Milon und Iris An Herrn Leßing Komm Iris, komm mit mir ins Kühle, komm! Die Geißblattlaube dort erwartet uns In grüner Dunckelheit, und streut Geruch. Die holde Stimme hab ich lange nicht Gehört, mit welcher du, mir ehedem Den Himmel öffnetest, und in mein Herz Ruh und Vergnügen sangst. Die Musen sind Mir auch anjezt nicht feind, sie lehren mich Gesänge, die das Chor der Nymphen liebt, Und die der Wiederhall im Hayne singt. Komm, laß uns singen! Komm, o meine Lust! O Milon! wie wird mich dein Lied erfreun, Das Liebe dich gelehrt und Gratien! Dein Ton, indem du sprichst, ergötzt mich mehr Als wenn im Veilchen-Thal der Westwind rauscht, Als wenn der laute Bach durch Blumen rinnt; O wie vielmehr wird mich dein Lied erfreun! Komm in die Laube, komm! mir schlägt das Herz! Sie gingen fröhlich hin, und Milon sang: O Wiederhall, der meine Pein erfuhr, Als Iris spröde war, Vernimm nun auch mein unaussprechlich Glück, Und breit es aus: Sie liebet mich! Sie liebet mich; wer ist so froh als ich! Wer ist so schön als sie! Aurora, die in rosenfarbner Tracht Vom Himmel sieht, ist nicht so schön. Auch du bist schön, auch du erfreust mein Herz! Die Ros ist nicht so schön, Voll Silberthau, die zarte Lilje nicht, Vom Morgenroth gefärbt, als du! Wenn in dem Teich das Bild des Gartens hängt, Und jedes blühnden Baums, Um den ein Heer von Schmetterlingen sich Mit hundertfarbgen Flügeln jagt. Denn freu ich mich. Doch wenn im Rosen-Kranz Am Ufer Iris läuft; Alsdenn seh ich des Gartens Bildnis nicht; Dann seh ich nur ihr Bild und sie. Schön ist der Bach, wenn Zephyrs Fittig drauf Der Bäume Blüthen weht. Die Silberfluth, auf ihre Decke stolz, Rauscht froh dahin, und hauchet Duft. Doch schöner ists, wenn sanfter Wind die Fluth Von Milons finsterm Haar, Mit Blüthen und mit güldnen Veilchen schmückt; Dann fließ, o Bach, ich seh sein Haar! O, welch ein Glück ist treue Liebe! Wenn Dein sanftes Auge sagt, Daß du mich liebst, denn seh ich aufwärts hin, Zum Sitze der Unsterblichen. Ich seufze denn, und Thränen fließen mir Vom Aug; ich dank entzückt Dem Himmel für mein Glück, und bitte nicht Um Schätze, nur um Ruh und dich. O, sey mir stets, was du mir jetzo bist, Mein Reichthum, Glück und Ruhm! Mit dir ist mir die finstre Wüste schön, Und ohne dich die Welt ein Grab. Wenn mir dein Auge sagt, daß du mich liebst, Dann fühl ich auch mein Glück, Geschwinder läuft mein Blut, der Busen wallt, All meine Sinnen sind Gefühl. Ich suche denn einsame Gänge, wo Nichts die Gedanken stöhrt. Ich seh dein Bild, und seufze Sehnsuchtsvoll, Und dank dem Himmel für mein Glück. Sey mir auch stets, was du mir jetzo bist, Mein Wunsch, mein Trost, mein Ruhm! Mit dir ist mir die finstre Wüste schön, Und ohne dich die Welt ein Grab. – Indem sie sangen schwieg der Wind im Hayn, Der Himmel hörte zu, das Volk der Luft Lauscht auf ihr Lied, versteckt in dunkles Laub. Die kleine Lalage lauscht auch darauf, Im krausen Schatten vom Gebüsch, und sprang Hervor, und sprach bewegt: Jetzt hab ich euch Belauscht! recht sehr belauscht! Ihr singet schön! Sie seufzet und die Brust empörte sich. – Was seufzest du? warum bist du bewegt? Frug Milon. Aber sie erröthete Und seufzt und wollte nicht gestehn, warum.