Siebzehnter Gesang Didymus hatte sich lang' von seinen Brüdern gesondert; Jetzo kehrt' er zurück und kam zu der Hütt' an dem Tempel. Aber er säumet' und ging nicht hinein und wandelt' am Eingang Unter den Palmen. Er ging jetzt, lehnte sich jetzt an der Palmen Eine. Bald hört' er sie singen. Da kam er und blieb an der Pforte Stehn. Sie sangen ein Lied der Auferstehung, der neuen Lieder eins, wie am Throne die Seelen der Märtyrer singen. »Jesus Christus erstand! Er wird die Seinen erwecken! Seine Kindlein werden im Schooß der Erde nicht ewig Liegen, entstellt von der Hand der Verwesung. Die Stimme des Segens Wird ertönen, vor ihr verstummen des Fluches letzter Laut. Erzengel werden sich freun und leuchtender strahlen Von den süßen Entzückungen über die Todten, die leben. Ach, daß jetzo nicht mehr das Grab ist, nicht mehr die Verwesung Herrscht, noch in Grüften zerstört der hohen Seele Genoß liegt! Wehet, Winde, vom Morgen und bringt den Staub der Zerstörung! Bringt der Zerstörung Staub, Ihr wehenden Winde, vom Abend! Brause, Sturm der Mitternacht, und bringe die Trümmern! Jesus Christus erstand! Er wird die Seinen erwecken! Seine Kindlein werden im Schooß der Erde nicht ewig Liegen, entstellt von der Hand der Verwesung. Wie Träumenden wird es Dann uns sein, wenn wir wiederkehren ins Leben der Engel. Wehet, Winde, vom Morgen, daß wir in das Leben der Engel Wiederkehren! O, säusle die Todten Gottes herüber, Mittagswind, zu dem neugeschaffenen Paradiese. Sieh, an der Pforte des ewigen Edens schrecket des Cherubs Schweigen nie, droht nie die hohe Flamme des Schwertes! Denn wir halten das Mahl mit dem Sohn in der Lebensbäume Kühle, das Mahl in dem Säuseln um uns der Gegenwart Gottes. Denn erstanden ist Er, der bis zu dem Tode die Seinen Liebte, bis zu dem Tod am Kreuz!« So hatte sie Thomas Preisen gehört und war auf die Schwelle gesunken. Er deckte Mit der Hülle sein Antlitz. Ihm floß die Thräne, wie Blut Dem Fließt, der am Leben verzweifelnd im Kampfgefilde gestreckt liegt Und, ihr Gefährt', den Siegsruf hört der Streiter für Freiheit. Noch vermocht' er nicht aufzustehn. In das müde Gebein drang Strömender Duft ihm der Mitternacht. Er fühlt' ihn nicht, weinte. Weinete laut mit der Wehmuth Schauer auf Wehmuthsschauer, Daß ihm die ganze Seele zerfloß. Er riß sich mit Eil' auf, Ging zu den Brüdern hinein. Nun sahen sie endlich wieder Thomas, ihren Bruder, und kamen mit ihrer Wonne Lebenswort ihm entgegen. Er hört's, und lange verstummt' er. Aber es kehrete bald in die Seel' ihm wieder des Leidens Furchtbare Kälte, senket' auf ihn den lastenden, starken, Eisernen Arm, und er rufte: »Seh' ich ihm in den Händen Nicht die Male der Nägel, und leg' ich in diese Male Meine Finger ihm nicht und nicht in des Lebenden Seite Meine Hand, so glaub' ich es nicht!" Der Hörenden Wange Glühete, wurde bleich. Schon rauschten der Cherubim Flügel Unter der Hütte Palmen, schon träufelt' ihr Auge von Wonne, Schon erbarmete sich des Gottversöhners Erbarmung, Und der Göttliche stand vor seinen Jüngern. So schöpfen Christen, welche des Todes Graun erlagen, entschlafen Nun, aus den Strömen des Lichts; so stürzete vor den Erstandnen Thomas sich nieder. Der Göttliche sprach zu den Zeugen mit seiner Herzlichkeit: »Friede sei mit Euch!« Dann sagt' er zu Thomas: »Lege mir Deine Finger hierher, sieh meine Hände. Lege mir in die Seite die Hand und sei ungläubig Nicht, sei gläubig!« Der bebende Zeuge des Auferstandnen Rufte: »Mein Herr und mein Gott!« Da sprach der ewige Mittler: »Siehe, Du sahst und glaubetest. Der ist selig, der nicht sieht, Aber dennoch glaubt!« Und jetzt war seiner Gemeinen Herr und Gott vor dem Auge der ersten Zeugen verschwunden. Thomas betet' ihm nach, stand auf und ging zu den Jüngern Und zu den anderen Brüdern umher und bat um Erlassung Seiner Schuld. Die Liebenden hatten lang' ihm vergeben. Und der Selige sprach von dem Märtyrertode, dem Kleinod An der Laufbahn Ziel. Sie sprachen mit ihm von des Blutes Zeugniß, der Krone der Ueberwinder am Ziele der Laufbahn. Aber itzt ward ihr Himmelsgespräch wie von selber zum Liede: »Seid in der Zukunft Ferne gegrüßt, Gemeinen des Mittlers! Seid, o Brüder, gesegnet mit seines Todes, mit seiner Auferstehung Segen, o, die Ihr im Leben der Prüfung Ihn nicht seht, erst jenseit der Gräber den Göttlichen sehet, Aber dennoch glaubt! Glückselige, wandelt des Himmels Wandel und legt hier eine Gemeine zum Tod Euch nieder Und zu dem Schaun, legt eine dort Euch nieder zum Tode Und zu dem Schaun. Es werden einst Euer Einige wandeln, Ach, in schrecklichen Zeiten, den Wandel zum Tod und dem Schauen! Kämpft, er kräftiget Euch, kämpft daurenden Kampf! Uns, Brüder, Höhnten und tödteten sie; Euch höhnen sie nur, und dennoch Kürzt Der Eure Zeiten, wie er die unsrigen kürzte, Der, für uns und für Euch von dem Anbeginne geopfert, Bis an das Ende der Welt bei Denen wird sein, die er liebet!« Seraphim waren seit Christus' Geburt hinab zu den Geistern In dem Gefängniß gestiegen, den Seelen Derer, die damals, Da der Wasser Gericht der Erde nahte, nicht glaubten, Waren gekommen und hatten den Geistern viel von des Mittlers Heile verkündet; es hatte geweissagt Gabriel: »Höret, Geister, Bewohner vordem der jüngeren Erde, des Menschen Sohn wird selber zu Euch, eh er zu dem Himmel zurückkehrt, Nieder in Euer Gefängniß in seiner Herrlichkeit steigen. Wenn in der weiten Fern' des Himmels Gethsemane bebet, Und ihm die Palmen wanken, alsdann wird der Göttliche kommen.« Unter den Geisterschaaren der untergehenden Erde Hatte seit Christus' Geburt der Unsterblichen Botschaft Gedanken Tausendfacher Gestalt hervorgebracht und vernichtet, Wandlung auf Wandlung, bis sie zuletzt Gewißheit erblickten; Etliche nur; denn Unzählige wallten umher in der Irre, Aber ohne des Heiles Verlust, wenn das Herz nicht verführte. Neuer Anblick des Künftigen; Licht voll Dämmrung; geglaubtes Licht und dennoch Nacht; Verlangen, heiß, wie getrennte Seelen allein es zu haben vermögen; Wünsche, gen Himmel Jetzt auf Flügeln erhoben, itzt niedergestürzt von dem Himmel; Hoffnung, ach Hoffnung; Zweifel nicht nur, ob dereinst Genuß sie Endigen werde, Zweifel auch an der rechten Erkenntniß Deß, was die Engel von Dem verkündeten, welcher ein Mensch sei Und ein Versöhner Gottes; Empörung, von Neuem sich sträubend Wider das Schicksal oder die Vorsicht; Wehmuth, daß selber Diese Rettung sie nicht erretten würde, vergrämte, Bittere Wehmuth; Stolz, vor den Wiedergerufnen, der Ersten Pfad zu betreten, vor ihnen die hellste Palme zu tragen; Wuth, kein Erbe zu haben im Reich der Freien, kein Erbe Dort, wo die Nacht nicht mehr und die Ungewißheit umwölke: Dies, dies Alles umgab, durchdrang die langebestraften, Langgeprüften Geister der untergehenden Erde. Und sie hatten empor aus ihrer Tiefe zu Schaaren Späher gesandt, die hinüberschaun nach Gethsemane sollten Und den Palmen umher und kommen dann und verkünden: »Siehe, Gethsemane bebt, und es wanken des Sternes Gefährten!« Einige Todte ruften von Klüften zu Klüften; »Die Zeit naht!« Und: »Die Zeit naht!« schollen die Widerhalle des Abgrunds. Haufen sonderten sich und schöpften voll aus dem trüben Feuerstrome die Schalen und hielten sie hoch und suchten Pfade sich, fehlten und fanden den Ausgang, kehreten wieder, Ruften, noch bebe der Stern nicht! Die anderen Haufen entdeckten Nun den Ausgang auch und kamen nicht wieder. Da strömt' es, Hoch die Flamme, den Haufen in Schaaren nach. So empört sich, Heben sich Stürme, das Meer; erst rauschen Wellen wie Hügel, Aber nicht lang', und es brausen Wogen wie Berg' ans Gestade. Etliche kehrten zurück, denn immer wallten die Sterne Ihres Weges noch fort. Doch weit hinab an dem Strome Standen, die Flamme zu schöpfen bereit, unzählbare Todte, Daß sie eilten und schauten, wenn nun der Verheißne des Engels Käme, wenn nun die Erscheinung des lebenden Todten erschiene. Jesus sprach zu Gabriel: »Eile voran!« Und der Seraph Schwebte nicht lang', so trat er, wie sie noch niemals ihn sahen, Ganz mit Herrlichkeit überkleidet, mit Strahlen des Urlichts, In des Gefängnisses Thor. Da wurde Gethsemane stärker, Nun noch stärker erschüttert, so sehr, daß die wartenden Haufen Endlich sahn, wie der Stern mit wankendem Pol aus der Bahn wich. Schaaren eilten hinab, zu verkündigen, sahen den Seraph Kaum, der vor ihnen in der Herrlichkeit stand. Der Versöhner Kam, und Tag ging auf vor dem Göttlichen, leuchtet' hinunter In des Gefängnisses tiefes Geklüft, auf die Felsenhänge Voller trüber Quellen, hinab in die fernsten Gewölbe Unter den Felsenhängen, wo etliche Todte mit dumpfen, Jetzo schnellem Geklirr diamantne Ketten bewegten. Erst erschütterte Staunen, alsdann entflammtes Verlangen, Endlich enthüllt ihr Schicksal zu sehn, die Versammlung der Todten; Nur enthüllt! so dürsteten einige, was vor ein neues Schicksal auch hinter der Nacht, die jetzt sie umgäbe, sich hätte Aus den Tiefen erhoben des unerforschlichen Richters. Gabriel blies die Posaune: »Wir haben von seiner Geburt an Euch den Versöhner verkündet. Er forschet Alles, er weiß es, Wie Ihr seitdem bis jetzo von Gott und von Ihm gedacht habt. Nicht wie Ihr nun, da Ihr Ihn in seiner Herrlichkeit sehet, Aber wie Ihr zu der Zeit der Verkündigung dachtet und wünschtet, Wird Euch der Allgerechte und Allbarmherzige richten.« Feierlich kamen die Engel, die einst des Versöhnenden Boten An die Geister waren, herab, und sie standen vor Christus. Heller vom Tage, der war vor dem Göttlichen aufgegangen, Standen die Cherubim da, das Entsetzen Vieler, und Vieler Wonnanblick. In furchtbarer Schöne begannen die Engel Aufzusteigen, zu schweben, so weit die Gefilde der Tiefe Sich ausbreiteten unter den Todten, und niederzuschauen. Nahe war die Entscheidung herzugekommen, und Grauen Vor dem erschütternden Donnerschlage befiel die Versammlung. Stiller ward die Stille; bald aber erscholl's in den weiten Trauergefilden hier aus einem Gedräng und aus einem Dort von Rufen, von schnellem, gebrochenen, flehenden Rufen Um Erlösung. Der Allbarmherzige, Allgerechte Hörte mit diesem Rufen, was sonst kein Unsterblicher hörte, Selbst der Seelen leises Gebet, die mit Demuth von ferne Standen. Da schwebten hinab der Botschaft Engel und gingen Unter den Schaaren umher und sonderten. Stunde der Wonne Und der Thränen – der Wonne war mehr – wo tönet die Harfe, Welche von Dir zu singen vermag? O, rührt' ich sie, sänge Sie von den Thränen auch, und wär' ich gelehrt durch den Engel, Der sie mir hätte gebracht, auch von dem künftigen Heile Derer, die weinten, viel mehr als weinten, belastet von Elend, Wider die Vorsicht murrten und, ach, erblos in dem Lichtreich, Wie sie wähneten, ewig nun und von der Verzweiflung Strom ergriffen und Strudel gedreht und Sturm, sich empörten. Jetzo war die Sondrung vollbracht. Die Schaaren der Freien Steigen verklärt aus der Tief' empor und folgen den Engeln, Die sie führen. Die Führenden sind zu der weiten Wallfahrt Durch die Welten umher mit hellen Gürteln, als hätte Sie die Morgenröthe gewebt, begürtet und tragen Goldene Stäbe, mit denen sie oft, wie sehr auch der Reise Durch die Welten die Pilger sich freuen, gen Himmel weisen. Als die letzte Schaar der Freien die Tiefe verließ, kam Schnelle Dämmerung, ging noch schneller unter der erste Ihrer Tage. Gehüllt in daurendes Dunkel, wie vormals, Blieb drei Erdewendungen lang die Versammlung der Geister Sprachlos stehn; an der vierten erhoben sich etliche, gingen Hin zu dem Feuerstrom und schöpften mit wankender Schale Wenig Schimmers, umher in den Klüften ihrer Genossen Stätte zu suchen. Sie fanden der Stätten viele verlassen, Wendeten aus der Oede sich weg und klagten des Jammers Voll den Genossen, der Bruder dem Bruder, dem Freunde der Freund nach. Auf der Erde schon sind Freuden, in denen des Grabes Erbe die künftige Wonne vorausempfindet; ach, frühe Blüthen, welken sie schnell; doch blühete also des Lebens Baum in Eden. Nephthoa befiel nach einem der frohsten Seiner Gebete süßer Schlummer. So träuft auf des Lenzes Erstlingsblume der Thau. Bald hört' in Traum er die Stimme: »Schlummerst Du noch und gehest nicht hin, zu erzählen den Frommen, Daß Dir ein Bote Christus' erschien, in Strahlengewande Einer, den Gott Dir sandte, der Heimath einer des Himmels?« Und er eilt nach Golgatha's Grabe. »Die Seinen,« so denkt er, »Weilen gewiß dort oft. Sie wallen von Salem zum Grabe, Sehen's und sich und wandeln zurück, bald wiederzukehren. Auf dem Wege des Grabes und in dem Garten, wo Christus' Todesstätte war, da, neben dem Felsen versammelt, Find' ich seine Treuen.« Der junge, noch sterbliche, frohe Himmelsbote verließ mit dem werdenden Tage die Thore Salem's, und schon betrat er den Weg, so nach Golgatha führte. Ihm begegneten Jünger des Mittlers, die von dem Grabe Kamen. N. »Verließet Ihr Jünger im Garten der Auferstehung? Kehret denn wieder zu uns und bringt der seligen Zeugen Mehr in der Palme Beschattung. Ich habe der himmlischen Botschaft Viel für Euch und für sie.« An des Gartens nahem Gehege Spieleten Knaben. Er sonderte neun der freudigen Knaben; Fünfe hatte mit ihm einst unter dem Volke gesegnet Jesus, unser Erbarmer, der Säuglinge Gott und der Kinder. Und Nephthoa erkor die andern. Ihn leitete Christus' Weisheit. So leitet Engel, indem sie sich Erben des Himmels, Sie zu schützen, erwählen, die Weisheit Christus'. Die Knaben Kamen zum offenen Grabe, beschauten die furchtbare Tiefe Und die Felsenlast, die weggewälzt vor ihr dalag. Freudig schauerten sie, doch auch mit Schrecken, indem sie Ueber sich der alternden Bäume Wipfel erblickten. Und sie irrten umher in dem Schatten des dichteren Laubes Und des helleren, welches der weiße Lenz mit dem Brautschmuck Seiner Blüthen durchwebte. Sie fanden gegen des Grabes Eingang über, im Glanz des lieblichen Morgens, auf weichem Jungen Grase, beströmt von dem Duft der Blüthengerüche, Heilige Gottes, und sie in sanfte heitere Ruhe Ausgegossen, und sie mit der Freudenthrän' in dem Blicke, Eine selige Schaar, der Auferstehung des Mittlers Einst Verkündiger, Feirer jetzt. Sie sahe Nephthoa Ehrfurchtsvoll; doch er war auch der göttlichen Boten Einer, und an sie. Viel' Heilige kannten den Knaben, Kannten seine Gespielen. Er säumt, zu reden; doch Alle Sehen's an ihm, daß Stimmen des Heils auf den Lippen ihm schweben. Aber er säumte nicht lang'; denn schon begann zu dem Grabe Jener begegnende Haufen mit neuen Haufen zu kommen. Da erscholl von Benoni's Erscheinung die Stimme Nephthoa's, Wie er ihm lockte sein goldenes Haar, wie Benoni von Christus Sprach, der Auferweckte vom auferstandnen Vollender. Und die neuen Freuden ergriffen die Hörenden, brachten Sie noch näher dem Himmel. In dieser süßen Begeistrung, Dieser Vorempfindung der ewigen Wonn' an dem Throne, Strömte das Herz der Heiligen aus, und sie sangen dem Sieger, Der zertrat. Ihm blutete nun nicht mehr von der Schlange Wuth die Ferse. So wie der Gesang in Strömen dahinfloß, Tanzten die Knaben den heiligen Reihn zu dem Siegesgesange: »Siehe, der Himmelsbogen erhob nach furchtbaren Wettern Sich in der Wolke! Der Bund ist ewig, der Auferstehung Bund ist ewig!« So wie der Gesang in Strömen dahinfloß, Tanzten die Knaben den heiligen Reihn zu dem Siegesgesange. Und die Mütter bekränzten mit Frühlingslaube die Knaben. »Siehe, die Thränen alle, sie wurden alle getrocknet, Da das geopferte Lamm versöhnet hatte, nicht Tod mehr War der Tod!« So wie der Gesang sich in Strömen dahingoß, Wandten die Knaben im heiligen Reihn nach Golgatha's Höh' sich. Und die Mütter brachten den Knaben Sprosse der Palme. »Ach, der Lebende sprach mit seiner Stimme: Maria! Und sie lag zu den Füßen des Gottversöhners und rufte, Rufte: Rabbuni!« So wie der Gesang sich in Strömen dahingoß, Tanzten die Knaben den heiligen Reihn zu dem Siegesgesange. »Rief: Mein Herr und mein Gott! Er hatte die Male gesehen Seiner Wunden, hatte die Hand in des Auferstandnen Seite gelegt.« So wie der Gesang in Strömen dahinfloß, Tanzten die Knaben den heiligen Reihn zu dem Siegesgesange. »Ach, auch wir erwachen dereinst von dem Tod, es erwachen Alle bis hin zu dem Ende der Erde, die liegen und schlafen, Todte Gottes!« So wie der Gesang in Strömen dahinfloß, Tanzten die Knaben den heiligen Reihn um eines der Gräber, Warfen die Kränze darauf und tanzten zum Siegesgesange. Schleunig lassen sie sinken die Palmen. Denn auf des Felsen Höhe, des Grabes, das leer nun war, erschienen Erstandne; Und der Siegesgesang verstummet. Drei der Erwachten Standen in ihrer Herrlichkeit da, und es schwebte wie Wolken Bei den Erscheinenden. Jetzo trat aus dem Silbergewölke Asnath langsam hervor und ward zu Glanze. Debora Hub ihr Antlitz und hub die gefalteten Hände gen Himmel Aus der Wolke, bis endlich auch sie, ganz Schimmer, dastand. Aber Jedidoth schwebte daher, als käm' er aus jener Fern', wo nieder des Himmels Gewölbe sich senkt; doch auf einmal Stand er neben Debora. Und Isak begleiteten Engel Und bewunderten ihn, den schönsten der Auferstandnen. Rahel weht die goldene Locke, da sie aus dem weißen Dufte Benjamin führt mit einer Liebe, daß alle Mütter die Mutter erkannten. Da kam in der Sterblichen Seele Sanftere Freude, da fingen sie an, dem bangen Erstaunen Sich zu entreißen. Nicht lang', und es traf sie neues Erstaunen. Denn nun stand Jesaias und Abraham da und Hiob, Strahlengestalten. Die Sterblichen bebten. Nun kamen des Mittlers Täufer und Seth und Abel, kam mit Gabriel Adam, Blitze Gottes. Die Sterblichen sanken. Der Fels wankt' ihnen Und das Gefild umher. Doch die Seele der Sterblichen wurde Wieder entlastet. Denn Eva kam mit milderer Schöne, Trat einher und führte, wie sie der erfrischenden Mondnacht Schimmer umgab und des Himmels Bläue, den Jüngling Benoni. Da erhuben die Zeugen sich wieder und sahen des Himmels Erben mit Seelenerquickung, mit unaussprechlicher Wonne, Fühlten es ganz, wie selig sie waren. Schnelles Entschlusses, Näherte sich Nephthoa dem Fels. Er hatte die Palme Wieder genommen; er hielt sie gegen Benoni und sagte: »Ach, Dich kenn' ich; allein die hohen Strahlengestalten, Deine Gefährten, kenn' ich nicht. Gesendete Gottes, Siehe, der Euch mit diesem Glanz, der Herrlichkeit Lichte, Segnete, segnet' auch mich. Zwar bin ich noch Erd', und es muß noch Dieser Leib mir verwesen; allein ich bete, wie Ihr, Den, Der versöhnet hat, an. Auch waret Ihr vormals, wie ich bin, Sterblich und truget die Last des gefürchteten Todes, bis nieder Euch des kommenden stürzte. Vergönnt, vollendete Fromme, Mir, den Christus segnete, daß ich dem furchtbaren Felsen Näher trete, noch näher schau' der Himmlischen Antlitz!« Eva wendete sich zu Adam: »Der freudigen Ahndung, Adam! nicht lange, so bricht die Blume der Tod!« und sie stand schon Bei dem Knaben und führet' ihn hin zu Benoni. Doch jetzo, Da er mitten im Kreise der Himmlischen war, und ihr Lächeln Seinem erhobenen Blicke begegnete, zitterten Schauer Durch des kühnen Knaben Gebein. Ihm hüllte Debora Sich in Dämmrung und sprach mit ihm: »Du hörtest die Zeugen Christus' singen; sing uns ihr Lied!« Da begann er mit leiser Stimme der Zeugen Lied, und der Seligen Harfen beseelten's: »Siehe, der Himmelsbogen erhob nach furchtbaren Wettern Sich in der Wolke. Der Bund ist ewig, der Auferstehung Bund ist ewig!« So wie sein Gesang, beseelt von den Harfen, Hinfloß, schwang er den Palmenzweig und wies auf des Herrn Grab. »Siehe, die Thränen alle, sie wurden alle getrocknet, Da das geopferte Lamm versöhnet hatte, nicht Tod mehr War der Tod!« – »Was säumet Ihr,« sprach in sanfterem Lichte Asnath, »dem Knaben der Psalme den Kranz von dem Grabe zu bringen?« Magdale Mirjam kam und bekränzte den Knaben der Psalme. »Ach, der Lebende sprach mit seiner Stimme: Maria! Und sie lag zu den Füßen des Gottversöhners und rufte, Rufte: Rabbuni!« So wie sein Gesang, beseelt von den Harfen, Tönete, träufelten ihm von dem hellen Auge die Thränen. »Rief: Mein Herr und mein Gott! Er hatte die Male gesehen Seiner Wunden, hatte die Hand in des Auferstandnen Seit gelegt.« Da so sein Gesang, von den Harfen beseelet, Strömete, hielt sich nicht mehr die wonnevolle Versammlung Bei dem Felsen; sie stiegen hinauf zu den Seligen Gottes, Und sie traten hinein in den strahlenden Kreis und begannen: »Ach, auch wir erwachen dereinst von dem Tod; es erwachen Alle bis hin zu dem Ende der Erde, die liegen und schlafen, Todte Gottes!« So wie ihr Gesang den Flug des Triumphs flog, Hoben die Harfen den Schwung, wie am Thron, zu dem Wonnegesange. Jetzo ward ein Chor die Versammlung der sterblichen Christen Und der vollendeten. Alle sangen dem Sohn, mit der Stimme Lautes Jauchzens die Himmlischen, leises Stammelns die Menschen: »Preis und Ehre dem Ueberwinder, dem Löwen aus Juda Und dem Lamm auf Sion, der hohen Aehre von Jesse! Aber am Golgatha lag sie gesenkt, hub schnell an des Blutes Hügel wieder sich auf, die erste der Ernte. Den Völkern Allen schattet sie einst, und das Labsal des göttlichen Schattens Wird in Ewigkeit laben. Da ruften die Schnitter nicht, sanken Aus der Cherubim Hand die Posaunen, da Jesus Christus – Preis und Ehre dem Ueberwinder – da Jesus Christus Auferstand!« Die Stimme der Seligen Gottes verlor sich In der Entzückung; ihr Glanz erlosch. Die Todten verschwanden. Lazarus' Hütte lag und Martha's in schattigen Gärten, Die ein luftiger Bach durchfloß und mit einem der Gänge Leise zum Grabe Mirjam's kam. Aus eben dem Grabe Hatte den Bruder herauf der Todtenerwecker gerufen; Aber die himmlische Schwester schlief den eisernen Schlaf fort, Jetzo ohne Klage der Nachgelassnen; denn Jesus War erstanden, zu ihm die himmlische glückliche Mirjam Hingegangen. Aufs Grab der Hingegangenen streute Martha mit jeder kommenden Sonne des nährenden Baches Hellste Blumen, wie sie von der Zähre der süßen Hoffnung Troffen, der Hoffnung des Wiedersehns, wenn sie bei der Schwester Bald nun läg' und schliefe den eisernen Schlaf in der Erde, Blind den Blumen und taub dem sanften Falle des Baches; Aber die Seele bei Mirjam's Seele. Sie kam von dem Grabmal Eben zurück, als Lazarus ihr begegnet' und sagte: »Martha, ich sendet' und lud der Brüder ein, der Versöhnten, Auch der Pilger vom siebenarmigen Strom und den Inseln Griechenlandes zum Mahl in dem Schatten und Weste, zum Liede Unserer lieben Sänger im Busch und der Harfe Gesange.« Martha eilet' und war geschäftig, das Mahl zu bereiten. Lazarus ging und streuete Blumen und thaut' in der Lauben Kies aus dem kühlenden Quell und bog die Zweige, des Schattens Mehr zu geben und mehr dem Sonnenstrahle zu wehren. Und ob er wol bei dem frohen Geschäft, die Lauben zu schmücken Und zu kühlen, am Grabe der himmlischen Schwester vorbeikam, Troff ihm die Thräne doch nicht der Todeserinnrung: »Ich sehe Bald sie wieder!« und brach der Blumen selbst auf dem Grabe. An dem Bache hatten sich schon mit der Harf' und der Gidith Seiner Jugend Gespielen um eine Palme gelagert, Mit der Asoor, der Cymbale, dem Horn und jener Posaune, Die den Donner nicht hallt und von hellem Tone nur zittert. Sie empfanden voraus der Lieder Freude, die, käme Nun der Abendstern und der silberne Mond mit dem Sterne, Von der Palme sich sollten umher in die Lauben ergießen. Jetzo war nach und nach der Geladnen Versammlung gekommen; Und sie saßen umher in den luftigen Lauben und fühlten Freude, die nun nicht mehr voll Ungestümes die Seele Ueberwältigte, die gleich leisen Bächen das Innre Ihres Lebens durchwallte. Was hatten sie nicht von des Mittlers Zeugen gehört, was selber gesehn! was durften zu hören Sie nicht noch und zu sehn erwarten, die Söhne des Bundes! Ach, des neuen, welcher auf sie mit Herrlichkeit strahlte, Der, gestiftet durch Tod, durch Auferstehung gestiftet, Ihnen zum fröhlichen Tage das Leben und heiteren Abend Machte (Wenige nur sahn, trübe den Blick, in die Zukunft) Und zum süßen Schlummer den Tod. Kein Zweifel bewölkte Ihre Seelen; nicht jene Belastung der Ungewißheit, Die in der Trübsal Stunde sogar auf Fromme sich stürzet, Drückte sie nieder; sie waren beinah schon über dem Grabe, Neideswerth, wenn dem Bruder ein Christ es könnte beneiden, Daß von dem Allbarmherzigen ihm der Begnadigung mehr ward. Silberfarben wallte der Mond, der Stern, sein Gefährt', stand, Funkelt' am weißlichen Himmel. Die frohe Versammlung zerstreute Sich aus den Lauben umher und genoß des kühlenden Abends. Von Gespräch zu Gespräch kam Dimnot, ein Pilger aus Samos, Endlich dahin, daß er sagte zu Dem, mit dem er der neuen Freundschaft erstes Gefühl, die Lust der Edleren, theilte: »Ach, Du meinst noch, der Tod vernichte! Muß denn das Saatkorn Nicht aufschwellen, bevor zum lebenden Keim es sich hebet? Muß die Wolke zu Nacht nicht werden, eh sie in den schnellen, Zückenden Blitz, in den Rufer Gottes, den Donner, sich wandelt? Soll die hohe Seele denn stets in dem sterblichen Leibe Wohnen, des Daseins erste Bahn auf immer betreten?« Dies nur sagt' er und handelte schnell. Mit Strahlen umgeben, Stand er vor seinem Freund auf einmal da und erweckt' ihn Mächtig erschütternd vom ängstlichen Traum der geglaubten Vernichtung. Von Gespräch zu Gespräch kam Kerdith, ein Pilger vom Nilus, Endlich dahin, daß er sagte zu Dem, mit dem er der neuen Freundschaft erstes Gefühl, die Lust der Edleren, theilte: »Glücklicher, der es nicht weiß, wie sehr er es ist, Dich ergreift noch Stets der Gedanken, es sei auf dieser Erde des Elends Mehr wie der Freude. Bald wird sich der Schmerz des trüben Gedankens Lindern, viel mehr als lindern, wird Dich auf immer verlassen. Glücklicher, der es nicht weiß, wie sehr er es ist, und wie sehr sich Das ihm nahet, was ihn schon in dem Leben am Grabe Ueber das Grab wird erhöhn, des Todes furchtbaren Abruf Ihm in Himmelsgesang, das Bild der nahen Verwesung Ihm wird wandeln in trunknes Gefühl, in Ahndung, verklärter Zukunft voll, es entkeime dereinst dem gesunknen Gebeine Auferstehung; mir ist, mein Bruder, durch Den, der uns Alle Schuf, uns Alle versöhnte, schon Auferstehung geworden.« Ach, er rief's mit dem Tone der innigsten Wonne dem Freunde, Stammelt's ihm zu und strahlte die Morgenröthe des Urlichts Auf den Erstaunenden, säumt' und säumte, sein leuchtendes Antlitz Wegzuwenden, blieb vor ihm lang' in der Schönheit der Engel Stehen, that dem Bebenden, that dem Verstummenden froher Eilender Fragen viel', wich seitwärts wie Dämmrung, da dieser Hinzusinken begann in die Blumen um ihn; doch enthüllt' er Wieder sein Licht und kam zu dem Hingesunkenen wieder. Endlich sahe den nicht Verschwundnen, vom Schrecken der Freude Uebernachtet, sein Freund nicht mehr. Sie fanden mit bleicher Wang' ihn liegen und huben ihn auf und reichten ihm Labsal. Finster und scharf war Sebida's Blick. Er saß auf dem Moosstein, Und ihm glühte von Denken die Stirn: »Ich, der der Gewißheit Lang' entsagt hat in Dingen des künftigen Schicksals, dem Zweifel, Wie er das Herz auch belaste, sich lange schon unterworfen, Ich soll glauben, der Pilger etliche, die ich vor Kurzem Hier noch sahe, Sterbliche sah, die sei'n Erstandne? Die erscheinen? und soll nicht glauben, der Sehenden Seele Werd', indem sie Gedanken von Auferstehung entflammen, Durch Vorstellung getäuscht, der Wirklichkeit mangelt? Erscheint denn, Todte, dem forschenden Untersucher, der Wesen vom Bilde Sondert, erscheinet, Todte, die leben! Denn Wirklichkeit kenn' ich, Leben auch. Ich schau' um mich her, und ich flehe vergebens!« Japhet, ein Pilger aus Tenedos, kam heran zu dem Zweifler, Stand, von der Helle des unbewölkten Mondes umgeben, Nahe vor ihm und sprach mit ihm von der doppelten Täuschung Bald der gewähnten Gewißheit und bald des ergrübelten Zweifels, Alles, nachdem der Geist zu der Ueberzeugung sich neige Oder wider sie sich sträube. Der Weisere köre Dinge sich aus und Beschaffenheiten der Dinge, die sichtbar Vor ihm lägen, und die er zu übersehen vermöchte; Böten aber sich ihm aus weiteren Kreisen der Kenntniß Andere dar, so erforschet' er sie, wie die aus den engern, Sähe wie sonst, verdrehte bei Ueberschauung des Höhern Nicht den Blick und täuschte sich nicht durch ergrübelte Zweifel. Ernstvoll sagt' es der Pilger und kalt, und auf einmal verschwand er. »Ist verschwunden, verschwunden und nicht erschienen! Allein er Ist ja erschienen, nur nicht in seiner Herrlichkeit. Sehen Soll ich wie sonst. Ich sehe wie sonst. Er ist mir verschwunden, Ist mir also erschienen. Wer sendet' ihn? Kam er von selber, Oder sendet' ihn Gott? Ist er auch von selber gekommen, O, so ist er immer doch Einer, dem es bekannt war, Daß ich Belehrung bedurfte, und der mich mächtig belehrt hat. Wär' er nun gar ein Bote von Gott! So entrann ich dem Meer denn Dieser Zweifel, worin ich versank. Entronnen, entronnen Bin ich, ich bin durch einen Sturm ans Gestade gerettet, Steh' und schaue freudig hinab und höre die Woge Tod herrauschen und fürchte nicht mehr die wüthende Woge!« Aber ihm ward der Gnade noch mehr. Der verschwundene Todte Kam in seiner Herrlichkeit wieder. Es sah in dem Schatten Einer Palme den Strahlenden Sebida kommen, darauf ihn Näher schweben, zuletzt in dem Glanze gemildertes Lichtes Gegen ihn über, als wollt' er daselbst der Ruhe genießen, Nieder auf einen Fels sich setzen. Frei wie der Heitre Lüfte, gelöst von den Banden allen der Zweifel, von allen Ihren Bürden entlastet, befragte jetzt die Erscheinung Sebida, hörte von ihr die süße Stimme der Antwort Ueber Vieles von diesem und jenem Leben und beider Nahem Verhalt, und wie Gott es Alles mit Herrlichkeit ende. Endlich rief er: »Wer aber bist Du, Erscheinung vom Himmel?« »Ja, Erscheinung vom hohen Himmel, doch auch aus dem Grabe! – Ich bin Joseph. Dir lebt Dein alter Vater noch. Eile Und erzähl' es ihm, daß der redliche Greis auf des Sohnes Wangen fühle die Freudenthräne des Sohns und ihn segne!« Unterdeß stand der Versöhner auf Tabor's Höhen und legte Richtend That, Absicht auf die Wagschal', wog; auch sah er, Welche Seligkeit Denen ward, die bei Lazarus weilten. Lazarus redte mit Ernst und unwiderstehlicher Anmuth Von den Lehren des Mittlers, wie er jetzt tiefere Weisheit, Nahrung sie und Leben des Menschen, enthüllet mit Einfalt, Jetzo von fern nur hätte gezeigt des Sterblichen Auge. »Sind hinüber,« so sagt er, »die kenntnißbegierigen Wandrer Ueber das Grab gegangen, so wird die Ferne zu Nähe, Und sie lernen zugleich, warum dies nicht früher geschahe.« Viele Fragende standen um Lazarus her, und Antwort Hatt' er schon Vielen gegeben. Itzt sagt' er einem der Pilger, Der ein Unsterblicher war, kein Pilger mehr auf der Erde: »Unsers Mittlers Erniedrigung? ... ist für den schärfsten der Blicke Abgrund, wo am Unmerklichsten sich die größten der Thaten Zeigen. Denn dort, wo sie sind, sinkt am Tiefsten die Tiefe. Lasset uns menschlich reden von göttlichen Dingen; denn anders Können wir nicht. Ein Mensch, der edler ist, handelt; verkennet Wird er, ist voller Gefühl, empfindet es, daß er verkannt wird, Leidet. Was ist er? Ein irrender sterblicher Mensch, der ein Wenig Besser ist als die Andern; und dennoch weinet er, hält er Bittere Thränen zurück, die gerecht ihm scheinen. Und Christus Unser Mittler? Wir stehn an der Tiefe! Vergleicht; vergleichet Aber auch nicht! sonst muß ich schweigen. Der Mittler ist Gottes Sohn, ist Gott! Hier schwindet zu nichts das Bild vor dem Urbild. Und er handelt. Auch hier wird es Schatten. Verkennet? In Allem Ganz verkannt! Und die Thränen, die der Erhabne zurückhielt? Wären gerechtere jemals geweinet worden? Doch Alles, Was der Mensch durch sich selbst sich erklärt, ist fern von dem Leiden, Das der Heilige litt, ist fern vom Gefühle, mit welchem Er es litt! Verkannt nur in Allem ganz? Voll stärkres, Tiefres Gefühls, wie ein Mensch empfunden, empfunden ein Engel, Wurd' er gehöhnt mit der Hölle Hohn, wurd' unter lautem Schlangengezisch in Purpur gehüllt, ein Rohr ihm gegeben In die Rechte zum Scepter, aus Dornen dann um die Schläfe Eine Kron' ihm gewunden! Er ward geführt zu der Schädel Höhe, geheftet ans Kreuz! Nach Labsal ruft' er, mit Galle Wurd' er gelabt, an dem Kreuz mit langsamen Tode getödtet!« Lazarus endete so und ging aus der Laube. Zuletzt war Er allein zu der frommen Maria Grabe gekommen. Und er setzete sich auf die Ruhestätte der Todten, Senkt' in frohen Gedanken und wehmuthsvollen sein Haupt: »Da, Ach, da reift sie der Auferstehung! Vom todten Messias Hörtest Du nur, da Du starbest, und nicht vom erstandnen; allein Du Weißt es Alles und bist – mich täuschten ja Engel, wär's anders – Bist bei ihm. Noch segn' ich Dir nach, Du Schlummernde Gottes!« Doch die Unsterbliche war bei ihrem Grabe. M. »Was hätt' ich Ihm zu erzählen, könnt' ich mich, wie die Erstandnen des Mittlers Sich den Zeugen entdecken, ihm auch entdecken! Allein er Wird ja vielleicht, wie es schon sein Semida ward, wie es Cidli Wurde, verklärt!« L. »O Abend, den Gott mich erleben in diesem Zweiten Leben läßt, glückseliger Abend, wie machen Dich mir festlich die Pilger des Herrn! Wie würde Maria, Lebte sie, Deiner sich freun, wie forschen, wer wirklich ein Pilger, Wer ein Unsterblicher sei, schon Einer der Heimath des Himmels!« M. »Könnt' ich Dir nur erscheinen, ich wollte, Du Theurer, sie Alle Dir entdecken, wer in dem Staube noch wallet, und wer nur Erdebewohner Euch scheint! Die Unsterblichen, Lazarus, haben Eine Hoheit, die sie nicht stets zu verbergen vermögen, Schaun bisweilen wie Engel auf Euch. Wer Acht hat und sehn kann, Sieht es. Ich rede ja da, als wär's mit dem Bach und dem Grabe. Lazarus höret mich nicht; mich hören der Bach und das Grab nicht. Doch will ich mich, mein Bruder, der süßen Täuschung, als könnt' ich Mit Dir reden, noch überlassen. Der Greis mit dem schönen Blüthenhaar und dem röthlichen Wanderstab an der Palme Ist Husai. Der Jüngling, der dort an der Krümme des Baches Ernst das Auge gen Himmel erhebt, ist Jethro, der Schäfer Midian's. Siehe, sie ist in einen Schleier, dem Duft gleich, Eingehüllt und mit Golde gegürtet, die sanfte Megiddo, Jephtha's Tochter.« Es war der itzt Schweigenden Blick zu des Mittlers Auferweckten noch immer gewandt. Noch immer voll neuer Süßer Verwunderung über die Welt, in welcher sie jetzt war, Spähte sie Alles darin bis zu kaum sichtbarer Aendrung Mit des wärmsten Gefühls Theilnahme. Jetzo bemerkt sie, Wie mit leiserer Senkung die vielbesaitete Harfe Korah an einen Oelbaum lehnt; jetzt wie sein Jedithun Ihm an die Harfe den Blumenkranz voll frischeres Dufts hängt; Nun, wie weiter hinauf an der Ulme Rahel den Epheu Windet; und nun, wie zu Rahel sich Jemina nähert, als wollte Sie ihr helfen, und doch auf Erscheinungen sinnt. Da bei Bethlem Einst der Hirt Zalmona das Lied der Unsterblichen hörte, Das sie sangen von Dem, der geboren war an der Krippe, Starb er vor Freude. Der war erstanden. Ihn sahe Maria Neben Bethlehem's älterem Hirten, dem Sohn Isai's. Beide trugen Stäbe der Weide, waren vom Felde Beide gekommen und forschten der Auferweckung der Frommen, Ihren Erscheinungen nach und ließen sich's Alles erzählen. Jetzo wandte zu Lazarus sich Maria von Neuem: »Sieh, er machet sich auf und will dem Jüngling erscheinen, Der so innig trauert' um Dich; an dem glänzenden Auge Seh' ich es, Eliphas will dem glücklichen Jüngling erscheinen. Ach, wie nah – o, wende nach ihm die Blicke – wie nahe Kommt er zu uns; er setzet ans Grab sich neben Dir nieder! Aber nun sieht ihn das Auge nicht mehr. Wie schnell war die Wandlung, Als er der Menschen Gestalt ablegte! Er will sich gen Tabor Wieder erheben. »Verweil, o Heman, bei uns und erscheine Meinem Lazarus hier! O, laß sein frohes Erstaunen Ueber die Himmelsgestalt, laß seine Thräne mich sehen!« H. »Ihm erscheint der Versöhner, und wenn der Versöhner zu Gott geht, Wird Dein Bruder verklärt!« M. »Ihr Unsterblichen Gottes, verklärt wird Lazarus, wallet mit uns hinauf zu den ewigen Hütten, Ach, zu dem Erbe des Lichts, den Tausendmaltausend, der Schöpfung Erstgebornen, zu allen den Schaaren der Mitanbeter? Aber Du gehest von mir, mein Bruder.« Lazarus wandte Sich von dem Grabe Maria's und kehrte zurück zu den Lauben. Cneus saß allein auf kühlendem Moose; so dacht' er: »O Ihr Glücklichen, die das Alles sahen, erscheinen Auferstandene sahn, selbst Worte der Ueberzeugung Von der künftigen Welt durch die Boten Gottes vernahmen! Aber glücklich auch ich, dem sie dies Alles erzählten! Thorheit wär' es, noch jetzt zu zweifeln, täuschende, blinde Thorheit. Allein, was soll ich thun? Dem Eroberer ferner Dienen? dem Gott des Olympus, dem Donnerer opfern? bei Adlern Schwören, das Blut unschuldiger Unterjochter, gerechtrer Menschen Blut zu vergießen? und, ist es vergossen, des Feldherrn Stolzen Triumph begleiten und mit den Siegern in Rom dann Schwelgen? Das? da mir ganz andre Gedanken des Menschen Schicksal in dieser und jener Welt ganz anders erklären! O, gehabt Euch allzumal wohl, Ihr Triumph' und Erobrer Und Ihr Götter! Ich weihe mich Dem, deß Wahrheit mich lehret, Hohe, himmlische Wahrheit, die Menschenschicksal dem Menschen Aufschleußt, Künftiges uns und Entwicklung im Künftigen zeiget. Gott der Götter, sei Du mit mir und leite mich ferner!« Wunderbar wurd' er erhört. Er sah die Erscheinung Elihu's Vor sich stehn und hörte von Gottes Heile sie reden. Und Erstaunen befiel den frommen Cneus, daß seiner, Selbst mit dieser so großen Erbarmung, Gott sich erbarmte. Lange – sie war verschwunden, schon wieder hinübergegangen In der Geister Welt, die Erscheinung – doch blickt' er noch lange Nach der Stätte, wo sie vor ihm stand, und hörte noch immer, Was die Erscheinung sprach, noch immer Worte des Lebens. Innig gerührt, gerühret in seiner ganzen Seele War Bethoron. Er hatte gehört, ihn liebte der Mittler Dennoch, obwol er vordem sich weigerte, Jünger zu werden, Jünger Dessen, der nun war auferstanden, Erstandne Sendete seinen Geliebten, die sie mit den Freuden des Himmels Ueberschütteten. »Ich noch jetzo geliebt? Das könnt' ich, Das, das wähnen?« So blutet sein Herz. In einsamer Laube Sah ihn Lazarus sonder Trost und konnt' ihn nicht trösten. Aber Bethoron verließ die Laube und ging in des Gartens Gängen mit Pilgern umher, in des Wäldchens Gängen mit diesen Unbekannten, die Sterbliche sein, Unsterbliche konnten Sein und erschienen, erscheinen wollen den Uebrigen allen, Aber ihm nicht! Er sprach mit Einigen, wandte sich wieder Weinend weg und hörte nur an, was mit Andern sie sprachen. Jetzo ging er mit Gerson aus Paros; der war Elihu, Hiob's Freund. Bethoron erzählt, so wollt' es Elihu, Von den Thaten des Herrn, da er noch in dem Leben die Lehren Gottes lehrte, bestätigte noch durch Wunder die Lehren Gottes. Und einmal rief Elihu: »O Selige, die er Sich zu Zeugen erkor!« Bethoron durchdrang es die Seele, Und er glaubt', an Gerson zu sehn, er wäre kein Pilger. Gerson wendete sich zu seinen Gefährten. »Die Blicke,« Dachte Bethoron bei sich, »und diese Stimme, zuweilen Voller Laute, wie sonst ich keine Laute nicht kenne! Diese Worte der Kraft, der Wahrheit! Aber was sinn' ich Ueber ihn nach und quäle mein Herz? O, sei nur, Du Fremdling, Sei ein Sterblicher, sei, ach, kein Unsterblicher! Gerson, Kehre wieder! Er kehrt nicht wieder. Er will mir Verlassnen Nicht erscheinen!« Bethoron war unvermerkt an dem Bache, Welcher das Grab Maria's umfloß, hinuntergegangen. Und dem Einsamen kam ein anderer Fremdling entgegen, Nahm ihm die Hand und wurde sein Freund. Da ergoß sich Bethoron's Traurende Seele; da sprach er von Christus' Beruf und von seiner Weigerung, sprach von Allem, was ihm sein Innres durchdränge. Ob der Mittler ihn wol noch liebte? Das nicht! ihm vergäbe? Und, wenn er ihm vergäbe ... »Wer bist Du, Pilger? wofern Du Einer der Himmlischen bist, ach, einer der Seligen Gottes, Die des Versöhners Zeugen erscheinen, so (laß Dich erflehen) Wende nicht weg dies Auge voll Liebe, so habe Du Mitleid Mit mir Armen – ich flehe Dich nicht um himmlischen Lohn an; Aber um Mitleid fleh' ich Dich an – so erbarme Dich meiner, Bote Gottes, erhabener Jüngling, mein Freund – o, Du sagtest Mir ja selber, Du wärest mein Freund – kaum wag' ich, es endlich Auszusprechen, warum ich Dir fleh': so erscheine mir, Bote Dessen, der auferstand, und der mich Armen zum Jünger Auserkor, und dem ich nicht folgte!« Jedidoth vermochte Länger sich nicht zu halten, er fiel um den Hals ihm und weinte Lange mit ihm, bis endlich Bethoron mitten in Strahlen Niedersank, und Himmel und Erd' um den Glücklichen schwanden. Semida kehrte mit Cidli zurück von dem Hesperus. Engel Leiteten sie zu dem Grabe der schlummernden Freundin, zu Mirjam's Blüthenumduftetem Grab, und den Lauben des himmlischen Bruders. Bald versammelten sich um die wiedergekommenen Wandrer Auferstandene. »Singet uns,« rief der Glücklichen einer, »Neuen Gesang von der Wonne des Liebenden und der Geliebten!« Ton wie der Laute klang nun und Ton wie der Flöte. Die Pilger Höreten Hall aus der Fern' und wußten nicht, was sie vernahmen. Säuseln im Laube war es doch nicht, nicht rieselnde Quelle; Schien es gleichwol bisweilen zu sein. Sie zweifelten, riethen, Zweifelten wieder und winkten sich zu und geboten sich Stille; Kaum erhob sich noch mit leisem Wallen ihr Athem. S. »Cidli, wie froh bist Du! Ich ahndet' es wol, daß die Zukunft Freuden strömte, wie wir, verwandelt, zuerst sie empfanden. Schön ist die Welt, ist schöner mir, wenn Du es, Cidli, wie ich fühlst!« C. »Schön ist der Abendstern, ist schöner mir, wenn Du's wie ich fühlst, Semida, schöner sind mir alsdann die steigenden Tage Und die sinkenden, schöner die unbegleiteten Sonnen.« S. »Sterne sind (ich beginne schon es zu hören) im Einklang; Reiner ist die Musik der Unsterblichen, als wir sie kannten, Ist erschütternder, ist Erschafferin der Entzückung; Cidli und Semida hat Harmonie zu Wonne vereinet.« C. »Auch dem Hesperiden ward die Begeistrung der Liebe; Aber wie Semida kann er nicht und wie Cidli nicht lieben.« S. »Hesperid', es erwachen Dir viel' der seligen Tage; Aber Du hast Dich noch nicht von der ersten Bildung erhoben. Deine Seele vernimmt durch sieben Sinne; der unsern Thut die Schöpfung weiter sich auf durch mehr der Gehilfen. Und ward Deinen Sinnen die Kraft, die unsre beseelet? Kannst Du so ferne wie wir die Blume sehen, so ferne Rauschen hören den Bach, der die Wurzel tränket des Laubes?« C. »Als mit der Sterblichen Aug' ich die Blumen noch sahe, da weint' ich Leidende noch, ich weinete mich und die Blume, die welkte; Aber als Semida nun, zum Frühlingsmorgen erschaffen, Mich umarmte ...« Sie schwieg. Denn an einer entblätterten Palme Sahe sie ihre Mutter, die, überlastet von Kummer, Niedergesunken war. Die Tochter hielt sich nicht, strahlte Schnellerscheinend zu ihr hinunter in ihrer ganzen Herrlichkeit. Ebenso schleunig starb vor Freude die Mutter. »Sehr glückselig würden auch mich,« antwortete Semno, »Säh' ich sie, Todtenerscheinungen machen; allein, daß der Mittler Auferstand, davon mich zu überzeugen, bedarf ich Ihrer nicht. Ich weiß es.« »Ich kenne,« sprach der Erstandne, Aber der jetzt ein Pilger nur war, »die feste Gewißheit Deines Geistes, die Stille, mit der Du Dinge, bei deren Anblick uns, wie im Sturme das Meer, die Seele sich hebet, Untersuchst.« Der Unsterbliche schwieg. So entschloß er zuletzt sich: »Nein, ich enthülle mich nicht. Ihn möchte, wie stark auch sein Geist ist, Dennoch mit ihrem Himmel zu sehr die Erscheinung erschüttern, Und er verlöre vielleicht durch weniger seliger Stunden Wonnetrunknen Genuß die Ruhe des längeren Lebens.« Unterdeß stand der Versöhner auf Tabor's Höhen und legte Richtend That, Absicht auf die Wagschal', wog; auch sah er, Welche Seligkeit Denen ward, die bei Lazarus weilten. Bersebon, Einer der Zehn, die der Mittler heilte vom Aussatz, Aber der dankbar allein zurückkam, hörete, näher Jener umlagerten Palme, der Gidith Stimme, der Harfe Und der vereinten Asoor. Mit trunkenem Ohre, mit süßer Ueberwallung der Freude vernahm er der innigen Töne Gang und Verhalt, und schnelle geflügelte Bilder umschwebten Ihm die Seele; bald aber erblicket' er sehendes Auges Bei der Palme, doch sie wie in helle Nebel gehüllet, Leuchtende Menschengestalten, und immer, da er sie sahe, Wurde das Harfengetön ihm lieblicher, himmlischer immer. Schrecken der Freude faßt' ihn, als eine der edlen Gestalten Ihm sich nähert' und ihm die Hand ergriff und ihn führte In das helle Gewölk. Da er in dem Gewölk ist, eröffnet Ihm sich weitres Gefild, und Licht, wie er niemals noch sahe, Schwebt auf dem frohen Gefild. Ein Unsterblicher redete, sagte: »Brich uns von jenen Palmen!« Er ging und zittert' und brachte Jedem einen wehenden Zweig. Der Unsterblichen einer Gab ihm den seinigen. Da verließ das Schrecken der Freude Bersebon, und er redet': »Ihr seid von dem Himmel gekommen?« U. »Sind aus Gräbern gekommen. Wir sind erstandene Todte.« B. »Hat Euch Der aus dem Grabe geweckt, der mich von dem nahen Tode zurückrief?« U. »Christus hat uns, da er starb, aus der Erde Zu dem unsterblichen Leben gerufen.« B. »Weilt Ihr noch lange Auf der Erde?« U. »Nicht länger als Der, so vom Tod uns erweckte.« B. »Geht Ihr mit Christus gen Himmel?« U. »Wir gehn mit Christus gen Himmel.« B. »Wird der Versöhner Gottes nun bald die Erde verlassen, Bald sich gen Himmel erheben?« U. »Wir wissen es nicht.« B. »O, verzeiht mir, Himmlische, daß ich noch immer mich unterwinde, zu fragen! Sterb' ich bald?« U. »Wir wissen es nicht.« B. »Wie war, da vom Tode Ihr erwachtet, wie war es Euch da?« U. »Wie es Adam die Stunde Seiner Schöpfung war. Einst rufet auch Dir die Posaune!« Mit den Worten verschwand die Todtenerscheinung, und sprachlos Blieb er noch lange stehn und sah noch immer sich weit um Nach den Todten und sah die Palme nicht wehn, wo die Harfe Scholl und die Gidith, vernahm der goldenen Saite Gesang nicht. Also feierten sie in Lazarus' Garten der Freundschaft Fest, Unsterbliche feirten es so mit ihnen. Sie dachten Sich zu erheitern, und da ward ihnen Freude des Himmels. Wenn wir sterben, empfahen wir so. Wir hoffen, vom Elend Auszuruhen, und uns wird Wonne Gottes gegeben!