Schwangesang 1775. Endlich stehn die Pforten offen. Endlich winket mir das Grab, Und nach langem Fürchten, Hoffen, Neig' ich mich die Nacht hinab. Ausgemacht sind nun die Tage Meines Lebens. Milde Ruh' Drückt nach ausgeweinter Klage Mir die müden Wimper zu. Auge, schleuß dich! Strahl der Sonne, Wecke nicht den Schlummrer mehr. Meine Uhr ist ausgeronnen. Meines Lebens Brunn ist leer. Durchgerannt sind meine Schranken, Durchgekämpfet ist mein Kampf. Seht, der Erde Pfeiler wanken, Seht, die Welt verwallt wie Dampf. Dunkel wird mein Blick, und trübe, Taub mein Ohr, und starr mein Herz. In ihm klopft nicht mehr die Liebe, In ihm bebt nicht mehr der Schmerz. Ausgeliebet, ausgelitten Hab' ich, und die Leidenschaft Tobt nicht mehr, und abgeschnitten Dorrt mein Reben, eis't mein Saft. Oeffne deines Dunkels Pforten, Oeffne, Engel Tod, sie nun! Lange will ich, lange dorten Bei dir in der Kammer ruh'n. Sanft geräuschlos, kühl und stille Soll's in deiner Kammer seyn. O, so eile, Trauter, hülle In dein Schlafgewand mich ein. Die mich gern und liebend schauten, Mond und Sonne, lebet wohl! Die mir süße Wehmuth thauten, Früh und Spatroth, lebet wohl! Lebet wohl, ihr Saatenfelder, Du, mein Tausendschönchenthal, Düstre feierliche Wälder, Bäch' und Hügel allzumal! Die ihr zärtlich mich umschlanget, Mit mir theiltet Weh und Wohl, Mit mir kämpftet, mit mir ranget, Lebet, Freunde, lebet wohl! Die du meinen Staub erschufest, Und ihn heut' in deinen Schooß, Mutter Erde, wieder rufest, Hüll' ihn sanft und störunglos! Ewig wird die Nacht nicht dauern, Ewig dieser Schlummer nicht. Hinter jener Gräber Schauern Dämmert mir ein neues Licht. Aber bis das Licht mir funkle, Bis der junge Tag erwacht, Steig' ich ruhig in die dunkle, Stille, kühle Schlummernacht!