Das Weinjahr 1 Rüstet die Kelter, die Kufen und Tonnen, Denn es verglühet ein seltenes Jahr! Schon naht der Herbst, und es glastet die Sonne, Wie sie geglastet den Sommer entlang! Hört, im Gebirge, was Zeichen geschehen! Gletscher, sie ebben wie Meere zurück, Ihre blaugrünen Gewölbe zerschmelzen, Grotten und Spalten so tief und so kühl! Trocken enthüllen sich felsige Gründe, Die seit Jahrtausenden keiner geschaut, Und aus der tiefsten und engsten der Klüfte Leuchten gebleichte Gebeine herauf. Knochen des riesigen Vorweltsbären Liegen gebrochen wie sprödes Glas, Aber dazwischen die Rippen und Röhren Eines in Waffen verschollenen Manns. Und die verrostete Panzerschale, Auch ein zerfressenes spanisches Schwert Künden den Krieger aus traurigen Tagen Einer in Leiden zerklüfteten Welt. Noch mit den sämtlichen Zähnen gezieret Starren die Kiefer im räumigen Helm, Gleich einem Spielzeug neben des wilden Bären gewaltigem Kopfgestell. Sehet! unbändig schwellen die Trauben – Rüstet die Kelter und rüstet den Krug! – Jegliche Beer eine sonnige Klause, Drinnen ein Glutelf brauet die Flut! Zwei friedlose Gesellen, schlafen Jene, in ewigen Frieden entrückt; Aber die Wut und das Wähnen und Wagen Hält noch die duldenden Lüfte erfüllt. Rüstet die Tonnen! Umfanget den starken Reisigen Wein mit eisernem Band! Männern zerbricht er den stämmigsten Nacken, Stürzet sie jählings in Jammer und Qual! Füllet die Krüge, doch trinket den Frieden, Trinket das Licht, das dem Himmel entstrahlt! Bindet die Herzen mit eisernem Willen, Daß ihr entrinnet dem tödlichen Fall! Fußnoten 1 Nach dem heißen Sommer des Jahres 1865 war im rhätischen Gebirge ein Gletscher so hinabgeschmolzen, daß man auf dem Grunde Gebein und Waffen fand, welche auf einen Bergübergang ligistischer Truppen zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurückgeführt wurden.