An Helene v. Moltke (Auf das erste Blatt ihres Albums.) Ich trete als der Erste hier in Dein Heiligtum, Umher lausch' ich, doch alles ist in ihm still und stumm, Die Freunde zögern, keiner ist noch herbeigekommen, Hat in dem goldbekränzten Salone Platz genommen. Verlegen steh' ich einsam. Was soll ich Armer sagen, Daß ich so früh gekommen, – dazu in keinem Wagen, Zu Fuß an einem Stocke, in Stiefeln sehr befleckt, In einem Überrocke, ganz gegen den Respekt? – Wär' nach der bunten Menge gekommen ich zuletzt, Dann hätt' ich dort ins Ecke mich unbemerkt gesetzt. Nun steh' ich hart am Tore, wo alles mich ersieht, Nicht kann ich mich verstecken, so sehr ich bin bemüht. Was ist zu tun? – o Fräulein! von Herzen bitt' ich Dich: Werf doch in Deiner Güte jetzt Deinen Schal auf mich! Laß unter ihm mich bleiben, ganz unbemerkt im stillen, Bis daß sich mit der Menge die leeren Räume füllen. Ha! unter eines solchen herzlieben Tuches Hut Wallt auf in frischer Jugend ein noch so altes Blut. Dann während hier die andern gar zierlich malen, reimen, Will unter dem Verstecke ich selig von Dir träumen. Bald schau' ich Dich zu Pferde wohl als verwegne Fee, Bald wieder als ein Lichtbild zu Ulm auf Münsters Höh'! Dann wieder schau' ich wandeln in Tälern Dich der Schweiz, Kind der Natur voll Einfalt und holdem Liebesreiz, Dann unter jenem Himmel Italiens blau und klar, Aus dem Du Dir geholet Dein schönes Augenpaar. Zuletzt werd' ich Dir schauen ins liebe Herz hinein, Drin wird es wie im Kelche der weißen Lilie sein. Das alles laß mich träumen da unter Deinem Tuch, Bis sie gefüllt mit Reimen das liebe, dicke Buch.