrieden? Er ist bescheiden und gewandt. Die Bösen! Daß keine Güte unverleumdet bleibt! – Doch freilich, wer, wie wir, auf Gipfeln steht, Muß denken, daß der Arglist gift'ger Pfeil Am liebsten nach den höchsten Zielen fliegt. Die Hoheit ist ein prächt'ger Schein. Drum soll'n Des Scheines Träger seinen Zauber achten. Wie sagte jener Cäsar? Nehmt mir Mons! Bald, heute, gleich! Laßt ihn im Heere dienen. Sorgst du so zärtlich für den Ruhm des Jünglings? Nein, er bleibt bei dir, denn ich bin kein Tor. Nur Vorsicht sollt Ihr üben. steht auf. Mein Gemahl, In Euch ist eine furchtbarliche Regung! Wild flattert Eu'r Gespräch, der Fahne gleich, Die, heftig umgeschwungen, Krieg bedeutet. Ich seh' Euch an, Ihr habt noch nicht gesagt, Was Ihr mir sagen wolltet. Schüttet's aus! Verderbe mich Eu'r Grimm! Laßt nicht die Angst Hinzehren mich. Ich hab' noch nicht gesagt, Was ich dir sagen wollte! Recht bemerkt. Und wie der Mensch im Krampfe sich vergreift, Greif ich nach Worten gegen meinen Sinn, Und da ich weinen möchte, bin ich rauh. Du bist die einz'ge, der ich's könnt' entdecken, Du hast ihn nie verfolgt ... Und doch ... Ich will Nicht schwach, nicht kindisch sein. Ihn? Wen? Wovon ... Von wem sprecht Ihr? Sie haben ihm nichts an! Wer? Wem? Die Richter meinem Sohn! Er ist Unschuldig?! mit ausbrechender Freude. Ja! Er ist's! Er ist's! Er bleibt Am Leben? Bleibt's! Bleibt mir! – Zum erstenmal Gebar ihn mir die Mutter unter Jubel Und Freudenschrei des Volks. Zum zweitenmal Gebiert der Kerker schweigend mir den Sohn! In solcher Regung Euch zu sehn ... Ich glaub's! Ich bin Euch nur das Schreckbild ohne Herz, Eisern-zermalmend das Lebendige. Du hast mich anders doch erblickt Kath'rina. Ich bin kein Brutus. Diese gräßliche Verwicklung, Wie sie mir nah und näher kam! Leicht hin Spricht man ein schweres Wort, und in der Hast Wird es auch ohne Reue ausgeführt. Doch wenn die Zeit sich zwischen den Entschluß Und die Vollziehung schiebt, dann hilft kein Schall, Dann fällt der Dinge ungeheure Last In unsre Brust. – Mein Kind! Mein eignes Kind! Nicht rasch ... im Zorn ... Nein, langsam, quälerisch! Der Strom aus meinen Adern, ausgelöscht Im Sand des Richtbergs! Warum Söhne zeugen, Wenn wir sie töten wollen? – Vor acht Tagen Hatt' ich 'nen grausen Traum. Ich stand bei Nacht Allein auf wüster Heide. Und mir deuchte, Ich wär' allein noch übrig auf der Welt, Und alles war gestorben. Dunkelrot Stieg über einem Hügel auf der Mond. Ich fühlte einen Durst, desgleichen ich Noch nie empfunden, und mein Eingeweide War trocken, wie verbrannte Asche. Plötzlich Hört' ich ein Bächlein rinnen. Und es klang Wie ein Gewinsel. Doch ich ging zum Bord, Und bückte mich zum Trinken. Da erschwoll Der Bach zum Strom, und Fische kamen spielend Zu mir heran, und reckten Menschenhäupter Aus den mißfarb'gen Wellen, und mir kam's So vor, als sein's die Häupter der Bojaren. Ein heisrer, widerlicher Chor begann, Sie sangen: »Aus des Zaren Hand gerettet, Durchscherzen wir das freie Reich der Flut!« – Es griff mir ein Entsetzen an das Herz, Ich riß mich von dem Strom empor. Nun sah Ein Kind ich kommen übern Tannenhügel, Mit bloßen Füßen und mit bloßer Brust, Nur angetan in seinem Westerhemdchen. Und er sah lächelnd, lieblich und unschuldig aus, Wie, da als Knäblein er mir nichts gegeben Als eitel Freude. An dem Halse klaffte Ihm eine tiefe Wunde, daraus sprang Ein roter Strahl. Das Kindlein hielt ein Schälchen In seiner Hand, und fing den Blutquell drin, Und sagte: »Vater, trinke das ... es wird Den Durst dir löschen.« – Wie es nun die Schale Mir so hinhielt, bemerkt' ich, daß es nicht Mit seinen Füßen auf der Erde stand, Nein, in den Lüften schwebt' es mir entgegen. Und als ich ihm in seine Augen sah, So waren's arme, tote Höhlen. Blinkend Lag in jedweder nur ein Tropfen Tau. – Ich schrie vor Schauder auf, und stieß die Schale Weit weg von mir ... und da bin ich erwacht, In Schweiß gebadet. Ein – verworrner Traum! Ein klarer Traum! 7. Szene Siebente Szene Menzikof. Die Vorigen. Menzikof bemerkend. Der Fürst hat dich zu sprechen. Er führt sie zur Seite. Halt reinen Mund. Dies darf kein Mensch erfahren. Er geht. kommt vor. Versöhnt? Das kommt gelegen. ... Schone mich! Denn nötig haben wir dich jetzt. Mich? Ja. Es naht die wichtigste Entscheidung. Nun Will ich dir wieder Lehren geben. Denk, Daß das Gewissen nie zum Throne dringt, Und daß die Kön'ge stets in Gott entschlafen, Sie taten, was sie taten. Noch vor Abend Hab' ich das Mittel zu Alexis Sturz. Du weißt wohl auch, er liebt' ein Mädchen. Immer War sie bei ihm, in Napel, überall. Die hat, als wir den Zarewitsch verhaftet, Von jähem Schreck besiegt, geschrien: Sie wisse, Was sie um alles zu vergessen wünsche. Hat Briefe schnell verbrannt. Wir waren damals Nicht rasch genug, und diese Euphrosyne Entfloh. Sie war nicht zu erforschen. Heut Wird mir gemeldet, heimlich und verkleidet Sei sie zurückgekehrt; man hat das Haus Mir schon bezeichnet, wo man sie gesehn. Und nun? Soll sie uns sagen, was sie weiß. Verraten den Geliebten, Menzikof? Tolstoi hat einen Käficht, drin die Vögel Bald singen lernen. Doch nicht ... Laß es ruhn! Es ist ein häßlich Wort. Ich aber ...? Gleich. Zum Todesurteil treiben wir es bald, Gerät mein Fang. Was ist damit gewonnen? Und ich soll's weitertreiben! Nicht? Das sollst du. Ihr, seine Richter, dürft's nicht! (Schmach und Qual!) Gleichgültig muß Euch scheinen Eures Spruchs Vollziehung. Von der andern Seite muß Der Wind wehn, der der Mühle Flügel regt. O Herrlich! Herrlich! Ja, du lerntest zu. Wer sollt' in solcher Schule nicht begreifen? Nur immer tiefer ins Verderben! Halt: Es dürfte nicht so geradezu geschehn. Man müßte Worte wählen, die den Zar Vom Ziel zu leiten schienen, doch zum Ziel Auf Schlangenwegen führten. Du entzückst mich! Ich küß' die Hand dir, Göttliche. Wir sind, Der Jaguschinsky, Ostermann und ich Leibeigen dir, die Schwelle deinem Fuß Zum Krönungssaal. Wir brauchten's nicht, wär' noch Der Zar, wie sonst. Merkwürdig ist's. Man wird Doch alles überdrüssig. Streng' und Härte Erschöpfen sich denn auch zuletzt. Der Alte Hat sich auf jenem Nachtschmaus im Kremlin Den Magen überladen, und nun will er Den Mäß'gen spielen zum Dessert. Ich hab's Ihm abgemerkt; ich kenn' ihn durch und durch. Dem sollst du steuern, meine Königin Aus Morgenland. Dem! Allem, was den Pfad sperrt! Vorwärts, du dunkler Führer! – – Ruhig, sacht. – Geheimnisvoll. Zu Ende geht das Reich entseelter Bangnis! Bald wollen wir den Tagelöhnerschweiß Von unsern Gliedern waschen. Halbes Werk Ist Torenwerk. Der Prinz bestellt Quartier. Verstehst du mich? entsetzt. Herr Gott, wie sollt ich nicht? Laß nur die Posse mit dem Mons! Sie bricht in Tränen aus. Er stampft mit dem Fuße. Den Jungen Leid' ich durchaus nicht, bin ich hier der Herr! Sie wendet ihm den Rücken und will gehn. Er hält sie zurück. Die Brust zerfrißt es mir. Er war der erste, Der dich besungen hat; der klügsten Frau Verdreht ein Lied den Kopf. Ich will es auch Erlernen, darf ich nur erst müßig gehn; Ich will in Oden deine Schuhe küssen, Bei deinen Locken will ich schwören, will Empor sie reimen zu den Sternen, daß Der Schöpf der Berenice neidisch wird. Alles für dich! – Noch eins: Im stillen schon Schafft' ich mir zwanzig neue Pagen an, Mein künftig Wappen ist auch fertig worden. Ein kleiner Doppeladler ist im Schild, Der soll bedeuten, daß der Menzikof Rußland im Kleinen ist. Ich zeig' dir's morgen. Wir wollen prassen wie der Mogul Indiens. Auflauern lassen will ich jetzt dem Mädchen. Ab. 8. Szene Achte Szene allein. Verruchter Mensch! – Gottlob, ich bin allein. Fast barg ich es nicht mehr, und dennoch bin Ich eingeübt in jeglichem Gesichtszug, Den die Verstellung fordert. O mein Herz, Beinah' bist du zerborsten! Welch ein Morgen! Erst der Despot und dann der Bösewicht! In kurzem Auszug sah ich meines Lebens Tiefelend Qualen-vollgeschriebnes Buch. Mein erst Gefühl, ein Frevel; Kerker-Ehe, Und schändliche Vertraute! Was noch mehr? Bist du's nicht müd geworden? Mußt du dir's Noch beichtend wiederholen? – Irr im Kopf, Gleich wilden Rossen stürmen die Gedanken. Nichts hält mir fest, denn ich hab' alles, alles Gedreht, verkehrt, gedeutelt und gefälscht. Mit welchem Freimut sagte ich dem Zar Die Wahrheit ins Gesicht! Und doch, was war's? Wie? Oder trög' ich mich nur selber? Gilt denn Mir jener Jüngling etwas? ... Ach, ich war Die letzte Zeit zu viel allein! Zerstreu' dich. Törin, verflattert dein Gemüt nicht schon Haltlos nach allen Winden? Sammle dich. Um welchen Punkt? In mir ist nichts als Nichts. Wir woll'n im Freien uns erholen; ja Nach Monsens Gartenplatz. O schweben dort Nicht seine Wünsche? Nein, ins Waisenhaus! Gestiftet hab' ich's, und sie segnen mich ... Ha Täuscherin, du sorgst für fremde Kinder, Sinnst du nicht Tod ... Sie fährt zurück. Für wen? Ich? Wie? Unmöglich! Ich hätte das auch nur gedacht? Nie! Niemals! 'S war Menzikof. Recht. Der versteinte Zar Weint Tränen um den Sohn. Und ich ... Ich könnte ... Hab' ich nicht selber Kinder? Eine Mutter, Und Helferin in solchen Dingen? Dann War jegliches sein Gegenteil. Er trägt Die Schuld allein ... Er, der mich ins Verderben Gerissen – meines Lebens Pest – das Mark, Von dem das Dasein zehrt, wegdörrt' – O schilt, Schilt deine Freunde nur! Bald wirst du einsam Nach einem rufen. Geht er auch zu weit, Um wen geschieht's? – Sie geht umher, die Hände ringend. Was soll ich tun? Was halten? Woran richt' ich mich auf? – Vor dem Spiegel. Du fremdes Wesen, Gib Rat! In deinen Zügen schläft's, wie Trost. Ich könnte glauben, dieses Spiegelbild Gehöre mir ... Doch ach, es ist zu schön! Denn ich, wie kann ich schön sein? – Sie wirft sich vor einem kleinen Altare nieder. Gnad' o Himmel! Wofern du Gnade hast, hier tut sie not. O heil'ge Tugend, breite deinen Mantel, Den sternbesäten, um die Reuige! O Mutter, nimm mich auf! O Mutter, laß mich An deiner lebenquellenden Brust gesunden! Glaub diesem Flehn! Aufrichtig ist's gemeint. Nach Mord und nach Verrat, nach allen Greueln Dieselbe stets! Die Magd des fremden Willens. Dafür den schweren Kaufpreis? – Soweit kam's, Daß ich den Eigennutz bestell' als Bürgen Für meine Besserung! – Sie steht auf. Ich bin entschlossen; Nicht enden soll der Tag, wie er begann. Ich bin die Gattin Peters, und so kenn' ich Mein herzlich Frauenamt. Es löse friedlich Sich diese Irrung! All' Eu'r schleichend Tun Vereitelt die entsühnte Katharina. Nachsinnend. Wie machen wir's? Ja ... so ... Doch wenn? Kein: Doch! Wer Gutes wagt, hat nie zuviel gewagt. Ich will zum Zarewitsch. Mons soll mir helfen. Sein letzter Dienst! Auch er sei mir verloren! Viel geb' ich auf, mehr hab' ich mir erkoren. Sie geht ab. 3. Akt 1. Szene Erste Szene Einsame Gegend an der Newa. Gegen Abend. Euphrosyne. Später: Costa. tritt auf. Dreimal umkreist' ich den fühllosen Wall, Flehnd legt' ich meine Brust an seinen Zwinger. Denn hier, wo alle Menschen grausam sind, Da, dacht' ich, fühlt Erbarmen wohl ein Stein. Die Steine blieben Steine! – Luft und Licht Und Sonnenstrahlen sind der Zärtlichkeit Dienstbar gewesen in uralter Zeit, Und kleine Tiere sind gerannt als Boten Bedrängter Herzen. Ach, ich hab' kein Gold Für deine Wächter, du mein edles Wild, Und längst vorüber ist die alte Zeit. Die Mückchen tanzen überm Strom, das Schilf Nickt, traulich grüßend. Als ein kleines Kind Verlief ich mich in vornehme Gesellschaft, Sie küßten mich und wollten mich behalten, Sie nannten mich ein hübsches Ding. Ich aber Schlich mich hinweg, ganz leise, leise, wie Nur keiner auf mich merkte. Ja, wer blieb' auch, Wo man nicht hingehört? Nein! Still hinweg! 's wird keiner nach mir fragen! – – Sie macht einige Schritte gegen den Fluß. tritt aus dem Gebüsche. Halt! Costa? Derselbe. Ich angelte hinter den Weiden. Im Wasser wollte nichts anbeißen, aber in der Luft fing ich verfängliche Reden. Geh! Hast mir nichts zu befehlen. Du bist das Fischermädchen von Abo? Das arme Fischermädchen von Abo! Als sie den Prinzen festsetzten, warst du fort. Ich fürchtete mich. Es war auch kein Scherz. Ich war ein schlechtes Mädchen, o ein feiges Mädchen! Warst du schon über die Grenze? Weit, weit, wo sie anders reden. Hättst da bleiben sollen. Es litt mich nicht. Hättst bleiben sollen, wo sie anders reden. Eine recht angenehme Gegend hier. Da fließt die Newa. Tief und schnell. Geh! Hast du geheime Geschäfte mit den Wassermöwen? Ich dachte, du wolltest zum Prinzen. O ich dreimal Ärmste! Mach mich nicht zu weinen, dann werd' ich konfus. Höre, Schwester. Schwester. Liebe und Narrheit haben unter einem Herzen gelegen. Wenn ich einen verborgnen Gang in die Festung wüßte? Du? Ich. In diesem Raspelhause hat jeder seinen Beruf, und meiner ist der Müßiggang. Da kriech' ich denn so überall umher. Ich hatte meinen Ball ins Gebüsch geschlagen, suchte den Ball und fand den Gang. Ich glaube nicht, daß ihn außer dem Kommandanten noch einer kennt. Ein ehrlicher Schlosser verkauft mir wohl einen Hauptschlüssel, das Gatter zu öffnen. Ach, du belügst mich! Was bekäm' ich dafür? Man muß nichts umsonst tun, nicht einmal das Böse. Fort von der Newa! Dazu bleibt's immer noch Zeit. Wozu? Sie hat's schon vergessen. Liebe ist im April jung geworden. Halt dich versteckt. Um Mitternacht komm an die Festung, wo die Trauerweiden slehn. Ich führ' dich, und du sollst ihn führen. Fort! Um Mitternacht! Ab. allein. Ich tu's weil ich dem Prinzen gut bin. Er hat mir immer sein Konfekt zu essen gegeben, und mich verbunden, als mich Menzikof geschlagen hatte. Nein, das klingt so ordinärrührend, als wär' ich ein Lumpenhund aus einem deutschen Schauspiele. Ich tu's weil ich's tu, das ist der Satz vom zureichenden Grunde. Punktum. Er sitzt gefangen, weil er die Neigung dazu hatte. Eine sehr bedenkliche Neigung! Sie könnte leicht zu einem vertrauten Verhältnisse mit dem Scharfrichter führen. Um eine dumme Schäferstunde möchte ich nicht gern sein Kompagnon werden. Sie soll ihm die Neigung vertreiben. Die liebe Natur wird denn doch endlich einmal hier auch ein Werk tun. Auf jeden Fall geb' ich ihm das Schwert gegen seine Herrn Rhadamanthen in die Faust. Nach der andern Seite ab. 2. Szene Zweite Szene Menzikof mit Soldaten. Euphrosyne. Die Spur war richtig. Herr, Ihr irrt Euch! Nein. Ich kenn' Euch, Euphrosyne. Was verbrach ich? Nichts. Ihr sollt nur etwas erzählen, Kind. O du mein ew'ges Heil! Was wollt Ihr wissen? Den Inhalt jener Briefe. Jener Briefe? Die Ihr verbranntet. fällt ihm zu Füßen. Ich? Die Briefe? Herr, Mein lieber Herr! Ihr tut gewiß nicht das! Ich bin schon elend über alle Maßen ... Das tut Ihr nicht! Du kannst durch Offenheit Dir Gold und Ehr' und Ansehn ... steht auf. Wohin soll ich? zu den Soldaten. Zum Staatsrat Tolstoi. Wie sie trotzig blickt! Geduld, das findet sich! Unglücklicher Alexis! Sie geht. Menzikof und Soldaten folgen. 3. Szene Dritte Szene Zimmer in der Festung. Nichts Kerkerartiges Aussicht auf eine Galerie. Alexis an einem Tische, vor einem aufgeschlagenen Buche. Oberst Schepelew steht bei ihm. Hört auf zu lesen, Prinz; spät ist es schon, Ihr seid zu eifrig, Ihr verderbt die Augen. Ich wollt', ich hätt' vier Augen, Schepelew, Um doppelt viel zu lesen. In den Geist Senkt sich, wie himmlisch Manna, eine Saat Von würdigen Gedanken. Auf nun wallt Das dürrgelegne Feld von goldnen Halmen. O meine Seele dürstet, ihren Trank Mit tausend Lippen einzuschlürfen! Laß mich Noch lesen, Schepelew. Was las't Ihr eben? Den Tod des Schwedenkönigs Erich Vierzehn, Und seines Lebens Leiden. – Von dem Vater Ward er in Ungunst spärlich-kurz gehalten, So schwand ihm seine arme Jugend hin. Genannt ein König, wollt' er König sein; Die bösen Brüder, und die bösen Sturen Verhinderten's mit arger Hinterlist; So schwand ihm seine Männlichkeit dahin. Und als er, ein gehetzter Leu, die Hunde Zornbrüllend niederwarf, da schlugen sie In Bande seinen Leib. Nun wandert' er Die tiefe Furch' in seines Kerkers Estrich, Erwies es schriftlich Schluß auf Schluß, daß er Beständig Recht gehabt. (Wie ich der Meinung Denn auch in Rücksicht seiner bin.) Da brauchten Das letzte Mittel sie, und schickten Gift Nach Kerker Örbyhus. Das trank der König; So schwand zuletzt sein Leben ihm dahin. beiseite. (Ich las die Kunde auch von diesem König, Doch darin stand manch andres Wort geschrieben. Ach, Unglück sieht nur sich in jedem Ding!) Und kaum ist der gekränkte Fürst verschieden, So andert alles sich. Haß trennt die Brüder, Nur Not erschlich der schleichende Johann. Zur Gruft des heiß zurückersehnten Toten In Westeräs, drängt sich das reu'ge Volk, Von Tränen rosten die metallnen Pforten. Es lebt Erinn'rung über Gräbern auf, Und sinnend sitzt die Rach' auf Leichensteinen. – O welch ein teurer Trost ist die Geschichte! Welch' gründliche Arznei! – Im Zeitensaal Wird abgetan der Schleier jedem Trug, Da blinzt verlegen aufgespreizter Stolz, Da zeigt getrost die Unschuld ihre Wunden. Der Augenblick ist ein verworrner Spieler, Mit wüstem Grinsen, ungeschickter Faust Sitzt er am Brett, auf das des Höchsten Hand Die Steine hat gestellt. Er zieht sie quer Und schief und über Eck. Dann durcheinander Wirft er sie auf den Tisch. – Nun ist die Macht Des frevelnden Gesellen hin; nun schreitet Herzu die heil'ge Göttin, stellt das Spiel Nach seiner Regel wieder her; die Völker Ruft sie zum Tisch, und zeigt den Schauenden, Wie eigentlich gezogen werden mußte. Da wird der Bauer wieder Bau'r, der Schach Der träge Schach, der Ritter springt und fliegt, Die Königin geht ihren kühnen Gang. Wollt Ihr nicht die Gedanken davon wenden? Ihr regt Euch auf, und braucht der Ruh'. Ihr habt Zu morgen einen schweren Tag, mein Prinz. Ich habe morgen meinen Ehrentag, Ich kämpfe morgen einen guten Kampf, Ich pflücke morgen mir mein Siegesreis! Ein unfruchtbarer Kampfplatz! Wohl so fruchtbar, Als jeder andre. Überall, wo Feinde Unmächtig knirschend zagen, grünt ein Lorbeer. Nicht bloß die Schlacht zeugt Helden. Gebe Gott, Daß Euch die Hoffnung nicht betrügt! Sie wird's nicht. Sie hat mich vierundzwanzig Jahr betrogen, Und nun bereut sie es, und tut's nicht mehr. Ich jauchze über meiner Feinde Qual! Wie sich die klügsten, stärksten Männer Rußlands Abmühn, den blöden Menschen zu verderben, Den sie gehöhnt, verachtet und beschimpft! Der kluge Feldherr bin ich, der sich stellt, Als sei er überwunden. Schüchtern sag' ich, Demüt'gen Blicks, im Ton des Angeklagten, All meines Herzens Haß und Bitterkeit Den Schachern ins Gesicht. Was ich gedacht, Bekommen sie zu hören, und sie dürfen – (Und das bringt sie zur Raserei –) daraus Mir kein Verbrechen machen. Wie das freut, Dem Gegner in das Herz den Pfeil zu senden, Und dann am Widerhaken ihn zu wenden! Ihr habt Euch wundersam verändert, Prinz. Ihr wart sonst still und scheu. Ich war es, Freund. Ein jeder wandelt sich wohl mit den Jahren. Da andrer Los gar anders war, als meins, Bin ich das Gegenteil von andern Menschen. Denn ihnen fängt das Leben fröhlich an, Sie scherzen mutig ihre Tage hin, Bis daß ein Elend kommt, dann zittern sie Den Rest der Jahre. – Mir ging auf das Licht In Trübsal und in Zwang, und ich begann Mit Zittern meine Jugend. Da zerstörte Der Zwang sich selbst durch wildes Übermaß, Im Herzen stockte mir der Quell der Trübsal, Weil er zu reich geströmt. Jung, war ich Greis, Nun bringen mir die Stunden meine Jugend, Und kühnlich end' ich, weil ich scheu begann! Beklagenswerter Fürst! Beklagenswert? Ihr seid viel schlimmer dran. Wer? Du, die Leute, Die draußen sind, bis zu dem Zar. – Du bist Mir freundlich; warum hältst du mich verhaftet? Gott, Prinz, die Furcht ... Der Zar, voll herben Hohns, Gab mir dies Amt, weil ich für Euch gestrebt. Er weiß, so streng wahrt keiner diese Schlüssel, Als ich, weil ich verdächtig einst gewesen. Gut. Und die Richter? Warum sinnen sie Auf meinen Tod? Aus Furcht. Weil, wenn Ihr lebt, Sie unterm Schwert die Köpfe haben. Richtig. Doch Katharina, warum haßt sie mich In ihrer süßen Maske? Nun – aus Furcht, Sie möchte, höbe Euch die Zeit empor, Den Platz verwechseln mit Eudoxien. Recht! Das wird auch alles so geschehn. – Zuletzt: Der Zar, warum verfolgt er seinen Sohn? Aus Furcht, Ihr schleudert in das Nichts sein Werk. Furcht also überall! Vom Zar zu dir! Kronfarbe Rußlands ist trübsel'ge Furcht. Ich fürchte niemand. Dich nicht, nicht die Richter, Nicht Katharinen, nicht den Zar. Wer ist Beklagenswert? Ich bin der einz'ge Freie unter euch. Gut' Nacht, mein Prinz. Gut' Nacht, mein sanfter Wächter. Bewahr' du deinem jetz'gen Herrn die Schlüssel. Der Künft'ge weiß, wie du's getan. – Fort, fort! Schepelew ab. allein, steht am Fenster. Da drüben prahlen fünfzig helle Fenster; Grell glüht der Palast mir ins Antlitz. Hier Flammt ein bescheidnes Lämpchen. Schüchtern wirft's Sein frommes Licht auf dieses schlichte Lager, Das keine Sorge je mit mir geteilt. Du könntst erlöschen, Lampe, und es bliebe Doch hell in diesem Zirk. Da drüben aber, Wenn auch der Kerzen hundert, aber hundert, Und wieder hundert mehr entzündet würden, Es wär' nicht hell genug, dem Herrn des Schlosses Die hinterhältigen Gedanken, Listen, Versteckten Anschläg', Ränke zu beleuchten, Die in den Falten dort um falsche Lippen Gelagert lauern; unter tiefen Braunen Beschattet drohn; heimtück'sche Augenwinkel Zu ihrer Drachenhöhl erkiesten. – Zar, Ich könnt' dich fast bedauern. All dein Leben, An ein Exempel ist's gesetzt. Sobald Der Mensch sich findet, welcher ist, wie er Zu sein sich vorgenommen, steht die Rechnung Dem Rechner nicht mehr klar. Welch schwach Gebäude, Das ein beherzter Atemzug erschüttert! 4. Szene Vierte Szene Costa ist bei den letzten Worten eingetreten. Alexis. Hier sind wir ja im besten Zuge. Wie, Narr? So spät? Ließ dich der Kommandant noch ein? Ich komme nicht auf dem Kommandantenwege. Ich bin auf meinen eignen Pfaden gekrochen, gerutscht, gestolpert, wie's ging und fiel. Er schüttelt sich. Prr! Die Molche, die Unken, die Feuerkröten gedeihen gut in solchen Löchern, immer saß es mir im Nacken wie ein tausendbeiniges Amphibium, es ist erstaunlich, was man in der Finsternis sieht, grüne Augen und gelbe Augen und rote, und Nasen und Schnauzen! Hast was zu trinken? Ich bin nur noch ein halber Mensch. Ich verstehe nicht, was du meinst. zieht einen großen Schlüssel hervor. Das ist ein Schlüssel, und in die Festung führt ein Diebessteig. Verstehst nun? Warum schlichst du dich ein? Mußt' Euch sprechen. Um Mitternacht? Geh, leg dich schlafen, du König der Samojeden. Ihr sollt mich nicht hohnnecken! Ist's nicht dein Titel? Bin ich jetzt im Dienste? Wenn ich muß, so muß ich, aber jetzt stehe ich als Mensch, nicht als Narr vor dir. Nicht einmal die Narrheit ist hier freiwillig. Ich erinnre mich. Du solltest einen Brief nach Kiew bringen. Der Stadthauptmann wollte dich bei der Nacht nicht einlassen. Statt zu warten bis morgen, machtest du mit deinem Briefe die dreißig Meilen zurück, und verklagtest den Stadthauptmann. Lassen wir das ruhn. Die wichtige Botschaft war versäumt; sie sprachen dir das Leben ab. Der Zar begnadigte dich. Eine schöne Gnade, einem Schellen anzuhängen! Nun, du Mensch, nicht Narr, was bringst du mir zu dieser ungewöhnlichen Stunde? Erstens: meine Denkwürdigkeiten. Er zieht eine Rolle hervor. Für den Fall, daß du dich einmal durchaus in diese Kasematten verliebt haben willst. nimmt die Schrift. »Geheime Geschichte von St. Petersburg. – Erstes Kapitel: Schlechte Streiche Menzikofs ... Zweites Kapitel: Der Betrüger Schaphirow. Drittes Kapitel: Der Verräter Ostermann. Viertes ...« Von wem ist das? Von mir. Ich schrieb's in meinen Freistunden. Mir gefällt die lebhafte Jacke nicht, die sie mir angezogen haben, kein ordentlicher Mensch will mit mir trinken; meine Sippschaft hat sich von mir losgesagt. Da bin ich hypochondrisch geworden, und in der Stimmung paßt man scharf auf. der indessen gelesen. Hier seh' ich schwarze Taten der Ersten dieses Reichs angemerkt. Ich lese die Namen meiner Feinde und an jedem hängt ein unverzeihlicher Frevel. Nebst Angabe der Zeugen und Beweise. Es ist gewöhnlich, daß es in einer großen Wirtschaft nicht so eben hergeht, des Herrn Auge reicht nur, wie weit es reicht. Aber, wie der Zar belegen und betrogen wird, das läuft ins Ungewöhnliche. Im allgemeinen ist mir das bekannt. Und im besondern mir. Menzikof baut Kanäle und was alles noch, in der Einbildungskraft, und hat seine Hand in der Tasche jedes Russen. Schaphirow geht wie der Schakal mit dem Löwen jagen, nimmt, was Menzikof übriggelassen, und ist ihm Feind, weil es nicht mehr ist. Der Bischof von Pleskow handelt mit Geld und Versprechungen Seelen für die neue, allerhöchst approbierte Religion ein. Jaguschinsky läßt im Zorn und Rausch verhaften ad libitum. Ostermann hat sich den Rückzug nach Schweden vorbehalten, wenn es hier übel gehen sollte. O armes Rußland! Heute morgen war große Haupt- und Staatsaktion im Thronsaale. Ich saß hinterm Getäfel. Sie traten vor Ihn, wie die Kinder Gottes vor den Herrn, Hiob am ersten, Vers sechs. Mein Kollege, der Zar, war so glücklich und gerührt, wie Schach Riar bei den Märchen der Scheherezade. Ich war's auch. Es ist traurig, allein stehn zu müssen auf der Welt. Ich stand nicht mehr allein. Verruchte Fratzenschöpfung! Seelenmörderisches Affentreiben! Ich hatte ja immer recht! – Aber woher erfuhrst du das alles? Von den Schenkstuben, den Kirmessen und den Tanzböden. Du treibst Geschichte in deiner Eremitage, du solltest den trivialen Satz weg haben, daß das ganze Land immer gewußt hat, was der König nicht wußte. Außerdem lästern sie selbst einer über den andern, und vor mir hält sich niemand zurück. Sie sagen: »Es ist nur der Narr«, und schwatzen weiter. Ich höre zu, und bring's zu Papier. Sollte denn das alles sich wirklich so verhalten? Ach nein. Aus ihrem Leben Wahrheit und Dichtung. Gute Memoiren verlangen diese Mixtur, wie die größten Geister behaupten. Was tut's? Hast du's zu prüfen? Ich verstehe dich. Hier wird einem geglaubt, wenn man nur Übles spricht, denn keiner taugt etwas. In meiner Hand ist's nicht nutz. Ich schenke dir meine Denkwürdigkeiten. Ich behalte sie und danke dafür. Das ist keine Welt für Edelmut. Haß für Haß, Vernichtung für Verfolgung! Ich bin Meister Eures Schicksals. Warum lachst du? Du bist, wie ich dich erwartete. Schlimm, wie dein Vater. Sie sagen, Ihr wärt so verschieden. Es ist nicht wahr. Ihr könnt einander nicht leiden, aus Handwerksneid. Kannst recht haben. Ich bin nicht gut, wie hätt' ich's werden sollen? – Nun geh, du Chronist. Ich hab' noch eine gar andre Geschichte. Er nimmt eine Laute vom Tische. Wenn die Euch recht ans Herz spricht, braucht Ihr weder Wahrheit noch Dichtung. Was willst du? Singen. Ein Nachtlied. Geister schweben, schwanken, weiße, draußen am Weidenbaum. Wollen sie beschwören. Aberwitz! Wenn man dich hört ... Summe zwischen den Zähnen ... Er singt leise. Jörru, Jörru, darf ich kommen? Nicht o Liebchen, heute. Wärest du doch gestern kommen! Nun sind um mich Leute. Nicht dieses Lied! Es löst mein Herz in Tränen. Wie fällst du auf das Lied? Auf seinen Wellen Wiegt, wie ein lächelnd Kind, Erinnrung sich Heran! Heran! – Es macht mich mild zur Unzeit, Ich brauche Kraft. Gib Wermut mir zu trinken! Das Süße, was mein bittres Leben bot, Stell weit hinweg! – Hör auf zu singen, Bursch. singt. Aber morgen, früh am Morgen, Schlanke, liebe Kleine, Kannst du kommen ohne Sorgen, Da bin ich alleine. Nicht mehr dies Lied! Ich bitte dich ... Sie sang's. Es war das erstemal, daß ich sie sah. Sie saß im kühlen Busch mit sich allein, Und netzt' im Wasser spielend ihre Füßchen. Und ich belauschte sie. – Da trat ich zu ihr, Und Rose ward nun Wange, Kinn und Hals. Nun, warum singst du nicht? singt. Wenn die Vögelein sich regen Früh im reinen Taue, Hüpf' ich, Liebste, dir entgegen Weißt? Auf jener Aue. O reiner Tau, wann stärkst du meine Brust? Ihr Vögelchen, wann hör' ich euer Singen? Wann hüpf' ich dir entgegen, meine Lust, Auf jener Au', wo wir so fröhlich gingen? legt die Laute weg. Gleich, hoff' ich, gleich, wenn sie zu bitten weiß. Eine Uhr schlägt zwölf. Die Stund' ist da. Nun Mut ... bring' Euch Gesellschaft. Gesellschaft? Du? Ja, durch den finstern Gang. Wen? Wen? Ein Mädchen, die das Liedchen auch Zu singen weiß. Das Liedchen! Mädchen! Singen? Ist's möglich ... Sie ... Sie! Euphrosyne? Richtig, Wenn's keine andre ist. O all ihr Rosen Von Ispahan! – Sie! Warum kam sie? 's wollt Sich in der Fremde kein Alexis finden. Ich bring' die Torheit Euch durch Finsternis, Durch Qualm, Gewürme, Nessel, Dornenriß! Ab. allein. Halt du! Du sollst nicht! Lauscht nicht hier der Tod? O treues Veilchen! ... Fort! Hinweg! Hinweg! Herbei! ... Wer reißt den Becher von den Lippen Des halb Verschmachteten? ... 5. Szene Fünfte Szene Schepelew im Nachtkleide, mit einem Windlichte, eilig, bestürzt. Alexis. Seid Ihr noch wach? Welch eine Überraschung! Prinz, macht Euch Gefaßt auf den Besuch! Du? Schepelew? Ist dir's verraten worden? Sei barmherzig! Ihr wißt es schon? Empfangt sie nur mit Vorsicht! Tief um die Mitternacht – Sie an der Pforte! Das kann den Kopf mir kosten, doch wer darf Da zu verweigern wagen? ... Wir Bedrängten, Gefesselten der Macht! Eilig ab. allein. Siegreiche Liebe! Du bändigst Löwen, sänftigst stürm'sche Meere, Dein göttlich Atmen sprengt den Wall von Stein! Noch vor dem Streite reichst du mir den Preis, Und gießest einzigholde Lebenslust In diese sehnend auf getane Brust! Es schleicht ein Balsamduft, ein zärtlich Flüstern, Ein lechzend Wehn, ein Hauch von warmen Küssen durch wollustschwangre Lüfte ... Horch! Sie ist's ... Er eilt gegen die Galerie. Katharina tritt ein. Alexis tritt bei ihrem Anblicke zurück. 6. Szene Sechste Szene Katharina. Alexis. Zuletzt: Mons de la Croix. O ew'ger Himmel! Diese? Was will diese? Den Frieden stiften im entzweiten Haus. Alexis, sammle dich! Ich fühle wohl, Daß mein Erscheinen dich befremden muß. Ich hatte keine andre Stunde, wollte Nichts vorbereitet Künstliches. Ich brauchte Auf diesem Wege nicht ein seltsam Tun Zu scheun. Stiefmutter bin ich dir. Doch glaube, Auch solche können's redlich meinen. Prinz, Den Weg der Rettung Euch zu zeigen, komm' ich. in der heftigsten Bewegung. Du? Mir? Den Weg der Rettung! Wo ist Sie? Wenn diese sie beträfe ... Schmerz und Jammer! Essig die Säfte meines Leibes ... Oh! – Das Herz lag aufgebrochen wie 'ne Lilie! O meine armen Blätter! – Gift'ger Wurm! Wie dürft' er's wagen, solcher Pracht zu nahn? ... Du bist von Sinnen! Höre zu, hör' mich. Verloren bist du, wie dein wilder Stolz Sich auch verteidigt wähnt. Gerichtet wirst du, Sie treiben's durch, der Zar kann's nicht verhindern. Sein Sinn ist dir geneigt, das sag' ich dir, Ein einzig Mittel gibt's, das bring' ich dir, In innerster Bewegung fand ich's aus. Du folgst mir auf der Stelle. Noch ist wach Dein Herr und Vater. Ich vertret' es. Komm. Du stürzest reuig auf dein Knie vor ihm, Du badest seine Hand mit Kindeszähren, Du sagst aufricht'ge Sohnesworte ihm, Du lobst ihm fromm-empfundenen Gehorsam, Du gibst dein Los in seine Gnade hin, Du tust das alles gleich unweigerlich ... Sie will ihn bei der Hand ergreifen. zieht die Hand zurück. Nur Fürst und Fürstin gehen Hand in Hand! – Du bist die Gleisnerin, die mich belügt, Du baust die Falle, die zu gröblich ist, Du hast verloren List und Müh' und Fleiß, Ich glaub' dir nicht! Du bist im Haupte krank, Und drum vergeb' ich's. Bei dem Kreuz. Ich sprach Von Herzen. Folg mir. Auch zudringlich? Doch Das ist ja deinesgleichen stets. Nun denn, Bist wahrhaft du, will ich kein Heuchler sein. Zu andrer Stunde sagt' ich's gerne dir In feinrer Art. Doch heute bin ich nicht Gefaßt auf Wendungen. Und also mein' ich's: Im Schlechten gehe vorwärts, das vermagst du; Zwing dich zum Guten nicht! Der Weg dahin Ist allzu steil für sündenschlaffe Füße. Was mich betrifft, so wisse: Morgen abend Geht losgesprochen aus der Sohn des Herrn, Ein greulich Schreckbild dir, Euch allen. Sterblich Ist Peter, doch das Volk lebt ewig! Mir Gehört's, und fühlen hab' ich mich gelernt Als Feldherrn; an des Heeres Spitze aber Ergibt sich nur der Feigling, der ich war. Räum' meiner Mutter schnöd' erbuhlten Platz, Sei, was du warst! Stell dich im Linnenkleid Auf Vaters Hufe, dann will ich beim Gutsherrn Ausmachen, daß er dir die Büß' erläßt Für die versäumten Fronden. Kümmre dich Nicht um das Los des Zarewitsch von Rußland! Er tritt zur Seite. tritt ein mit gezognem Degen. Sieh beben mich vor Zorn, geschmähte Fürstin! Gebiete mir, so wühlt mein Degen rächend In dieses Frevlers Brust! Du schweigst von ihm, Sonst bann' ich dich auf ew'ge Zeit! Ich bin Geheilt, bin Katharin' Alexiewna! Verbrechen sind an mir zu üben: Niemand Kann mich beleidigen. Laß mich ihn töten! Sein Haupt ist eines andern Eigentum. Wer wollt' in fremdes Amt sich drängen? – Gehn wir! Sie geht. Mons folgt. ihnen nachsehend. Mein Vater ist ein armer, armer Mann! Doch sie? Wo war sie? Ist sie? – Weg Gedanken, Die mich entmannen! – Tag brich an, und leuchte Dem Braven und dem Schelm ins Angesicht! Er wirft sich auf sein Lager. 4. Akt 1. Szene Erste Szene Gemach in Tolstois Hause. Morgen. Zwei Türsteher. Hat sie bekannt? Nein, sie seufzt und weint und ruft, sie wisse nichts. Seine Exzellenz werden es doch wohl herausbekommen. Nun das versteht sich. Wenn die Wahrheit verlorengegangen wäre, wie eine Stecknadel, die in den Brunnen fiel, der Herr Staatsrat fänden sie wieder. Es ist eine Freude, dem Herrn zuzusehen. Immer gelassen, immer freundlich. Sich nicht reizen lassen, nie zornig werden. Und die Beharrlichkeit! Seit acht Stunden sitzt er auf seinem Stuhle, und meint Ihr, daß er schon ein Glas Wasser verlangte? Er hat gar keine Bedürfnisse, und dasselbe denkt er von uns, seinen Dienern. Es geht uns spärlich, das ist wahr. Aber das muß so sein. Die Speise der Gerechtigkeit ist die Nüchternheit, sagen seine Exzellenz. Dafür ist dieses Haus aber auch die Freistatt der immerwährenden Ruhe und Sicherheit. Wir haben den Sturz unsres Gebieters nicht, keine Verändrung zu scheun. Noch niemals hat sich gegen ihn eine Anklage, ein Verdacht erhoben. Er ist ja auch der gerechteste Mann in Rußland. Ein Mensch von wildem Ansehn geht mit einem glühenden Eisen über den Schauplatz. Das war der alte Isaak. Nun werden Seine Exzellenz das Mädchen zu fürchten machen. Hörtet Ihr nichts? Es schrie etwas. Heftige Schritte? Es kommt! 2. Szene Zweite Szene Tolstoi und Menzikof. Ein Sekretär folgt. Vorige. Wo ist das Mädchen? Nicht hier, Exzellenz. Das sehe ich. Sie muß über den Nebengang geflüchtet sein. »Zum Zaren!« war ihr letzter Ruf. Was will sie beim Zaren? zu den Türstehern. Geht, sucht sie, bringt sie. Die Türsteher ab. Lebt wohl. Wohin? Die Dirne ist reizend, ich kann die Qual nicht länger mit ansehn. Ihr habt ein festes Gemüt, das muß ich bezeugen. Mir ist, als war's mein Gerichtsmorgen. Er geht. Schwelger und Wollüstling! Ein Dentschik tritt auf. Im Auftrag und Befehl der Majestät: Ein armes Mädchen flüchtet' sich ins Schloß, Gestand dort Ding', bezüglich auf den Prinzen. Der Herr hat sie gehört, und läßt gebieten, Ihr sollt vorangehn mit des Tages Werk Ohn' Rücksicht auf das Kind. Man soll, er will es, Durchaus in Ruh' sie lassen. Der Dentschik ab. So? In Ruhe? Ihm denn die Unruh'! – »Will es ...« »Läßt gebieten ...« Ei ja doch. Schiffsmann, Schmidt, zur Abwechslung Dann Kaiser und Tyrann! Es sei. Zum Sekretär. Ignaz! – Entwerft die Ladung an den Admiral Peter Alexiewitsch von der Ostseeflotte. Der Sekretär sieht ihn fragend an. Tolstoi wiederholt. Peter Alexiewitsch von der Ostseeflotte. – Die Euphrosyne fällt uns aus. – So mag Der Admiral denn de auditu zeugen! Er geht. Der Sekretär folgt. 3. Szene Dritte Szene Kurze offne Galerie im Palaste. Zar Peter. Euphrosyne zerstört mit aufgelöstem Haar. Später: Der Sekretär und Tolstoi. Er soll nicht sterben! Er soll's nicht! Beruh'ge dich! Du stehst in meinem Schutz. Wer spricht von mir? Bist du denn ganz unfaßbar? – Schutz? – Schütze, die danach verlangen! Er soll nicht sterben. Die Gerichte Gottes über dich, wenn er stirbt! Erhole dich von deinem Schreck. »Und sei meiner Gnade versichert;« und so weiter. Nicht wahr? Die Feuersgefahr wäre ja überstanden. Sie stürzt in die Knie. O Heiland! Erlöser! Gepeinigter! Warum ist es nicht geschehen? Warum nicht gestern? Dem Wasser hätt' ich's zugebracht, dem lieben, treuen, still hättest du's verborgen, heiliger Abgrund, flüsternder, grünäugiger Vater des Todes. Nun komm' ich arm, leer, unnütz, ein eitles Spiel der Verwesung! Zwischen gestern und heut, ich verspreche dir's bei meiner Würde, ist kein Unterschied. springt auf. Unterschied? – Ja, Unterschied soll sein! Sie hätten gestern gemacht ein Lied »Vom treuen Fischermädchen« Und heute? Das Geflügel des Strandes wendet höhnisch das Haupt, Und zischt mich aus. Die Welt singt, sagt von Heldenweibern, Die um 'nen mürrischen Gatten Trugen Schmach, Verfolgung, Qualen, Tod; Wir aber sind standhaft, bis sie uns martern wollen! Siehst! das ist der Unterschied! Und mein Liebster war zärtlich. Mädchen! Das Mädchen trägt die Hälfte, Und der Prinz das andre. Für einen ist's zuviel! – Er hat auch Schuld! Ein Königssohn, Und so sich erniedrigen? nimmt sie bei der Hand. Er – hat sich nicht erniedrigt. – Sei doch unbesorgt um ihn. Um wen? Bist du abwesend? – Um den Alexis. kalt. So? Um den! Man sagt, du seist vom Weibe geboren. Ist's wahr, so ist er wohl nicht verloren. Tu, was du magst, Mir gilt's gleich. Es ging mir übel, Nun geht mir's wohl! Ab. allein. Da blickt' ich in ein edelmüt'ges Herz. – Er legt die Hand an die Stirn. Nach einer Pause. Es ist doch gut, daß ich's erst jetzt erfuhr. Der Sekretär tritt auf mit einem Papiere in der Hand. Nächst dem Eingang wirft er sich auf die Knie. Das Knien soll nicht sein! Bei schwerer Strafe Ließ ich das Knien verbieten. – Auf! Der Sekretär richtet sich bestürzt auf. Was hast du? Bist du ein Stummer des Serails? Er nimmt dem Sekretär die Schrift ab, sieht hinein und stutzt. Wie? Ladung? Ladung ... ins Reichsgericht? ... Der Admiral Peter Alexiewitsch ... Der wär' ich selber! Gezeichnet: Tolstoi. – Peter? Alexiewitsch? Gibt's denn etwa den Zweiten dieses Namens? Nicht doch! – Ein seltner Fehler. Zum Sekretär. Ruf den Staatsrat. Sekretär ab. Der Zar sieht in das Papier. Nach einer Pause Tolstoi. Ihr habt Euch auch einmal versehen, Tolstoi. Ich? Ihr, ja Ihr. Nehmt, lest! Er hält Tolstoi das Papier vor. Ich kenn' die Schrift. Wohl nicht so ganz. Ihr müßt nichts unterzeichnen, Was Ihr nicht vorher durchgelesen habt. das Papier überblickend. Das Stück ward Wort für Wort von mir diktiert. Wie soll ich das verstehn? Die Schrift ist klar. lachend. O ja! Drum dächt' ich, gingen wir und zeugten. Ich kann Ew. Exzellenz nicht dispensieren. Was!? Exzellenz ... mit Nachdruck. Dem Grad des Admirals – Ward diesem Grad vielleicht in jüngster Zeit Ein höherer Charakter beigelegt? Ah – nun begreif' ich's. Oder gibt's in Rußland Der Admiräle, welche nur zum Schein Die Achselschnüre tragen? Nein, Herr Staatsrat, Der Admiräle gibt's in Rußland keinen. Am fernsten aber ist von solchem Schein Der, den du ludst. Wie wenig er auch sein mag, Das mindstens ist er immer, was er ist. Mit einem Blicke in das Blatt. Was tun wir denn? Daß man vor unsre Schranken Ungern sich stellt, ist sehr begreiflich. Doch – Ich kann Ew. Exzellenz nicht dispensieren, Wird nicht etwan ... Nun? Die Geflüchtete Mir ausgeliefert. rasch. Die hat des Zaren Wort! Sie konnt's nicht haben, nimmt man es genau. Mein Bann ist unverletzlich. Wer jedoch Vermag was wider Majestät? Deshalb Verhandl' ich eben mit dem Admiral. Tolstoi, nimm du Vernunft an! Diese Grille Bescherzt ein wenig frei das Heiligste. Sind wir im Pfänderspiel? Die Antithese Gehört in eine spanische Komödie. Auf Seemanns Wort! Das Mädchen sagte nichts, Was sich bezieht auf des Alexis Schuld. Das zu erwägen, sei der Richter Sorge. Wie Erz und Stein! – Woher nimmst du die Kühnheit? Ich trag' ein Kleid, das mich vergessen macht, Es gäbe Dinge, welche Kühnheit fordern. mit Überwindung. Nach meiner Kenntnis vom Gesetz des Landes Dürft Ihr den Vater gegen seinen Sohn Nicht hören. Nein, betrifft's Gewöhnliches. Bei Staatsverbrechen aber mögen Knechte Vernommen werden wider ihren Herrn, Der Bruder wider seinen Bruder, Gatten Entgegen Gatten, Söhne wider Väter, Und umgekehrt. Slowo i delo! riefst du. Sobald dies Wort ertönt, schweigt die Natur. Befiehlst du, daß ich dein Edikt ...? Ich – kenn' es. Und dann zum Überfluß: Ich redete Vom Vater gestern früh. Der Zar verwies mir's. Wenn ich nur wüßte, was dir's frommen soll, Die Folgen abzuwenden, flog sie zu mir. Sie sagte mir, was sie bereits an dich Bekannt zu haben, mir versicherte. Zu Füßen mir gestürzt, entgeistert, blaß, Mit einem irren Blick erzwungnen Zutrauns, Rief sie mir's zu. Mir hat sie nichts gesagt. Nichts? Log sie mir? Der Schreck betäubte sie, Den ich erlaubterweise angewendet. Im höchsten Aufruhr aller Sinne greift Des Menschen Seele wild in ihre Tiefen. Dann weiß ein jeder: fähig sei er dessen, Was er am meisten haßt, verabscheut; sieht, Was noch geschehen könnte, schon geschehn, Weil dem Gewissen der Gedanke auch Für eine Tat gilt. Die Verzweiflung predigt Die bodenlose Schlechtigkeit der Menschen. Ihr seid – ein finstrer Späher. Ich beneid' Euch Nicht um die Wissenschaft. – Mir sank kein Tag, Der mir nicht Hinterlist, Verstellung, Bosheit, Geheime Tücke, offenbaren Undank Auf wohlerdachte Pfade ausgestreut; Und dennoch glaub' ich an die Menschen noch Ein wenig, Tolstoi, tu's meinetwillen; Ein elend Leben war's, tät' man es nicht. Genug! – Er deutet auf das Papier. Dies ist 'ne Frag', wie weit mit mir Zu gehen sei? – Der Admiral antwortet: Er wird dir nicht gehorchen. in steigender Bewegung. Nicht gehorchen? ruhig. Wir sind hier auf dem Lande, nicht zur See. – Mit dem Zeichen der Entlassung. 's wird Zeit zur Sitzung sein. Den Ausfall meldet Mir gleich nach ihrem Schluß. Du weigerst dich, ins Reichsgericht zu kommen? Ich will mich unter winden des Vergehns. zerreißt sein Gewand. So zerreiß' ich mein Amtsgewand, wie du das Kleid Das heil'ge, weiße abgrundgewirkte Kleid Zerreißest der Gerechtigkeit! So schreit' ich Stehenden Fußes in den Saal, und schleudre Die Uloschenie, Statuten, Ukase Ins Feuer, das sie fressen soll, die dreimal eiteln! So stoß' ich die Tafel um und die Stühle! Treibe Die Richter aus den Hallen, denn sie sind unnütz! So zerbrech' ich den Stab und rufe: »Zeter! Zeter!« Statt über den Alexis, über das Land der Russen! Tolstoi! Mäß'ge dich! Du bist bei deinem Herrn! Ich kenne keinen Herrn in dieser Sache! Ich war bei meinem Herren gestern, gestern früh, Und er sagte: »Vergesset, daß Euch ein Zar beherrscht, Welcher Peter heißet!« – Worte waren es, Worte leer! Wenn es die Mühe nicht lohnt, freilich da gelten wir, Aber im ernsteren Streit spielet mit Worten Ihr nur! Laß mich von hinnen, Zar, denn ich erkenne dich jetzt! die Hand am Degen. Tolstoi! Ich bin geharn'scht, fest, gepanzert in Erz! Mit dem Schwerte bewehrt unrechthassenden Sinns, Mit dem Schilde bedeckt todverachtenden Muts! Lösest du auf die Kreise, die ich geordnet zog, Dulde, daß ich beklage dieser Zerstörung Werk. Hemm' deine Klage! – Ist denn, was ich heut Erfahre, mir so neu? Im Jahre Vierzehn, Vor dem Finnländschen Zug sucht' ich Befördrung Vom Schout by Nacht zum Vizeadmiral. Und das Kollegium versagte mir's. Wie Recht. Und du verfährst nach deiner Pflicht, und tust, Was selber ich geboten hab'. Wie Recht. Also bestätg' ich dich aufs neu in deiner Allgewalt, Und gebe unter deinen Bann mein Kaiserhaupt Gleich dem gemeinsten Russen hin unweigerlich. – Nichts hab' ich, womit dir zu lohnen ist; Erfreut ein Zierrat dich, nimm den Andreasstern! Den Stern dem Manne, der zu schaffen weiß! Wir schaffen nichts. Das aber will und fordr' ich, Daß vor das Reichsgericht der Zeuge komme. Der Zeuge wird kommen, und du sollst durchaus Den Willen haben. Ich nachher gedenke Den meinigen zu haben. Tolstoi ab. Mit schauerlicher Freude seh' ich überstark Die Formen, die ich bildete, gewaltiger Denn ich, mein eignes Selbst in ihren Gang Fortreißen, unantastbar meiner Faust! – Das Werk ist ewig, das den Meister meistert, Und die Gewißheit der Unsterblichkeit Verdank' ich dieser Stunde. – Er geht. 4. Szene Vierte Szene Der Gerichtssaal. Das versammelte Gericht. An einem halbmondförmigen Tische sitzen: Tolstoi in der Mitte. Neben ihm Schaphirow zwischen Menzikof und Ostermann. Sodann weiter rechts: Theophanes und die Geistlichen. Links an der Tafel: Die Generale und Senatoren. Ganz zu Ende rechts: Jaguschinksy. Sekretäre an kleinen niedrigen Tischen. Hellebardiere an der Pforte. Später: Zar Peter. Alexis steht vor den Schranken. Pause bei dem Beginn der Szene. Tolstoi blickt unruhig nach der Türe. steht auf und geht zu Tolstoi. Laßt einmal nur von diesem Starrsinn! Denkt Ans Heil des Reichs, an uns, an unsre Zukunft! Auf die Versammlung deutend. Wie die Euch stimmen hören, stimmen sie. Gönnt mir ein Wort. In Euren Händen liegt's. Herr Generalanwalt, die Willkür liegt In meinen Händen nicht. Bis jetzt steht's so: Daß ich den Prinzen absolvieren muß. Dann fahre hin, Glück, Hoffnung, Sicherheit! Er geht an seinen Platz. zu Schaphirow. Kann ich denn auf Euch baun? All' Eure Werke. Ach Gott! Fürst Menzikof seufzt ja so tief. Er denkt an seine Werke. Stets dies Haschen Nach Witz! Satire zeigt ein schlechtes Herz. Zum Lachen ist, bei Gott, der Tag zu ernst. Er zieht uns ein Gesicht; ziehn wir's ihm wieder! Sprecht mit dem Ostermann. zu Ostermann. Was dünkt Euch, Graf? Baron, die Sache hat gewiß zwei Seiten, Wenn nicht noch mehrere; die rechte aber Wird sich aus allen Wechselfällen endlich Von selbst ergeben, was jedoch vor Irrtum Den Redlichsten nicht schützt. zu Schaphirow. Ist er für uns? Weiß nicht. Ich kann die Sprache nicht verstehn. Was spricht er? Diplomatisch Kauderwelsch. Der Mantelträger! Es ist zu beklagen. Auf Theophanes und die Geistlichen deutend. Die stimmen nicht, weil sie nicht stimmen dürfen. Auf Ostermann, die Generale und Senatoren deutend. Die woll 'n das Erz auf Tolstois Felde schürfen; Auf Tolstoi deutend. Der Alte bleibt bedenklichen Gesichts; Er hat gesucht gar viel, gefunden nichts. Wir beide aber, rufen wir auch heftig, Sind doch, den großen Saal zu füll'n, nicht kräftig. kehrt von der Tür zurück und geht zu Tolstoi. Niemand ist noch im Vorgemach erschienen. zu einem Geistlichen neben ihm. Glückselig unser sanfter Friedensstand, Wir heben nur zum Segnen auf die Hand. zu seinem Nachbar. Ein heißer Junius. Die Luft ist schwül. Ganz überaus. Ich habe ein Gefühl ... beiseite. Verwirrung, Angst und Schreck in allen Mienen! Seltsamer Hof! Der Mann im Ehrenschmuck Erblaßt, errötet von geheimem Druck; Der Angeklagte lacht und triumphiert! So ward das Recht in diesen Saal geführt. Also ergeh's den Sklaven, welche dürsten Nach dem geweihten Blute eines Fürsten! zum Sekretär. Seht noch einmal in das Gemach, Ignaz. Der Sekretär geht wieder zur Tür. Ist mir erlaubt, zu reden? Immerhin. Die Freiheit gibt Euch das Gesetz des Staats. Gestanden hab' ich euch den bösen Sinn, Der mich beherrschte seit den Kindertagen. Wie ich dem Herrn mein Unglück nachgetragen, Es ist, ich denk', euch gründlich vorerzählet; Jetzt sag' ich, wie am schlimmsten ich gefehlet, Denn alles muß ich mir vom Herzen sprechen. Den schärfsten Pfeil verschießt zuletzt der Schütz, Zum Schluß des Mahls wird Firnwein aufgesetzt, Der Witz'ge gibt zuletzt den feinsten Witz, Auf einem Fest erscheint der Fürst zuletzt; Ein Sünder sagt zuletzt sein Hauptverbrechen. Ihr wißt, daß ich gefrevelt an dem Zaren, Ihr aber schwebt noch überm Doppelaaren, Denn zwischen Zar und mir sprecht ihr das Recht, Der Herrscher ist, gleich mir, hierin eu'r Knecht; Was ich an euch beging, sollt ihr jetzt hören. Ihr führet Reden, die nicht hergehören. Ein böser Geist gab über Nacht mir ein: All' euer Tun wär' eitel Heuchelschein! Unruhe in der Versammlung. Von außen herrlich, wacker, stattlich, gleißend, Von innen faul, zerfallen, giftig, reißend! Ihr wäret, sprach der Geist, von Ton Kolossen, Und Wurmgenist wär' in dem Ton beschlossen. Ich fordre, daß verbiete das Gericht Dem Angeklagten solche Lästerung. Die Hemmung darf nicht sein. Der Ukas spricht: »Gebundner Mann hab' ungebundne Zung'.« Mein bessres Selbst wollt' euch verteid'gen, Männer; Der Böse rief: »Ich bin ein Menschenkenner!« Und zählte Taten auf von Euren Händen: Erpressung, Schätzung, List, Volksdrängerei – Mit einem Blick auf Jaguschinsky. Der schlag' in Banden grundlos, welche frei ... Ha, dulden wir's? Heißt, Tolstoi, ihn schweigen! Der zahle Priester, daß sie Herzen wenden Zu seines neuen Glaubens Sklaverei ... Gab ich der Kirche Leib dem Zar zu eigen, Geschah's zu frommer Absicht, heil'gem Zweck: König und Priester war Melchisedek. Der halt' es mit den Schweden, Goten, Wenden, Daß er der Diener zweier Herren sei ... Mein Gott, wer kann doch so die Pflicht beleid'gen? Der presse Geld und Gut aus allen Ständen, Und witzle über der Beraubten Schrei ... Ist solcher Geist als Zeuge zu beeid'gen? Des fünften Tage sein ein stetes Schänden Von Ehre, Zucht, Wahrhaftigkeit und Treu ... Angeberei! Ich werde mich verteid'gen! Und um des Dämons Lügenspruch zu enden: All' meine Richter seien taube Spreu. – Der Pardel, Tiger geh' nach großem Raube, Nichts zu verschmähn, sei kleiner Füchse Glaube. Mein schlechtes Herz hat sich dabei bewährt: Der Schmähung ward ein offnes Ohr gewährt. Mir galt für Wahrheit sie, für reine, volle – Er zieht das Heft hervor. Die Kund' ist aufgeschrieben ... Er legt das Heft auf die Schranken. Da die Rolle! Zerreißt die Rolle! Laßt uns Urteil sprechen! Wir sind bedroht! Verdächtigt unser Treiben! schlägt mit seinem Stabe auf den Tisch. Bin ich im Rechtssaal? Wollt ihr ruhig bleiben? Zu Alexis. Und wie klang gegen mich des Geists Erfrechen? Er schwieg von dir. Ich wüßt', bei meiner Ehre, Nicht, was von deiner Art zu sagen wäre. Tolstoi sieht vor sich hin. Allgemeine Stille. Alexis mit einem Blick auf die Versammlung beiseite. Gehetzt, geblendet, taumelnd, wutdurchbebt! Nun helf' euch Dolch und Mord! Ich hab' gelebt. kehrt von der Tür zurück, die offen bleibt. Er kommt. Wer kommt? Peter, der Admiral. Was will er? Zeugen. Zeugen? Er weiß nichts. Erwartet jetzt den Fortgang des Gerichts. Bei uns der Zar? In unsrem ... unsrem Saal Die Majestät? Der Landesherr? ... Da ist er. Die Hellebardiere machen die Honneurs. Zar Peter tritt ein, in voller Admiralsuniform, den Admiralshut auf dem Haupte. Die ganze Versammlung bis auf Tolstoi, erhebt sich. Bin ich der Zar, könnt ihr mich hier nicht sehen, Bin ich es nicht, wer zwingt euch, aufzustehen? Vollkommen wohl bemerkt. Die Versammlung setzt sich. Der Zar steht dem Prinzen gegenüber. Was ist geschehen!? Gesetz, Notwendigkeit, sind zwei Geschwister. Man soll nicht Satzung stiften ausnahmsweis, Zum großen Ziele führt das breite Gleis. Ich bin ein Admiral der roten Flagge, Und nicht zum Scherze trag' ich diesen Hut; Nein, ich erkor des Dienstes Müh' und Plage, Daß keiner sich, zu dienen, halt' zu gut. Eu'r Bote rührte meines Hutes Rand: Ich folgte ihm. Der Grund? Macht ihn bekannt. Ihr seid ersucht, dem Hofe vorzutragen, Was Ihr erfuhret von des Prinzen Schuld. O feiges Herz! Sie weiß es ja allein ... Ich schwöre, Wahrheit dem Gericht zu sagen, Bei Gottes Gnade und des Mittlers Huld. – Die Kunde, die mir beiwohnt, ist nur klein. Nichts weiß ich von den letzten trüben Dingen, Doch etwas aus der frühern Monde Gang. Nach Napel floh der Prinz, um aufzubringen Den Kaiser gegen seines Zaren Zwang, Wie er geheißen dessen redlich Dringen Auf Fügsamkeit und Sohnes Sinn und Dank. Er kam zurück. Da hat der Zar vergeben, Mit einem Eid versichert ihm das Leben. Wofern der Prinz vollständig einbekannt. Vollständig. Diesen Vorgang weiß das Land. Wer wagt's, den Zarewitsch zu zeihn der Lügen? Es hat der Zarewitsch dem Zar verschwiegen Damals den Anteil eines Mitgenossen. Die Mutter wußte um des Sohnes Flucht, Und um den Zar von seinem Thron zu stoßen, Hat Aufruhr in dem Lande sie versucht Durch die Bojaren, so bereits genossen In jener Moskau-Nacht des Todes Frucht. Sie schrieb's dem Sohn. Der Brief ward ausgeschlossen Aus des Alexis Beichte nach der Flucht. – Nach einer Pause. Das alles sagte heut, betränter Miene, Doch unbedroht, ein Mädchen, Euphrosyne. Alexis fällt in einen Sessel und bedeckt das Gesicht mit den Händen. Erfuhrt Ihr sonst etwas? Ihr habt gehört, Was ich gewußt. Darf ich den Saal verlassen? Wir sind durch Euch genugsam aufgeklärt. geht zu Alexis. Sei du ein Mann, und suche dich zu fassen! Schlimm ist das Tun, und nicht die Kundbarkeit; Daß du's getan, weißt du nicht erst von heut. ohne aufzustehn, mit erstorbner Stimme. Du hast's erreicht. Es geht nunmehr zum Sterben! Ich mach' mein Testament, gedenke dein. Er nimmt das Heft von den Schranken. Nimm diese Schrift! Ich setze dich zum Erben, Sonst gibt's ja nichts auf Erden mehr, was mein. Du brachst der holden Treue Welt in Scherben, Nach dieser Stunde wird nichts fest mehr sein. Dafür will ich dir deine Welt verderben, Ich weise dich in ihre Fäulnis ein! Er reicht dem Zar die Schrift. Dieser steckt dieselbe, ohne sie zu lesen, zu sich und geht ab. erhebt sich. Wenn noch des Zweifels Gran war in der Waage, Schnellt' ihn danieder unsres Herren Spruch. Die Finger auf der Uloschenie Buch, Und auf das Zar'sche Kriegsrecht neuster Tage, Heisch' ich den Tod für diesen Hochverräter! steht auf. Beistimmend. ebenso. Gleichfalls. ebenso. Zu den Senatoren. Weise, würd'ge Väter Des Landes, unsre Schmerzenspflicht ist klar. zu Alexis. Prinz, sprach der abgehörte Zeuge wahr? Alexis macht eine bejahende Bewegung. Er liegt im Sessel, ohne Anteil an dem Ferneren zu nehmen. Gebt eure Meinung, Herrn der Geistlichkeit! Jehovah sprach durch Mose seiner Zeit: Er schlägt das alte Testament auf. »So jemand einen eigenwilligen und ungehorsamen Sohn hat, so soll er ihn greifen und zu den Ältesten der Stadt führen, und zu dem Tor desselben Orts. So sollen ihn steinigen alle Leute derselbigen Stadt, daß er sterbe, und sollst also den Bösen von dir tun, daß es ganz Israel höre und sich fürchte.« Wir urteln nicht, wir töten nicht den Samen Von Mann und Weib. Gott hat's verkündet. Amen! Der neue Bund hat auch das Recht geweiht. Er schlägt das neue Testament auf. »Ihr Kinder, seid gehorsam euren Eltern in dem Herrn, denn das ist billig. Ehre Vater und Mutter, das ist das erste Gebot, das Verheißung hat. Auf daß dir's wohl gehe, und du lange lebest auf Erden.« Wir urteln nicht, wir töten nicht den Samen Von Mann und Weib. Gott hat's verkündet. Amen! Schließt nun, ihr Brüder, Augen, Lippen, Ohren; Das Schwert, das uns gebühret, ist der Geist. Stimmt jetzo, General' und Senatoren, Allgemeine Stille. nach einer Pause. Sei Du der Führer, der den Weg uns weist. erhebt sich. Aufruhr verbergen, heißet Aufruhr üben. Wer des Verräters Brief empfangen hat, Und des Verräters schont, begeht Verrat; Mitwissenschaft ist Vorschub, Hehlen Tat. Du sollst das Land mehr als die Mutter lieben. Die Klag' ist nicht auf eine Zeit beschränkt, Auf einzeln Umstand, Fehltritt nicht gelenkt, Nach göttlichem und menschlichem Gebot Verdient Alexis Petrowitsch den Tod. erheben sich. Er sterbe! erheben sich. Sterbe! Einhellig also? Tod! Wilde Gruppe. 5. Szene Fünfte Szene Offne Galerie im Palaste. Zar Peter tritt auf. Ihm folgen: Ein Arzt und Mons de la Croix. zum Arzte. Wie geht es meinem Sohn? Er liegt im Fieber. Seit wann? Bewußtlos fand ich ihn, als er Von dem Gericht zurückgetragen ward. Hat ihn sein Schicksal so erschreckt? Noch mehr Die Art, wie's ihm bereitet ward. Der Wechsel Von Siegeshoffnung, niederschmetternder Vernichtung, ferner, Daß jenes Mädchen, die er lieb gehabt, Ihn angegeben, rührte die Natur In ihren feinsten Adern grabend auf. Ist es gefährlich? Nein, Ew. Majestät. Die Jugend wird sich helfen. Morgen schon Ist hergestellt, ich hoff's, der Zarewitsch. Ihr seid der Sache sehr gewiß. Ich bin's, Soweit in unsrer Kunst Gewißheit gilt. Ein kluger Nachsatz! – Welcher Offizin Entnehmt Ihr Eure Mittel? Mr. Bear's. Ist's ein geschickter Mann? Durchaus erfahren In den Geheimnissen von Stoff und Mischung. 'Ne Frag' aus Neugier: Sagt man nicht von ihm, Er mach' Aqua Toffana? Majestät, Um solche Ding' bekümmert sich kein Arzt! Der Kaiser auch nicht. – Seht nach meinem Sohn. Arzt ab. Zu Mons. Was will die Kaiserin? Sie hat mir nie Die Pforten ihres Zutrauns aufgetan, Ich steh' ihr ferne, wie ein jeder Diener; In unnahbarer Hoheit wandelt sie Uns allen fremd, und der Befehl allein Verknüpft die Herrsch'rin den Gehorchenden. Zwei Dutzend ungeschickter Wort' zuviel, »Ich weiß nicht« – mir zu sagen. Zürnt Ihr? dir? – Mons ab. Der Zar geht auf und nieder. Ein Sekretär tritt mit dem Todesurteile ein. Des Hofes Schlußurteil. Überreicht es. Das ging ja rasch. Fürsorglich hat es Tolstoi wohl schon Vorher verfassen lassen. – Bleib zur Hand. Ich habe deiner Feder mancherlei Heut zu vertäuen noch. Sekretär ab. Der Zar liest das Urteil. Ein höchst gerechter, wohlerwogner Schluß! Moses und die Propheten und Apostel Drin angeführt ... und doch ... Er wirft es heftig auf den Tisch. Ein Schandurteil! – An einer Klausel, einem Nichts ihn fassen! Gemein und niederträchtig! Blutig-albern! Bestellt' ich euch, daß ihr hyänengierig In der vergeßnen Dinge Moder wühlen, Scharr'n solltet aus der Gruft verweste Schuld? O das ist schlimmer als des Meuchlers Dolch! 6. Szene Sechste Szene Katharina in Trauer. Zar Peter. Was für ein Aufzug? Tiefen Grames Kleid. Leicht hüllt sich eine frohe Brust in Schwarz. Doch Seufzer steigen nur aus traur'ger Brust. – O Herr, beflecke nicht dein würd'ges Leben! Es denke jeder seiner eignen Pflicht, Wir werden würdig bleiben unsrer selbst. – Du sandtest durch den Diener mir die Bitte Um eine Unterredung. Ich versteh', Rücksichten zu bewahren. Doch bevor Du sprichst, erwäg', ob ich dich hören kann. Auf meinem Pult lag namenlos ein Brief: »Dein Weib verließ mit ihrem Mons das Schloß Gestern« ... rasch einfallend. ... Um Mitternacht, geheim, verstohlen, Als gält's ein Werk der bösen Finsternis! Wie? Zu den reinen Sternen rufend: »Zeugt mir!« Von Mons begleitet, dessen Kindersinn Sie leicht die Fabel aufgeheftet, fuhr sie Aus dem Palaste nach der Festung. Dahin? – – Der Kommandant wird mich ja wohl vertreten. Entschuldigt es. Sie war bei meinem Sohn! – O Katharina, wie verdien' ich dich? Du Dulderin! Du Edelmüt'ge! Lob? Schamröte meinen Wangen? Lieb' ich ihn? Könnt' ich nur heucheln! Meinen Vorteil sucht' ich ... Was hülf's, mich zu verstell'n? Ich bin zu schlicht. Den guten Namen wollt' ich mir bewahren; Stiefmütter büßen, wenn Vorkinder leiden, Zu rühren hofft' ich ihn, ich meint' es gut. Du hatt'st dich mir entdeckt, ich sagt' ihm alles, Vom Vater sollt' er sich sein Los erflehn, Damals war es noch möglich. Damals, ja! Ich zählt' ihm deine heil'gen Tränen vor ... Und er? ... Es war ein Fraungedanke! Er? Ich bin nicht kommen, um ihn anzuklagen. Er widerstrebte? Einer Ungeschickten. Die Zung' ward nicht gemacht für Überredung; Was man Behandeln nennt, ich kenn' es nicht, Die Wahrheit ist so einfach. Warum gräm' ich Um einen Toren mich? – – Mein güt'ger Herr, Fehlt' ich schon wieder! – O vergiß dich! Denk Des Unglücks nur! Ich tu's. Fern sei von mir Der Lüge Kunstgewirk! Ich furcht' und sag' es: Er wird ein Opfer doch, früh oder spät, Des argen Herzens! Kann wohl sein. Sie treiben Gewaltsam ihn dazu. Weißt du? Im Süd Die alten Städte, sandten Deputierte, Von dir sein Leben zu ertrotzen. Freundschaft Zur rechten Zeit ist gut. Das schlimmste ist Unzeit'ge Freundschaft! Wenn doch die Gesandten Umkehrten halben Wegs! Partei ward alles. Das eben, o mein Fürst, jagt mich zu dir! Religion ist mein Gefühl für dich, Ein höh'res Wesen bist du mir; nun faßt Mich Schmerz um meiner Andacht göttlich Bild! Die Richter morden, ihre Angst zu töten, Den Herrn will sich dein Feind erhalten. Mitten In diesen Fluten stehst nun du. O daß du Dich rein entschiedest! du, du selber stets, Nur du in dem Entschluß! Begeistrung, Kühnheit Reißt über alle Grenzen mich ... Wo bin ich? Für meinen Gegner bitt' ich, deinen Gegner, Für einen Frevler bitt' ich, denn ich muß. Die Liebe sorgt um Folgen nicht. Entschließ, Entschließ dich jetzo! geht heftig umher. Du allsehnder Himmel, Send einen Strahl herab, hier ist es trüb! – Die blinden Heiden legten auf das Haupt Des Sohns, der an der Mutter sich versündigt, Den schwersten Fluch. Den Furien gaben sie Den Schänder hin, den Geißeln. – Unter mir Soll einer sterben, der der Mutter schonte! Ruchloses Recht! Entsetzliches Gesetz! Ich hätt' es grad wie du gemacht, Alexis. – Wer seine Mutter preisgibt, ist ein Abscheu Für jede Kreatur; der Hund verläßt Den Herrn, der das tat. Schnaubend wirft das Roß Die Last des Schlechten ab. Der Zar hat Grund, Dir bös zu sein, wo aber wär' der Zar, Hätt' ihn nicht seiner Mutter sanfter Schoß Empfangen und gehegt? beiseite. (Ging ich zu weit?) Gib mir die Hand, daß ich Lebendiges In meiner fühle! Mich umsaust der Tod Mit ekler, wesenloser Mattigkeit. Du stehst bestürzt, du liebe, treue Frau ... Fühlst du mein ganzes Elend? Wär' ich nie Gekrochen auf den Haufen Schmutz: die Erde! Sieht aus wie Ton für eines Bildners Hand, Ist aber nichts als Schmutz. – Zerbrich, mein Werk! Stürzt, meine Städte! Sink, verkünstelt Volk, Zurück in deine alte skyth'sche Nacht! Mein Reich ist hohl und marklos. Diesen Sklaven Flößet kein Gott des Lebens Otem ein! Die Welt kann ich erobern, doch das tat Vor mir schon Attila. Und dein Gefangner? setzt sich erschöpft. Ah so, mein Sohn. – Der mag denn also leben! Denn freilich, stürb er, dann erwürgten wohl Die russ'schen Mütter künftig an der Schnur Die männliche Geburt; daß ihren Feind Die arme Kreißende zum Licht nicht fördre! So hilf mir nun, Erfindung, die so schön Gekrönter Schwäche hilft. Ich glaubte nie Dein zu bedürfen. – Gute Katharina, Du hast den liebevollen Zweck erreicht: Er soll begnadigt werden. So. Begnadigt? steht auf. Ich will's heut abend noch ihm sagen lassen. Ist dir das recht? Ei ja. Es ist doch etwas ... Verzeih mir, darum hab' ich nicht gefleht. Nicht darum? Um was sonst? Darauf zu fallen! Was wolltest du erbitten? Herr, 'ne Grille. Ich seh' es ein. Wer hindert dich? O tu's. Nichts will ich tun, bevor ich dich gehört. Zum Tod verurteilt sein, galt sonst für Schmach; Vielleicht sind die Begriffe anders worden. Er lebt denn, wie es gehen will, den Brandmark Von Untertanenhand auf seiner Stirn! Die Gnad' ist wirksam. Immer gilt's die Probe. Möglich, daß er damit zufrieden ist, Ich denk' nicht hoch von ihm. Auch machst du ihn Gewiß so am unschädlichsten. Man kann Ja nicht in fremder Seele zeugen. Ich, Ein Weib, wüßt' freilich, was ich spräche, böt'st Du deine Gnade mir. Er wär' ein Weib, Spräch' er nicht so, wie du. Die Gnade sei Gemeiner Missetäter Bettler-Hoffnung, Gleichgült'gen Frevels Trost, die Gnade schenke Der Schuld, die man verachtet, ihre Buße! Doch Gnade für Gerechtigkeit – das wär' Seltsamer Tausch. Und bist du stark genug, Die Wirkung zu beherrschen? Welche Wirkung? Lang lebt ein Fürst in unbestrittner Macht; Gehorsam ist Gewohnheit, niemand klügelt. Dann aber kommt der Punkt, wo jeder fragt: Warum gehorchen wir? – Sei gnädig. Sieh, Ob nicht ihr Haupt der Zweifel morgen schon Schüttelnd bewegt? Weil ich ein Mensch gewesen? Uns andern ging' es hin, dir schenkt man nichts. Und fragen würden sie: »Wie kam es doch, Wenn er wollt' gnädig sein, daß er das Aufsehn, Das kalte, feierliche, unbegehrt Um nichts erregen ließ?« Sie hält inne, eine Antwort erwartend. Peter schweigt. Nun, sprächen andre, Er ist denn auch zuletzt wie unsrereiner, Dräut und bereut. Der Fall belehre Euch. Schweig! – Dieser Fall wird etwas Härtres lehren. Er nimmt das Todesurteil vom Tische. Findst du's? Ja großer Herrscher, übe Großes! Ein Unrecht wird geheilt nur durch das Recht, Auf höherm Stuhl gesprochen, und du bist Der höchste Richter! Schilt ihr Urteil, streue Die Fetzen ihnen vor die Füße! So Übst du die Macht, so bleibst du dir getreu, Zur Quelle kehrt der Dinge Strom zurück. Zwei Wege hast du, und den dritten nicht; Du mußt ihn sterben lassen, oder mußt Die Richter richten. Allerdings. So steht's. Und weißt du nun, was ich erbitten wollte? Was ich nicht leisten kann, das weiß ich. Wie? Fluchwürdig war der Sinn, der Spruch ist gut! Mir muß der Spruch nur wiegen, nicht der Sinn. Zur rechten Zeit bist du gekommen. Fast War eine Torheit hier geschehn, es war Das Zeichen zu dem Bürgerkrieg gegeben, Sobald sich meine Augen sterbend schlossen. Im Irrtum war ich, grausam straft er mich; Ich frevelte an der Natur, nun reift Die Frucht; der Widersinn, das Ungeheuer. Verloren war er schon, sobald den Hof Ich eingesetzt. Wie auch der Hof gesprochen, Ich mußte seiner mich entledigen. Denn ist er schuldlos, bin ich der Tyrann, Er ist der Märtyrer, für den das Volk Berechtigt, heil'gen Wahnsinns Fahne schwingt! Mein neu Geschlecht wird sich behaupten wollen, Ein Zwischenreich beginnt, von dem mein Stamm Das Land erlöst. Wie weit-entlegne Sorgen! Das Unglück pflegt mit schnellem Fuß zu wandern, Das Ferne gelt' uns nah', wenn wir's erblickt. Er ist bedauernswert, und sie – sind schlecht, Und wählen muß ich zwischen ihm und ihnen. Ich hab' gewählt. – Um alle Heil'gen, Herr ... Aus dunkler Wolke trifft der Strahl ... Nachahmen Werd' ich den wetterbraunden Mächten! Hör mich! ... Dies also wäre abgemacht. – Er legt die Hand auf ihre Schulter. Wenn ich Jetzt nicht mein Haar zerraufe, diesen Estrich Mit meinem alten morschen Leibe nicht Bedecke – dank' ich's dir. Ein großer Schmerz, Ein großer Balsam in derselben Stunde! Seit heut erst kenn' ich dich. Du sprachst ja stattlich, Wie eine rechte, echte Königin! Hast mir was abgehorcht. Ach, nicht von mir! Verlor ich mein Gesuch? Verlorst es ganz. – Er tritt nach einer Pause vor sie hin. Du rettetest mich einst, du halfst mir jetzt Durch tief Gespräch zur Wahrheit. – Hier ja wäre Etwa, was wir gesucht. Von unsrer Glut Ein Fünkchen, Art von Art. Und die Sarmaten Sind's schon gewohnt. Beschenken möcht' ich dich, Und hab' nur Not und Sorgen zu vergeben. Rußland besitz' ich. – Willst du's? Großer Gott! ... Mich überschütten deine Worte ... Ich? Alexis? ... Herr ... Die Schande spar' ich ihm, Kann ich ihm sonst etwas ersparen? Er geht. 7. Szene Siebente Szene allein. Endlich! – Der Fürsprach' bei dem Gutsherrn werden wir Jetzt zu entbehren wissen! – Und wer wirft Auf uns den kleinsten Makel? – Donnre, Rächer! Hab' ich gelogen? – Donnre! – Stumm verbleibt's. Ich bat für meinen Feind, gab Lieb' für Haß, In allem wahrhaft, mild, untadelich. Die Nachwelt soll von dieser Großmut reden! Nach der andern Seite ab. 5. Akt 1. Szene Erste Szene Die Galerie. Jaguschinsky. Schaphirow. Verhaftet Menzikof? Soeben. Wegen? Erpressung, Volksdruck, Lug. Das zielt auf uns! An diesen Pfahl hängt er die Warnungstafel. Der Schrecken geht durch Petersburg. Zur Festung Soll'n wir um Eilfe kommen? Alle, die Den Zarewitsch verurteilt. Schaphirow, Was soll'n wir in der Festung? Publikum Vorstellen, oder ... Weiß ich's? – Eingepackt! Die Post muß stets zur Abfahrt fertig sein. Klar ist's, wir sprachen ihm zu Danke nicht, Und selber sind wir seines Sohns Verklagte. Den – läßt er aus, und uns behält er dort. Und wen behält er draußen? Das erwägt Sein Grimm nicht. – Ha! Gehn wir, dem Kalbe gleich, An Schlächters Seil zur Bank? Mein Jaguschinsky, Uns beide nährt' er wohl zu Stieren auf. Gilt's, wollen wir, wie trutz'ge Stiere, kühn Die Hörner weisen, daß der Schlächter merke, Er müsse mit des Armes höchster Stärke Den Beilschlag führen. So erwartet' ich's. Ihr seid ein Mann, der nicht dem Tode bleibt Die Antwort schuldig. Fällen mag er uns, Er soll uns nicht erniedrigen! Die Wipfel Sie mögen liegen in dem Staub, zerquetscht; Grün, nicht von Angst gewelkt! Kommt, Schaphirow, Aufsuchen laßt die Freunde uns, daß wir Durch unsern Zuspruch ihren Mut erwecken; Dem Schreck ohn' Ende folgt ein End' mit Schrecken! Beide ab. 2. Szene Zweite Szene Danilow. Die Städte-Deputierten. Aaron mit der Wahlurkunde. Sie treten im Hintergrunde auf und bleiben anfangs dort. Später: Zar Peter und Gordon. Er kommt, hier woll'n wir ihn erwarten. Aaron schlägt die Urkunde auf. Zar Peter tritt mit Gordon von der Seite auf. Peter Gordon, es treibt mich keilhaft zum Entschluß! Ihr wart ja schon entschlossen. Nennst du das Entschluß, wenn die gequälte Seele sich Luft macht in einem Aufschrei? Sie sprach klug, Sehr klug, oh leider allzu klug! Hier liegt's Fein, weiß, wie eines jungen Teufels Unschuld! ... Die Blicke weg davon! ... Schaun wir der Not Ins ehrliche Medusenantlitz! – Görtz Gefallen der Kabale, neugestärkt Die schwed'sche Kriegspartei, Ulrike zögernd, Engländer unter Norris durch den Sund, Auf allen Plätzen Rüstungen! So schreibt Mir Mardefeldt. – Die Arbeit geht von vorn an, Hier, draußen! Ich bin stumpf und mürb ... Zähl Geld, Das ist das einzige, was Stich hält. Dich Schickt mir mein gutes Glück! Dich fand ich ab, Was deine Habsucht wollte, hast du! Nagst Gestillt, zufrieden an dem Bissen! – Tat, Ereignis, Vorsatz, Wort, Gedanke, alles Log mir mit Doppelsinne unausgründbar. Dich frag' ich, trockner, dürrer Mensch: »Trügst du's? Mit Würmern seinen Herbst zu teilen, wenn man Endlich die Früchte brechen will!« – Gordon, Was soll geschehn? Zar, nichts. Nichts? Muß beständig Etwas geschehn? Wer immer handeln will, Verspinnt zu rasch den Werg. Gibts keine Zukunft? Unmöglich etwas halten, ist ein Irrtum, Der freilich manches schon untunlich machte. Das sind so allgemeine Sätze. Ja, Zur Abwechslung auf viel Absonderliches. Es kam zu weit, und eins von zweien heischt Der Tag. Das Datum steht im Almanach, Die Dinge wissen vom Kalender nichts. Unfertiges ward in die Welt gewirkt, Drum dauert sie. Doch große Männer wollen, Daß alles fertig sei. Und hiemit wär' Zu Ende meine Weisheit. nach einer Pause. Sag dem Weide: Er soll den Becher in die Erde schütten! – Mir fehlt ein Stück zu deinem großen Mann. Und deine Diener bleiben heim? Mitnichten. Es siegt der Almanach! Nun meinetwegen. So sind denn also, die du ludst zur Veste, Des Tages Mahl, und nicht des Tages Gäste! Die Altrussen treten vor. Wer sind diese? Die Alten. Schick sie fort! Ich bin zugänglich für jedermann. Nur jetzt nicht! – Zu den Russen. Schickt euch selber fort! Warum hinderst du sie? Ich will denn nur gleich gehn. Du kannst noch etwas verweilen. Nun ist es entschieden. Er tritt zurück. Wer seid ihr? Abgeordnete gesamter alt-russischer Städte. Eurer Majestät demütige und getreue Untertanen. auf Aaron zeigend. Wer ist der Greis? Aaron, der Archivar von Moskau. Was bringst du da getragen? Die Wahlurkunde Michaels Feodorowitsch Romanow Jurjew, mit der Unterschrift aller gegenwärtig gewesenen Leute jeglichen Ranges und Standes. Geschrieben im Jahre 1613, im Monat Mai. Indem du redest, erinnre ich mich deines Gesichts. War ich nicht als Knabe einmal in deinem Briefgewölbe? So ist es. Ihr wart ein wißbegieriges Herrlein, ich mußte Euch manches Fach auftun. Als Ihr den bunten Einband und die glänzenden Siegelkapseln dieser Urkunde saht, klopftet Ihr in Eure Hände, und fragtet: »Was steht in dem schönen Buche?« Ich aber sagte: »Darin steht geschrieben, daß wir unserm Zaren treu und unterwürfig sein sollen im Leben und im Tode, daß wir ihn aufrecht erhalten sollen mit Leib und Gut gegen die Deutschen und Schweden, gegen die Polen und Littauer, und gegen alle innre Feinde und Ruhestörer. Es ist das Verbündnis zwischen ihm und uns.« Und Ihr legtet Eure kleinen Finger auf das Buch, saht mich mit blitzenden Augen an, und spracht: »Das hebe wohl auf, damit man diese Sache nicht vergesse.« Die einzelnen Umstände sind mir entfallen. Wie lebt ihr, Leute? Wir tun unsre Arbeit, ehren die Heiligen und zahlen die Steuern. Ich will eure Bitte vernehmen. Wir haben keine Bitte. Wir bitten um Nachlaß am Kopfgelde, um Frucht aus deinen Speichern in der Hungersnot, und wenn du zu uns sagst: »Löschet das Feuer auf euren Herden, weichet aus euren Häusern, denn sie gefallen mir, und ich will sie haben«, so bitten wir: »Der Zar gönne seinen Knechten das Obdach, denn der Zar kann sich überall wärmen, aber seine Knechte besitzen nur die eine Stätte.« – Wir haben keine Bitte. Zu Aaron. Lies liest aus der Urkunde. »Und da der von Gott auserkorene Herrscher Michael Feodorowitsch, gehorsam seiner erhabenen Frau Mutter, das allgemeine Flehen nicht verachtet, sondern sich bereit erklärt hatte, die Herrscherwürde über die Reiche Wladimir und Moskau, und über das ganze große Rußland anzunehmen, so riefen die Bojaren und Edelleute, und die ganze zarische Wahlversammlung, wie auch die Beamten, Gäste und alle rechtgläubige Christen aus einem Munde: ›Wir küssen schwörend das lebendigmachende Kreuz und versprechen Gott und der heiligen Mutter Gottes, den himmlischen Kräften, den erhabenen Wundertätern Georg und Nikolaus, und allen Heiligen, daß wir unsre Seelen und Häupter weihen, und treu und wahrhaft dienen wollen dem von Gott geliebten Zaren und Großfürsten Michael Feodorowitsch und seinen Nachkommen, die Gott in Zukunft schenken sollte‹«. Und seinen Nachkommen, die Gott in Zukunft schenken sollte. liest. »Und alle Bojaren, Okolnitschen, Fürsten, Heerführer, Edelleute, jegliche Beamte, Gäste, Deputierte, die aus allen Ständen des ganzen großen russischen Reiches in Moskau zur Zaren-Wahl zusammengekommen waren, unterschrieben dieses, auf daß hinfüro alles dasjenige von Geschlecht zu Geschlecht unabänderlich gelte, was in dieser bestätigten Urkunde geschrieben steht.« Sie ist gehandhabt worden bis heute. Der Vater auf dem Throne zeugte den Herrscher, die Väter in den Hütten zeugten diesem die Diener. Wir sind der Romanows, aber die Romanows sind unser. Michael war der erste, Alexei der zweite, Feodor der dritte, du bist der vierte. Und Alexis ist der Fünfte. Er verbeugt sich tief. Der Zar vergebe! Der Zar lebe hoch! Er lebe hoch! Ich habe mehr denn einen Sohn. Die Erstgeburt ist heilig. Da der Herr Ägypten schlagen wollte, schlug er es an dieser. Seid kurz. Was begehrt ihr? Daß der Zarewitsch habe unverschränkten Eingang und Ausgang, Ehre bei Tage, Ruhe bei Nacht, Ansehn für jetzt, Hoffnung für die Folge. Gehört er nicht mir? Wir pflegen zu sagen: »Die Zariza gebiert die Söhne dem Lande. Er ist unser. Der Zar weigre ihn, wenn er dessen sich getraut.« Er verneigt sich. Der Zar vergebe! Der Zar lebe hoch! Er lebe hoch! Ich habe ihn richten lassen von meinen Räten. Das Roß trägt den Reiter, der Pflug geht in des Pflügers Hand, der Knecht gewinnt Urteil vom Herrn, nicht der Herr vom Knechte. Ihr wagt es, Trotz auf der Stirne, Tücke im Herzen, zu mir zu treten? Ihr untersteht euch, meinen wohlerwogenen Beschluß zu schelten? Es ist aller Hoheit ein Ziel gesetzt worden. Habt ihr noch etwas zu sagen? Unsre Rede meide den Überfluß. Die Majestät erwäge solche in ihrem Herzen und wähle, was gut ist. Denkt in euren Weichbilden alles so? Wir stehn für Hunderttausende. Gordon! Gordon nähert sich ihm. Laß Weiden nach der Festung sich verfügen. Ich wußt' es ja. zu den Russen. Euch dank' ich für die Lehre, Die aus des Lands Geschieht' ihr mir erteilt. Stets fand ich mich, hatt' ich mich eingebüßt, Im Angesicht des Feinds, des Heers, des Volks, Das dringt und fordert! – Nach der Festung folgt. Ich werd' euch, wenn ihr dort ihn noch verlangt, Nicht länger euren Liebling vorenthalten. Er geht. Die Russen folgen. 3. Szene Dritte Szene Zimmer in der Festung. Im Hintergründe ein Alkoven, den ein Vorhang von dem Zimmer trennt. Der Vorhang ist aufgezogen. Im Alkoven auf einem Ruhebette Alexis schlafend. Der Arzt und Oberst Schepelew im Zimmer. Zehn Stunden schon! Ist dies sein Todesschlaf? tritt zu Alexis und legt die Hand auf dessen Brust. Das Herz hält gleichen, abgemeßnen Schlag, In Leib und Gliedern wohnt, gemäßigt, Warme. Mein Mittel wirkt', er wird gesund erwachen. Ich furcht' mich vor dem Augenblick. Das Elend, So auf des Armen Scheitel sank gehäuft Mit Überlast, wird sein entsetzlich Antlitz Dem Unglücksel'gen zeigen. Alles traf ihn! Auch jenes Mädchen legte Hand an sich, Erschütternd klang die Meldung. – Lieber Doktor, Ihr hättet ihn nicht heilen soll'n. Das Fern're, Wenn sich die dreiste Wirklichkeit herzudrängt, Vermag ich nicht vorherzusehn. Fürs erste Seid ohne Sorgen. – Dieser wird allein Von seinem Siechtum wissen. Von nichts andrem? Des Menschen Brust faßt nur ein Maß von Leid, Was drüber geht, zerstört ihn scheinbar. Krankheit Benennt es unser Wahn; es ist die Hülfe. Denn Einbildung schwingt sich aus den Ruinen, Und löst den Druck in ferne Schatten auf, Mit denen träumrisch spielt die freie Seele. – Hier war der Qualen übervoller Kelch! Was sonst der ganze schmerzbestimmte Kreis Der Sterblichen verteilt zu tragen hat, Entbehrung, Härte, Raub der süßen Liebe, Schiffbruch des Zutrauns, Irrtum und Enttäuschung, Furchtbarer Gegensätze Widerstreit Hat man gelegt auf dieses einen Schulter. Ihm werden's nicht'ge Fieberbilder sein. Meint Ihr, daß ich dem Zar das melde? Tut's! Er ist schon auf dem Weg vom Schloß. So eilt! Schepelew ab. Du zeigtest mir die Furie, die sich grinsend An meinen würd'gen frommen Kreis heranschleicht! Er nähert sich dem Alexis. Da liegt der Leib, für welchen tausend Kräfte Seit Ewigkeiten zueinander strebten! Dann mußt' in sie versenken sich der Hauch, Mächt'ger, denn jede Kraft. Da liegt der Leib, Den ich erhielt mit tiefer Wissenschaft, Schlafloser Nächte müherrungner Beute! Ruchlose Menschen, wißt ihr, was ein Mensch ist? Wagt einzureißen ihr, wo ihr nicht baun könnt? erwacht. Fedor, mein Morgenkleid! Er ist in Moskau. Nun gib mir Stärke, mein Beruf! Wo ist Denn dieser Lässige? Er erhebt sich und kommt in den Vordergrund. Verhängt das Licht! Ist's spät am Tag? Wo bin ich? War ich krank? Wer seid Ihr? Euer Arzt. nachsinnend. So war ich krank. Er setzt sich. Die stille Mattigkeit! Und doch so frisch, So neugeboren; liebliches Gefühl! Er sieht sich um. Ich kenne dieses Zimmer nicht. Es liegt Im fernsten Teil des Kremlins, abgesondert Von jedem störenden Geräusche. in die Ferne schauend. Dort Wenn ja so viele Flaggen. Fischerkähne, Die auf der Moskwa hergeschwommen sind. Er verhängt das Fenster. Die großen Segel auf den kleinen Nachen? – Auch wir entfalten hoher Zuversicht Gewaltig-schwellende Segel allen Winden, Das Boot, darin wir fahren, ist nur schmal. – Ihr seid mein Arzt? Der Arzt macht eine bejahende Bewegung. Ihr habt ein gut Gesicht! Kennt' ich Euch näher, fragt' ich Euch nach jemand. Sie ist – verreist. Verreist? Jetzt, da ich litt? O zürnt der armen Abgereisten nicht! Ich hoff' – Ihr seht sie wieder. Sicherlich. Wenn sie nicht kehrt, reis' ich ihr nach. 4. Szene Vierte Szene Schepelew. Die Vorigen. Der Zar! Ist er ins Reich zurück? Hegt keine Furcht ... Begütigt ist er ... Euch besuchen will er ... Verändert hat sich mancherlei. Nur eins: Eu'r größter Peiniger, Fürst Menzikof Ist schon verhaftet worden. Steht es so, Werd' ich gefaßt den Herrn empfangen. Er steht auf. 5. Szene Fünfte Szene Zar Peter. Adam Weide folgt mit einem Pokale. Vorige. Bei dem Eintritte des Zaren will sich der Arzt entfernen. zum Arzte. Bleibt! entsetzt nach dem Pokale blickend. Mein Amt ist aus! Ich übergeb' den Prinzen Genesen den Händen Eurer Majestät! Er geht schnell ab. zu Weide. Stell' diesen Kelch dorthin. Weide stellt den Pokal auf einen Tisch und geht mit Schepelew ab. 6. Szene Sechste Szene Zar Peter. Alexis. tritt zu Alexis. Ihr wart sehr krank? Ich glaube, ja! Der Arzt wird's Euch berichten. Das Fieberbett vergeß' ich nicht, o Herr! Wild spiegelte der Geist die ärgsten Fratzen Den glühnden Sinnen vor. Die Mutter trieb Mit falschen Freunden mich zu Freveln ... drauf Den Vater schützt' ich gegen Mörder ... Er Stieß unter Schergen mich, beschuldigt alle Der größten Bosheit ... Treu blieb ich der Mutter, Und das verriet ein Mädchen, die mich liebte, Und das bezeugte gegen mich der Vater ... Dann folgte noch etwas ... Allein, wie bin ich? Da steht mein Herr und mein Monarch! Vergebt, Daß ich vor Euch von solchen Nichtigkeiten Zu reden mich erdreiste. Nichtigkeiten! – Ihr habt im weitsten Sinne recht. Wohl Euch, Daß Ihr's im Fieber nur erfuhrt. Ich bin Gottlob jetzt hergestellt, und doppelt, hoff' ich. Wenn ich nicht irre, haßt' ich sonst. O Torheit! Der Haß ist Tod, ich aber lebe ja! Ein Fremdes ward aus mir hinweggespült. Mein unnatürlich Dasein, ich empfind' es, Und geb' es auf. Das heißt verständig reden. Nehmt meinen reinsten Dank für den Besuch. außer Fassung. Dank nicht! – Soll ich zu Boden stürzen? Soll'n Gefoltert, meine Glieder knirschend schlottern? – Sich mühsam bezwingend. Ich bin in Worten karg. Mit einem Wort: Du tust mir leid. Ich wollt', du wärst ein Kind, Und jene traur'gen Jahre lägen vor uns! In milder Pflege hätte deine Blüte Sich wohl entfaltet! Dieses Ehrenzeugnis Gibt dir hiemit Gerechtigkeit. Die Macht Des Unheils überwältigt mich; der Mensch Bleibt, was er ist. Wenn einer zwanzig worden, Kenn' ich den Mann. Kein Vorwurf, Wahrheit nur! Ich kam nicht her, dir weh zu tun. Ich will Was irgend billig ist, dir gern gewähren. Sag deine Wünsche mir. Erleucht' mich, Geist, Daß ich Vernünft'ges bitt' in dieser Stunde! – Drei Bitten aber hab' ich, großer Zar, Die erste ist: Gib meine Freiheit mir! Die Luft da draußen weht für jedermann, Weshalb, unschuldig, atm' ich Kerkerdampf? Die zweite ist: Zwing mich nicht, wie du pflegtest, In deines neuen Wirkens schroffe Qual! Ich will es anschaun, achtsam, emsiglich, Und find' ich mir's gemäß, am selb'gen Tag Fleh' ich zu dir: Gebrauch mich, wo du willst. Die dritte ist: Gönn' offenen Verkehr Mit jenen Alten mir, die feindlich dir! Es war nicht gut, daß wir einander nur Im Dunkel, im Verborgnen nahen durften, Versagter Umgang steigt im Wert. Vielleicht Lieh nur dein Zwang den Männern Tugenden, Drum gönne Umgang mir am Tageslicht! Mein fürstlich Ehrenwort verpfänd' ich dir, Nichts Böses sinnen sie, das du nicht hörst. Find' ich sie unverständig, dumpf und roh, Will ich nicht ruhn, bis ich zu dir sie wandte; Den Mittler laß mich sein von dir zu ihnen. Ein Gut sonach in drei Gestalten: Freiheit! Gib dreifach mir das eine, mein Monarch. Habt Ihr nicht sonst etwas zu bitten? Nein. Bedenkt Euch drauf. Ich hab 'nichts mehr zu bitten. Trotz Eurem Zweifel aber hoff' ich! Ja: Ich werde würdig zählen in der Reihe Erlauchter Romanows, die du verklärst. Man soll an nichts verzagen. Hoffe nur! Die Bitten, die du tatst, gewähr' ich dir, Frei wirst du heute noch von meiner Haft, Nicht zwing ich ferner dich zu meinem Werk, Und deine Freunde lud ich selbst zu dir. Er deutet auf den Pokal. Jetzt trink! Was soll ich trinken? Diesen Trank! Ich bin geheilt, mein güt'ger Herr. Der Kranke Wähnt's oft zu früh. Du zaudre nicht! Von Grund aus Das alte Übel wegzutilgen, trink! tritt zum Pokal. Bleich seht Ihr aus, und Eure Knie wanken. Ist dies ein Stärkungstrank, so scheint er Euch Mehr nütz, als mir. Er hebt den Deckel ab. O laßt uns frohen Brauch Ehrwürd'ger Väter üben! Jeder Bund Der Lieb' und Freundschaft ward im Kelch besiegelt. Auch wir errichteten den Bund. Ich bitt' Euch, Geruht, mir diesen Becher zuzutrinken. Sei du versichert, daß, wenn ich dem Trieb, Der Sehnsucht, meinem Durste folgen dürfte, Ich nicht die Neige dir des Trankes ließe! Halb aber hilft er nicht; so sei denn dir Der ganze Kelch gegönnt. Alexis trinkt. Peter hält sich an einer Säule. Ihr schwankt! Wie schmeckt' es? Ich hab' mich zu sehr angestrengt. Ich bin Noch schwächer, als ich dachte. Müdigkeit Rinnt süß durch mein Gebein; es liegt Wie Flor um alle Nerven. 'S ist so eigen ... So muß dem Sterbenden zumute sein; Ach, Herr, ich freu' mich, daß ich auferstand! Darf ich wohl morgen in die Kirche fahren? Sollst morgen abend in die Kirche fahren! – Leg' dich zur Ruh! Richt' dein Gemüt auf Hohes, Mit edlem Stoff erfülle ganz die Seele, So schlummre ein! Er reicht ihm die Hand. Ich bringe dich zur Rast. Er führt ihn in den Alkoven. Der Vorhang fällt hinter ihnen zu. 7. Szene Letzte Szene Jaguschinsky. Schaphirow. Ostermann. Theophanes. Tolstoi. Generale und Senatoren. Später: Danilow. Aaron. Die Städte-Deputierten. Zar Peter kommt aus dem Alkoven zurück. Hier sind wir, ahnend der Berufung Grund. Wir kennen dich, du lern' erkennen uns! Zu großen Dingen wurden wir verwandt, Wir haben teil an ihnen. Tu, was dir Mit uns beliebt, doch die Geschichte nennt Bei Petern seine Helfer, unsre Namen Erschlägst du nicht. So mein' ich's. Wir, wie er! Des Menzikof Verhängnis macht euch bang. Die Schranken des Alexis bleiben stehn, Wen ich davor will stellen, wartet ab! – Ich fahr' gen Schweden mit der Schärenflotte; Dies Schweden ist die spröde Braut, und ich War ein zu kühler Werber. Jetzo werd' ich In feur'ger Weise um das Jawort frein; Mit glühnden Kugeln such' ich ihr Stockholm. – In solcher Dringlichkeit, bei unsern Jahren, Tut's not, die Reichsnachfolge anzuordnen. Danilow, Aaron, die Städte-Deputierten treten ein. Tolstoi, entwerft ein Manifest des Inhalts: Unbeugsam-starrer Anspruch zeugt Hartnäckigkeit, Darum vernicht' ich dumpfer Vorwelt Schluß! Die Herrscher Rußlands setzen künftighin Nach eigenem Ermessen sich den Erben, Wie jeder Hauswirt dessen hat die Macht, Den meinigen erwählt' ich, nenn' ihn bald. Alexis ist der fünfte! Ihr da, werft Eu'r totes Sehnen einem Toten nach! Mein Stern ist der lebend'ge, den verehrt. Von einem hohen, reinen Spruch getroffen ... Die Stimme versagt ihm. Nach einer Pause. Uns sparend traurige Notwendigkeit ... Er winkt. Der Vorhang des Alkovens wird aufgezogen. Die Leiche des Alexis liegt auf dem Ruhebette. Am Schlagfluß ist der Zarewitsch gestorben! Die Alt-Russen eilen zur Leiche und werfen sich im tiefsten Schmerze am Ruhebette nieder. Die russischen Großen sehn mit Erstaunen dorthin. Peter steht unbeweglich in der Mitte.