An den Herrn Rector **, im Nahmen zweyer Frauenzimmer Ist doch auf Erden, weit und breit, So wenig Recht und Billigkeit, Daß auch der allerbeste Mann Die Unschuld oft betrüben kann! Da klagen Sie uns Mädchen an, Als setzten wir ins Werk der Nadel Das höchste Lob, den höchsten Tadel; Und was den Leumond ärger macht, Dadurch des Hauses Nutz und Ehren, Wie unsre Mütter, zu vermehren; Als lebten wir vom Zeitvertrieb, In jeder Woch' auf unsern Leib Ein neues Pößchen hinzutändeln, Und sprächen, sonder Ueberdruß, Davon, wie ein Politicus Von seinen Kriegs- und Friedenshändeln; Als wäre das, was Kinder froh Und glücklich macht, uns nur willkommen ... Doch gäb' es hundert Mädchen so – Wir beyde blieben ausgenommen. Es bannt die feine Sitte zwar Die Spindel und den Rahmen gar; Kein Stück wird mehr von uns gewebt, Das künftig bey den Erben lebt. Auch macht den Zierrath unsrer Kleider Die allerneuste Mode leider So spinnenmäßig zart und dünn, Wie unsrer Männer Flattersinn; Da gehn die ersten Wochen hin; Weg ist der Staat! ihn nutzt ein Jude Noch kaum in seiner Trödelbude; Geschweige denn die Enkelinn. Wer aber darf an Schürz' und Bändern, An Hut und Locken etwas ändern? Um mit den Meisten fortzuschlendern, Bedürfen wir zu jeder Nath, Zu jeder Schleife guten Rath; Gern aber lassen wir uns stören, Um etwas Klügres anzuhören. Will uns ein Biedermann belehren, Er ist uns theurer, glauben Sie's! Als irgend einer, dem Paris Die letzten Mode-Puppen wies. So dünken wir, frisirt als Igel, 1 Uns bey dem glänzendsten Besuch Nicht mehr, als unterm Hülletuch Bey vorgeschobnem Kammerriegel, Und gucken seltner in den Spiegel Vielleicht, als in ein gutes Buch. Gilt's eine Wette, lieber Rector? Es sind Achill, Ulyß und Hector, Sammt Troja, der berühmten Stadt Uns so bekannt, wie Goliath Und David in der Bilder-Bibel. Wenn aber – und wer kann es übel Uns deuten? – wenn zum öftern Sie, Mit Ihrer Etymologie Vor Langerweil' uns zu versteinern, Sammt unserm Bruder hochgelahrt, Nicht scheuend unsre Gegenwart, Aus Griechen, Wälschen und Lateinern, Ein Wort in os und as und um So lang betrachten um und um, Es messen in die Läng' und Quer', Bis sie errathen ungefähr, Wann's in die Welt kam, und woher; Zuweilen drüber eine Fehde Beginnen, gleich als ob die Rede Vom Stammbaum unsers Fürsten wär' – O dann, gewiß durchs Ihre Schuld, Zerreißt uns endlich die Geduld; Denn während Sie ein einzig Wort So, nach Gefallen, radebrechen, Könnt' unser eine – welch ein Mord! – Wohl ihrer viele tausend sprechen. Wir aber denken uns zu rächen. Ist erst der lange Winter aus, Und Sie begehren einen Strauß, Da sollen Sie von jeder Art Der Frühlingsblumen, die wir pflücken, Erzählen, ehe wir uns bücken, Wie sie gesä't, gepflanzet ward, Und wie sich in den Keimem zart Die Blätter bildeten und schieden. – Wenn uns der Himmel nur bewahrt, Daß wir nicht eher noch ermüden, Als Sie mit Ihrem kalten Blut! Denn, lieber Rector, kurz und gut! Dem Mädchen ist es nicht gegeben, Daß stundenlang, mit festem Muth, Sein Geist auf Einem Dinge ruht. Wir ahnden, sehn, genießen, schweben, Nach Art der Honigträgerinn, Um etwas Andres zu erstreben. So will's Natur: Ein leichter Sinn Wird uns zum köstlichen Gewinn; Er läßt in dieses Alltagsleben Uns frohe Zwischenspiele weben; Mit ihm verlören wir zugleich Den Reiz des Neuen, der die Liebe Des Mannes einzig nährt: Wo bliebe Dann unser ganzes Königreich? Fußnoten 1 A la hérisson.