Geburtslied Weh dir, daß du gebohren bist! Das grosse Narrenhaus, die Welt, Erwartet dich zu deiner Quaal. Nicht Wissenschaft, nicht Tugend ist Ein Bollwerk für der Bosheit Wuth, Die dich bestürmen wird. Verdienst Beleidiget die Majestät Der Dummheit, und wird dir gewiß, (Im Fall du dirs einmal erwirbst) Ein Kerkerwerth Verbrechen seyn. Der Schatten eines Fehlers wird, Bey hundert deiner Tugenden, Der Lästrung greulichstes Geschrey Oft hinter dir erwecken. Wenn, Voll edeln Zorns, du kühn die Stirn Zum Lästrer kehrst, ist alles Ruh. Ein Zeigefinger, der schon sinkt, Ein Nickkopf weis't dir kaum, was man Begonnen. Schnell tönt hinter dir Des Unsinns Stimme wiederum. – Wenn du nicht wie ein Sturmwind sprichst, Nicht säufst, wie da die Erde säuft, Wo sich das Meer in Strudeln dreht; Wenn kein Erdbeben deinen Leib Zurütteln scheint, indem du zürnst: So mangelts dir an Heldenmuth. Und tanzest du den Phrynen nicht, Von weiten, einen Reverenz: So mangelts dir an grosser Welt. Wenn du nicht spielst, und viel gewinnst, Bis der, mit dem du spielst, erwacht; Wenn Wollust unter Rosen nicht Dich in die geilen Arme schlingt: So fehlt dir Witz! so fehlt dir Witz! – Nichts, nichts als Thorheit wirst du sehn Und Unglück. Ganze Länder fliehn, Gejagt vom Feuermeer des Kriegs, Vom bleichen Hunger und der Pest, Des Kriegs Gesellen. Und die See Ergießt sich wild; Verderben schwimmt Auf ihren Wogen, und der Tod. Ein unterirrdscher Donner brüllt, Die Erd eröfnet ihren Schlund, Begräbt in Flammen Feld und Wald, Und was im Feld und Walde wohnt. – Und fast kein tugendhafter Mann Ist ohne Milzsucht, lahmem Fuß, Und ohne Buckel oder Staar; Ihn foltert Schwermuth, weil er lebt! – Dieß alles wirst du sehn und mehr. Allein du wirst auch die Natur Voll sanfter Schönheit sehn. Das Meer, Der Morgenröthe Spiegel, wird Mit rothem Lichte dich erfreun, Und rauschen dir Entzückung zu. Und kühle Wälder werden dich Verbergen, wenn die Sonne brennt, In Nacht. Der Birken hangend Haar Wird dich beschatten. Oft wirst du, In blühnden Hecken eines Thals Voll Ruh einhergehn, athmen Lust, Und sehen einen Schmetterling Auf jeder Blüth, in bunter Pracht, Und den Fasan im Klee, der dir Denselben Hals bald roth, bald braun, Bald grün, im Glanz der Sonne, zeigt. Auch Wiesen werden dich erfreun, Mit Regenbögen ausgeschmückt, Und in der Fluth ein Labyrinth Von Blumen, und manch bunter Kranz, Aus dessen Mitte Phöbus Bild, Voll Strahlen, blitzt, und über dem In holden Düften Zephyr schwärmt. Die Lerche, die in Augen nicht, Doch immer in den Ohren ist, Singt aus den Wolken Freud herab, Dir in die Brust. Auch Tugend ist Noch nicht verschwunden aus der Welt, Und Friedrich lebt, der sie belohnt, Und sie ist selbst ihr reicher Lohn. Mitleiden, Großmuth, Dankbarkeit, Und Menschenlieb und Edelmuth Wirkt Freud, und Freude nur ist Glück. Fühl Tugenden, so fühlst du Glück! – Und mancher Freund wird dich durch Witz Und Liebe (wie mein mich) Beseeligen, und seyn dein Trost, Wenn Falschheit dein Verderben sucht. Laß Neid und niedre Raben schreyn, Und trinke du der Sonne Gluth, Gleich einem Adler. Hülle dich In deine Tugend, wenn es stürmt. – Doch öftrer lacht der Himmel dir; Das Leben ist mehr Lust als Schmerz. Wohl dir, daß du gebohren bist!