Der Königsnarr Es war einmal ein Königsnarr, Der manches Jahr Hofnarre war Bei einem König wohlgemuth Und reich an Land und fromm und gut. Der König war dem Narren hold, Hielt ihn in Ehr' und gutem Sold, Dafür der Narr ihm dankbar war Und zugethan just wie ein Narr. Nun traf sich's über kurz und lang, Der König wurde fieberkrank, Und rings umher in weiter Rund' Kein Arzt dem Kranken helfen kunnt. Da ging bei Hof ein Trauern an, Es weinten Zof' und Edelmann. Der Narr war kaum bei Sinnen mehr, Er härmte sich ohnmaßen schwer. Und saß und grübelt Tag und Nacht, Bis er ein Mittel auserdacht, Das ihm nach seinem Narrensinn Für seinen Herren heilsam schien. Im Garten bei des Königs Schloß Da war ein Teich, darinnen floß Zum Wehre niederwärts ein Bach, Dort war der Kranke jeden Tag. Der Narre blaß, der König bleich, Sie standen an dem Gartenteich, Ein Stoß da von des Narren Hand, Der König taumelt über'n Rand. Es fiel der König in das Wehr, Plump! – sprang der Narre hinterher. Der König fiel, der Narre sprang, Von Beiden keiner untersank. Sie kamen glücklich wieder baß Und waren alle Beide – naß; Doch durch den Schreck der König war Von Stund gesund. Es jauchzt der Narr. Da kam der Narr, der arme Wicht, Ob Hochverraths vors Hofgericht, Und billig ward ihm zuerkannt Der Tod durchs Schwert von Henkershand. Der Spruch geschah, das Urtheil blieb, Der gute König unterschrieb. Zum Henker sendet er darnach, Der Henker kam, der König sprach: Ich will dem Narren gnädig sein. Du sollst dein Amt nur thun zum Schein; Jedoch der Narre bis zum Schluß Soll glauben, daß er sterben muß. Drum hüte dich, daß Niemand weiß, Was du sollst thun auf mein Geheiß, Sonst trifft das Urtheil dich und ihn. Der Henker ging. Der Tag erschien. Ringsum ein groß Gefolge saß. Der König freut sich auf den Spaß. Der Narr wird auf's Schaffot geführt, Sein starrer Blick zum König stiert. Der Henker ihm die Augen band Und – statt des Schwerts aus dem Gewand Er eine Weidenruthe zog, Der Henker hält die Ruthe hoch. Wie die des Narren Körper strich, Der zuckt zusammen fürchterlich. Als man ihm nun die Gnade bot, Der dumme Königsnarr – war todt. Der erste sprach: Wahrlich, das war Treu bis zum Tod – ein Königsnarr! Doch wer soll nun als Richter entscheiden, Wer das bessere Lied sang von uns beiden? Da rief der zweite: alle guten Geister! Dort kommt von den Schülern der Meister. Das ist ein Richter, ein kleiner, doch feiner. Sieh dich um, da kommt einer, Dem der Himmel einen Blick verlieh Voll fröhlicher Melancholie. Es trat aber ein dritter Gesell in das Zimmer, Deß Antlitz strahlt in bleichem Schimmer. Und also der erste zum zweiten spricht: Nein, das verstehst du nicht. Sieh doch nur sein Gesicht an, Siehst du es ihm denn nicht an? Er ist ganz verzückt Und uns entrückt Und schaut in die Seligkeiten alle. Noch aber sah ich keinen, der blickt ins Sonnenlicht Und machte dazu ein gescheutes Gesicht. Und lachend erwidert der zweite: Fürwahr, Du machst deine Sache wunderbar. Wo du streichelst, packst du zu, Wo du schmeichelst, beißest du. Darnach Zum dritten gewendet Jener sprach: Hab' ich dich gebissen, o Freund, gewiß So war es nur ein kleiner Biß, Und über ein bischen wirst du schmollen? Bewahre der Himmel, das darfst du nicht wollen. Du bist ja ein Genie, Und so etwas thut ein Genie Nie. Nun will ich dir aber ein Liedlein singen, Das wird deinen Ohren besser klingen; Denn ich glaub', du klagst noch über Wunden, Die ich schon längst hab' überwunden. Horch: Und ob dir auch bei jedem Schritt Die Kleinheit der Menschen entgegentritt, Und die abgestumpften Philisterseelen Dein schönheitfrohes Gemüth zerquälen, O lach' sie aus, Mit blutendem Herzen lach' sie aus. Glaub' mir, sie sind es nimmer werth, Daß Gram darob dein Herz beschwert. Blick auf die Herde nur im Gefild, Da findest du ganz ihr Ebenbild; Denn die Philister, die sind wie Auf der Weide das Rindvieh. Grasen Ruhig weiter ab den Rasen, Treffen sie eine Blume dann, Glotzen sie sie verwundert an, Brummen, Daß man sie nicht fressen kann. Und der dritte darauf begann Mit einer Stimme, deren Klang Seltsam den Hörern zu Herzen drang: Wer in der Kindheit glücklich war, Der ist gesegnet für immerdar. Er kann und wird nicht sterben an Wunden, Er will und wird immer wieder gesunden, Er ist gewappnet und bleibet so In allem Elend wunderfroh. Ein schönes Recept, der zweite sprach, Nur Schad' ist und wird es ewig bleiben, Kein Erwachsener kann es sich mehr verschreiben. – Du sollst aber nun einen Preis zustellen Und über zwei Lieder ein Urtheil fällen. Da rief der erste: Vor allen Dingen Sollst du selber ein Lied erst singen, Denn du siehst vor dir zwei Poëten, Wenn sie auch lieber pfeifen als flöten. Wer über Dichter will ein Richter sein, Der muß selber zuerst ein Dichter sein. Drum sprich zuvor und bekenn' es frei, Wie hältst du's mit der Poëterei? Hast du sie schon an den Nagel gehängt, Sei dir auch dein Kritiker-Amt geschenkt. Und darauf der dritte sprach: Die Poësie, Was wär' die Welt und das Leben ohne sie! Sie ist ein Kleinod in großer Noth, Gegen alle Krankheit, die uns bedroht, Ein Zaubermittel selbst gegen den Tod. Wie ein Spiegel ist beglückt, Vor dem sich ein liebliches Mädchen schmückt, Wie unter Thränen eine Blume lacht, Wenn sie ein Sonnenstrahl thaufunkelnd macht, So hat dem Sänger ein Gott voll Mitleidsbeben Für allen Jammer in seinem Leben Dies Eine gegeben, Daß er am Schönen satt sich sauge, Und alles, was köstlich ist, siehet sein Auge, Davon sein Lied auch wiederklang. So ihr höret den Sang, Es bewegt euch die Seele tief und bang' Mit Wonn' und Weh, mit Lust und Leid, Und euer Herz wird weich wie zu der Zeit, Da der Frühling thauet, Und der Himmel blauet Und ihr die ersten Veilchen schauet. Ihr wollt ein Lied, wohlan, es sei, Ich hab' nur eins, ich sing' es frei, Wird mir zu Sinn' nicht wohl dabei.