Neue Gedichte Lyrische Gedanken Das Meer Grüß' mir das Meer, Silberne Wellen Rauschen und schwellen, Schön ist das Meer! Grüß' mir das Meer, Golden es schäumt', Ob es auch träumet? Tief ist das Meer. Grüß' mir das Meer, Glücklich es scheinet Ströme es weinet, Groß ist das Meer. [Wie so manches Samenkörnchen] Wie so manches Samenkörnchen Weder sprießet, noch gedeiht – Ach, vom Wind in Staub getreten, Tut das arme Korn mir leid. – [Vom Felsen sah' ich hinab in das Meer] Vom Felsen sah' ich hinab in das Meer, Es schäumet, tobet und rast einher Seit vielen tausenden von Jahren Eh' ich und alle waren. Sonett In Waffen steht die Welt Um Länder und um Geld, Aus Friedensliebe zwar, So heißt es immerdar. Nur eines ruhig bleibt Und ew'ge Blüten treibt, Im Reich der Poesie, Da streitet man sich nie. – In reinem Element Man keine Feindschaft kennt, Die Mensch vom Menschen trennt. Ob nahe oder weit Man leidet mit, mit Leid – Für jetzt und alle Zeit. [Was tönet so laut durch die Lüfte] Was tönet so laut durch die Lüfte, Was tönet so laut durch den Wald, Durch Berge, Täler und Klüfte Und weit über das Meer es schallt. Es ist kein Rufen, kein Schrei'n, Wie Donner nur rollet es fort, Durchbrechend die menschlichen Reih'n An jeglichem fernsten Ort. O Menschheit, so hoch einst gestiegen, O Menschheit, du sankest herab, Die schwärzlichen Banner, sie fliegen, Verkünden Verderben und Grab. Schon träumtest vom ewigen Frieden, Schon winkten die Engel dir zu; Vom Himmel auf Erden hinieden, Jetzt findet der Streit keine Ruh'. Es glühet vor Haß und vor Streite, Es glühet und zischt in der Luft, Es zündet in Nähe und Weite, – Und Echo dem Echo es ruft. Die Schönheit entschwindet von hinnen, Die Weisheit bedeckt ihr Gesicht; O Menschen, ihr scheinet von Sinnen, Die Liebe empfindet ihr nicht. Die Fahnen des Krieges, sie fliegen, Verkünden Verderben und Grab; O Menschheit, so hoch einst gestiegen, O Menschheit, du sankest herab. Kaiser Friedrichs Traum Es träumte einst ein Königskind In Purpur und in Seide, Daß alle Königskinder sind Im Schloß wie auf der Heide. Doch einsam blieb das Königskind Und barfuß blieb die Heide, Es pfiff und heulte rauh der Wind Durch eine Trauerweide. Ob Kaiser Friedrich, er es war, Des Herzblut überschäumte; Und als das Herz gebrochen war, Noch liebend weiter träumte? [Du nahmst mir sie] Du nahmst mir sie Und meine Seele mit, Verhallet ist ihr Schritt, Vergessen nie. Du nahmst sie mir Zerstörende Natur, Doch ihren Körper nur, Ihr Geist steht über dir. Genommen ist der Grund, Auf dem ich stand, Nie Heilung fand Die Stelle blutig, wund. Der Savoyardenknabe Kennt ihr den braunen Buben, Im Berner Oberland, Mit strahlend schwarzen Augen Reicht er euch hin die Hand. Der allerliebste Junge, Ist jünger noch als jung, Er stürzt in die Luzine 1 Und holt sich einen Trunk. Er schläft bei Alpenrosen Auf einem harten Stein Und manchmal auch vor Hunger Bei Eisesgrotte ein. Der Hunger, ja das Essen Bekömmt man nur für Geld, Drum späh't er aller Orten Ob nicht ein Wagen hält. Ein Wagen, Reisewagen, Da stürzt er hin wie toll Und strecket beide Hände Nach einem Hungerzoll. Fußnoten 1 Im Grindelwald fließt die schwarze und weiße Luzine. Der Zar Aus des Zaren reinen Händen Nimmt die Welt den Frieden an, Und die Völker alle wie ein Mann Ihm den reichsten Segen spenden. Wollen all' die Waffen strecken, Niemals sich mit Blut beflecken; Denn was niemals vor ihm war, Will und schafft der junge Zar. Und es lächelt die Geschichte, Sonst so ernsthaft im Gerichte. Edler Zar, bist Gott gesandt, Schaffst das größte Vaterland. – – [Blumenduft strömt mir entgegen] Blumenduft strömt mir entgegen Aus der Armen Hand, Wie ein wahrer Blütenregen, Mir von Gott gesandt. Nehmt zum Dank für eure Spende Heute meinen ersten Sang, Ehrte eure fleiß'gen Hände, Liebte euch mein Leben lang! [Tage kommen und entschwinden] Tage kommen und entschwinden, Jahre kommen und vergeh'n, Und kein Mensch kann es ergründen Dieses Kommen, dieses Geh'n. Gott nur kann das Rätsel wissen, Logisch laßt uns ihm vertrau'n, Fest auf seine Hilfe bau'n, Froh den Tag, das Jahr begrüßen. Und ein jeder Tag, er bringe Uns die allerbesten Dinge, Mut und Kraft und Sonnenschein, Was wir taten mag gedeih'n, Was wir wünschen bald gelinge Uns und allen, welche rein. [Von der Decke bis zur Diele] Von der Decke bis zur Diele Muß der Schweiß herunter rinnen, Willst gelangen Du zum Ziele, Wohlverdienten Preis gewinnen. Zum 70sten Geburtstage Herrn Ernst von Weber, Vorsitzender des Weltbundes gegen die Vivisektion Ich möchte auf einem Bilde dich seh'n, Umringt von glücklichen Tieren, Die heute hochjubelnd vor dir steh'n Und dankbar dir gratulieren. Die Einen, die Vögel nach ihrer Art Mit sinnigen Liedern, so weich und zart, Die Hunde, die treuesten Seelen, Die Hände zum Kusse dir stehlen. Gegen die Vivisektion der Hunde Die Treue wollt ihr lebend schinden, Was wollt ihr denn in ihrem Herzen finden? Wenn ihr in ihren Eingeweiden wühlt? Vielleicht die Liebe, die sie für euch fühlt. [Ja, hier ist nichts] Ja, hier ist nichts Und alles dort, Doch reizend ist das »Hier« Und unbekannt das »Dort«. Doch unbekannt im Mutterleib' Ist auch die Sonne, die wir seh'n Und schönres noch, so sagt die Schrift – Schuf Gott in jenen Höh'n. [Seht ihr die grauen Föhren] Seht ihr die grauen Föhren Am blauen runden Teich, Dazwischen die kleine Insel, Fast einem Berge gleich. Sie ist nur halb, die Insel, Von außen kann man heran, Doch jenseits von dem Berge Man nicht mehr weiter kann. Man gleicht auf jener Höhe Fast einem Heiligenbild, Bis man gleich einem Gletscher Herunter stürzet wild. [Der Lenz ist gekommen] Der Lenz ist gekommen Und mit ihm das Glück, Doch wer es nicht glaubet, Dem weicht es zurück. O, weiche nicht, bleibe O, weich' nicht zurück, Was Einer auch treibe, Er brauchet das Glück. [Gedenke mir meine Liebe zum Menschen] Gedenke mir meine Liebe zum Menschen, Gedenke mir meine Liebe zum Tier, Und meine bescheid'ne Entsagung Gedenk' es mir dorten und hier. Ein anständiger Mensch nennt sich Dumme Jungen, Pamphletisten, Schlechte Juden, schlechte Christen Legten Dynamit und Gift, Keins von beidem je mich trifft. Anonyme Flüche blitzen, Zünden, treffen und erhitzen Nur den Fluchenden allein. Armer Flucher, urgemein! Zischest giftig obendrein, Hassest alles das, was rein, Mußt entsetzlich elend sein, Feige Memme, geh' zur Ruh, Rufet Dir die Erde zu, Anonymer Bube Du! [Schön ist das Leben, ach schön, sehr schön] Schön ist das Leben, ach schön, sehr schön, Schön ist's und herrlich in Gottes Hut steh'n, Schau'n in die Sonne und Blumen hinein, Heiter und glücklich und friedfertig sein. [Einander unbekannt - doch tief verwandt] Einander unbekannt – doch tief verwandt – Das sind wir Menschen alle; – Ich danke dir in jedem Falle Für Deinen schönen Brief, den du gesandt. [Goldnen Vögel, süße Freunde] Goldnen Vögel, süße Freunde, Nachbarsleute – keine Feinde – Ohne Haß und ohne Neid: Grüß' euch Gott für alle Zeit. [Das Vöglein erwacht] Das Vöglein erwacht, Im Traume es dacht An Röseleins Pracht, Die Katze hält Wacht. Ode Aus dem kleinsten der Weltenräume, Niedriger Mensch, erhebst du dich Zu dem Gedanken an Gott, Du wagst es. Weißt du, ahnst du auch Nur den Begriff seiner Größe? Groß ist Gott, gnädig ist nur er Millionen Wesen, Millionen Seelen, Die einst hier gelebt. Und Millionen Wesen, die in höheren Welten leben, Und Millionen von Engeln Und höheren Geistern Erfassen nicht Gottes Größe; Sie rufen Alle: Gott ist groß. Mehr wissen sie nichts von Gott, Geschweige du Mensch, Bescheide dich, freue dich, daß Gott groß und allgnädig ist. Dies Bewußtsein beglücke dich, Erfreue dich – Es sei deine Hoffnung, dein Halt; Und freue dich jedes Tages, Und freue dich jedes Gräsleins, Der Schwalbe und Lerche und des Vergißmeinnichts. Und wisse, daß Gott dich liebt, Solange du lebst, und du lebst ewig. Eins aber wissen alle, daß er Ihnen geholfen hat und hilft. Gebet O, Gott, der du die Welten lenkest, Der du sie schufst und sie erhältst, O, Gott, der du die Menschen und die Tiere schufst, Der du sie schufst und erhältst, Erhalte, errette und schütze alle, Die mir im Herzen wohnen. Beglücke ganz und jeden, errette, erleuchte Alle, Daß sie von ihren Irrtümern geheilt. Ja beglücke, erhebe und vergebe ihnen alles, Was sie aus Irrtum getan. Laß die Härte ihres Herzens weichen Und läutere sie ohne Schmerz, und ohne Prüfung zu sein, Was sie stets sein sollten, gut und wahrhaft, Beglücke aber auch du Ganz und jeden und Alle, Und daß sie ohne Schmerz und Prüfung sein mögen, Wie sie es stets sein sollten, gut und wahrhaft. [Und gäb ich ihnen all' mein Blut] Und gäb ich ihnen all' mein Blut, Und gäb' ich ihnen all' mein Sein, Sie hören und versteh'n mich nicht Und sagen dämlich immer nein. Doch naht die letzte Stunde einst, Der gute Engel drüber weint, Kommt Angst und Reue viel zu spät, Dann wissen sie, wer's gut gemeint. Herrn B. von M., der mir im Namen der B. Studentenschaft eine Adresse nebst einem goldenen Lorbeerzweig übersandte In des Lorbeers goldnen Zweigen, Sonnig strahlend und mein Eigen, Rauscht es hörbar und es spricht: »Solch Geschenk vergißt man nicht.« Denn vom fernsten Pol zum Pole, Einstens auf dem Kapitole Solcher Zweig den Dichter krönt, Daß ein König er sich wähnt. Schreibest auch – o, schreibe, nütze Menschenleben, rette, schütze, Bist du dessen dir bewußt Trägst den Lorbeer in der Brust. Der Bunzlauer Topf Mein Rat ist: man sollte ihn füllen Den riesigen Goliat, Den Hunger der Menschen zu stillen, Dann wären wir alle satt. Ich rate an jeglichem Orte, Es stünde solch' Töpfchen stets voll Mit Suppe und Brot – nicht mit Torte, Das jeden ganz sättigen soll. So höret an jeglichem Hause, Als Wächter es stehen soll Das Bunzlauer Töpfchen zum Schmause Und jeder, er fände es voll. Dann wär' manch' Kerker verlassen Und alles bei fröhlichem Mut, Die geizigen Sünder erblassen Und alles wär' friedlich und gut. Gabriele Lehmann geb. Richter Jenen Frauen, der Vorzeit gleichend, Die vom Guten niemals weichend, Eins nur kannten: ihre Pflicht – Horch, ich weih' dir ein Gedicht. Niemand stand Dir bei in Not, Starbst den stillen Heldentod; Hast es sicherlich verzieh'n Wie oft Blumen weiter blüh'n, Die des Menschen Fuß getreten, Wirst vielleicht noch für sie beten, Die wie Steine oder Raben Niemals Dir geholfen haben. Herrschsucht Du allgemeinste, ganz gemeine Leidenschaft, Die niemals etwas Gutes oder Schönes schafft. Von Lieb' ist in dir keine Spur, Du bist die reine Selbstsucht nur. [Rasch erglühet die Sünde] Rasch erglühet die Sünde, Wie jegliche Leidenschaft, Sicher auf Blumengewinde Wandelt die ruhige Kraft. Würde nur und Ruhe Verleihen uns Macht und Kraft, Was auch die Leidenschaft tue, Das Rechte sie niemals schafft. Diplomatie im Alltagsleben Wird die Menschheit nicht erheben Höret, was das Neueste ist: Ob man trinket oder ißt, Ob man gehet oder stehet, Ob im Wagen, auf dem Ritt, Die Spekulation geht mit, Und ein Jeder denkt daran, Ob er sich was nützen kann. Also übt man den Verstand Und wird Selbstsucht-Spekulant. Das ist Wahrheit, urgemein. Schämt euch doch, ein Mensch zu sein.