Die Sommer-Nässe, an Herrn Gleim 1761. Freund, in Berlin die schönen Kinder alle Beklagten, daß aufs Angesicht, Durch ihren Schirm die Macht der Sonne falle Sie schonte Stirn und Wange nicht! Auch alle Philosophen, unter denen Dein Sulzer seine Stelle schmückt, Beklagten sich, und sassen sinnlich stöhnen, Bis Kühlung ward herabgeschickt. Nun träufelt sie aus milden Wolken nieder Und nun begehrt den Sonnenschein Der unzufriedne Landmann klagend wieder: Gott feuchtet Heu und Garben ein! Den Wandrer drückt der nassen Kleider Bürde, Nach heitren Tagen seufzet er; Und der Soldat klagt: Von dem Regen würde, Rost auf dem glänzenden Gewehr! Die schönen Kinder fühlen lange Weile, Ihr Auge fragt das Wetter-Glas: Ob bald die Sonne das Gewölk zertheile? Den Tannenhäyn macht es zu naß. Und selbst dein Sulzer fragt mit trüben Blicken Ob bald der Garten trocken ist? Wo er in grün und bunten Meisterstücken Beweise von dem Schöpfer liest! So ists o Freund, wir wünschen und empfangen; Und die Begierde, niemals satt, Häuft Wunsch auf Wunsch; ihr heftiges Verlangen Klagt, daß sie neuen Mangel hat. Wie Regen und wie heitre Sonnenblicke, So wünschen wir Glückseligkeit; Der Sterbliche fühlt bey erstrebtem Glücke Nicht Ruhe, nicht Zufriedenheit. Nur ich, zufriedne Sterbliche, begehre Nichts mehr, und wenn ich das Geschick Mit einer neuen Forderung beschwere So wünsch ich meinen Freund zurück!