Der gelähmte Kranich Eine Fabel Der Herbst entlaubte schon den bunten Hayn, Und streut aus kalter Luft Reif auf die Flur, Als am Gestad ein Heer von Kranichen Zusammen kam, um in ein wirthbar Land, Jenseit des Meers, zu ziehn. Ein Kranich, den Des Jägers Pfeil am Fuß getroffen, saß Allein, betrübt und stumm, und mehrte nicht Das wilde Lustgeschrey der Schwärmenden, Und war der laute Spott der frohen Schaar. Ich bin durch meine Schuld nicht lahm, dacht er In sich gekehrt, ich half so viel als ihr, Zum Wohl von unserm Staat. Mich trift mit Recht Spott und Verachtung nicht. Nur ach! wie wirds Mir auf der Reis ergehn! Mir, dem der Schmertz Muth und Vermögen raubt zum weiten Flug! Ich Unglückseeliger, das Waßer wird Bald mein gewißes Grab! – Warum erschoß Der Grausame mich nicht! – Indeßen weht Gewogner Wind vom Land ins Meer. Die Schaar Beginnt, geordnet, jezt die Reis, und eilt Mit schnellen Flügeln fort und schreyt für Lust. Der Kranke nur blieb weit zurück und ruht Auf Lotos Blättern oft, womit die See Bestreuet war, und seufzt für Gram und Schmerz. – Nach vielen Ruhn, sah er das beßre Land, Den gütgern Himmel, der ihn plötzlich heilt. Die Fürsicht leitet ihn beglückt dahin, Und vielen Spöttern ward die Fluth zum Grab. Ihr, die die schwere Hand des Unglücks drückt, Ihr Redlichen, die ihr mit Harm erfüllt, Das Leben oft verwünscht, verzaget nicht, Und wagt die Reise durch das Leben nur! Jenseit dem Ufer giebts ein beßer Land, Gefilde voller Lust erwarten euch!