Halleluja! Ich ward von Groll und Gram verzehrt, Die Welt schien mir verachtungswerth, Ein Frauenbild hat mich bekehrt. Da sie zuerst mein Auge sah, Ich wußte nicht, wie mir geschah, Aus tiefstem Herzen rief ich da Halleluja! Seitdem dünkt mir an Glück so reich Die Welt, getröstet auch zugleich, Und alles Harte mild und weich. Ich seh' den Jammer und den Schmerz, Ich seh' das Elend allerwärts, Ich wein' und dennoch ruft mein Herz Halleluja! Mit solchem Zaubertalisman, Der Wunder hat an mir gethan, Blick' ich im Leben himmelan. Mir ist so worden hell und licht, Wenn jetzt im Tod mein Auge bricht, Ich rufe doch und fürcht' mich nicht: Halleluja! Hier hielt der Märchenerzähler inne. – Und der Versammlung war ganz seltsam zu Sinne. Wie ein Windhauch im Schilf geht von Rohr zu Rohr, So ging ein Geflüster von Ohr zu Ohr, Und von allen Lippen klang es da Unbewußt: Halleluja! Der Erzähler fuhr fort: Eine Weile war's still nach diesem Lied, Dann rief der erste, von Spott durchglüht: Wie kommst du mir vor? Hat dich Amor am Ohr? College du, O sieh doch zu, O hilf ihm doch, o große Noth! Der ärmste liebt und härmt sich todt. Der zweite macht ein Grimassengesicht Und spricht: Was ich ihm sagen kann, ist nicht viel. Es ist die Lieb' ein Trauerspiel, Mit Narrheit wundersam gepaart, Eine Komödie von solcher Art, Wie der Marder den Mörder im Taubenhaus spielt, Wie die Katze den Liebhaber einer Maus spielt. Da rief der erste gut gelaunt Und ganz erstaunt: Hopsa, mein Held! bist du auch in Schwermuth? Deine Worte sind ja der wahre Wermuth. Wie kann man so pudelnärrisch sein? Ich sage nein! Liebe ist lieblicher denn Wein. Die sind es eben, die Weisheit üben, Nur die leben, die da lieben. Mit dem Spruch bin ich heiter geblieben bislang, Und so will ich weiter lieben mein Leben lang. Darauf vom zweiten die Antwort klang: Bist doch noch ein kindischer Ritter, Kennst nicht den Spruch: Das Weib ist bitter! Den sprach eine Weisheitszunge. Geh' in die Schule, lieber Junge, Lerne da, Vielleicht singst du auch Halleluja. Gott segne deine Studia! Dabei legt er die Händ' ihm auf den Kopf; Der aber, nicht faul, faßte jenen am Schopf, Und so schnell Einer zieht ein Schwert aus der Scheide, – Prügelten sich beide. In diesem Augenblick fuhr von der Thür' heran Ein Mann, Ergriff die Laute von der Bank und mit klingendem Getos Schlug er auf die sich Prügelnden los Mit ritsch und ratsch, Und klitsch und klatsch, Daß die beiden auseinanderstoben im Hui und im Nu, Und der dritte sah ganz erschrocken zu. – Das war der Lehrer, Der Prügelbescherer, Der seit den letzten Worten in der Thür thät stehn Von den dreien im Zimmer ungesehn. Der wischte sich jetzt, vom Schlagen noch heiß, Mit dem Aermel aus der Stirn den Schweiß, Dann Holt er tief Athem und begann: O ich armer, geschlagener Mann! Kaum kann man drehen von hier den Rücken, So muß man sehen neue Tücken. Ihr Buben! Ihr Beelzebuben! Was war's denn nun? was fuhr euch wieder In die Glieder, Daß ihr euch hier die Hälse brecht? Thut auf das Maul, redet, sprecht! Da fingen sie beide zu gleicher Zeit An, zu erzählen von ihrem Streit. Aber der Lehrer rief ganz empört: Unerhört! Wie, über die Liebe fragt ihr euch, Und darüber schlagt ihr euch? O ich armer, geschlagener Mann! Mit solchen Buben, was fängt man an? Ob ihr's nun gleich verdienet habt, Daß ihr heut mit nichts Anderem werdet begabt, Als daß man euch mit Prügel labt, So will ich doch sagen jetzt: Freuet euch. Und abermals sag' ich: Freuet euch. Höret zu, was euch soll frommen. Ihr habt gewißlich schon vernommen, Daß demnächst in die Stadt wird kommen Vom Süden her ein fürstliches Brautpaar. Nicht? so thu ich's euch jetzt verlautbar. Sie sollen von der Stadt mit Festlichkeit Empfangen werden in Köstlichkeit, Dazu ihr drei ausersehen seid Beizutragen; so macht euch bereit Zu guter Zeit. Es wird aber ein Vetter der Braut mit ziehen ein, Ein Bischof, der erfüllet den Spruch gar fein: Ihre Heiligen sollen fröhlich sein. Es ist einer, der da liebt Scherz und Tand Und dabei giebt mit Herz und Hand. Vor dem sollt ihr beide zuerst, ihr Rangen, In einem lustigen Wettkampf prangen, Mit einem Narrengespräch Von echtem Gepräg', Mit einem komischen Turnier, Davon ich ein Mehres euch sage hier: Als Aufrichter und Niedermacher, Als Fürsprecher und Widersacher, Mit Rede und Gegenrede, Mit Fehde und Gegenfehde Sollt ihr mir fest im Kampf stehn beede. Von diesen Kampfregeln aber haltet mir jede: Um die Wahrheit sollt ihr mir nicht herumgehn Und mit Schmeichelworten sollt ihr nicht umgehn; Aber immer sei eure Rede, die scharfe, Ein Saitenklang von einer Harfe. – Pflüget ein Neues Und säet nicht unter die Hecken Und laßt euch vom richtigen Wege nicht schrecken. Löschet nicht, was schon erloschen Und dreschet nicht, was schon abgedroschen. Nicht auf Gräber sollt euren Sitz ihr setzen, Am Lebendigen sollt euren Witz ihr wetzen, Allen Verständigen zum Ergötzen. Jach und gelinde, Gemach und geschwinde Sollt ihr segeln bei gutem und schlechtem Winde. Seid nicht zu plump und gradheraus; Nur ein Tölpel fällt mit der Thür ins Haus, Und schüttet alles auf einmal aus. Dies Gleichniß merkt euch für den Witz: Was ist schneller als der Blitz, Und doch durchläuft er seine Pfade Im Zickzack und nicht gerade. Ging' er gradewegs so eilig, Würd' er langweilig. Von seltenen Sprüchen werd' euer Schatz nie leer: Denn der Weise theilt aus und hat immer mehr, Der Thor aber karget und wird immer ärmer. Thut kund vor aller Welt euer Thorheitsbekenntniß Und eures Narrenthums Eingeständniß, Und doch muß euer Narrenduett unisono Uebereinstimmen an Weisheit so, Als ob da spräche frei und froh Die Königin Saba mit Salomo. Es entbehre der kostbaren Früchte nimmer; Von diesen aber gebet, weil doch immer Für die einen ist verloren, was die andern haben gern, Die Schaalen für die Thoren, für die Klugen den Kern. Den Närrischen muß es bloß Klingklang bedeuten, In Wahrheit aber ein Glockenläuten, Das zum Gebet die Gedanken ruft der Gescheuten. – An Fülle des Klanges sei euer Werk Ein blitzendes, flimmerndes Feuerwerk, Wo die Reime wie strahlende Sterne sich zeigen Und die Witze auf als Raketen steigen, Daß alle Umstehenden euer Lob posaunen, Und alle es Sehenden stehen und staunen. Aber habt mir wohl Acht, daß euer jeder Witz, So scharf wie spitz, Sei zu etwas nütz; Und so das Ganze sei vielhaltig, Vielgestaltig Und mannigfaltig, Im Aeußern bunt, Im Innern gesund, An Gedanken blühend Und Funken sprühend Und beredt und behende Von Anfang bis Ende. Nun lasset mich euch noch ein Wörtlein sagen, Das sollt ihr tief im Herzen tragen: Ich hab' aufgeschlossen euch klar und hell Der deutschen Sprachkunst Wunderquell, Daß ihr nun daraus schöpfet mit vollen Krügen Und trinket daraus in vollen Zügen. Aber ihr sollt mir davon keinen Mißbrauch machen, Sondern nur einen Nießbrauch machen, Um die bittere Wahrheit süß zu machen Und den Hörern zur Freude, zum Jubel und Lachen. Ich kann zu euch sagen was ein Sprüchlein spricht: Gold und Silber hab' ich nicht, Was ich aber habe, das gab ich euch. Bewahret es wohl, so seid ihr reich, So habet ihr einen Hochgenuß, Den der höchste im Land' euch neiden muß. – Drauf wendet er sich dem dritten zu: Aber du, Der sich selbst hält für auserlesen, Dessen Lehrer ich nicht gewesen, Du Träumer! Du Säumer! Was sinnst du? Was spinnst du? Und was beginnst du? Ueber welch Rätsel denkst du nach? Liegst du brach, So will ich Aussaat stecken in deinen Acker, Schläfst du, so will ich dich wecken wacker. Der sah ihn an. – Der Lehrer wandte die Augen ab Und fuhr fort. Hör' dies Wort: Willst du in der Dichtkunst sein ein Prinz, Und nicht wie die andern ein Kunz und Hinz, Deinen Voraus-Anspruch verbanne ihn, Hier ist der Bogen, spanne ihn. Wirst du treffen, so wollen wir glauben Und werden dir deinen Ruhm nicht rauben. Horch aber auf, Es steht dir ein hoher Preis zu Kauf. Wenn da wird zu schaun sein und zu sehn Welches ist herrlich, köstlich, lieblich und schön, Wenn das Volk einem Erwählten wird entgegengehn Mit Pauken, mit Freuden und mit Geigen, Dann sollst du dich zeigen Mit einem Lied, das loben soll des Spruches Wahl: Wie ein Rubin in seinem Golde leuchtet, Also ziert ein Gesang das Mahl. Für die Ausführung geb' ich dir dies Vermächtniß, Präg' es tief in dein Gedächtniß: Was dein Gemüth erfüllt, das klage! Was aus dem Herzen quillt das sage! – Echt und gewichtig, Recht und richtig Muß dein Sang sein und nicht nichtig. Das Weltall muß darinnen wehn, Und jede Zeile zum Ganzen stehn Wie im Weizenfeld ein gefüllter Halm, Wie im Psalter ein Psalm. Und das Ganze muß sein ein Vorwärtsstoß, Eine neue Welt bergend in seinem Schooß, In Form, in Inhalt tadellos Und an Adel groß, Trostreich tief, klar und klingend, Wahr und gleich ins Herze dringend, So wird nachhaltig Seine Wirkung sein und gewaltig. Und was du so willst wagen, Ernst froh willst sagen, Es ist dir schon vorgesagt von der Natur, Find' es nur! – Dann faltet er die Hände und betet andächtig, Seufzend aus tiefstem Innern und mächtig: O du himmlischer Vater, und all ihr Heiligen! O wollet euch gnädig an dem Werke betheiligen Und lasset doch die verdammten Rangen Einmal zu etwas Gutem gelangen, Davon auch für uns was her sich schreib' Und übrig bleib', Auf daß man die Sorgen von sich treib' Und stärken könne seinen sündigen Leib. Vor allen Dingen aber bitt' ich dich, Herr, befrei' uns Von dem phrasensprühenden Gottseibeiuns, Der da ist hungrig bei uns gestern wie heute, Der da frißt Vieh und Volk und Land und Leute Mit Disteln und mit Dörnern, Mit Haut und Haar und Hörnern. Wollest du bald doch, o Herr, mit seinem ganzen Pack von Modenamen und Schranzen Einen gedeihlichen Kehraus tanzen, Oder uns in Gnaden das Amt gewähren, Mit gutem Besen sie auszukehren, Daß sie schreien Zeter und Mordio, Drob werden sein die Engel im Himmel froh. Sie hängen ja zusammen mit ihren Weihrauchketten Wie die Kletten. Wie lange noch sollen wir uns gedulden, Ihnen heimzuzahlen ihre Schulden? Sieht man die Verblendung, die sie führen herbei, Es frißt einem schier das Herz entzwei, Und der trotzigste Mann muß schluchzen und weinen, Als wie man ein Erz schmilzt aus Steinen. So sprach er und ging, Und seine Bewegung war nicht gering, Und Thränen rannen ihm, wie er sprach, Und alle drei sahen ihm verwundert nach. Der Erzähler schwieg. – Da erhob sich im Saal ein Gesumm und Gesause, Ein Gebrumm und Gebrause Wie bei den Schulkindern in der Pause. Ein Jeder zischelt dem Nachbar leis Sein Urtheil zu, so Tadel wie Preis. Der Schah auf dem Throne sinnend saß Und schier weiter zu rauchen vergaß. Und es war Dämmerung geworden innen. Eine Schaar von Dienern und Dienerinnen Eilten geschäftig und zündeten dann Die krystallenen Kronleuchter an. Wie nun die Kerzen im Saale niederstrahlen Und in allen Spiegeln ihr Flammenbild malen, Da ward Thee gereicht und Scherbet in Schaalen. Der Erzähler aber, während er schlürfte den Trank, Ließ seinen Blick streifen den Saal entlang, Bis er haften blieb auf der Wandmalerei, Wo Schah Abbas empfängt Abdul-Mumin-Bey, Wo sich ein glänzendes Bild des Hofstaats breitet, Und der Narr auf einem Höfling reitet. – Dann in die Vorhalle zurück Ging sein Blick, Wo er dem Murmeln der Springbrunnen lauscht, Das leis wie ein Regen rieselt und rauscht. Aber dazwischen Hört er's tönen aus den Gartenbüschen, Wo Vogelstimmen klangen Und süße Sänger sangen Und durch die Fenster drangen der Nachtigall Klagen, Auf den Wogen des Wohllauts hereingetragen. Der Schah auch trank und nickte dann, Und der Erzähler den Faden weiter spann.