Die Spinnerin 1 Rinne sanft, du weiche Welle, Schöner Flachs, durch meine Hände, Daß ich dich mit stiller Schnelle Fein zum goldnen Faden wende! Du Begleiter meiner Tage Wirst nun bald zum Tuch erhoben, Dem ich alle Lust und Klage Singend, betend eingewoben. Wie so schwer bist du von Tränen, Schwer von Märchen und von Träumen, Wie so schwer vom schwülen Sehnen Nach des Lebens Myrtenbäumen! Ahnt wohl er, du traute Linne, Welch geheimnisvolle Dinge, Welchen Schatz der tiefsten Minne Ich mit dir ins Haus ihm bringe? Kühler Balsam seinen Wunden Sollst du werden, mein Gewebe – Wohl ihm, daß er mich gefunden Unter dieses Gartens Rebe! Wie durchdringt mich das Bewußtsein, Daß ich ganz sein Glück soll werden Und das Kleinod seiner Brust sein Und sein Himmel auf der Erden! 2 Nur diesen letzten Rocken Noch spinnt der Mädchenfleiß, Dann schmiegt euch, meine Locken, Dem grünen Myrtenreis! Ich habe lang gesponnen Und lange mich gefreut: Zum Bleichen an der Sonnen Liegt meine Jugendzeit. Hat er wohl auch das Seine Mit treuem Mut getan? Betreten schon die eine, Des Mannes Ehrenbahn? Hat innig er begriffen Die Arbeit seiner Zeit? Hat er sein Schwert geschliffen, Zum letzten Kampf bereit? Weh ihm, wenn er nicht rechten Für unsre Freiheit will! Weh ihm, wenn er nicht fechten Für sein Gewissen will! Dann mag mein Liebster minnen Nur auf und ab im Land, Und dies mein bräutlich Linnen Wird dann ein Grabgewand!