An Sie im Alter 1. Bin ich auch noch so alt geworden, Starb doch die junge Liebe nicht, Und gern, wie in der frühsten Jugend, Seh' ich dir noch ins Angesicht. Ja lieber noch: denn was uns freute, Und was uns schmerzte, liegt nun hier, Es singt nicht mehr bloß Frühlingszüge, Mein ganzes Leben blickt aus dir. Und wie nach noch so vielen Wettern Ein Stern in gleichem Lichte scheint, So blieb dein Aug' das alte, klare, Hast du's auch oftmals trüb geweint. 2. Liegt dein Herz gedrückt an meines, Kann ich wahrlich niemals sagen: Sind's die Wellen meines, deines, Die in solcher Liebe schlagen? Wollte nur, ich könnte legen In dein Herz mein Herz, zu fühlen Schmerz und Lust in gleichen Schlägen, Gleiches Lieben, gleiches Zielen, Daß, wenn Frieden meines fände, Frieden dann auch fände deines, Daß, wenn deins im Tode stände, Dann auch ständ' im Tode meines. 3. Auf den Fildern 1 , unter den Bäumen, Wo die goldnen Äpfel sind, Wo der Kohl wie Silber glänzet, Spielte sie, ein lichtes Kind. Auf den Fildern, unter den Bäumen, Wo die Biene emsig schafft, Lernte sorgen sie und sammeln Einer Hausfrau Wissenschaft. Auf den Fildern, unter den Bäumen, Schwabenlandes echter Flur, Wuchs sie auf zur treusten Tochter Württembergischer Natur. Auf den Fildern, unter den Bäumen, Gab einst Gott den Segen ihr: Lerne lieben, schaffen, dulden, Sprach er: Kind, ich bleib' bei dir! Über den Fildern, über den Bäumen, Auf der Achalm hohem Haupt Fand ich sie im Gold des Morgens, Hat sie mir das Herz geraubt. Über die Filder, über die Bäume Stieg die Lerche himmelwärts, Sang ihr Lied, als ich sie drückte Da auf ewig an das Herz. Fußnoten 1 Mit dem Namen »die Filder« wird einer der früchtereichsten Landstriche unseres Vaterlandes unweit Stuttgarts bezeichnet. 4. Verlör' ich ganz der Augen Licht, Würd' dennoch mich nicht Nacht umgeben, Solange du, mein lichtes Leben, Du, meine Sonne! scheidest nicht. Dein Herz treibt meines Herzens Schlag, Weil es das meine ganz umfangen, Und meine Augen blind empfangen Von deinen Augen ihren Tag. Nicht Nacht, ein lichtes Morgenrot Wird, weil du lebest, vor mir stehen; Werd' einst statt dessen Nacht ich sehen, Werd' ich erkennen, daß du tot. 5. Würdest sterben du vor mir, Würd' dein Tod den Tod mir geben, Denn wie könnt' ich, ach! noch hier Mit zerteiltem Herzen leben? Wäre wie der alte Baum, Den der wilde Sturm gespalten Bis zur Wurzel, daß er kaum Kann sich überm Abgrund halten. Sinken muß er in die Kluft, Der zerrißne, blätterlose. – Sänke bald in deine Gruft, Daß uns deckten gleiche Moose. 6. Es kann ein Aug' entbehren Der Mensch, und wenn er muß, Mit einem Ohre hören, Bestehn mit einem Fuß. Doch reißt von seinem Herzen Sich ab der halbe Teil, Das kann er nicht verschmerzen, Da wird er nimmer heil. 7. Schon lieget sie in tiefem Schlummer, O würden sel'ge Träume ihr! Indessen ich in herbem Kummer Noch wach' an ihrem Lager hier. Ich fühle ihres Busens Wallen, Ich hör' das Atmen ihrer Brust, Und meines Auges Tränen fallen Heiß auf ihr Herz, ihr unbewußt. Ihr Tränen! störet nicht ihr Träumen, Auf daß sie nicht zum Schmerz erwacht, Sie walle unter Edens Bäumen, Nur ich in sternenloser Nacht. Die Welt verschwind' ihr bis zum Morgen Mit ihren Menschen, ihrer Pein. Erwacht, da brennt ihr Herz voll Sorgen; Schlief' ich mit ihr auf ewig ein! 8. Werd' ich einst gestorben sein, Werden dies und das sie sagen, Dir doch ist bekannt allein, Wofür hier mein Herz geschlagen. Laß sie schwatzen immerhin Über dem verscharrten Herzen, Stumm, wie ich im Grabe bin, Sei du stumm in deinen Schmerzen. Meinen Schatten sollen nicht Stören deines Auges Tränen, Wenn er aus dem Sarge bricht, Zu dir schwebt in seinem Sehnen. Denn solang du lebest hier, Kann ich nicht die Erde lassen, Ohne dich, ich sag's nur dir, Würd' ich selbst den Himmel hassen. Bis gebrochen auch dein Herz, Löst sich nicht mein Bann hienieden, Dann erst schweb' ich himmelwärts Mit dir in der Sterne Frieden.