Die Spinne und der Hänfling In einer durch die Kunst gemachten Wüsteney, An einer Garten-Klaus', erbaut für junge Damen Und Ritter, die nicht oft hineinzuschauen kamen, Hing eine Spinne, froh und frey, Als Eremit im engen Fenster-Rahmen, Begann ihr Werk, und sah dabey Im wilden Lustgehölz von Birken Ulmen, Buchen, Verschiedne Vögel Mancherley Zu Nestern sich zusammensuchen. Ein wohlerfahrner Hänfling zog Auf einen Ast, er seine Zweige bog, Der Spinne Fenster zu beschatten. In voller Arbeit hüpft' und flog Das Hänflingsweibchen hin und wieder mit dem Gatten; Indessen jene bloß auf ihre Fäden sann, Und aus sich selbst den Zeug der Hütte spann. Die armen Vöglein! hub sie an: Wie Mann und Weibchen sich um ihren Bann ermatten! Was hohlen sie von Ost und West Nicht alles her! Und steht das Nest – Dann neue Sorge, stetes Reisen Durch Garten, Hof und Feld, die junge Brut zu speisen! Dann fürchten sie des Hauses jähen Sturz, Wenn Knaben durch die Hecken rauschen; Und flattern auf, und jammern: Kurz! Ich möchte nicht mit ihnen tauschen. Der Hänfling war so eben recht Zum Horchen auf den Ast gekommen, Hatt' über sich und sein Geschlecht Die weise Rede wohl vernommen, Und flog zum Fenster-Rahmen hin! Und sagte: »Liebe Nachbarinn! Ich lobe deinen klugen Sinn, Der zwischen kahlen, finstern Mauern Dich hier so glücklich macht in deinem Selbst-Gespinn: Als ich im grünen Walde bin; Uns aber mußt du nicht bedauern. Im grünen Walde gibt es zwar Nicht wenig Arbeit und Gefahr; Jedoch auf Freude hofft umsonst, wer nie will trauern. Schon öfter wurde mir um Nest und Futter bang; Dann regt' ich mich, entfloh dem Untergang; Und heller durch den Busch ertönte mein Gesang. Ich dächte, liebe Nachbarinn! Es wäre wohl in diesem Leben Verlust bey jeglichem Gewinn; Ich dächte, liebe Nachbarinn! Wir nutzten das, was uns Natur gegeben, Zum Nisten mir, und dir zum Weben.«