Heinrich von Kleist Robert Guiskard Herzog der Normänner Fragment aus dem Trauerspiel Personen Personen. Robert Guiskard, Herzog der Normänner. Robert, sein Sohn, Abälard, sein Neffe, Normännerprinzen. Cäcilia, Herzogin der Normänner, Guiskards Gemahlin. Helena, verwitwete Kaiserin von Griechenland, Guiskards Tochter und Verlobte Abälards. Ein Greis. Ein Ausschuss von Kriegern. Das Volk der Normänner. 1. Auftritt Erster Auftritt Ein Ausschuß von Normännern tritt auf, festlich im Kriegsschmuck. Ihn begleitet Volk, jeden Alters und Geschlechts. in unruhiger Bewegung. Mit heißem Segenswunsch, ihr würd'gen Väter, Begleiten wir zum Zelte Guiskards euch! Euch führt ein Cherub an, von Gottes Rechten, Wenn ihr den Felsen zu erschüttern geht, Den angstempört die ganze Heereswog Umsonst umschäumt! Schickt einen Donnerkeil Auf ihn hernieder, daß ein Pfad sich uns Eröffne, der aus diesen Schrecknissen Des greulerfüllten Lagerplatzes führt! Wenn er der Pest nicht schleunig uns entreißt, Die uns die Hölle grausend zugeschickt, So steigt der Leiche seines ganzen Volkes Dies Land ein Grabeshügel aus der See! Mit weit ausgreifenden Entsetzensschritten Geht sie durch die erschrocknen Scharen hin, Und haucht von den geschwollnen Lippen ihnen Des Busens Giftqualm in das Angesicht! Zu Asche gleich, wohin ihr Fuß sich wendet, Zerfallen Roß und Reuter hinter ihr, Vom Freund den Freund hinweg, die Braut vom Bräut'gam, Vom eignen Kind hinweg die Mutter schreckend! Auf eines Hügels Rücken hingeworfen, Aus ferner Öde jammern hört man sie, Wo schauerliches Raubgeflügel flattert, Und den Gewölken gleich, den Tag verfinsternd, Auf die Hülflosen kämpfend niederrauscht! Auch ihn ereilt, den Furchtlos-Trotzenden, Zuletzt das Scheusal noch, und er erobert, Wenn er nicht weicht, an jener Kaiserstadt Sich nichts, als einen prächt'gen Leichenstein! Und statt des Segens unsrer Kinder setzt Einst ihres Fluches Mißgestalt sich drauf, Und heul'nd aus ehrner Brust Verwünschungen Auf den Verderber ihrer Väter hin, Wühlt sie das silberne Gebein ihm frech Mit hörnern Klauen aus der Erd hervor! 2. Auftritt Zweiter Auftritt Ein Greis tritt auf. Die Vorigen. Komm her, Armin, ich bitte dich. Das heult, Gepeitscht vom Sturm der Angst und schäumt und gischt, Dem offnen Weltmeer gleich. Schaff Ordnung hier! Sie wogen noch das Zelt des Guiskard um. zum Volk. Fort hier mit dem, was unnütz ist! Was soll's Mit Weibern mir und Kindern hier? Den Ausschuß, Die zwölf bewehrten Männer braucht's, sonst nichts. aus dem Volk. Laß uns – Laß jammernd uns – Hinweg! sag ich. Wollt ihr etwa, ihr scheint mir gut gestimmt, Das Haupt ihm der Rebellion erheben? Soll ich mit Guiskard reden hier, wollt ihr's? Du sollst, du würd'ger Greis, die Stimme führen, Du einziger und keiner sonst. Doch wenn er Nicht hört, der Unerbittliche, so setze, Den Jammer dieses ganzen Volks, setz ihn, Gleich einem erznen Sprachrohr an, und donnre, Was seine Pflicht sei, in die Ohren ihm –! Wir litten, was ein Volk erdulden kann. Schaut! Horcht! Das Guiskardszelt eröffnet sich – Sieh da – die Kaiserin von Griechenland! Nun, diesen Zufall, Freunde, nenn ich günstig! – Jetzt bringt sich das Gesuch gleich an. Still denn! Daß keiner einen Laut mir wagt! Ihr hört's, Dem Flehn will ich, ich sag es noch einmal, Nicht der Empörung meine Stimme leihn. 3. Auftritt Dritter Auftritt Helena tritt auf. Die Vorigen. Ihr Kinder, Volk des besten Vaters, das Von allen Hügeln rauschend niederströmt, Was treibt mit so viel Zungen euch, da kaum Im Osten sich der junge Tag verkündet, Zu den Zypressen dieses Zeltes her? Habt ihr das ernste Kriegsgesetz vergessen, Das Stille in der Nacht gebeut, und ist Die Kriegersitt euch fremd, daß euch ein Weib Muß lehren, wie man dem Bezirk sich naht, Wo sich der kühne Schlachtgedank ersinnt? Ist das, ihr ew'gen Mächte dort, die Liebe, Die eurer Lippe stets entströmt, wenn ihr Den Vater mir, den alten, trefflichen, Mit Waffenklirrn und lautem Namensruf, Emporschreckt aus des Schlummers Arm, der eben Auf eine Morgenstund ihn eingewiegt? Ihn, der, ihr wißt's, drei schweißerfüllte Nächte Auf offnem Seuchenfelde zugebracht, Verderben, wütendem, entgegenkämpfend, Das ringsum ein von allen Seiten bricht! – Traun! Dringendes, was es auch immer sei, Führt euch hierher, und hören muß ich es; Denn Männer eurer Art, sie geben doch Stets was zu denken, wenn sie etwas tun. Erhabne Guiskardstochter, du vergibst uns! Wenn dieser Ausschuß hier, vom Volk begleitet, Ein wenig überlaut dem Zelt genaht, So straft es mein Gefühl: doch dies erwäge, Wir glaubten Guiskard nicht im Schlummer mehr. Die Sonne steht, blick auf, dir hoch im Scheitel, Und seit der Normann denkt, erstand sein Haupt Um Stunden, weißt du, früher stets, als sie. Not führt uns, länger nicht erträgliche, Auf diesen Vorplatz her, und seine Kniee, Um Rettung jammernd, werden wir umfassen; Doch wenn der Schlaf ihn jetzt noch, wie du sagst, In Armen hält, ihn, den endlose Mühe Entkräftet auf das Lager niederwarf: So harren wir in Ehrfurcht lautlos hier, Bis er das Licht begrüßet, mit Gebet Die Zeit für seine Heiterkeit erfüllend. Wollt ihr nicht lieber wiederkehren, Freunde? Ein Volk, in so viel Häuptern rings versammelt, Bleibt einem Meere gleich, wenn es auch ruht, Und immer rauschet seiner Wellen Schlag. Stellt euch, so wie ihr seid, in Festlichkeit Bei den Panieren eures Lagers auf: Sowie des Vaters erste Wimper zuckt, Den eignen Sohn send ich, und meld es euch. Laß, laß uns, Teuerste! Wenn dich kein andrer Verhaltner Grund bestimmt, uns fortzuschicken: Für deines Vaters Ruhe sorge nicht. Sieh, deines holden Angesichtes Strahl Hat uns beschwichtiget: die See fortan, Wenn rings der Winde muntre Schar entflohn, Die Wimpel hängen von den Masten nieder, Und an dem Schlepptau wird das Schiff geführt: Sie ist dem Ohr vernehmlicher, als wir. Vergönn uns, hier auf diesem Platz zu harren, Bis Guiskard aus dem Schlafe auferwacht. Gut denn. Es sei, ihr Freund'. Und irr ich nicht, Hör ich im Zelt auch seine Tritte schon. Ab. 4. Auftritt Vierter Auftritt Die Vorigen ohne Helena. Seltsam! Jetzt hört sie seinen Tritt im Zelte, Und eben lag er noch im festen Schlaf. Es schien, sie wünschte unsrer los zu sein. Beim Himmel, ja; das sag ich auch. Sie ging Um diesen Wunsch herum, mit Worten wedelnd: Mir fiel das Sprichwort ein vom heißen Brei. – Und sonst schien es, sie wünschte, daß wir nahten. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Ein Normann tritt auf. Die Vorigen. dem Greise winkend. Armin! Gott grüß dich, Franz! Was gibt's? dem ersten Krieger, ebenso. Marin! Bringst du was Neues? – Einen Gruß von Hause. Ein Wandrer aus Kalabrien kam an. So! aus Neapel? – Was siehst du so verstört dich um! die beiden Männer bei der Hand fassend. Verstört? Ihr seid wohl toll? Ich bin vergnügt. Mann! Deine Lipp ist bleich. Was fehlt dir? Rede! nachdem er sich wieder umgesehen. Hört. Aber was ihr hört, auch nicht mit Mienen Antwortet ihr, viel weniger mit Worten. Mensch, du bist fürchterlich. Was ist geschehn? laut zu dem Volk, das ihn beobachtet. Nun, wie auch steht's? Der Herzog kommt, ihr Freunde? aus dem Haufen. Ja, wir erhoffen's. Die Kaiserin will ihn rufen. geheimnisvoll, indem er die beiden Männer vorführt. Da ich die Wache heut um Mitternacht, Am Eingang hier des Guiskardszeltes halte, Fängt's plötzlich jammervoll zu stöhnen drin, Zu ächzen an, als haucht' ein kranker Löwe Die Seele von sich. Drauf sogleich beginnt Ein ängstlich heftig Treiben, selber wecket Die Herzogin sich einen Knecht, der schnell Die Kerzenstöcke zündet, dann hinaus Stürzt aus dem Zelt. Nun auf sein Rufen schießt Die ganze Sippschaft wildverstört herbei: Die Kaiserin, im Nachtgewand, die beiden Reichsprinzen an der Hand; des Herzogs Neffe, In einen Mantel flüchtig eingehüllt; Der Sohn, im bloßen Hemde fast, zuletzt – Der Knecht, mit einem eingemummten Dinge, das, Auf meine Frag, sich einen Ritter nennt. Nun zieht mir Weiberröcke an, so gleich Ich einer Jungfrau ebenso, und mehr; Denn alles, Mantel, Stiefeln, Pickelhaube, Hing an dem Kerl, wie an dem Nagelstift. Drauf faß ich, schon von Ahndungen beklemmt, Beim Ärmel ihn, dreh ihm das Angesicht Ins Mondenlicht, und nun erkenn ich – wen? Des Herzogs Leibarzt, den Jeronimus. Den Leibarzt, was! Ihr Ewigen! Und nun Meinst du, er sei unpäßlich, krank vielleicht –? Krank? Angesteckt –! indem er ihm den Mund zuhält. Daß du verstummen müßtest! nach einer Pause voll Schrecken. Ich sagt es nicht. Ich geb's euch, zu erwägen. Robert und Abälard lassen sich, miteinander sprechend, im Eingang des Zeltes sehn. Das Zelt geht auf! Die beiden Prinzen kommen! 6. Auftritt Sechster Auftritt Robert und Abälard treten auf. Die Vorigen. bis an den Rand des Hügels vorschreitend. Wer an der Spitze stehet dieser Schar, Als Wortesführer, trete vor. – Ich bin's. Du bist's! – Dein Geist ist jünger, als dein Haupt, Und deine ganze Weisheit steckt im Haar! Dein Alter steht, du Hundertjähr'ger, vor dir, Du würdest sonst nicht ohne Züchtigung, Hinweg von deines Prinzen Antlitz gehn. Denn eine Jünglingstat hast du getan, Und scheinst, fürwahr! der wackre Hausfreund nicht, Der einst die Wiege Guiskards hütete, Wenn du als Führer dieser Schar dich beutst, Die mit gezückten Waffen hellen Aufruhrs, Wie mir die Schwester sagt, durchs Lager schweift, Und mit lautdonnernden Verwünschungen, Die aus dem Schlaf der Gruft ihn schrecken könnten, Aus seinem Zelt hervor den Feldherrn fordert. Ist's wahr? Was denk ich? Was beschließ ich? – Sprich? Wahr ist's, daß wir den Feldherrn forderten; Doch daß wir's donnernd, mit Verwünschungen, Getan, hat dir die Schwester nicht gesagt, Die gegen uns, solang ich denken kann, Wohlwollend war und wahrhaft gegen dich! In meinem Alter wüßtest du es nicht, Wie man den Feldherrn ehrt, wohl aber ich Gewiß in deinem, was ein Krieger sei. Geh hin zu deinem Vater, und horch auf, Wenn du willst wissen, wie man mit mir spricht; Und ich, vergäß ich redend ja, was ich Dir schuldig, will danach schamrot bei meinen Urenkeln mich erkundigen: denn die In Windeln haben sie's von mir gelernt. Mit Demut haben wir, wie's längst, o Herr! Im Heer des Normanns Brauch und Sitte war, Gefleht, daß Guiskard uns erscheinen möge; Und nicht das erstemal wär's, wenn er uns In Huld es zugestände, aber, traun! Wenn er's uns, so wie du, verweigerte. Ich höre dich, du grauer Tor, bestät'gen, Was deine Rede widerlegen soll. Denn eines Buben Keckheit würde nicht Verwegner, als dein ungebändigtes Gemüt sich zeigen. Lernen mußt du's doch Noch, was gehorchen sei, und daß ich es Dich lehren kann, das höre gleich. Du hättest Auf meine Rüge, ohne Widerrede, Die Schar sogleich vom Platze führen sollen; Das war die Antwort einzig, die dir ziemte; Und wenn ich jetzt befehle, daß du gehst, So tust du's, hoff ich, nach der eignen Lehre, Tust's augenblicklich, lautlos, tust es gleich! Mit Zürnen seh ich dich und mit Befehlen, Freigebiger, als es dein Vater lehrt; Und unbefremdet bin ich, nimmt die Schar Kalt deine heißen Schmähungsworte auf; Denn dem Geräusch des Tags vergleich ich sie, Das keiner hört, weil's stets sich hören läßt. Noch, find ich, ist nichts Tadelnswürdiges Sogar geschehn, bis auf den Augenblick! Daß kühn die Rede dieses Greises war, Und daß sie stolz war, steht nicht übel ihm, Denn zwei Geschlechter haben ihn geehrt, Und eine Spanne von der Gruft soll nicht Des dritten einer ihn beleidigen. Wär mein das kecke Volk, das dir mißfällt, Ich möcht es anders wahrlich nicht, als keck; Denn seine Freiheit ist des Normanns Weib, Und heilig wäre mir das Ehepaar, Das mir den Ruhm im Bette zeugt der Schlacht. Das weiß der Guiskard wohl, und mag es gern Wenn ihm der Krieger in den Mähnen spielt; Allein der glatte Nacken seines Sohnes Der schüttelt gleich sich, wenn ihm eins nur naht. Meinst du, es könne dir die Normannskrone Nicht fehlen, daß du dich so trotzig zeigst? Durch Liebe, hör es, mußt du sie erwerben, Das Recht gibt sie dir nicht, die Liebe kann's! Allein von Guiskard ruht kein Funk auf dir, Und diesen Namen 1 mindstens erbst du nicht; Denn in der Stunde, da es eben gilt, Schlägst du sie schnöd ins Angesicht, die jetzt Dich auf des Ruhmes Gipfel heben könnten. Doch ganz verlassen ist, wie du wohl wähnst, Das Normannsheer, ganz ohne Freund, noch nicht, Und bist du's nicht, wohlan, ich bin es gern. Zu hören, was der Flehende begehrt, Ist leicht, Erhörung nicht, das Hören ist's: Und wenn dein Feldherrnwort die Schar vertreibt, Meins will, daß sie noch bleib! – Ihr hört's, ihr Männer! Ich will vor Guiskard es verantworten. mit Bedeutung, halblaut. Dich jetzt erkenn ich, und ich danke dir, Als meinen bösen Geist! – Doch ganz gewonnen, Ist, wie geschickt du's führst, noch nicht dein Spiel. – Willst du ein Beispiel sehn, wie sicher meins, Die Karten mögen liegen, wie sie wollen? Was willst du? Nun, merk nur auf. Du sollst's gleich fassen. Er wendet sich zum Volk. Ihr Guiskardssöhne, die mein Wort vertreibt, Und seines schmeichlerisch hier fesseln soll, Euch selber ruf ich mir zu Richtern auf! Entscheiden sollt ihr zwischen mir und ihm, Und übertreten ein Gebot von zwein. Und keinen Laut mehr feig setz ich hinzu: Des Herrschers Sohn, durch Gottes Gunst, bin ich, Ein Prinz der, von dem Zufall großgezogen: Das Unerhörte will ich bloß erprüfen, Erprüfen, ob sein Wort gewichtiger In eurer Seelen Waage fällt, als meins! Des Herrschers Sohn? – Der bin ich so wie du! Mein Vater saß vor deinem auf dem Thron! Er tat's mit seinem Ruhm, tat's mit mehr Recht: Und näher noch verwandt ist mir das Volk, Mir, Ottos Sohn, gekrönt vom Erbgesetz, Als dir – dem Sohne meines Vormunds bloß, Bestimmt von dem, mein Reich nur zu verwalten! – 2 Und nun, wie du's begehrt, so ist's mir recht. Entscheidet, Männer, zwischen mir und ihm. Auf mein Geheiß zu bleiben, steht euch frei, Und wollt ihr, sprecht, als wär ich Otto selbst. Du zeigst, o Herr, dich deines Vaters wert, Und jauchzen wahrlich, in der Todesstunde, Würd einst dein Oheim, unser hoher Fürst, Wär ihm ein Sohn geworden, so wie du. Dein Anblick, sieh, verjüngt mich wunderbar; Denn in Gestalt und Red und Art dir gleich, Wie du, ein Freund des Volks, jetzt vor uns stehst, Stand Guiskard einst, als Otto hingegangen, Des Volkes Abgott, herrlich vor uns da! Nun jeder Segen schütte, der in Wolken Die Tugenden umschwebt, sich auf dich nieder, Und ziehe deines Glückes Pflanze groß! Die Gunst des Oheims, laß sie, deine Sonne, Nur immer, wie bis heute, dich bestrahlen: Das, was der Grund vermag, auf dem sie steht, Das zweifle nicht, o Herr, das wird geschehn! – Doch eines Düngers, mißlichen Geschlechts, Bedarf es nicht, vergib, um sie zu treiben; Der Acker, wenn es sein kann, bleibe rein. In manchem andern Wettstreit siegest du, In diesem einen, Herr, stehst du ihm nach; Und weil dein Feldherrnwort erlaubend bloß, Gebietend seins, so gibst du uns wohl zu, Daß wir dem dringenderen hier gehorchen. Zu Robert, kalt. Wenn du befiehlst zu gehn, wir trotzen nicht. Du bist der Guiskardssohn, das ist genug! Sag, ob wir wiederkommen dürfen, sag Uns wann, so führ ich diese Schar zurück. seine Verlegenheit verbergend. Kehrt morgen wieder. – Oder heut, ihr Freunde. Vielleicht zu Mittag, wenn's die Zeit erlaubt. – – – Ganz recht. So geht's. Ein ernst Geschäft hält eben Den Guiskard nur auf eine Stunde fest; Will er euch sprechen, wenn es abgetan, Wohlan, so komm ich selbst, und ruf euch her. Tust du doch mit dem Heer, als wär's ein Weib, Ein schwangeres, das niemand schrecken darf! Warum hehlst du die Wahrheit? Fürchtest du Die Niederkunft? – – Zum Volk gewandt. Der Guiskard fühlt sich krank. erschrocken. Beim großen Gott des Himmels und der Erde, Hat er die Pest? Das nicht. Das fürcht ich nicht. – Obschon der Arzt Besorgnis äußert: ja. Daß dir ein Wetterstrahl aus heitrer Luft Die Zunge lähmte, du Verräter, du! Ab ins Zelt. 7. Auftritt Siebenter Auftritt Die Vorigen ohne Robert. aus dem Volk. Ihr Himmelsscharen, ihr geflügelten, So steht uns bei! Verloren ist das Volk! Verloren ohne Guiskard rettungslos! Verloren rettungslos! Errettungslos, In diesem meerumgebnen Griechenland! – zu Abälard, mit erhobenen Händen. Nein, sprich! Ist's wahr? – – Du Bote des Verderbens! Hat ihn die Seuche wirklich angesteckt? – von dem Hügel herabsteigend. Ich sagt es euch, gewiß ist es noch nicht. Denn weil's kein andres sichres Zeichen gibt, Als nur den schnellen Tod, so leugnet er's, Ihr kennt ihn, wird's im Tode leugnen noch. Jedoch dem Arzt, der Mutter ist's, der Tochter, Dem Sohne selbst, ihr seht's, unzweifelhaft – Fühlt er sich kraftlos, Herr? Das ist ein Zeichen. Fühlt er sein Innerstes erhitzt? Und Durst? Fühlt er sich kraftlos? Das erled'ge erst. – Noch eben, da er auf dem Teppich lag, Trat ich zu ihm und sprach: Wie geht's dir, Guiskard? Drauf er: »Ei nun«, erwidert' er, »erträglich! – Obschon ich die Giganten rufen möchte, Um diese kleine Hand hier zu bewegen.« Er sprach: »Dem Ätna wedelst du, laß sein!« Als ihm von fern, mit einer Reiherfeder, Die Herzogin den Busen fächelte; Und als die Kaiserin, mit feuchtem Blick, Ihm einen Becher brachte, und ihn fragte, Ob er auch trinken woll? antwortet' er: »Die Dardanellen, liebes Kind!« und trank. Es ist entsetzlich! Doch das hindert nicht, Daß er nicht stets nach jener Kaiserzinne, Die dort erglänzt, wie ein gekrümmter Tiger, Aus seinem offnen Zelt hinüberschaut. Man sieht ihn still, die Karte in der Hand, Entschlüss' im Busen wälzen, ungeheure, Als ob er heut das Leben erst beträte. Nessus und Loxias, den Griechenfürsten, – Gesonnen längst, ihr wißt, auf einen Punkt, Die Schlüssel heimlich ihm zu überliefern, – Auf einen Punkt, sag ich, von ihm bis heut Mit würdiger Hartnäckigkeit verweigert – Heut einen Boten sandt er ihnen zu, Mit einer Schrift, die diesen Punkt 3 bewilligt. Kurz, wenn die Nacht ihn lebend trifft, ihr Männer, Das Rasende, ihr sollt es sehn, vollstreckt sich, Und einen Hauptsturm ordnet er noch an; Den Sohn schon fragt' er, den die Aussicht reizt, Was er von solcher Unternehmung halte? O möcht er doch! O könnten wir ihm folgen! O führt' er lang uns noch, der teure Held, In Kampf und Sieg und Tod! Das sag ich auch! Doch eh wird Guiskards Stiefel rücken vor Byzanz, eh wird an ihre ehrnen Tore Sein Handschuh klopfen, eh die stolze Zinne Vor seinem bloßen Hemde sich verneigen, Als dieser Sohn , wenn Guiskard fehlt, die Krone Alexius, dem Rebellen dort, entreißen! 8. Auftritt Achter Auftritt Robert aus dem Zelt zurück. Die Vorigen. Normänner, hört's. Es hat der Guiskard sein Geschäft beendigt, gleich erscheint er jetzt! erschrocken. Erscheint? Unmöglich ist's! Dir, Heuchlerherz, Deck ich den Schleier jetzt von der Mißgestalt! Wieder ab ins Zelt. 9. Auftritt Neunter Auftritt Die vorigen ohne Robert. O Abälard! O was hast du getan? mit einer fliegenden Blässe. Die Wahrheit sagt ich euch, und dieses Haupt Verpfänd ich kühn der Rache, täuscht ich euch! Als ich das Zelt verließ, lag hingestreckt Der Guiskard, und nicht eines Gliedes schien Er mächtig. Doch sein Geist bezwingt sich selbst Und das Geschick, nichts Neues sag ich euch! halb auf den Hügel gestiegen. Seht her, seht her! Sie öffnen schon das Zelt! O du geliebter Knabe, siehst du ihn? Sprich, siehst du ihn? Wohl, Vater, seh ich ihn! Frei in des Zeltes Mitte seh ich ihn! Der hohen Brust legt er den Panzer um! Dem breiten Schulternpaar das Gnadenkettlein! Dem weitgewölbten Haupt drückt er, mit Kraft, Den mächtig-wankend-hohen Helmbusch auf! Jetzt seht, o seht doch her! – Da ist er selbst! 10. Auftritt Zehnter Auftritt Guiskard tritt auf. Die Herzogin, Helena, Robert, Gefolge hinter ihm. Die Vorigen. jubelnd. Triumph! Er ist's! Der Guiskard ist's! Leb hoch! Einige Mützen fliegen in die Höhe. noch während des Jubelgeschreis. O Guiskard! Wir begrüßen dich, o Fürst! Als stiegst du uns von Himmelshöhen nieder! Denn in den Sternen glaubten wir dich schon – –! mit erhobener Hand. Wo ist der Prinz, mein Neffe? Allgemeines Stillschweigen. Tritt hinter mich. Der Prinz, der sich unter das Volk gemischt hatte, steigt auf den Hügel, und stellt sich hinter Guiskard, während dieser ihn unverwandt mit den Augen verfolgt. Hier bleibst du stehn, und lautlos. – Du verstehst mich? – Ich sprech nachher ein eignes Wort mit dir. Er wendet sich zum Greise. Du führst, Armin, das Wort für diese Schar? Ich führ's, mein Feldherr! zum Ausschuß. Seht, als ich das hörte, Hat's lebhaft mich im Zelt bestürzt, ihr Leute! Denn nicht die schlechtsten Männer seh ich vor mir, Und nichts Bedeutungsloses bringt ihr mir, Und nicht von einem Dritten mag ich's hören, Was euch so dringend mir vors Antlitz führt. – Tu's schnell, du alter Knabe, tu mir's kund! Ist's eine neue Not? Ist es ein Wunsch? Und womit helf ich? Oder tröst ich? Sprich! Ein Wunsch, mein hoher Herzog, führt uns her. – Jedoch nicht ihm gehört, wie du wohl wähnst, Der Ungestüm, mit dem wir dein begehrt, Und sehr beschämen würd uns deine Milde; Wenn du das glauben könntest von der Schar. Der Jubel, als du aus dem Zelte tratst, Von ganz was anderm, glaub es, rührt er her: Nicht von der Lust bloß, selbst dich zu erblicken; Ach, von dem Wahn, du Angebeteter! Wir würden nie dein Antlitz wiedersehn; Von nichts Geringerm, als dem rasenden Gerücht, daß ich's nur ganz dir anvertraue, Du, Guiskard, seist vom Pesthauch angeweht –! lachend. Vom Pesthauch angeweht! Ihr seid wohl toll, ihr! Ob ich wie einer ausseh, der die Pest hat? Der ich in Lebensfüll hier vor euch stehe? Der seiner Glieder jegliches beherrscht? Des reine Stimme aus der freien Brust, Gleich dem Geläut der Glocken, euch umhallt? Das läßt der Angesteckte bleiben, das! Ihr wollt mich, traun! mich Blühenden, doch nicht Hinschleppen zu den Faulenden aufs Feld? Ei, was zum Henker, nein! Ich wehre mich – Im Lager hier kriegt ihr mich nicht ins Grab: In Stambul halt ich still, und eher nicht! O du geliebter Fürst! Dein heitres Wort Gibt uns ein aufgegebnes Leben wieder! Wenn keine Gruft doch wäre, die dich deckte! Wärst du unsterblich doch, o Herr! unsterblich, Unsterblich, wie es deine Taten sind! – Zwar trifft sich's seltsam just, an diesem Tage, Daß ich so lebhaft mich nicht fühl, als sonst: Doch nicht unpäßlich möcht ich nennen das, Viel wen'ger pestkrank! Denn was weiter ist's, Als nur ein Mißbehagen, nach der Qual Der letzten Tage, um mein armes Heer. So sagst du –? ihn unterbrechend. 's ist der Red nicht wert, sag ich! Hier diesem alten Scheitel, wißt ihr selbst, Hat seiner Haare keins noch weh getan! Mein Leib ward jeder Krankheit mächtig noch. Und wär's die Pest auch, so versichr' ich euch: An diesen Knochen nagt sie selbst sich krank! Wenn du doch mindestens von heute an, Die Kranken unsrer Sorge lassen wolltest! Nicht einer ist, o Guiskard, unter ihnen, Der hülflos nicht, verworfen lieber läge, Jedwedem Übel sterbend ausgesetzt, Als daß er Hülf, von dir, du Einziger, Du Ewig-Unersetzlicher, empfinge, In immer reger Furcht, den gräßlichsten Der Tode dir zum Lohne hinzugeben. Ich hab's, ihr Leut, euch schon so oft gesagt, Seit wann denn gilt mein Guiskardswort nicht mehr? Kein Leichtsinn ist's, wenn ich Berührung nicht Der Kranken scheue, und kein Ohngefähr, Wenn's ungestraft geschieht. Es hat damit Sein eigenes Bewenden – kurz, zum Schluß: Furcht meinetwegen spart! – Zur Sache jetzt! Was bringst du mir? sag an! Sei kurz und bündig; Geschäfte rufen mich ins Zelt zurück. nach einer kurzen Pause. Du weißt's, o Herr! du fühlst es so, wie wir – Ach, auf wem ruht die Not so schwer, als dir? In dem entscheidenden Moment, da schon – – Guiskard sieht sich um, der Greis stockt. leise. Willst du –? Begehrst du –? Fehlt dir? Gott im Himmel! Was ist? Was hast du? Guiskard! Sprich ein Wort! Die Kaiserin zieht eine große Heerpauke herbei und schiebt sie hinter ihn. indem er sich sanft niederläßt, halblaut. Mein liebes Kind! – Was also gibt's Armin? Bring deine Sache vor, und laß es frei Hinströmen, bange Worte lieb ich nicht! Der Greis sieht gedankenvoll vor sich nieder. aus dem Volk. Nun, was auch säumt er? Alter, du! So sprich. gesammelt. Du weißt's, o Herr – und wem ist's so bekannt? Und auf wem ruht des Schicksals Hand so schwer? Auf deinem Fluge rasch, die Brust voll Flammen, Ins Bett der Braut, der du die Arme schon Entgegenstreckst zu dem Vermählungsfest, Tritt, o du Bräutigam der Siegesgöttin, Die Seuche grauenvoll dir in den Weg –! Zwar du bist, wie du sagst, noch unberührt; Jedoch dein Volk ist, deiner Lenden Mark, Vergiftet, keiner Taten fähig mehr, Und täglich, wie vor Sturmwind Tannen, sinken Die Häupter deiner Treuen in den Staub. Der Hingestreckt' ist's auferstehungslos, Und wo er hinsank, sank er in sein Grab. Er sträubt, und wieder, mit unsäglicher Anstrengung sich empor: es ist umsonst! Die giftgeätzten Knochen brechen ihm, Und wieder nieder sinkt er in sein Grab. Ja, in des Sinns entsetzlicher Verwirrung, Die ihn zuletzt befällt, sieht man ihn scheußlich Die Zähne gegen Gott und Menschen fletschen, Dem Freund, dem Bruder, Vater, Mutter, Kindern, Der Braut selbst, die ihm naht, entgegenwütend. indem sie an der Tochter Brust niedersinkt. O Himmel! Meine vielgeliebte Mutter! sich langsam umsehend. Was fehlet ihr? zögernd. Es scheint – Bringt sie ins Zelt! Helena führt die Herzogin ab. Und weil du denn die kurzen Worte liebst: O führ uns fort aus diesem Jammertal! Du Retter in der Not, der du so manchem Schon halfst, versage deinem ganzen Heere Den einz'gen Trank nicht, der ihm Heilung bringt, Versag uns nicht Italiens Himmelslüfte, Führ uns zurück, zurück, ins Vaterland! Fußnoten 1 Guiskard heißt Schlaukopf ; ein Zuname, den die Normänner dem Herzog gaben. 2 Wilhelm von der Normandie, Stifter des Normännerstaats in Italien, hatte drei Brüder, die einander, in Ermangelung der Kinder, rechtmäßig in der Regierung folgten. Abälard, der Sohn des dritten, ein Kind, als derselbe starb, hätte nun zum Regenten ausgerufen werden sollen; doch Guiskard, der vierte Bruder, von dem dritten zum Vormund eingesetzt – sei es, weil die Folgereihe der Brüder für ihn sprach, sei es, weil das Volk ihn sehr liebte, ward gekrönt, und die Mittel, die angewendet wurden, dies zu bewerkstelligen, vergessen. – Kurz, Guiskard war seit dreißig Jahren als Herzog, und Robert, als Thronerbe, anerkannt. – Diese Umstände liegen wenigstens hier zum Grunde. 3 Dieser Punkt war (wie sich in der Folge ausgewiesen haben würde) die Forderung der Verräter in Konstantinopel: daß nicht die, von dem Alexius Komnenes vertriebene, Kaiserin von Griechenland, im Namen ihrer Kinder, sondern Guiskard selbst, die Krone ergreifen solle.