Grab-Lied Weh dir! daß du gestorben bist. Du wirst nicht mehr Auroren sehn Wenn sie vom Morgen Himmel blickt In rother Tracht, mit güldnem Haar; Und die bethauten Wiesen nicht, Auch nicht im melancholschen Hayn Die Sonn im Spiegel grüner Fluth. Der Veilchen Duft wird dich nicht mehr Erfreun, und das Gemurmel nicht Des Bachs, der Rosen-Büsche tränckt, Auf dem vor Zephirs sanftem Hauch Die kleinen krausen Wellen fliehn. Auch wird dich Philomele nicht Mehr rühren, durch der Töne Macht, Auch meines Krausens 1 Laute nicht Die Philomelen ähnlich seufzt. Allein, du wirst auch nicht mehr sehn, Daß sich der Tugendhaffte qvält, Sich seiner Blöse schämt und darbt Und seine Lebenszeit verweint; Indeßen daß in Seid und Gold Der Bösewicht stolzirt und lacht. Du wirst nicht sehn, daß ein Tyrann Die Ferse, freygebohrnem Volck In den gebognen Nacken setzt, Das ihm Tribut und Steur bezahlt, Nicht für den Schutz, nein, für die Luft. Kein Narr, kein Höfling wird dich mehr Mit dummer Falschheit peinigen, Und keine Rachsucht sieht auf dich Mit scheelen Blicken eines Wolfs. Nicht Ungewitter, Pestilenz Und Erderschütterung und Krieg Erschreckt dich mehr. Der Erde Punckt (Samt Pestilenz und Krieg und Noth) Flieht unter deinen Füßen fort, In Dunst und Blitz gewickelt. Sturm Und Donner ruft weit unter dir, Und Ruh und Freude labt dein Herz In Gegenden voll Heiterkeit. Wohl dir, daß du gestorben bist! Fußnoten 1 Verfaßer der Schrift von der musicalischen Poesie, ein so vollkommner praktischer als theoretischer Ton-Künstler.