Die Freundschafft eine Erzehlung. An Herrn Gleim Leander und Selin, zween Freunde, die Verstand und Edelmuth und gleicher Trieb Zur Tugend, fest verband, vertrauten sich, Einst in Geschäften, dem treulosen Meer. Die Winde wehten erst der Gegend zu, Die schon die Reisenden im Geiste sahn; Das Ufer floh, und bald erblickten sie Rings um nur Luft und See. Das Firmament War heiter und voll Glantz. Sie seegelten In seinem Wiederschein geruhig fort, Und nahten sich bereits der Reise Ziel, Als schnell die Wellen sich empöreten. Ein reißender Orcan erwacht und schlug Das Schiff von seiner Bahn. Es scheiterte Am Felsen. Jeder sucht den Tod zu fliehn; Das kleinste Stück vom Schiff wird jetzt sein Schiff – Den beyden Freunden ward ein Bret zu Theil; Allein, es war zu leicht für seine Last. Wir sincken, sprach Selin, das Bret erträgt Uns beyde nicht, o Freund! Leb ewig wohl! Du must erhalten seyn, an dir verliehrt Das Wohl der Welt zu viel, und ohne dich Wär mir das Leben doch nur eine Qvaal. Nein, sprach Leander, nein, ich sterb o Freund! – Allein Selin verließ zu schnell das Bret Und übergab getrost dem naßen Grab Der Waßerwogen sich. Die Vorsehung Die über alles wacht, sah seine Treu Und seine Großmuth an, und ließ das Meer Ihm nicht zum Grabe seyn. Mitleidig trugs Auf seinen Wellen ihn zum Ufer hin. Er fand Leandern schon daselbst – O, wer Beschreibt die Regungen der Freude, die Sie beyde fühlten! – Sie umarmten sich Mit Zähren in dem Aug. Leander sprach: O allzutreuer Freund, in was für Qvaal Hat deine Freundschafft mich gestürtzt! Ich hab Um dich des Todes Angst zehnfach gefühlt. Was du thatst wolt ich thun, denn ohne dich Wünscht ich das Leben nicht – Geliebtester Was wär ich ohne dich! versetzt Selin; Der Himmel sey gelobt, der dich mir schenkt! Komm laß uns ihn, der uns vom Tod befreyt, Verehren, und ihm ganz das Leben weyhn. Sie knieten weinend an das Ufer hin Und dankten dem, der sie errettete. Und ihre Regung drang die Wolcken durch – Leander theilte mit Selin, der arm An Güthern und nur reich an Tugend war, All seine Schätze, die Selin nur nahm Weil sich sein Freund dadurch glückseelig pries. Und Seegen kam auf sie und auf ihr Haus, Und lange waren sie das Wohl der Welt.