Ode auf die Melancholie Du sollst nicht Lethe suchen, sollst nicht Wein Aus harter giftiger Wolfsmilchwurzel klopfen, Noch soll Proserpinas blutrote Pein, Nachtschattentraube, deine Stirn umtropfen. Dein Rosenkranz sei nicht aus Taxusperlen, Dein Gram soll nicht zum flaumigen Kauz sich retten, Im schwarzen Falter ein Symbol erblicken Und klagend wandeln unter Trauererlen, Sonst wird nur schläfernd Dunkel dich umbetten Und deiner Seele wache Qual ersticken. Doch wenn Melancholie herniederdrängt, Gleich wie vom Frühlingshimmel Wolkenweinen Um grüne Höhn sein graues Bahrtuch hängt Und volle Nahrung gibt den müden kleinen Kopfhängerischen Blumen, – oh, so drücke Dein Leid in frühen Rosenkelch und schmücke Päonienblühn mit dunklen Gramgeschmeiden; Und ist die Herzensherrin trüb, verdrossen – Halt ihre Hand in Händen sanft verschlossen Und laß den Blick in ihren Augen weiden. Sie lebt, wo Schönheit ist, die sterben muß, Wo Freude ist, die stets, die Hand am Munde, Zum Gehn bereit – bei schmerzendem Genuß, Der Gifte braut aus jeder seligen Stunde. Ja selbst im Tempel aller hohen Wonnen Besitzt Melancholie Altar und Stätte – Wenngleich nur der sie sieht, der Mut gewonnen, Der Freudenbeere allzusanfte Glätte Mit durstiger Zunge aufzutun: er findet Die Schwermut ihrer Macht, die ewig bindet.